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Unter Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides 2015 vom 14.12.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.09.2020 wird die Einkommensteuer unter der Maßgabe herabgesetzt, dass für das Objekt A-Straße ... in M ein Überschuss der Werbungskosten über die Einnahmen in Höhe von ./. ...€ anerkannt wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berechnung der neu festzusetzenden Einkommensteuer wird dem Beklagten auferlegt.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleitung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrags leisten.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sowie um die Erfassung von Zinsen aus der Abzinsung des ratierlich gezahlten Kaufpreises für das Objekt A-Straße ... in M als Einkünfte aus Kapitalvermögen.
3Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Nach dem Tod der Mutter der Klägerin am .... fiel das qm große Grundstück A-Straße ... in M, welches mit einem Einfamilienhaus (Bj. 19... mit Anbau aus 19...) und einer Garage bebaut ist, in das Eigentum der Erbengemeinschaft, bestehend aus der Klägerin und ihrem Bruder. Mit notariellem Vertrag vom ...2014 (Ur-Nr. .../2014 des Notars F in G, s. Rb-Akte d. Bekl.) setzte sich die Erbengemeinschaft über den o.g. Grundbesitz auseinander. Dabei erwarb die Klägerin den hälftigen Anteil ihres Bruders an dem Grundstück. Sodann übertrug sie ½ Miteigentumsanteil auf den Kläger. Die Klägerin zahlte an ihren Bruder eine Ausgleichszahlung in Höhe von ... € (1/2 des gutachterlich festgestellten Verkehrswerts von ... €), fällig zum ...2015. Nutzen und Lasten gingen am ...2014 auf die Klägerin über (III.3. des Vertrags). Miet- oder Pachtverhältnisse bestanden nicht. Die Kläger finanzierten den Kaufpreis durch ein gemeinsames Darlehn bei der I-Bank über ... €, welches am ....2015 ausgezahlt wurde. Der Zinssatz betrug %. Die erste Zinszahlung erfolgte am .2015 in Höhe von ... €. Insgesamt zahlten die Kläger ... € Zinsen in ...2015. Das Darlehn wurde dinglich über die Eintragung eines Grundpfandrechts in Abteilung II Nr. 1 des Grundbuchs des o.g. Grundstücks gesichert.
4Zunächst erstellten die Kläger selbst ein Exposé für die Vermietung des streitgegenständlichen Objektes, nahmen aber bereits am ...2014 Kontakt zur D GmbH & Co KG, Frau C, auf. Diese erstellte für das streitgegenständliche Objekt ein Exposé für die Vermietung des Einfamilienhauses (Kaltmiete ... € zzgl. ... € Garage) und stellte die Anzeige auf den gängigen Online-Portalen R und S ein (Bl. 60 ff. d. elektronischen Gerichtsakte). Ausweislich der Aktivitätenliste gab es in den Monaten Dezember 2014 und Januar 2015 für das Objekt A-Straße ... in M 65 Anfragen und es fanden 13 Besichtigungstermine statt.
5Am 09.02.2015 teilten die Kläger der Maklerin mit, dass das Objekt nicht mehr zur Verfügung stehe.
