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Der Gewerbesteuermessbescheid 2017 vom 06.11.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.06.2021 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die durch die Klägerin erzielten Einkünfte aus dem Grund insgesamt als gewerbliche Einkünfte zu qualifizieren sind, dass für die Erlangung von Schutzrechten im Ausland ausländische Patentanwälte eingeschaltet werden.
3Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, ist ein Zusammenschluss von Patentanwälten, die ihre Mandanten bei […] betreuen und vertreten. Die Patentanwälte der Klägerin besitzen die Zulassungen vor dem Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA), dem Europäischen Patentamt (EPA), dem Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) und der World Intellectual Property Organization (WIPO).
4Für die Anmeldung von Schutzrechten vor ausländischen Patentbehörden besitzen die Patentanwälte der Klägerin nicht die erforderliche Zulassung. In Grundzügen ist zwar auch ausländisches Patentrecht Gegenstand der Ausbildung und Prüfung von Patentanwälten, tiefergehende Kenntnisse über das im Ausland geltende Verfahrensrecht hinsichtlich der Anmeldung von Schutzrechten werden jedoch nicht vermittelt.
5Die Tätigkeit der Klägerin gegenüber ihren Mandanten besteht in der Regel zunächst in einer ersten Beratung hinsichtlich der Schutzrechtsfähigkeit des zu schützenden Rechts. Sodann reicht die Klägerin die entsprechenden Schutzrechtsanträge bei der zuständigen nationalen oder europäischen Behörde ein, um ein erstes Schutzrecht für den Mandanten zu erlangen und dieses zeitlich zu sichern. Ist dies erfolgreich, so erfolgt anschließend eine Prüfung dahingehend, ob eine räumliche Ausdehnung dieses Schutzrechts auf andere Staaten erfolgen soll oder kann. Hierfür fehlt den Gesellschaftern der Klägerin allerdings die Postulationsfähigkeit vor den jeweils zuständigen Behörden im Ausland. Für die Anmeldung im Ausland werden daher ausländische Patentanwälte herangezogen. Die Klägerin übersendet dem jeweiligen ausländischen Patentanwalt die erforderlichen Informationen, den zu übersetzenden, gegebenenfalls zu überarbeitenden und sodann einzureichenden Anmeldungstext sowie eine auf den ausländischen Patentanwalt lautende Vollmacht ihres Mandanten mit der Bitte um Anmeldung des Schutzrechts im Ausland. Die Vollmacht lässt die Klägerin jeweils anlassbezogen von den Mandanten unterzeichnen. Sie bevollmächtigt den ausländischen Patentanwalt, für den jeweiligen Mandanten vor den ausländischen Behörden zur Erlangung des Schutzrechts tätig zu werden. Wegen des genauen Inhalts der Vollmachten wird auf die beispielhaft seitens der Klägerin vorgelegten Vollmachten verwiesen (vgl. Gewerbesteuerakte; vgl. Ordner der GKBP, Band 2, unter Trennblättern 40, 57). Der ausländische Patentanwalt reicht sodann den Antrag bei der ausländischen Behörde ein und informiert die Klägerin über den Erfolg oder über weitere vorzunehmende Korrekturen. Eine direkte Kontaktaufnahme zwischen dem ausländischen Patentanwalt und den Mandanten der Klägerin erfolgt nicht. Die Klägerin hält bei Bedarf Rücksprache mit den Mandanten und weist den ausländischen Patentanwalt an, was er gegenüber der ausländischen Behörde angeben soll.
6Die Kosten für die Tätigkeit der ausländischen Patentanwälte stellen diese der Klägerin in Rechnung. Die Klägerin begleicht die Rechnungen und stellt diese Kosten ihren Mandanten gemeinsam mit den eigenen Gebühren in Rechnung. Diesen Posten weist sie auf ihren Rechnungen an die Mandanten als gesonderten Posten „Auslandsvertreterkosten gemäß Bericht vom …“ aus. Der dort aufgeführte Betrag entspricht jeweils dem seitens des ausländischen Patenanwalts in Rechnung gestellten, in Euro umgerechneten Betrag zuzüglich eines Aufschlags von X €. Der Aufschlag soll die der Klägerin durch die Auslage des Rechnungsbetrages entstandenen Kosten ausgleichen. Hierbei sind Währungsschwankungen (zwischen dem Zeitpunkt der Rechnungsstellung an die Klägerin und dem Zeitpunkt der Weitergabe an die Mandanten) und Bankgebühren für die Auslandsüberweisung sowie Kosten für Postsendungen ins Ausland eingerechnet. Diesbezüglich wird auf die beispielhaft vorgelegten Rechnungen in den Verwaltungsvorgängen Bezug genommen (vgl. Gewerbesteuerakte am Ende; vgl. Ordner der GKBP, Band 2, unter Trennblatt 54).
