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I) Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 29.11.2022 – 4 Ca 4218/22 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt neu gefasst:
1) Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Zug um Zug gegen Rückgabe des mit Datum vom 24.01.2022 erteilten Zeugnisses ein neues Zeugnis auf Geschäftspapier gedruckt zu erteilen, in welchem folgende Formulierungen ersetzt werden:
a) Seite 1 (letzter Absatz): „Er hat sich engagiert in den ihm gestellten Aufgabenbereich eingearbeitet und verfolgte die vereinbarten Ziele nachhaltig.“
ändern in:
„Er hat sich engagiert in den ihm gestellten Aufgabenbereich eingearbeitet und verfolgte die vereinbarten Ziele nachhaltig und erfolgreich.“
b) Seite 2 (Dritter Absatz): „Herr F galt als Führungskraft, die es verstand, seine Mitarbeiter zu fördern, zu informieren und Aufgaben und Verantwortung zu delegieren.“
ändern in:
„Wir schätzen Herrn F als engagierte Führungskraft, die es verstand, seine Mitarbeiter zu fördern, zu informieren und Aufgaben und Verantwortung in angemessenem Umfang zu delegieren.“
2) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II) Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.
III) Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten über die Berichtigung eines erteilten Arbeitszeugnisses.
3Der am 1989 geborene Kläger war bei der Beklagten vom 01.03.2016 bis zum 30.09.2021 zuletzt als operativer Niederlassungsleiter am Standort Fr bei einer durchschnittlichen monatlichen Bruttovergütung von 5.947,00 € beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch ordentliche Eigenkündigung des Klägers.
4Bereits mit Datum vom 30.04.2019 erteilte die Beklagte dem Kläger aufgrund einer erfolgten Beförderung vom Business Development Manager zum Niederlassungsleiter ein Zwischenzeugnis. In dem Zwischenzeugnis heißt es zu den Arbeitsleistungen des Klägers wörtlich:
5„Er verfügt über ein äußerst umfassendes und hervorragendes Fachwissen, das er zur Bewältigung seiner Aufgaben stets sehr sicher und erfolgreich einsetzte. Herr F hat sich innerhalb kürzester Zeit in den ihm gestellten Aufgabenbereich eingearbeitet und die Vertriebsabteilung unseres Standortes maßgeblich mitgestaltet. Er verfolgte die vereinbarten Ziele nachhaltig und mit höchstem Erfolg, so dass er binnen kürzester Zeit zu unserem besten Vertriebsmitarbeiter aufsteigen konnte. Zudem war er äußerst zuverlässig und sein Arbeitsstil war stets geprägt durch sehr sorgfältige Planung und Systematik. Dabei war er auch höchstem Zeitdruck sowie Arbeitsaufwand stets gewachsen. Herr F beeindruckte uns stets durch qualitativ und quantitativ hervorragende Ergebnisse.
6Aufgrund seiner hervorragenden Leistungen für unser Unternehmen sowie seinem äußerst umfassenden und hervorragenden Fachwissen wird Herr F zum 01.05.2020 innerhalb des Unternehmens wechseln und in Folge als operativer Niederlassungsleiter für den Standort Fr tätig sein.“
7Im Januar 2022 erteilte die Beklagte dem Kläger ein auf das Beendigungsdatum des Arbeitsverhältnisses datiertes Endzeugnis mit folgendem Inhalt:
8„Herr T F , geboren am 1989, war in der Zeit vom 01.03.2016 bis zum 30.04.2020 in der Fa W GmbH als Vertriebsmitarbeiter im Innen- und
9Außendienst beschäftigt. Ab dem 01.05.2020 bis zum 30.09.2021 übernahm er die Position als operativer Niederlassungsleiter in der Disposition.