6Mit notariellem Kaufvertrag vom ...2015 verkauften die Kläger das Objekt A-Straße ... in M an ihren Sohn, Q, und dessen Ehefrau, Q1 (jeweils hälftiger Miteigentum). Der Kaufpreis betrug ... € und war in 258 monatlichen Raten wie folgt zu zahlen:
7ab dem 01.05.2015 ein Betrag von ... € (20 Monate x ... € = ... €)
ab dem 01.01.2017 ein Betrag von ... € (24 Monate x ... € = ... €)
ab dem 01.01.2019 ein Betrag von ... € (214 Monate x ... € = ... €)
Zudem war eine Wertsicherungsklausel vereinbart:
12„Die einzelnen Raten sind wertbeständig. Sie erhöhen oder vermindern sich in demselben prozentualen Verhältnis, in dem sich der vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden für jeden Monat festgestellte Verbraucherindex für Deutschland (VPI) auf der Basis 2010 = 100 oder der an seine Stelle tretende Index gegenüber dem für den auf die heutige Beurkundung folgenden Monat festzustellenden Index erhöht oder vermindert. Eine Erhöhung oder Verminderung des jeweils zu zahlenden Betrages tritt jedoch erst dann ein, wenn eine Indexveränderung um mindestens fünf Prozent erfolgt ist.“
13Die Käufer übernahmen das dingliche Grundpfandrecht in Abteilung III Nr. 1. Schuldner der Darlehnsverbindlichkeit bei der I-Bank blieben unverändert die Kläger. Jedoch vereinbarten die Kläger mit ihrem Sohn und der Schwiegertochter schuldrechtlich, dass diese die Darlehnsraten unter Anrechnung auf die monatliche Kaufpreisrate übernehmen müssten, wenn die Kläger eine Rate nicht an die Gläubigerbank zahlen würden (III. des Kaufvertrags).
14Besitz, Nutzen und Lasten gingen nach IV. 3. des Vertrags auf den Sohn und die Schwiegertochter mit dem Tag des Vertragsschlusses am ...2015 über (Bl. 71 d. elektronischen Akte).
15Die Kläger erklärten für das streitgegenständliche Grundstück für das Streitjahr einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von insgesamt ... €. Wegen der Zusammensetzung im Einzelnen wird auf die Steuererklärung Bezug genommen.
16Der Beklagte erkannte den o.g. Verlust nicht an und erließ mit Datum vom 14.08.2017 einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid für 2015. Nach einem Einspruch änderte der Beklagten den Bescheid mit Datum vom 04.12.2017 gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung – AO –, um die Arbeitnehmersparzulage zu berücksichtigen, setzte dabei die Einkommensteuer aber unverändert auf ... € fest. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens trugen die damaligen steuerlichen Berater der Kläger vor, dass der Sohn der Kläger und seine Ehefrau einige Zeit nach dem Erwerb Interesse an dem Grundstück anmeldeten. Da gleichzeitig die eigentlich geplante Vermietung mangels geeigneter Interessenten nicht so reibungslos von statten gegangen sei wie geplant, rückten die Kläger vom Plan der Vermietung ab und veräußerten letztlich das Grundstück. Der Kaufpreis sollte aufgrund der zeitlichen Nähe zum Erwerb derselbe sein. Allerdings sei, um Lauferei und Kosten für die Beantragung des Bankdarlehns incl. der dann einzutragenden Grundschuld zu vermeiden, die Zahlung nicht in einer Summe, sondern in Form einer Ratenzahlung vereinbart worden. Dadurch habe sich der Kaufpreis um einen aufgeschlagenen Zinsbetrag von ... € auf ... € erhöht.
17Mit Einspruchsentscheidung vom 03.09.2020 wies der Beklagte den Einspruch der Kläger ab und änderte die Einkommensteuerfestsetzung unter Hinweis auf § 367 Abs. 2 Satz 2 AO gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu Ungunsten der Kläger, in dem er zusätzlich Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von ... € erfasste. Erst im Laufe des Einspruchsverfahrens sei dem Beklagten nach Übersendung des Kaufvertrags durch die Grunderwerbssteuerstelle bekannt geworden, dass der Kaufpreis unverzinslich in Raten zu zahlen gewesen sei. Daher sei der Kaufpreis, der durch wiederkehrende Leistungen beglichen werde, in einen Zins- und Tilgungsanteil aufzuteilen. Nach den Grundsätzen des BMF-Schreibens vom 11.03.2010 (BStBl I S. 227) i.d.F. vom 06.05.2016 (BStBl I S. 476) aus Tz. 77 und 79 i.V.m. § 13 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes – BewG - ergebe sich unter Heranziehung der Anlage 9a zu § 13 BewG insoweit folgende Berechnung:
18Der Gegenstandswert/Barwert zum 01.05.2015:
19Vervielfältiger (VV) für die Abzinsung bei 20 Monaten 1. Betrag:
201,589 x ... € x 12 = ... €
21VV für die Abzinsung bei 44 Monaten 2. Betrag (abzüglich der •20 Monate):
221,736 x ... € x 12 = ... €
23VV für die Abzinsung bei 258 Monaten 3. Betrag (abzüglich der 44 Monate):
249,446 x ... € x 12 = ... €
25Barwert zum 01.05.2015 = ... €
26Der Gegenstandswert zum 31.12.2015/01.01.2016:
27VV für die Abzinsung bei 12 Monaten 1. Betrag:
280,974 x ... € x 12 = ... €
29V1/ für die Abzinsung bei 36 Monaten 2. Betrag (abzügl. der 12 Monate):
301,798 x ... € x 12 = ... €
31VV für die Abzinsung bei 250 Monaten 3. Betrag (abzüglich der 36 Monate):
329,785 x ... € x 12 = ... €
33Barwert zum 31.12.2015 /01.01.2016 = ... €
34Die Differenz zwischen den beiden Gegenstandswerten stelle den Tilgungsanteil dar (hier: ... € ./. ... € = ... €). Im Kalenderjahr 2015 seien insgesamt 8 Raten zu ... €, also insgesamt ... € gezahlt worden. Darin sei ein Zinsanteil von ... € (= ... € ./. ... €) enthalten. Dieser sei gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes – EStG – als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu erfassen.
35Daraus folgte für die Kläger unter Berücksichtigung der Sparer-Freibeträge (... € beim Kläger und ... € bei der Klägerin) sowie der Abgeltungssteuer von 25 % nach § 32d Abs. 1 EStG eine Einkommensteuererhöhung von ... € (= ... € x 25 %). Hinsichtlich der Berechnung nach § 32d Abs. 1 EStG im Einzelnen wird auf die Anlage zur Einspruchsentscheidung Bezug genommen (Bl. 23 d. elektronischen Gerichtsakte). Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die geleisteten Zahlungen (Kaufpreisraten) in einen Tilgungs- und Zinsanteil nach der Rechtsprechung des BFH zu zerlegen seien, da ein zum Privatvermögen gehörendes Grundstück veräußert und die Kaufpreisforderung langfristig – länger als ein Jahr – bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gestundet worden sei. Die Stundung enthalte einen darlehnsähnlichen Charakter, so dass sie einen Zinsanteil enthalte. Dies gelte auch dann, wenn die Vertragsparteien keine Zinsen vereinbart oder sogar ausdrücklich ausgeschlossen hätten. Eine solche Vereinbarung stelle lediglich klar, dass nicht – zusätzlich zu dem den Ratenleistungen als Berechnungsgröße dienenden Gesamtkaufpreis – nochmals Zinsen berechnet werden dürfen. Die Aufteilung des Gesamtkaufpreises in Gegenleistung und Zinsen als Entgelt für die Kapitalnutzung sei vom Willen der Vertragsschließenden unabhängig. Der Zinsanteil unterliege als „Zinsen aus sonstigen Kapitalforderungen“ der Einkommensteuer. Bei der Bestimmung des Zinsanteils sei grundsätzlich von einem Zinsfuß von 5,5 v.H. auszugehen, sofern die Vertragsparteien nicht einen höheren Rechnungszinsfuß vereinbart hätten. Unerheblich sei, ob für die Stundung tatsächlich Zinsen berechnet worden seien. Ferner komme es nicht darauf an, welche Art von Rechtsgrund der Überlassung von Kapital zugrunde liege. Die Rechtsprechung findet ihre Grundlage in § 12 Abs. 3 BewG, wonach unverzinsliche Forderungen, deren Laufzeit mehr als ein Jahr betragen und zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig sind, abzuzinsen seien.
36Nachdem die Kläger beim für die Schenkungsteuer zuständigen Finanzamt M die Grundstücksübertragung auf den ...2015 angezeigt hatten, erließ das Finanzamt M gegen die Schwiegertochter einen auf den 27.10.2021 datierenden Schenkungsteuerbescheid, mit dem es Schenkungsteuer in Höhe von ... € festsetzte (Bl. 113f. d. elektronischen Gerichtsakte). Beim Sohn blieb der Vorgang schenkungsteuerfrei (s. Freistellungsbescheid vom 29.10.2021 – Bl. 109 d. elektronischen Gerichtsakte).
