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Verlassene Schaukel

Quelle: © PantherMedia / N_u_T (YAYMicro)

Auslandsumzug und Kindesentführung

Auskunft dazu, unter welchen Voraussetzungen ein Elternteil mit einem Kind ins Ausland verziehen darf, welche Möglichkeiten es bei Uneinigkeit der Eltern gibt, wann eine Kindesentführung nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen vorliegt und welche Folgen dies hat.

Was ist eine Kindesentführung?

"Kindesentführung" ist ein juristischer Begriff des Zivilrechts. Die Kindesentführung umfasst zwei Situationen:

  • Widerrechtliches Verbringen: Ein Kind wird von einem Staat, in dem es seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, in einen anderen Staat verbracht, ohne dass sämtliche Personen, die das Sorgerecht für das Kind haben, darüber entschieden haben. Wenn z.B. nach einer Trennung ein Elternteil mit dem Kind den Staat verlässt, in dem die Familie bislang gewohnt hat, und in einen anderen Staat umzieht, ist dies eine Entführung, wenn der andere Elternteil mitsorgeberechtigt ist und dem Umzug in das Ausland nicht zugestimmt hat. Hierfür genügt es auch, dass dieser erst gar nicht gefragt worden ist.
  • Widerrechtliches Zurückhalten: Ein Kind hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat und befindet sich eine Zeitlang in einem anderen Staat, wobei dies aufgrund der Entscheidung sämtlicher sorgeberechtigter Personen der Fall ist. Nach Ablauf dieser Zeitspanne sorgt diejenige Person, bei der das Kind sich befindet, nicht dafür, dass das Kind wieder in den anderen Staat zurückkehrt. Hierunter fällt z.B. wenn ein Kind einen Elternteil für die Dauer der Sommerferien in einem anderen Staat besucht und dieser Elternteil das Kind nach Ferienende bei sich behält.

Derartige Kindesentführungen finden meist, aber nicht zwingend, zwischen zwei Elternteilen statt.

Sind die Voraussetzungen nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommens gegeben, kann die Person, dessen Sorgerecht verletzt worden ist, einen Antrag auf Rückführung des Kindes in den anderen Staat stellen. Es kommt hierbei nicht darauf an, ob der entführenden Person bewusst war, dass ihr Handeln gegen das Recht verstößt.

 

Wie kann im Fall eines Auslandsumzugs eine Kindesentführung vermieden werden? 

Wird der Umzug des Kindes in einen anderen Staat angedacht, ist besondere Vorsicht geboten. Es sollten bereits in der frühen Phase der ersten Überlegungen eines Auslandsumzugs des Kindes folgende Fragen sorgfältig geprüft werden:

  • Welche Person entscheidet bzw. welche Personen entscheiden zusammen über den Auslandsumzug? Ist dies durch eine gerichtliche Entscheidung geregelt oder durch Gesetzeslage? Informationen zu den Gesetzeslagen in EU-Staaten finden sich unter https://beta.e-justice.europa.eu/289/DE/movingsettling_abroad_with_children externer Link, öffnet neues Browserfenster / neuen Browser-Tab
    So haben z.B. Eltern, die die gemeinsame Sorge für ein Kind nach deutschem Recht innehaben, über einen Umzug des Kindes in das Ausland gemeinsam zu entscheiden.
  • Sind alle Personen, die über den Auslandsumzug des Kindes zu entscheiden haben, hiermit einverstanden? Auch wenn ein Einverständnis keiner besonderen Form bedarf, ist anzuraten, eine eindeutige schriftliche Erklärung aufzusetzen, damit es nicht anschließend zum Streit kommt.

Ist eine (mit-) sorgeberechtigte Person nicht mit dem Auslandsumzug einverstanden, kann, wenn der Wunsch nach dem Auslandsumzug aufrechterhalten wird, bei den Gerichten des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes ein sorgerechtliches Verfahren geführt werden. Dieses ist gerichtet auf Übertragung der Entscheidungsbefugnis über den Auslandsumzug auf die Person, die möchte, dass das Kind umzieht. Wird dieser Person dann diese alleinige Entscheidungsbefugnis insoweit übertragen, kann sie nun über den Auslandsumzug alleine entschieden. Der anschließend durchgeführte Umzug des Kindes in das Ausland ist legal. 

Auf keinen Fall sollte, wenn man insoweit nicht alleinentscheidungsbefugt ist, der Umzug des Kindes ohne Zustimmung der alleine oder mitentscheidungsbefugten Person durchgeführt werden. Es kann sich bei Situationen, die umgangssprachlich als "Kindesmitnahme" bezeichnet werden, um eine Kindesentführung im juristischen Sinne mit weitreichenden zivilrechtlichen und daneben auch strafrechtlichen Folgen für die entführende Person handeln. Eine Kindesentführung kann erhebliche weitreichende juristische Konsequenzen haben und bedeutet eine besondere Belastung für das Kind und die gesamte Familie, die es unbedingt zu vermeiden gilt.

 

Wann besteht ein Anspruch auf Rückführung des Kindes nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen?

Das Haager Kindesentführungsübereinkommen kommt im Fall seiner Anwendung zwischen Deutschland und dem anderen Staat, aus dem bzw. in den das Kind entführt worden ist, zur Geltung. Dies ist mit vielen, nicht aber mit allen Staaten der Welt, der Fall (Nähere Informationen) .