10Die Fa W GmbH ist ein inhabergeführtes, auf nationale und europaweite Straßentransporte in Form von Direkt- und Sonderfahrten in allen Fahrzeugklassen sowie Teil- und Komplettladungen spezialisiertes ISO-zertifiziertes ausgerichtetes Speditionsunternehmen. Zudem verfügt das Unternehmen über ein umfassendes Logistiksystem für kurzfristige Auftragsvermittlungen mit Hauptsitz in Fr bei K und den Niederlassungen in W und L .
11Zu seinen Aufgaben gehörten im Vertrieb insbesondere:
12- vertrieblicher Ausbau der Niederlassung Fr
13- Gewinnung regionaler Neukunden
14- Gewinnung überregionaler Kunden nach Absprache mit der Vertriebsleitung
15- Stammdatenpflege und Dokumentation von Kunden- besuchen
16- wöchentliches Reporting an die Vertriebsleitung
17Zu seinen Aufgaben als Niederlassungsleiter in der Disposition gehörte insbesondere:
18- Optimierung, Steuerung und Kontrolle der Speditions- prozesse und operativen Abläufen
19- Betreuung von Schlüsselkunden und Ausbau des Neu- kundengeschäftes
20- Sicherstellung der reibungslosen Implementierung von Neukunden
21- Personalführung, Urlaub- und Ersatzplanung des kauf- männischen Personals
22- Vorauswahl geeigneter Kandidaten (Disposition sowie Vertrieb)
23- Auswahl fester Unternehmer
24- Bearbeitung von Tagespreisanfragen und langfristigen Kontrakten
25- Überwachung und Einhaltung von QM-Maßnahmen
26- Schnittstelle zwischen Buchhaltung / Geschäftsführung und Disposition
27- Durchführung und Organisation von protokollierten Mit- arbeiter- und Teambesprechungen
28Herr F verfügt über ein umfassendes und gutes Fachwissen, das er zur Bewältigung seiner Aufgaben sehr sicher und erfolgreich einsetzte. Er hat sich engagiert in den ihm gestellten Aufgabenbereich eingearbeitet und verfolgte die vereinbarten Ziele nachhaltig.
29Mit einem guten Blick für das Wesentliche führte er seine Aufgaben immer planvoll, methodisch und gründlich aus.
30Auch bei sehr hohem Arbeitsanfall erwies sich Herr F als belastbarer Mitarbeiter und ging überlegt, ruhig und zielorientiert vor.
31Herr F galt als Führungskraft, die es verstand, seine Mitarbeiter zu fördern, zu informieren und Aufgaben sowie Verantwortung zu delegieren.
32Er hat seine Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt und unseren Erwartungen in jeder Hinsicht gut entsprochen.
33Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Externen war einwandfrei.
34Herr F verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch.
35Wir danken Herrn F für seine wertvolle Mitarbeit und bedauern es, ihn als Mitarbeiter zu verlieren. Für seinen weiteren Berufs- und Lebensweg wünschen wir ihm alles Gute und auch weiterhin viel Erfolg.
36Fr , 30.09.2021“
37Das Zeugnis umfasst zwei DIN-A4 Seiten, wovon die erste Seite auf Firmenbriefpapier gedruckt ist und die zweite Seite auf neutralem Papier.
38Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe einen Anspruch darauf, dass ihm in der Leistungsbeurteilung attestiert werde, er habe die vereinbarten Ziele nachhaltig und erfolgreich verfolgt. Ließe man die Formulierung „erfolgreich“ weg, so indiziere dies, der Kläger hab ihm gesetzte Ziele nicht erreicht. Dies treffe nicht zu und erhalte zudem eine derart negative Bewertung, dass die Beklagte verpflichtet sei, eine solche Schlechtleistung durch ihn zu beweisen.
39Dasselbe gelte für die Formulierung, er habe Aufgaben und Verantwortung delegiert. Hier sei zwingend zu ergänzen, dass er dies in angemessenem Umfang getan habe. Die Bewertung sei ansonsten geeignet, den Eindruck zu erwecken, er sei faul gewesen und habe Aufgaben in unangemessener Weise delegiert. Dies treffe nicht zu.
40Das neue Zeugnis sei zudem vollständig und nicht nur mit der ersten Seite auf Firmenbriefpapier auszustellen.