37Am 05.10.2020 haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben, mit der sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren weiter verfolgen. Sie vertreten die Ansicht, dass eine Schenkung des vom Beklagten angeführten Zinsanteils vorgelegen habe, die eine Ertragsbesteuerung ausschließe. Sie, die Kläger, hätten allein die finanzielle Unterstützung ihres Sohnes und der Schwiegertochter im Fokus gehabt. Es sei ausgeschlossen mit derselben Handlung eine freigebige Zuwendung zu verwirklichen und zugleich am Markt teilzunehmen. Würde ein und derselbe Sachverhalt sowohl der Einkommen- als auch der Schenkungsteuer unterfallen, würde die Ertragsbesteuerung zurücktreten (Hinweis auf BFH-Beschluss vom 12.09.2011 VIII B 70/09, BFH/NV 2012, 229).
38In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten erklärt, dass Einigkeit darüber bestehe, dass die Kläger zumindest bis Ende Januar 2015 Vermietungsabsicht in Bezug auf das streitgegenständliche Objekt hatten. Zudem haben sich die Beteiligten in tatsächlicher Hinsicht dahingehend geeinigt, dass insoweit aus dem streitgegenständlichen Objekt ein Überschuss der Werbungskosten über die Einnahmen im Streitjahr in Höhe von ./. ...€ berücksichtigt werden soll. Auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.
39Die Kläger beantragen nunmehr,
40unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2015 vom 14.12.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.09.2020 die Einkommensteuer unter der Maßgabe herabzusetzen, dass ein Überschuss der Werbungskosten über die Einnahmen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für das Objekt A-Straße ... in M in Höhe von ./. ...€ steuermindernd anerkannt wird und die Einkünfte aus Kapitalvermögen ohne die Zinsen aus den Kaufpreisraten berücksichtigt werden,
41im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
42Der Beklagte beantragt,
43unter der Maßgabe dass ein Überschuss der Werbungskosten über die Einnahmen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für das Objekt A-Straße ... in M in Höhe von ./. ...€ steuermindernd anerkannt wird, im Übrigen die Klage abzuweisen.
44Zur Begründung nimmt der Beklagte Bezug auf seine Einspruchsentscheidung. Soweit die Kläger vortragen, dass das Haus zu dem gutachtlich ermittelten Wert an den Sohn und die Schwiegertochter verkauft worden sei und dadurch eine Schenkung eines etwaigen Zinsanteils vorliegen würde, so dass nach dem Beschluss des BFH vom 12.09.2011 (Az. VIII B 70/09, BFH/NV 2012, 229) die Ertragsbesteuerung hinter der Schenkungsbesteuerung zurückzustehen habe, werde darauf hingewiesen, dass der BFH in dem Beschluss lediglich eine vorläufige Regelung für den Einzelfall getroffen habe, die nicht allgemein anzuwenden sei.
45Entscheidungsgründe
46Die Klage ist teilweise begründet.
47Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2015 vom 14.12.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.09.2020 ist teilweise rechtswidrig, soweit er die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Objektes A-Straße ... in M betrifft, und verletzt insoweit die Rechte der Kläger, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO -. Im Übrigen ist er rechtmäßig.
48Zu Unrecht hat der Beklagte bis Ende Januar 2015 eine Vermietungsabsicht der Kläger für das streitgegenständliche Objekt verneint und demzufolge keinen Werbungskostenüberschuss anerkannt. Jedoch ist der Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass die gezahlten Kaufpreisraten einen Zinsanteil enthalten und dieser bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu erfassen ist.