Das Übereinkommen gibt für den Fall, dass ein Kind, das das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, von dem Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts widerrechtlich in einen anderen Vertragsstaat verbracht wird oder dort widerrechtlich zurückgehalten wird, der in ihrem Sorgerecht verletzten Person das Recht, die Rückführung des Kindes in den Staat zu verlangen, aus dem das Kind entführt worden ist. Dies kann z.B. ein mit einem mitsorgeberechtigen Elternteil nicht abgesprochener Umzug des Kindes in das Ausland sein oder eine Nichtherausgabe des Kindes nach einem abgesprochenen Ferienaufenthalt bei einem Elternteil im Ausland.

Dieser Rückführungsanspruch besteht nur ausnahmenweise dann nicht, wenn die entführende Person im Einzelnen darlegt und im Fall des Bestreitens durch die Gegenseite beweist, dass einer der wenigen und eng auszulegenden Ausnahmetatbestände der Artikel 12, 13 und 20 Haager Kindesentführungsübereinkommens vorliegt. Ein solcher kommt z.B. in Frage, wenn die Rückführung des Kindes in den anderen Staat mit einer schwerwiegenden Gefahr des körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden wäre (Art. 13 Abs. 1b Haager Kindesentführungsübereinkommen) oder wenn das Kind sich der Rückgabe widersetzt und es das Alter und die Reife hat, angesichts dessen es angebracht erscheint, seine Meinung zu berücksichtigen (Art. 13 Abs. 2 HKÜ Haager Kindesentführungsübereinkommen).

Im Fall einer Entführung zwischen zwei EU-Staaten außer Dänemark sind wichtige europarechtliche Sonderregeln zu beachten: Ist das Verfahren ab dem 01.08.2022 eingeleitet worden, finden sich diese in Art. 22 ff. Brüssel IIb-Verordnung. Diese neuen Regelungen sind viel detaillierter und unterscheiden sich auch teilweise von den Regelungen des Art. 11 Brüssel IIa-Verordnung, die für Verfahren gelten, die vor dem 01.08.2022 eingeleitet worden sind (Nähere Einzelheiten ).

Wann sind deutsche Gerichte international zuständig?

Über einen Antrag auf Rückführung nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen entscheiden deutsche Gerichte, wenn das Kind sich aktuell, also nach der behaupteten Entführung, in Deutschland befindet. 

Welches Gericht ist in Deutschland örtlich zuständig?

Die örtliche Zuständigkeit liegt bei spezialisierten Amtsgerichten, in Nordrhein-Westfalen bei den Amtsgerichten Düsseldorf, Hamm und Köln, wenn das Kind sich im Bezirk des jeweiligen Oberlandesgerichts befindet. Einzelheiten ergeben sich aus § 11 IntFamRVG.

Hier hilft die Adressdatenbank .

Gibt es Unterstützungsmöglichkeiten bei der Antragstellung?

Die Person, deren Sorgerecht verletzt ist, hat die Möglichkeit, die Unterstützung der Zentralen Behörden in Anspruch zu nehmen. Dies sind staatliche Stellen, die in den Vertragsstaaten des Haager Kindesentführungsübereinkommens eingerichtet sind, um bei der Geltendmachung von Rechten aus dem Übereinkommen zu unterstützen. In Deutschland ist das Bundesamt für Justiz die Zentrale Behörde. Nähere Informationen finden sich auf der Seite des Bundeamtes für Justiz . Dort werden auch hilfreiche Formulare  zur Verfügung gestellt.

Gibt es Alternativen zu einem gerichtlichen Verfahren?

Einvernehmliche elterliche Lösungen liegen regelmäßig im Interesse des Kindes. Eltern sollten sich deswegen bereits im Stadium der Planung eines Auslandsumzugs beraten lassen und die Möglichkeit einer elterlichen Einigung sorgfältig ausloten. Aber auch noch im Anschluss an eine Kindesentführung und selbst parallel zu einem Gerichtsverfahren ist die Suche nach einer einvernehmlichen Lösung anzustreben.

Es können kostenfreie Beratungen durch das örtliche Jugendamt und, je nach den Gegebenheiten vor Ort, freien und kirchlichen Beratungsstellen in Anspruch genommen werden. Die auf internationale Kindschaftskonflikte spezialisierten Organisationen "Zentrale Anlaufstelle für grenzüberschreitende Kindschaftskonflikte und Mediation"(ZAnK)  im Internationalen Sozialdienst und der Verband binationaler Familien und Partnerschaften bieten ebenfalls Auskunft an. Das "Internationale Mediationszentrum für Familienkonflikte und Kindesentführung " berät kostenfrei rund um das Thema Mediation bei grenzüberschreitenden Familienkonflikten und internationaler Kindesentführung und vermittelt an Mediatoren, die auf internationale Familienmediation spezialisiert sind.

Kommt es zu einer Elternvereinbarung, ist sorgfältig zu prüfen, ob es zur Absicherung der Einigung der Einschaltung des Familiengerichts bedarf, damit das Geeinigte in allen betroffenen Staaten gilt.

Welche Möglichkeiten bestehen, wenn das Kind aus Deutschland in einen Staat entführt worden ist, der nicht Vertragsstaat des Haager Kindesentführungsübereinkommens ist?

Die Möglichkeit, eine Rückführung des Kindes nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommens zu beantragen, bestehen nicht, wenn das Kind sich nach Entführung in einem Staat befindet, der nicht Vertragsstaat des Haager Kindesentführungsübereinkommen ist. Es bleiben die Möglichkeiten, eine Entscheidung gerichtet auf Herausgabe des Kindes in Deutschland zu beantragen, die dann – abhängig von dem dortigen Recht – gegebenenfalls im Ausland vollstreckt werden kann. Auch kann versucht werden, im Ausland zivilrechtlich gegen die Entführung vorzugehen. Besonders wichtig ist in diesen Fällen, eine gütliche Einigung anzustreben, insbesondere im Wege einer spezialisierten Mediation (dazu siehe oben).