41Der Kläger hat beantragt,
421.) die Beklagte zu verurteilen, ihm Zug und Zug gegen Rückgabe des mit Datum vom 24.01.2022 erteilten Zeugnisses ein neues Zeugnis vollständig auf Geschäftspapier gedruckt zu erteilen, in welchem folgende Formulierungen ersetzt werden:
43a.) Seite 1 (letzter Absatz): „Er hat sich engagiert in den ihm gestellten Aufgabenbereich eingearbeitet und verfolgte die vereinbarten Ziele nachhaltig.“
44ändern in:
45„Er hat sich engagiert in den ihm gestellten Aufgabenbereich eingearbeitet und verfolgte die vereinbarten Ziele nachhaltig und erfolgreich.“
46b.) Seite 2 (Dritter Absatz) „Herr F galt als Führungskraft, die es verstand, seine Mitarbeiter zu fördern, zu informieren und Aufgaben und Verantwortung zu delegieren“
47ändern in:
48„Wir schätzten Herrn F als engagierte Führungskraft, die es verstand, seine Mitarbeiter zu fördern, zu informieren und Aufgaben und Verantwortung im angemessenen Umfang zu delegieren“.
49Die Beklagte hat beantragt,
50die Klage abzuweisen.
51Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass das erteilte Zeugnis rechtlich nicht zu beanstanden sei. Die dort aufgeführte gute Gesamtbeurteilung sei bereits ein gewichtiges Entgegenkommen gewesen, da der Kläger keinesfalls vollumfänglich gute Arbeitsleistungen erbracht habe. So habe es seitens einiger Mitarbeiter massive Beschwerden gegen den Kläger und dessen Führungsverhalten gegeben. Einige Mitarbeiter hätten aufgrund dessen sogar gedroht, das Unternehmen zu verlassen. Die Mitarbeiter hätten sich u.a. über unklare Arbeitsanweisungen und eine willkürlicheSchichteinteilung durch den Kläger beschwert. Zudem sei der Kläger gerade gegen Ende des Arbeitsverhältnisses hauptsächlich mit seinem privaten Hausbau beschäftigt gewesen und habe daher betriebliche Aufgaben vernachlässigt. Die Beurteilung sei insgesamt gut, wolle der Kläger wie hier eine bessere Benotung erreichen, so obliege ihm hierfür die Darlegungs- und Beweislast.
52Mit Urteil vom 29.11.2022 hat das Arbeitsgericht der Klage vollumfänglich stattgegeben, im Wesentlichen mit folgender Begründung:
53Die Klage sei zulässig. Insbesondere sei der Berichtigungsantrag hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Absatz 2 Nr. 2 ZPO, da die Beklagte ohne weiteres erkennen könne, welche Berichtigungen sie im Falle eines Obsiegens des Klägers vorzunehmen habe.
54Die Klage sei auch begründet. Der Kläger habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Berichtigung des erteilten Zeugnisses. Dieser Anspruch folge aus § 109 GewO. Hinsichtlich des Darlegungslast gelte, dass diese beim Arbeitgeber liege, sofern er dem Arbeitnehmer nur eine „ausreichende“ oder noch schlechtere Bewertung zukommen lassen wolle. Daraus folge, dass bei mangelndem Vortrag oder Beweisfälligkeit beider Parteien im Prozess ein Zeugnis mit durchschnittlicher, „befriedigender“ Bewertung ausgeurteilt werden müsse. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze habe der Kläger einen Anspruch auf der zwei von ihm monierten Passagen des erteilten Arbeitszeugnisses.
55Zum einen habe er einen Anspruch darauf, dass ihm attestiert werde, dass die von ihm erfüllten Aufgaben „erfolgreich“ absolviert worden seien. Für die gegenteilige Auffassung sei die Beklagte beweisbelastet. Dies folge zum einen aus der Bindungswirkung des Zwischenzeugnisses sowie aus den dargelegten Grundsätzen der Beweislastverteilung. Dieser Darlegungs- und Beweislast sei die Beklagte nicht hinreichend nachgekommen. Ihre diesbezüglichen Behauptungen seien zu pauschal.