49I. Die Beteiligten haben sich in der mündlichen Verhandlung über die Vermietungsabsicht und die Höhe des Werbungskostenüberschusses von ...€ für des Objekt A-Straße ... in M tatsächlich verständigt (s. Protokoll zur mündlichen Verhandlung). Daher sind Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Objekt A-Straße ... in M gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG in Höhe von ./. ...€ zu berücksichtigen. Da insoweit kein Streit mehr zwischen den Beteiligten besteht, kann der Senat in dieser Frage von einer weiteren Entscheidungsbegründung absehen.
50II. Der in den Kaufpreisraten enthaltene Zinsanteil in Höhe von ... € stellt Einnahmen aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG dar.
511. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder gewährt worden ist. Dies gilt unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage.
52Wird ein zum Privatvermögen gehörender Gegenstand veräußert und die Kaufpreisforderung langfristig - länger als ein Jahr - bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gestundet, so sind nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, die der erkennende Senat für zutreffend hält und der er folgt, die geleisteten Zahlungen (Kaufpreisraten) in einen Tilgungs- und einen Zinsanteil zu zerlegen. Letzterer unterliegt als Ertrag aus sonstigen Kapitalforderungen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG der Einkommensteuer. Dies gilt auch dann, wenn die Vertragsparteien Zinsen nicht vereinbart oder sogar ausdrücklich ausgeschlossen haben (vgl. grundlegend: BFH-Urteil vom 25.06.1974 VIII R 163/71, BFHE 114, 463, BStBl II 1975, 431 unter I.1.; im Anschluss: BFH-Urteile vom 21.10.1980 VIII R 190/78, BFHE 132, 38, BStBl II 1981, 160; vom 11.12.1986 IV R 222/84, BFHE 149, 156, BStBl II 1987, 553 unter 4.b.; vom 26.11.1992 X R 187/87, BFHE 170,98, BStBl II 1993, 298 unter 3.; vgl. jüngst BFH-Urteil vom 14.07.2020 VIII R 3/17, BFHE 269, 192, BStBl II 2020, 813 zur Veräußerungszeitrente). Nach dieser Rechtsprechung stellt die Gestattung langfristiger Ratenzahlung zur Tilgung einer Schuld eine Kreditgewährung durch den Gläubiger dar (vgl. BFH-Urteil vom 25.06.1974 VIII R 163/71, BFHE 114, 463, BStBl II 1975, 431 unter I.1.). Daran ändert auch die Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel nichts, da die Aufteilung des Gesamtkaufpreises als der Summe der Ratenleistungen in den Kaufpreis als Gegenleistung und die Zinsen als Entgelt für die Kapitalnutzung vom Willen der Vertragschließenden unabhängig ist (vgl. BFH-Urteil vom 25.06.1974 VIII R 163/71, BFHE 114, 463, BStBl II 1975, 431 unter I.1.). Ihre Grundlage findet diese Rechtsprechung in § 12 Abs.3 BewG, wonach unverzinsliche Forderungen, deren Laufzeit mehr als ein Jahr beträgt und die zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig sind, abzuzinsen, d.h. in einen Kapital- und einen Zinsanteil aufzuteilen sind (vgl. BFH-Urteile vom 25.06.1974 VIII R 163/71, BFHE 114, 463, BStBl II 1975, 431 unter I.1. und vom 26.06.1996 VIII R 67/95, BFH/NV 1997,175). Diese Vorschrift ist nicht abdingbar. Insoweit unterscheidet sich das Steuerrecht vom bürgerlichen Recht (vgl. BFH-Urteil vom 25.06.1974 VIII R 163/71, BFHE 114, 463, BStBl II 1975, 431 unter I.1. m.w.N.). Der Auffassung des Finanzgerichts des Saarlandes in seinem Urteil vom 15.04.2010 (Az. 1 K 1237/05, juris), dass eine vereinbarte Wertsicherungsklausel vereinbarungsgemäß ein angemessenes Entgelt für die Kapitalüberlassung in Form der Kaufpreisstundung im Zuge eines auf Grund unterschiedlicher Interessen ermittelten Kaufpreises darstelle und es einer Aufteilung der Kaufpreisraten in Zins- und Tilgungsanteil nicht bedürfe, kann der Senat daher nicht folgen (ebenso Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 19.08.1992 12 K 378/87, juris und Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 26.11.1982 XII (VI) 2/81, juris).
532. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der BFH-Rechtsprechung zum Verzicht auf noch nicht entstandene Pflichtteilsansprüche (vgl. dazu die BFH-Urteile vom 07.04.1992 VIII R 59/89, BFHE 167, 515, BStBl II 1992, 809; vom 09.02.2010 VIII R 35/07, BFH/NV 2010, 1793 und VIII R 43/06, BFHE 229, 104, BStBl II 2010, 818, m.w.N.). Bei der Übertragung eines Grundstücks gegen Kaufpreisraten als Gegenleistung, wie im Streitfall, wird nämlich ein Vermögensgegenstand auf den zur Ratenzahlung Verpflichteten übertragen. Die Raten sind Gegenleistung für den übertragenen Grundbesitz, so dass ein einkommensteuerbares Veräußerungs- und Anschaffungsgeschäft vorliegt. Der Umstand, dass die Kläger und die Übernehmer der Bemessung des Kaufpreises auf Ratenzahlungsbasis keinen um den Zinsanteil erhöhten, marktgerechten Preis für die Übertragung des Grundbesitzes zugrunde gelegt haben, führt zwar dazu, dass der Barwert des Kaufpreisanspruchs im Übertragungszeitpunkt unterhalb des Verkehrswerts des Grundstücks liegt. Die Zuordnung zu einem steuerrechtlich entgeltlichen Geschäft gilt jedoch unabhängig davon, ob die Vertragsparteien einen "marktgerechten" Preis vereinbart haben (vgl. BFH-Urteil vom 31.08.1994 X R 44/93, BFHE 176, 19, BStBl II 1996, 676, unter 4.c. und vom 14.07.2020 VIII R 3/17, BFHE 269, 192, BStBl II 2020, 813 zur Veräußerungszeitrente). Auch bei einer teilentgeltlichen Übertragung sind die einzelnen Ratenzahlungen somit von Beginn an in steuerbare Zinszahlungen und (hier: nicht steuerbare) Tilgungsanteile aufzuteilen.
543. Bei der Berechnung des Zinsanteils sind die nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BewG i.V.m. Anlage 9a zu bestimmenden Barwerte zu Beginn und zum Ende des Streitjahres unter Zugrundelegung finanzmathematischer Grundsätze basierend auf einem Zinsfuß von 5,5 % zu ermitteln, sofern die Vertragspartner nicht einen höheren Rechnungszinsfuß vereinbart haben (vgl. BFH-Urteil vom 19.05.1992 VIII R 37/90, BFH/NV 1993, 87 unter I.3.e. und BFH-Urteil vom 14.07.2020 VIII R 3/17, BFHE 269, 192, BStBl II 2020, 813 unter 2.b.cc. zur Veräußerungszeitrente m.w.N.).
55Im Streitfall besteht zwischen den Beteiligten für das Streitjahr Einigkeit über die Barwerte zum 01.05.2015 in Höhe von ... € und zum 31.12.2015 in Höhe von ... € (s. Protokoll zur mündlichen Verhandlung), die der weiteren Berechnung des Zins- und Tilgungsanteils zu Grunde gelegt werden. Eine Ermittlung der Barwerte durch das Gericht erübrigt sich daher.