7Die Einkünfte der Klägerin wurden im Streitjahr zunächst gesondert und einheitlich als Einkünfte aus selbständiger Arbeit festgestellt.
8Im Jahr 2019 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung zunächst für die gesonderte und einheitliche Feststellung, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer 2015 bis 2017 statt. Die Betriebsprüfung erfolgte durch das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung K.. Mit Prüfungsanordnung vom 27.11.2019 wurde die Prüfung auf die Gewerbesteuer der Jahre 2012 bis 2014 erweitert. In dem Bericht über die Betriebsprüfung vom 03.04.2020 kam die zuständige Prüferin nach Rücksprache mit der Oberfinanzdirektion NRW (OFD) letztlich zu dem Ergebnis, dass die Klägerin im Streitjahr Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 EStG erzielt habe. Aufgrund der Einschaltung ausländischer Patentanwälte für die Anmeldung und Verlängerung von Schutzrechten in anderen Staaten fehle es den Mitunternehmern der Klägerin an der für das Vorliegen von Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit nach § 18 EStG erforderlichen Eigenverantwortlichkeit. Die Mitunternehmer der Klägerin hätten nicht die für die Auslandsanmeldungen erforderlichen Kenntnisse. Es sei aber erforderlich, dass die Mitunternehmer über alle erforderlichen Kenntnisse im Umfang der gesamten ausgeübten Tätigkeit verfügten. Die von den ausländischen Patentanwälten erbrachten Leistungen bildeten einen bedeutsamen Teil der Gesamtleistung, was sich auch aus den abgerechneten Leistungen ergebe. Dass die abgerechneten Leistungen an die Mandanten weiterberechnet werden, sei ohne Bedeutung. Insgesamt seien daher die Einkünfte der Mitunternehmerschaft wegen § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG als gewerblich zu qualifizieren.
9Die Abfärbung der gewerblichen auf die übrigen Einkünfte könne auch nicht wegen fehlender Gewinnerzielungsabsicht ausgeschlossen werden. Es handele sich bei der Tätigkeit der ausländischen Patentanwälte nicht um eine eigenständige Leistung, die einer eigenständigen Beurteilung zugänglich sei, da es dem Mandanten gerade auf die weltweite Anmeldung eines Patents ankomme.
10Mit Schreiben vom 25.09.2020 nahm die Klägerin umfangreich Stellung zu den Feststellungen des Betriebsprüfungsberichts. Sie verwies auf das bereits 1883 geschlossene Pariser Verbandsübereinkommen zum Schutz des gewerblichen Eigentums sowie auf weitere internationale Vereinbarungen. Hieraus ergebe sich, dass schon immer ein Schutz geistigen Eigentums über Staatsgrenzen hinweg erforderlich gewesen sei. Der Schutz einer Erfindung auch im Ausland sei schon immer wesentlicher Teil der patentanwaltlichen Tätigkeit gewesen. Es obliege dem Patentanwalt, nicht nur den Mandanten vor den inländischen Institutionen zu vertreten, um Schutzrechte zu erlangen, sondern ihn auch dahingehend zu beraten, dass alles vorbereitet ist, damit ein ausländischer Patentanwalt in seinem Ansässigkeitsstaat bei den dort zuständigen Institutionen für den Mandanten das begehrte Schutzrecht erlangen kann. Hieraus habe sich auch die Regelung in § 24 Berufsordnung der Patentanwälte (BOPA) entwickelt, wonach der inländische Patentanwalt für seinen Mandanten gegenüber dem ausländischen Patentanwalt als Haftungsschuldner auftrete.