56Darüber hinaus habe der Kläger auch einen Anspruch auf die Formulierung, dass er Aufgaben in angemessenem Umfang delegiert habe. Auch hier sei die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht ausreichend nachgekommen. Ihr Vortrag verliere sich in Allgemeinplätze ohne konkreten Bezug zur streitigen Zeugnisformulierung.
57Zuletzt stehe dem Kläger auch ein Anspruch darauf zu, dass das berichtigte Zeugnis vollständig auf Firmenpapier der Beklagten gedruckt werde. Soweit der Arbeitgeber in seiner externen Kommunikation ausschließlich solches Firmenpapier verwende, sei anerkannt, dass auch ein Arbeitszeugnis auf solchem Firmenpapier zu erstellen sei. Dies gelte für jede Seite des Zeugnisses.
58Gegen das der Beklagten am 09.01.2023 zugestellte Urteil richtet sich deren am 11.01.2023 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung, die sie am 13.03.2023 innerhalb der bis zum 19.03.2023 verlängerten Berufungsbegründungsfrist unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags im Wesentlichen wie folgt begründet:
59Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Formulierung, dass er die von ihm erfüllten Aufgaben „erfolgreich“ absolviert habe. Seit der Erstellung des Zwischenzeugnisses vom 30.04.2019 habe er die ihm gesetzten Ziele dauerhaft nicht erreicht. Mit seinem Team habe er mehrfach die sogenannte „große Prämie“ erreichen. 2020 seien die klägerischen Ergebnisse jedoch signifikant schlechter geworden. Kein einziges Mal sei mit seinem Team die große Prämie erreicht worden. Das Team habe lediglich 11mal die „kleine Prämie“ und einmal die Ziele überhaupt nicht erreicht. Dieser Negativtrend habe sich in 2021 fortgesetzt und sich noch verschlechtert. In 2021 habe der Kläger die Zielvorgaben 4mal und die „kleine Prämie“ 3mal erreicht. Nach dem Weggang des Klägers habe das Team immer die „große Prämie“ erreicht. Anhand dieser Ergebnisse werde deutlich, dass der Kläger die von ihm vorgegebenen Ziele in den letzten 3 Jahren überwiegend nicht erreicht habe.
60Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf die Formulierung, dass er in angemessenem Umfang delegiert habe. Seiner Rolle als Führungskraft sei er nicht gerecht geworden. So habe er sich beispielsweise stets in der beliebten Frühschicht eingeteilt. Eine rollierende Besetzung sei nicht erfolgt. Diese habe das Team verärgert. Gleiches gelte für den Umstand, dass der Kläger regelmäßig freitags das Büro um die Mittagszeit verlassen und sein Team allein gelassen habe. Im Sommer 2021 habe er einen Termin mit dem Personalleiter absichtlich nicht wahrgenommen. Zudem habe es der Kläger hinsichtlich des flapsigen Umgangstons übertrieben, indem er zu einem Kollegen gesagt habe: „Grüß mir Deine Frau! Es war schön mit ihr.“ Einige Tage später habe er zu dem gleichen Kollegen gesagt: „Grüß mir Deine Tochter“. Damit habe er jeweils anklingen lassen, dass er mit beiden – auch der 4jährigen Tochter – sexuellen Kontakt gehabt habe. Im Frühjahr/Sommer 2021 sei es wiederholt zu solchen Bemerkungen gekommen.
61Die Beklagte beantragt zuletzt,
62das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 29.11.2022 – 4 Ca 4218/22 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
63Der Kläger beantragt,
64die Berufung zurückzuweisen.
65Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil, wiederholt und vertieft seine erstinstanzlichen Ausführungen und führt ergänzend aus:
66Es sei schlichtweg falsch, dass er seit der Erstellung des Zwischenzeugnisses die ihm gesetzten Ziele dauerhaft nicht erreicht habe. In den 29 Monaten, in denen er operativer Niederlassungsleiter gewesen sei, habe er für 14 Monate die „kleine Prämie“, für 11 Monate die „große Prämie“ und lediglich für 4 Monate keine Prämie erreicht. Im Jahr 2020 seien die Zielzahlen sehr hoch – um nicht zu sagen unerreichbar – gewesen. Der Einbruch im Jahr 2021 sei auf die Corona-Pandemie und den Lockdown zurückzuführen. Während Aufträge stark zurückgegangen seien, habe die Beklagte die Zielerreichung nicht angepasst.
67Dem Kläger stehe auch ein Anspruch auf Änderung der Führungsbewertung zu. Er habe die Frühschicht übernommen, da diese für seine Mitarbeiter unattraktiv gewesen sei. Tauschwünschen sei nur in Ausnahmefällen nicht entsprochen worden. Es habe sich aber bewehrt, dass der Kläger vor den anderen Mitarbeitern am Arbeitsort gewesen sei.
68Unzutreffend sei, dass der Kläger im Sommer 2021 einen Termin nicht wahrgenommen habe.
69Er habe zudem das Büro freitags nicht regelmäßig früher verlassen, sondern stets nur dann, wenn in Ausnahmefällen die Arbeit es zuließ.
70Die Kommentare bezüglich der Frau und der Tochter des Kollegen habe es nie gegeben.
71Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die ausweislich der Sitzungsprotokolle abgegebenen Erklärungen ergänzend Bezug genommen.
72E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
73Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber überwiegend unbegründet.
74I) Die Berufung ist zulässig.
75Sie ist an sich statthaft (§ 64 Absatz 1, Absatz 2 Buchstabe b) ArbGG und nach den §§ 519 ZPO, 64 Absatz 6 Satz 1 ArbGG, 66 Absatz 1 Satz 1 ArbGG am 11.01.2023 gegen das am 09.01.2023 zugestellte Urteil form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der nach § 66 Absatz 1 Satz 1, Satz 5 ArbGG verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 13.03.2023 ordnungsgemäß begründet worden.
76II) Die Berufung ist jedoch überwiegend unbegründet. Die Klage ist nämlich zulässig und überwiegend begründet.
771) Die Klage ist zulässig.
78Sie ist insbesondere hinreichend bestimmt.
79Nach § 253 Absatz 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Die Klagepartei muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung sie begehrt. Dazu hat sie den Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann (§ 322 ZPO). Sowohl bei einer der Klage stattgebenden als auch bei einer sie abweisenden Sachentscheidung muss zuverlässig feststellbar sein, worüber das Gericht entschieden hat (BAG vom 24.09.2014, 5 AZR 593/12).
80Für die Beklagte ist durch die Ausformulierung des gewünschten Zeugnistextes eindeutig erkennbar, welche Schuld sie im Falle der Verurteilung trifft. Der Antrag ist damit hinreichend bestimmt.
812) Die Klage ist zudem überwiegend begründet.
82Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Berichtigung des streitgegenständlichen Zeugnisses im nunmehr tenoriertem Umfang.
83Der Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses ergibt sich aus der Regelung des § 109 GewO.