56Der der Berechnung zu Grunde gelegte Zinsfuß von 5,5 % (s. Anlage 9a zum BewG) verstößt im Jahr 2015 auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes. Eine etwaige Verfassungswidrigkeit des Zinssatzes von 5,5 % (auf Basis der insoweit übertragbaren Rechtsprechung des BVerfG zu § 238 Abs. 1 Satz 1 AO, siehe Urteil vom 08.07.2021 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17, HFR 2021, 922) könnte sich allenfalls auf Besteuerungszeitpunkte nach dem 31.12. 2018 auswirken (vgl. jüngst: Urteil des FG Düsseldorf vom 23.02.2022 4 K 929/19 Erb, AO, EFG 2022, 1470 zu § 14 Abs. 1 Satz 3 BewG, Rev. II R 8/22; s. auch Urteil des FG Münster 18.01.2022 2 K 700/18 G,F, juris zu § 6 Abs. 1 Nr. 3 u 3a EStG, Rev. IV R 4/22). Somit ergibt sich folgende Berechnung des Zinsanteils:
57Barwert 01.05.2015: ... €
58./. Barwert 31.12.2015 ... €
59= Tilgungsanteil ... €
60Zahlungen 2015: ... € (= 8 x ... €)
61./. Tilgungsanteil ... €
62= Zinsanteil ... €
63Danach beträgt der Zinsanteil ... €, der jeweils mit Zahlung der Kaufpreisrate zugeflossen (§ 11 Abs.1 EStG) und im Jahr des Zuflusses als Einnahme nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu erfassen ist.
644. Soweit die Kläger eine verfassungswidrige Doppelbesteuerung darin sehen, dass in der Übertragung des Grundstücks zugleich ein schenkungsteuerlicher Vorgang gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gesehen wird, der bei der Schwiegertochter der Kläger auch zur Festsetzung von Schenkungsteuer geführt hat, führt dies zu keiner abweichenden Entscheidung. Es bestehen diesbezüglich keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Insoweit schließt sich der Senat der Auffassung des BFH in seinem Urteil vom 25.06.2021 (Az. II R 31/19, BFHE 275, 240, BStBl II 2022, 497) an. Darin hat der BFH, aus der Sicht des Senats zutreffend, geurteilt, dass es keinen Verfassungsgrundsatz des Inhalts gebe, dass alle Steuern aufeinander abgestimmt und dass Lücken sowie eine mehrfache Besteuerung des nämlichen Sachverhalts vermieden werden müssten (vgl. BFH-Urteil vom 06.12.2016 I R 50/16, BFHE 256, 122, BStBl II 2017, 324 unter 5.b. m.w.N.). Komme es zu Doppelbelastungen bei folgerichtiger Ausgestaltung jeder Einzelsteuer, sei das unvermeidlich und nicht verfassungswidrig (vgl. BFH-Urteil vom 27.09.2017 II R 15/15, BFHE 260, 75, BStBl II 2018, 281 unter 1.g. m.w.N.). Der Gesetzgeber habe insoweit konsequent die Doppelbelastung durch Schenkungsteuer und Einkommensteuer einschließlich der damit verbundenen Härten grundsätzlich in Kauf genommen (vgl. BFH-Urteil vom 17.02.2010 II R 23/09, BFHE 229, 363, BStBl II 2010, 641 unter II.2.d.), indem er die Steuerermäßigung nach § 35b Satz 1 EStG ausdrücklich auf die Vorbelastung mit Erbschaftsteuer - und nicht mit Schenkungsteuer - begrenzt habe (vgl. dazu BFH-Urteil vom 13.03.2018 IX R 23/17, BFHE 261, 385, BStBl II 2018, 593 unter II.1.d.). Es sei daher nicht geboten, im Wege verfassungskonformer Auslegung die Schenkungsteuer gegenüber einer zusätzlich anfallenden Einkommensteuer zurücktreten zu lassen. Der von den Klägern angeführte Beschluss des BFH vom 21.07.2014 (Az. II B 40/14, BFH/NV 2014, 1554) habe lediglich im Rahmen einstweiligen Rechtsschutzes Zweifel an der Zulässigkeit einer derartigen Doppelbelastung gehegt und stehe dem nicht entgegen. Im Übrigen ist die Entstehung der Schenkungsteuer – anders als die Entstehung der Erbschaftsteuer – von der Gestaltung der Beteiligten abhängig, so dass eine Doppelbesteuerung durch entsprechende Dispositionen vermieden werden kann.
65II. Die Berechnung der neu festzusetzenden Einkommensteuer ist dem Beklagten ermessensgerecht gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO nach Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung aufzuerlegen.
66III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.
67IV. Die Revision wurde gemäß § 115 Abs. 2 FGO zugelassen.
68V. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.