11Für die Prüfung, ob es sich bei der Tätigkeit der Klägerin um eine gewerbliche Tätigkeit handelt, seien die einzelnen Leistungen eines Patentanwaltes im Detail zu untersuchen. Art und Umfang der Leistung des Patentanwaltes bestimmten sich nach dem konkreten zivilrechtlich zu bestimmenden Auftragsverhältnis. Dieses sei zivilrechtlich als Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne des § 675 BGB einzuordnen. § 664 BGB sei hierauf entsprechend anzuwenden, wonach der beauftragte Patentanwalt im Zweifel nicht berechtigt sei, die Ausführung des Auftrages an einen Dritten zu übertragen. Hieraus folge aber, dass eine Übertragung der Ausführung des Auftrages auf einen Dritten möglich sei, wenn dieser der Übertragung zustimmt. In diesem Fall komme es dann zu einer vollständigen oder teilweisen Übertragung der Leistungspflicht auf den Dritten. Man spreche insoweit von einer Auftragssubstitution. Diese sei abzugrenzen von der bloßen Heranziehung eines Gehilfen, bei der der Beauftragte selbstverantwortlich bleibe.
12Bei Auslandsanmeldungen sei die Einschaltung eines ausländischen Patentanwaltes regelmäßig geboten. So hätten auch die Landgerichte Leipzig (Urteil vom 12.10.2006, 5 O 4444/04) und München I (Urteil vom 14.07.2011, 7 O 9779/10) entschieden, dass die zu erbringenden Leistungen auf den ausländischen Patentanwalt übergegangen seien. Insoweit liege die Leistungspflicht des inländischen Patentanwaltes vor allem in der Unterstützung des ausländischen Patentanwalts bei der Erlangung des dortigen Schutzrechts. Die Anmeldung des Schutzrechts im Ausland sei daher nicht mehr Leistungsgegenstand des Vertrages zwischen dem Mandanten und dem inländischen Patentanwalt. Aus diesem Grund scheide eine gewerbliche Infizierung der im Übrigen freiberuflichen Einkünfte der Klägerin aus.
13Die Betriebsprüferin nahm hierzu mit Schreiben vom 06.10.2020 Stellung und führte aus, dass die Vertragsbeziehung zwischen dem inländischen Patentanwalt, dem Mandanten und dem ausländischen Patentanwalt entscheidend sei. Es sei festgestellt worden, dass die inländischen Patentanwälte unter Zuhilfenahme der ausländischen Korrespondenzanwälte die ausländische Betreuung des Patents übernehmen und die Leistung bezogen auf das ausländische Patent weiterhin dem Mandanten schulden würden. Es bestehe kein Mandatsverhältnis zwischen dem Mandanten und dem ausländischen Patentanwalt. Hierzu gebe es keinerlei (Rahmen-)Verträge. Es genüge nicht, dass der Mandant eine Vollmacht unmittelbar an den ausländischen Patentanwalt erteile. Nur der inländische Patentanwalt habe einen Bezug zum Mandanten. Ihm obliege die Gesamtverantwortung. Die Rechnungen der Korrespondenzanwälte würden auf den Namen der inländischen Kanzlei ausgestellt und mit dieser abgerechnet. Die inländische Kanzlei stelle diese dann dem Mandanten neben dem eigenen Honorar in Rechnung. Die Auftragssubstitution sei eine Begrifflichkeit einer zivilrechtlichen Haftungsnorm und für die Beurteilung der leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit im Sinne des Steuerrechts nicht entscheidend.
14Die Klägerin wies mit Schreiben vom 08.10.2020 darauf hin, dass ihres Erachtens sehr wohl eine Leistungsbeziehung zwischen dem Mandanten und dem ausländischen Patentanwalt bestehe. Die Leistung zur Erlangung des Schutzrechts im Ausland werde allein durch den ausländischen Patentanwalt geschuldet. Zu beachten sei zudem, dass der inländische Patentanwalt den Mandanten zwar auch hinsichtlich der Erlangung des Schutzrechtes im Ausland berate und die Dokumentation für den ausländischen Kollegen vorbereite, es sich insoweit aber um eine eigenständige Beratungsleistung gegenüber dem Mandanten handele. Diese sei von der durch den ausländischen Patentanwalt zu erbringenden Leistung zu trennen.
15Bereits anfänglich bestehe zwischen dem Mandanten und dem inländischen Patentanwalt Einigkeit darüber, dass im Fall der Erlangung von Schutzrechten im Ausland eine Einbeziehung ausländischer Patentanwälte notwendig wird. Die Abrechnung durch die ausländische Patentanwaltskanzlei gegenüber der inländischen Kanzlei beruhe auf § 24 BOPA, wonach der inländische Patentanwalt als Haftungsschuldner in Anspruch genommen wird. Hieraus lasse sich nicht ableiten, dass der inländische Patentanwalt Leistungsempfänger der Leistungen der ausländischen Patentanwaltskanzlei sei. Insoweit sei auch auf die Postulationsfähigkeit von Rechtsanwälten zu verweisen. So seien nur wenige Rechtsanwälte vor dem Bundesgerichtshof zugelassen, sodass in entsprechenden Fällen der ursprünglich beauftragte Rechtsanwalt einen vor dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt in die Verfahrensführung einzubeziehen habe. Auch hier komme es zu einer Auftragssubstitution und nicht zu einer gewerblichen Infektion der ursprünglich beauftragten Kanzlei.