84Ein Arbeitgeber erfüllt den Zeugnisanspruch, wenn das von ihm erteilte Zeugnis nach Form und Inhalt den gesetzlichen Anforderungen des § 109 GewO entspricht. Auf Verlangen des Arbeitnehmers muss sich das Zeugnis auf Verhalten und Leistung erstrecken (qualifiziertes Zeugnis), § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO. Dabei richtet sich der gesetzlich geschuldete Inhalt des Zeugnisses nach den mit diesem verfolgten Zwecken. Es dient dem Arbeitnehmer regelmäßig als Bewerbungsunterlage und ist insoweit Dritten, insbesondere möglichen künftigen Arbeitgebern, Grundlage für ihre Personalauswahl. Dem Arbeitnehmer gibt es zugleich Aufschluss darüber, wie der Arbeitgeber seine Leistung beurteilt. Daraus ergeben sich als inhaltliche Anforderungen der Grundsatz der Zeugniswahrheit und der in § 109 Abs. 2 GewO auch ausdrücklich normierte Grundsatz der Zeugnisklarheit (BAG vom 15.11.2011, 9 AZR 386/10; BAG vom 14.06.2016, 9 AZR 8/15). Im Rahmen der Zeugnisklarheit ist der Arbeitgeber grundsätzlich in der Formulierung frei, solange das Zeugnis nichts Falsches enthält (Zeugniswahrheit). Der Arbeitgeber entscheidet deshalb auch darüber, welche positiven oder negativen Leistungen er stärker hervorheben will als andere. Maßstab ist der eines wohlwollenden verständigen Arbeitgebers (BAG vom 12.08.2008, 9 AZR 632/07). Wird in einem qualifizierten Arbeitszeugnis im Sinne des § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO eine Leistungsbewertung aufgenommen, muss diese in sich konsequent sein. Werden beispielsweise die Einzelleistungen des Arbeitnehmers ausnahmslos als „sehr gut“ bewertet, so ist damit unvereinbar, dem Arbeitnehmer zusammenfassend zu bescheinigen, er habe nur zur „vollen Zufriedenheit“ gearbeitet (BAG vom 23.09.1992, 5 AZR 573/91; LAG Rheinland-Pfalz vom 20.01.2020, 3 Sa 256/19).
85Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast gilt, dass der Arbeitgeber darlegen – und notfalls beweisen – muss, wenn er dem Arbeitnehmer nur eine unterdurchschnittliche Leistung bescheinigen möchte (ErfK/Müller-Glöge, § 109 GewO Rn. 86 f.).
86Vorliegend wollte die Beklagte dem Kläger jedenfalls in den streitgegenständlichen Bereichen nur eine unterdurchschnittliche Leistung zusprechen. Wer Ziele zwar nachhaltig, aber nicht erfolgreich verfolgt und wer delegiert, aber nicht in angemessenem Umfang, der arbeitet unterdurchschnittlich.
87Nach den dargestellten Grundsätzen traf damit die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast. Dieser kam sie vorliegend nicht in ausreichendem Maße nach.
88a) Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihm im Zeugnis attestiert, die von ihm erfüllten Aufgaben „erfolgreich“ absolviert zu haben.
89Bei diesem Ergebnis waren zunächst die Formulierungen aus dem Zwischenzeugnis vom 30.04.2019 zu beachten.
90Unter dem Aspekt der Selbstbindung ist der Arbeitgeber gehalten, von getroffenen Bewertungen - insbesondere in einem Zwischenzeugnis - nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers abzuweichen, solange eine geänderte Tatsachengrundlage dies nicht rechtfertigt (BAG vom 16.10.2007, 9 AZR 248/07; BAG vom 21.06.2005, 9 AZR 352/04; LAG Rheinland-Pfalz vom 20.01.2020, 3 Sa 256/19). Die grundsätzliche Bindungswirkung ergibt sich zum einen aus den Grundsätzen von Treu und Glauben, daneben kann sie darauf beruhen, dass das Zeugnis Wissenserklärungen des Arbeitgebers zu Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers enthält, von denen er abrücken darf, wenn ihm nachträglich Umstände bekannt werden, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen (BAG vom 16.10.2007, 9 AZR 248/07; BAG vom 21.06.2005, 9 AZR 352/04). Um ihm gerecht zu werden, ist der Arbeitgeber für den Zeitraum, den das Zwischenzeugnis erfasst, grundsätzlich auch hinsichtlich des Inhalts des Endzeugnisses gebunden. Er kann vom Zwischenzeugnis abweichen, wenn die späteren Leistungen und das spätere Verhalten des Arbeitnehmers das rechtfertigen (BAG vom 16.10.2007, 9 AZR 248/07; BAG vom 21.06.2005, 9 AZR 352/04). Genügt das erteilte Zeugnis den dargelegten Anforderungen nicht, kann der Arbeitnehmer die Berichtigung des Arbeitszeugnisses oder dessen Ergänzung verlangen (BAG vom 12.08.2008, 9 AZR 632/07; BAG vom 15.11.2011, 9 AZR 386/10; LAG Düsseldorf vom 14.12.2021, 14 Sa 727/21).
91Noch im Zwischenzeugnis vom 30.04.2019 wurde dem Kläger bescheinigt, die vereinbarten Ziele nachhaltig und mit höchstem Erfolg verfolgt zu haben. Nunmehr soll er laut Abschlusszeugnis die vereinbarten Ziele nur noch nachhaltig verfolgt zu haben. Ein Erfolg wird nicht mehr erwähnt.
92Zwar ist es – wie dargelegt – möglich, eine Abweichung vom Zwischenzeugnis vorzunehmen, wenn die spätere Leistung dies rechtfertigt. Dies gilt umso mehr, als dass zwischen dem Zwischenzeugnis und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses immerhin 2,5 Jahre lagen und der Kläger erst nach Erteilung des Zwischenzeugnisses zum operativen Niederlassungsleiter befördert worden war.
93Die vorgetragenen Umstände, aus denen sich eine Berechtigung zur Änderung der Formulierung ergeben könnte, überzeugten das Gericht jedoch nicht.
94Die Beklagte beschränkte sich hierbei auf die Darstellung des Erreichens bzw. angeblichen Nichterreichens von Zielen. Sie schilderte jedoch nicht, um welche Ziele es sich hierbei handelte. Sie führte nicht aus, ob diese Ziele einvernehmlich vereinbart oder einseitig vorgegeben wurden. Da Letzteres der Fall sein dürfte, könnten derartige Ziele nur dann Grundlage für eine Leistungsbewertung sein, wenn die vorgegebenen Ziele billigem Ermessen entsprechen. Mangels Sachvortrag hierzu konnte das Gericht dies jedoch nicht bewerten. Sollten die Ziele – wie vom Kläger teilweise behauptet – unrealistisch gewesen sein, wäre die Verfehlung dieser Vorgaben kaum geeignet, eine unterdurchschnittliche Bewertung abzugeben.
95Darüber hinaus gilt es zu beachten, dass es sich offenbar um Teamziele handelte. Sofern ein Team Ziele nicht erreicht, bedarf es bei unterdurchschnittlicher Bewertung eines Mitglieds dieses Teams – auch wenn es sich hierbei um den Leiter handelt – einer gesonderten Begründung, weshalb das angeblich schlechte Ergebnis auch und insbesondere auf die Leistung dieses Mitarbeiters zurückzuführen ist. Eine solche Darstellung unterblieb.
96Des Weiteren erwähnte die Beklagte in keiner Weise, inwiefern vorgegebene Ziele aufgrund der damals existierenden pandemischen Lage nicht möglicherweise hätten angepasst werden müssen. Der Kläger verwies nachvollziehbarer Weise auf diesen Umstand und auf weggefallene Kundenaufträge.
97Zuletzt erläuterte die Beklagte auch die Begrifflichkeiten nicht. Dass das Erreichen der „kleinen Prämie“ gleichzusetzen ist mit der Behauptung, Ziele seien nicht erreicht worden, erschließt sich nicht ohne Weiteres. Wer eine kleine Prämie erzielen kann, der erreicht Ziele. Die Beklagte änderte die Leistung des Klägers ab von der Bescheinigung, dass Ziele mit „höchstem Erfolg“ erreicht worden wären hin dazu, dass Ziele nunmehr gar nicht mehr erreicht worden seien. Wer jedoch – unstreitig – jedenfalls kleinere Ziele erreicht, der hat möglicherweise keinen Anspruch mehr auf die Bescheinigung „höchster Erfolge“. Dies begehrt der Kläger jedoch auch nicht. Selbst bei unterstellter Richtigkeit des streitigen Sachvortrages der Beklagten erschließt sich also nicht, weshalb die Beklagte dem Kläger noch nicht einmal die geringere Stufe – das Erreichen von Zielen – bescheinigt.