16Der Beklagte folgte der Auffassung der Betriebsprüfung und setzte gegen die Klägerin erstmalig den Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 2017 mit Bescheid vom 06.11.2020 auf X € fest.
17Den hiergegen gerichteten Einspruch vom 23.11.2020 begründete die Klägerin zunächst mit einem Verweis auf die Ausführungen im Rahmen der Betriebsprüfung und in der Stellungnahme zum Betriebsprüfungsbericht. Sie führte ergänzend aus, dass ein Anwaltsvertrag mit der Annahme der Bevollmächtigung durch den Anwalt zustande komme. Vorliegend stelle die Ausstellung der Vollmacht durch den Mandanten an den ausländischen Patentanwalt das Angebot auf einen Geschäftsbesorgungsvertrag dar. Dieses nehme der ausländische Patentanwalt sodann an. Eine solche Vollmacht sei in jedem Fall schriftlich erteilt und von der Klägerin auszugsweise vorgelegt worden. Die Klägerin trete sodann gegenüber der ausländischen Patentanwaltskanzlei als Beraterin des Mandanten auf und stimme mit dieser die konkrete Ausgestaltung des Geschäftsbesorgungsvertrages ab. Für eine Zurechnung der Leistung der ausländischen Patentanwaltskanzlei bestehe daher kein Raum. Dass Geschäftsbesorgungsverträge der Auftragssubstitution unterliegen, habe bereits das Reichsgericht anerkannt. Selbst wenn man also den direkten Vertragsschluss zwischen der Mandantschaft und der ausländischen Patentanwaltskanzlei verneinen würde, so würde dieser zumindest im Wege der Auftragssubstitution entstehen. Es liege gerade keine Leistung der ausländischen Patentanwaltskanzlei an die Klägerin vor.
18Mit Einspruchsentscheidung vom 07.06.2021 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Er nahm darin Bezug auf die Ausführungen in dem Betriebsprüfungsbericht und ergänzte sie wie folgt: Die beauftragten ausländischen Patentanwälte seien fachlich vorgebildete Arbeitskräfte i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG. Im Hinblick auf die von diesen erbrachten Leistungen seien die Patentanwälte der Klägerin allerdings nicht leitend und eigenverantwortlich tätig. Zwar verfügten sie über fundierte Kenntnisse im Patentrecht anderer Staaten, jedoch müssten diese Kenntnisse in vergleichbarer Weise mit denen der ausländischen Patentanwälte vorliegen und nachgewiesen werden.
19Es bestehe keine direkte Leistungsbeziehung zwischen den Rechteinhabern und den ausländischen Patentanwälten. Diese könne nicht aus den seitens der Rechteinhaber eingeräumten Vertretungsvollmachten zugunsten der ausländischen Patentanwälte hergeleitet werden. Die Vollmacht sei von dem ihr zugrundeliegenden Rechtsverhältnis streng zu unterscheiden. Ein solches Grundgeschäft – ein Geschäftsbesorgungsvertrag – sei nicht zustande gekommen. Die jeweiligen Rechteinhaber hätten keinerlei Kontakt zu den ausländischen Patentanwälten, so dass erhebliche Zweifel bestünden, dass die Rechteinhaber ein Erklärungsbewusstsein für den Abschluss eines solchen Geschäftsbesorgungsvertrages hatten.
20Selbst wenn aber ein solcher Vertrag angenommen werden könne, liege insoweit kein klar abgrenzbarer Tätigkeitsbereich vor. Die Schaffung einer internationalen Schutzrechtsfamilie sei Gegenstand der Leistung der Klägerin und ende nicht dort, wo der Auslandsbezug beginne.
21Auch eine Auftragssubstitution könne nicht angenommen werden. Das zivilrechtliche Haftungsprivileg aus § 664 Abs. 1 Satz 2 BGB führe nicht zu einer Änderung der Vertragsbeziehungen.
22Dagegen hat die Klägerin am 21.06.2021 Klage erhoben.
23Zur Begründung führt sie noch einmal aus, es sei nicht zutreffend, dass die Klägerin die ausländische Betreuung des Patents übernehme und die diesbezüglichen Leistungen gegenüber dem Mandanten schulde. Der durch die Mandantschaft erteilte Auftrag sei auf die Erlangung eines Schutzrechts auf deutscher und europäischer Ebene gerichtet. Hierdurch sichere sich die Mandantschaft in zeitlicher Hinsicht die weltweite Priorität. Ob sie von dieser später Gebrauch machen werde, sei zu dieser Zeit noch nicht abschließend entschieden. Die Entscheidung, den Schutz auf weitere Staaten räumlich zu erweitern, stelle einen neuen Akt dar. Die Klägerin berate die Mandanten dahingehend, für welche Märkte die Ausweitung des Schutzrechts wirtschaftlich sinnvoll sein könnte. Auch hinsichtlich der Auswahl geeigneter ausländischer Patentanwaltskanzleien stehe die Klägerin der Mandantschaft beratend zur Seite. Die ausländische Betreuung von Patenten biete die Klägerin jedoch zu keiner Zeit an. Der Mandantschaft sei bekannt und bewusst, dass die Klägerin selbst im Ausland nicht aktiv werde. Sie beauftrage vielmehr die Klägerin, die Mandantschaft gegenüber ausländischen Patentanwälten zu vertreten. Dies werde auch insbesondere durch das Unterzeichnen einer Vollmacht für den ausländischen Patentanwalt ersichtlich. Diese werde in der Regel vor der Tätigung der Anmeldung im Ausland unterschrieben. Der ausländische Patentanwalt sei insbesondere kein Erfüllungsgehilfe. Zwar sei diese zivilrechtliche Begrifflichkeit nicht entscheidend für die steuerrechtliche Beurteilung. Allerdings erfülle eine Person, die nicht Erfüllungsgehilfe im zivilrechtlichen Sinne ist, nicht die Voraussetzungen im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG. Ein Erfüllungsgehilfe wirke an der Pflichterfüllung einer anderen Person mit. Sei die Tätigkeit jedoch ausschließlich auf die eigene Verpflichtung gerichtet, liege keine Erfüllungsgehilfenposition vor und auch keine Mithilfe einer Arbeitskraft im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG.
24Gegenüber dem ausländischen Patentanwalt nehme die Klägerin sozusagen die Rolle der Patentabteilung des Unternehmens der Mandantschaft ein. Entgegen der Ansicht des Beklagten komme zwischen der Klägerin und dem ausländischen Patentanwalt damit jedoch kein Leistungsverhältnis zustande. Vielmehr komme ein direktes Leistungsverhältnis zwischen der Mandantschaft und dem ausländischen Patentanwalt zustande, indem die Mandantschaft die ausländische Kanzlei schriftlich bevollmächtige, in der Sache für sie im Ausland aktiv zu werden.
25Die Beklagte verkenne zudem die Rechtsfolge der Auftragssubstitution, wenn sie diese auf die Haftungsfrage reduziere. Hierdurch werde vielmehr die Klägerin von ihren vertraglichen Rechten und Pflichten befreit.
26Die Klägerin trägt weiter vor, dass der sog. Übersetzungsbürofall (Urteil des BFH vom 21.02.2017 – VIII R 45/13, BStBl II 2018, 4) nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar sei. Im Gegensatz zu dem entschiedenen Fall kaufe die Klägerin gerade nicht Leistungen im Ausland ein, um diese sodann als eigene Gesamtleistung an ihre Kunden zu verkaufen. Die ausländische Patentanwaltskanzlei sei gegenüber ihr, der Klägerin, nicht zur Erbringung einer Leistung verpflichtet.
27Etwas anderes lasse sich auch nicht aus dem auf der Homepage der Klägerin enthaltenen Verweis auf „Zitat wurde entfernt“ entnehmen. Dies bringe vielmehr zum Ausdruck, dass die Klägerin die Leistungen im Ausland gerade nicht selbst erbringen könne und es insofern der Leistungserbringung durch andere bedürfe. Die Klägerin weise hier nur darauf hin, dass sie diesbezüglich bewährte Kooperationspartner benennen und für den Mandanten einschalten könne. Hierin liege auch der Unterschied zu dem Übersetzungsbürofall.