98Dieser Teil des Klageantrages war mithin begründet.
99b) Der Kläger hat ebenfalls einen Anspruch darauf, dass im Zeugnis formuliert wird, dass er Aufgaben in „angemessenem Umfang“ delegierte.
100Die Leistungsbewertung, man habe als Führungskraft Aufgaben und Verantwortung delegiert, ist als besonders unterdurchschnittlich zu bewerten, weil sie bescheinigt, dass der Mitarbeiter offenbar faul war. Dass der Kläger faul war, konnte nicht Beklagte jedoch nicht ansatzweise darlegen.
101Welcher Zusammenhang zwischen dem – gänzlich streitigem – Sachvortrag der Beklagten diesbezüglich und dem Vorwurf des Delegierens hergestellt werden könnte, erläuterte die Beklagte nicht.
102Sollte sich der Kläger einseitig stets die angeblich so angenehme Frühschicht zugeteilt haben, hätte dies nichts mit dem Vorwurf zu tun, Aufgaben zu delegieren. Weshalb die Frühschicht mit ihrem Beginn um 7:30 Uhr deutlich lukrativer sein soll als die weiteren Schichten, die nur 30 Minuten bzw. 60 Minuten später beginnen, erläuterte die Beklagte zudem nicht.
103Weshalb das angeblich unentschuldigte Fehlen zu einem Termin im Sommer 2021 die Beklagte berechtigen könnte, dem Kläger den Vorwurf machen zu können, Aufgaben in unangemessenem Umfang zu delegieren – auf wen? – erschloss sich nicht.
104Gleiches galt für den letzten Vorwurf, nach dem der Kläger angeblich in unangemessener Art und Weise mit einem Mitarbeiter kommuniziert haben soll. Auch dieser Vorwurf – sollte er wahr und beweisbar sein – hätte nichts mit dem Vorwurf zu tun, dass der Kläger angeblich faul ist und ständig Aufgaben delegiert.
105Die Beklagte war also auch diesbezüglich entsprechend zu verurteilen.
106c) Abzuweisen war die Klage jedoch teilweise insoweit, als dass auch beantragt worden war, das Zeugnis „vollständig“ auf Geschäftspapier gedruckt zu erteilen ist.
107Soweit der Arbeitgeber in seiner externen Kommunikation ausschließlich Firmenpapier verwendet, ist auch ein Arbeitszeugnis hierauf zu erstellen (ErfK/Müller-Glöge, § 109 GewO Rn. 14).
108Dies bezieht sich vorliegend jedoch nur auf die erste Seite. Die Beklagte konnte unbestritten vortragen, dass sie üblicherweise die zweite Seite bei der Korrespondenz mit Dritten nicht auf Firmenpapier ausstellt. Dies erscheint auch nachvollziehbar, da eine derartige Vorgehensweise nicht unüblich erscheint. Insofern kann die Beklagte nunmehr nicht dazu verpflichtet werden, das Zeugnis des Klägers „vollständig“ auf Geschäftspapier zu erteilen. Dieser Anspruch beschränkt sich auf die erste Seite.
109Insoweit war die Klage also teilweise abzuweisen.
110III) Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Absatz 6 ArbGG, 92 ZPO. Es erfolgte eine Quotelung anteilig des jeweiligen Unterliegens.
111IV) Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Absatz 2 ArbGG sind nicht gegeben. Keine der entscheidungserheblichen Rechtsfragen hat grundsätzliche Bedeutung. Die Rechtsfragen berühren auch nicht wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit. Ferner lagen keine Gründe vor, die die Zulassung wegen einer Abweichung von der Rechtsprechung eines der in § 72 Absatz 2 Nr. 2 ArbGG angesprochenen Gerichte rechtfertigen würde.