28Die Sicherstellung des Schutzes im Ausland sei zudem bereits bei der Aufnahme des Patentanwalts in den Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG Kernbestand der patentanwaltlichen Tätigkeit gewesen. Dies habe sich bis heute in der Sache nicht verändert, lediglich die Kommunikation habe sich durch die Einführung von modernen Kommunikationsmitteln verändert.
29Zu beachten sei auch, dass sich die patentanwaltliche Tätigkeit nach der Patentanwaltsordnung (PAO) in die Bereiche Beratung und Vertretung untergliedere. Die Vertretung setze aber stets den Kontakt mit Dritten voraus. Eine solche Beratung und Vertretung übernehme die Klägerin gegenüber den Mandanten auch in Bezug auf die eingeschalteten ausländischen Patentanwälte. Als Beispiel führt die Klägerin ein Mandat an, in dem eine Anmeldung in F. beabsichtigt war und die […] Behörde die Eintragung zunächst abgelehnt hatte. Insoweit wird auf den in den Verwaltungsakten befindlichen Schriftverkehr Bezug genommen.
30Hinsichtlich des Aufschlages von X € auf die seitens der ausländischen Patentanwälte in Rechnung gestellten Beträge trägt die Klägerin vor, dass dieser Betrag auf die Gebührenstruktur der Hausbank zurückzuführen sei. Die Klägerin berechne den Mandanten lediglich – ohne Gewinnaufschlag – die vorausgelegten Kosten. Dabei habe sie den pauschalen Aufschlag von X € durch eine Mischkalkulation errechnet. Tatsächlich erziele sie aber mit der Abwicklung des Zahlungsverkehrs sogar einen Verlust.
31Des Weiteren sei zu beachten, dass – sofern man bezüglich der Auslandsanmeldungen eine eigene, zur Abfärbung geeignete Tätigkeit annehmen wolle – eine Abfärbung nur möglich sei, wenn diese Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht erfolge. Sie, die Klägerin, verweise auf die jüngst veröffentlichte Entscheidung des BFH vom 30.06.2022 (III R 42/19). Eine Gewinnerzielungsabsicht liege diesbezüglich aber nicht vor, da lediglich die Kosten der Auslandsrechnungen und die Bankgebühren für die Auslandsüberweisungen weiterbelastet würden. Schon aus diesem Grund scheide eine Abfärbung daher aus.
32Die Beklagte trage die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Klägerin eine infizierende Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG ausübe. Dieser sei die Beklagte nicht nachgekommen. Die Klägerin hingegen habe durch Vorlage der von den Mandanten unterzeichneten Vollmachten für die ausländischen Patentanwälte bewiesen, dass die Mandanten die ausländischen Kanzleien direkt bevollmächtigten.
33Die Klägerin beantragt,
34den Gewerbesteuermessbescheid 2017 vom 06.11.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.06.2021 aufzuheben,
35hilfsweise, im Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen,
36die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
37Der Beklagte beantragt,
38die Klage abzuweisen.
39Die Bedeutung der leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit für die Qualifizierung von Einkünften als freiberufliche Einkünfte i.S.d. § 18 EStG sei zuletzt von der Rechtsprechung noch hervorgehoben worden. Arbeitskräfte i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG seien auch Selbständige, die zur Abwicklung der von dem Freiberufler übernommenen Aufträge eingebunden werden. Bei den seitens der Klägerin eingeschalteten ausländischen Patentanwälten handele es sich um fachlich vorgebildete Arbeitskräfte in diesem Sinne, die die Klägerin zur Abwicklung der von ihr übernommenen Aufträge mit Auslandsbezug einbinde. Die Vertretungsvollmachten zwischen den Mandanten der Klägerin und den ausländischen Patentanwälten führten nicht zu einer direkten Leistungsbeziehung zwischen diesen beiden. Die Vollmacht und das ihr zugrundeliegende Rechtsverhältnis seien streng zu unterscheiden. Zwischen den Rechteinhabern und den ausländischen Patentanwälten sei kein Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne eines der Vollmacht zugrundeliegenden Grundgeschäfts zustande gekommen. Auf Seiten der Rechteinhaber fehle es an einem Erklärungsbewusstsein hinsichtlich einer diesbezüglichen Willenserklärung. Schließlich habe der Rechteinhaber zu dem ausländischen Patentanwalt keinerlei Kontakt. Es sei davon auszugehen, dass er Erklärungsbewusstsein nur bezüglich der bloßen Vollmachtserteilung gehabt habe. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Klägerin ausweislich ihres Internetauftritts die weltweite Sicherung des geistigen Eigentums anbiete. Ohne den bislang nicht erbrachten Nachweis, dass die Rechteinhaber unmittelbaren Kontakt zu den ausländischen Patentanwälten hatten, könne der Beklagte nicht zu einem anderen Ergebnis kommen. Daher sei es auch irrelevant, wenn für jeden Mandanten schriftliche Vollmachten vorgelegt würden. In Zeiten der Digitalisierung seien an den Nachweis einer direkten Leistungsbeziehung zwischen Mandanten und ausländischen Patentanwälten andere Maßstäbe zu setzen, als noch vor 100 Jahren.
40Hinsichtlich der von der Klägerin angeführten Auftragssubstitution ist der Beklagte der Auffassung, dass das daraus folgende Haftungsprivileg nicht zu einer Änderung der Vertragsbeziehungen führe. Es gebe keinen Automatismus einer Vertragsbeziehung zwischen Substitut und Auftraggeber. Die von der Klägerin angeführten Entscheidungen des LG Leipzig vom 12.10.2006 und des LG München I vom 14.07.2011 würden nicht die Frage der Vertragsbeziehungen beleuchten, sondern lediglich den Umfang der Haftung eines inländischen Patentanwalts im Falle der gestatteten Auftragssubstitution. Hierfür spiele es nämlich keine Rolle, ob der Substitut durch den Auftragnehmer im eigenen oder im Namen des Auftraggebers beauftragt wurde. Die zivilrechtliche Unterscheidung, ob sich der Berufsträger zur Erledigung seiner Aufgaben der Mithilfe eines Erfüllungsgehilfen oder eines Subunternehmers bediene, sei für die steuerliche Beurteilung irrelevant. Die steuerliche Begrifflichkeit der fachlich vorgebildeten Arbeitskräfte umfasse sowohl Subunternehmer als auch Erfüllungsgehilfen (BFH, Urteil vom 20.12.2000, XI R 8/00, BStBl. II 2002,478). In dem Urteilssachverhalt des LG Leipzig seien die ausländischen Patentanwälte durch den inländischen Patentanwalt im Namen des Rechteinhabers beauftragt worden. Im Urteilssachverhalt des LG München I habe der inländische Patentanwalt den ausländischen Kollegen im eigenen Namen beauftragt. Vorliegend liege die Erteilung eines Unterauftrags durch die Klägerin an den jeweiligen ausländischen Patentanwalt vor. Es lägen keine Unterlagen vor, aus denen sich die Befugnis der Klägerin ergebe, im Namen ihrer Mandanten Aufträge an ausländische Patentanwaltskanzleien zu erteilen.
41Es liege zudem kein klar abgrenzbarer Tätigkeitsbereich bezogen auf die Leistungen der Klägerin und des ausländischen Patentanwalts vor. Die das Ausland betreffenden Leistungen seien auch Teil der seitens der Klägerin gegenüber dem Mandanten geschuldeten Leistungen.
42Für die steuerliche Einordnung sei es zudem irrelevant, dass die Berufsordnung der Patentanwälte die Hinzuziehung Dritter bei Auslandssachverhalten ermögliche und auch die Zahlung des Honorars und der Auslagen durch den inländischen Patentanwalt vorsehe.
43Die gewerbliche Infizierung der Einkünfte durch die Beauftragung ausländischer Patentanwälte lasse sich mit eindeutigen und inhaltlich klar definierten Auftragsverhältnissen vermeiden. Daher spreche auch die explizite Erwähnung der Patentanwälte in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht gegen eine gewerbliche Infizierung der Einkünfte.
44Der Senat hat in der Sache am 27.10.2023 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
45Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die zum Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
46Entscheidungsgründe
47I. Die Klage ist zulässig und begründet.
48Der Gewerbesteuermessbescheid 2017 vom 06.11.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.06.2021 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
49II. Die Klägerin hat im Streitjahr durch ihre Tätigkeit keine gewerblichen Einkünfte i.S.d. § 15 EStG, sondern Einkünfte aus selbständiger Arbeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt. Diese Einkünfte unterliegen nicht der Gewerbesteuerpflicht.
501. Der Gewerbesteuermessbescheid setzt das Vorliegen eines der Gewerbesteuer unterliegenden Gewerbebetriebes i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) voraus. Nach § 15 Abs. 2 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist.
512. Gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gehören zu den als Einkünfte aus selbständiger Arbeit zu qualifizierenden freiberuflichen Tätigkeiten die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit, die selbständige Berufstätigkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte, Vermessungsingenieure, Ingenieure, Architekten, Handels-chemiker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratenden Volks- und Betriebswirte, vereidigten Buchprüfer, Steuerbevollmächtigten, Heilpraktiker, Dentisten, Krankengymnasten, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer, Lotsen und ähnlicher Berufe.
52Ein Angehöriger eines freien Berufs ist gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG auch dann in diesem Sinne freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient; Voraussetzung ist, dass er auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Eine Vertretung im Fall vorübergehender Verhinderung steht der Annahme einer leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit nicht entgegen (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG).
53Für die Prüfung, ob die Tätigkeit eines Freiberuflers in vollem Umfang leitend und eigenverantwortlich erfolgt, ist darauf abzustellen, welche Tätigkeiten er im Einzelnen tatsächlich erbringt und gegenüber dem Vertragspartner schuldet. Der Freiberufler muss nur hinsichtlich dieser Tätigkeiten leitend und eigenverantwortlich tätig sein. Soweit eine Tätigkeit eines Dritten gegenüber dem Vertragspartner vorliegt, kann dies nur dann in die Prüfung einbezogen werden, wenn der Dritte eine eigentlich dem Freiberufler obliegende Pflicht an dessen Stelle erfüllt. Für die Beurteilung kommt es folglich auf die vertraglichen Beziehungen zwischen dem Freiberufler, dessen Vertragspartner und dem Dritten an. Wird der Dritte aufgrund einer eigenen Verpflichtung gegenüber dem Vertragspartner des Freiberuflers tätig, so sind diese Leistungen für die Beurteilung der leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit des Freiberuflers außer Betracht zu lassen.
543. Eine Personengesellschaft entfaltet nur dann eine Tätigkeit, die die Ausübung eines freien Berufs i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG darstellt, wenn sämtliche Gesellschafter als Mitunternehmer die Merkmale eines freien Berufs (Katalogberuf oder "ähnlicher Beruf") erfüllen, denn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Freiberuflichkeit können nicht von der Personengesellschaft selbst, sondern nur von den Mitunternehmern erfüllt werden (BFH, Urteil vom 21.02.2017 – VIII R 45/13, BFHE 257, 256, BStBl II 2018, 4, m.w.N.).
554. Erbringen die Gesellschafter einer Personengesellschaft ihre Leistungen teilweise freiberuflich und teilweise – mangels Eigenverantwortlichkeit – gewerblich, so ist ihre Tätigkeit nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG insgesamt als gewerblich zu qualifizieren (z.B. BFH, Urteile vom 03.11.2015 – VIII R 62/13, BFHE 252, 283, BStBl II 2016, 381; vom 27.08.2014 – VIII R 6/12, BFHE 247, 513, BStBl II 2015, 1002).
56III. Nach diesen Grundsätzen erzielte die Klägerin im Streitjahr Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG.
571. Zu den freien Berufen i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gehört u.a. die selbständig ausgeübte Tätigkeit als Patentanwalt. Sämtliche Mitunternehmer der Klägerin sind als zugelassene Patentanwälte tätig und üben damit einen Katalogberuf i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG aus. Sie werden hinsichtlich der im Inland erbrachten Leistungen auch vollumfänglich leitend und eigenverantwortlich tätig. Insoweit besteht Einigkeit zwischen den Beteiligten.
582. Soweit die Mitunternehmer der Klägerin für die Anmeldung und Zulassung von Rechten vor ausländischen Patentbehörden die Mithilfe ausländischer Patentanwälte in Anspruch nehmen, führt auch dies nicht zu einer Umqualifizierung der Einkünfte.
59a. Die ausländischen Patentanwälte werden insoweit nicht als fachlich vorgebildete Arbeitskräfte i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG für die Klägerin tätig, sondern sie erfüllen eine eigene Leistungspflicht gegenüber den Mandanten.
60aa. Die von den eingeschalteten ausländischen Patentanwälten erbrachten Leistungen werden nicht von der Klägerin geschuldet, so dass sie hierfür auch keine Verantwortung gegenüber ihren Mandanten trägt. Diese Leistungen sind nicht Vertragsgegenstand zwischen der Klägerin und ihren Mandanten.
61Die Klägerin stellt ihren Mandanten gegenüber klar, dass die im Ausland für die Eintragung von Rechten erforderlichen Tätigkeiten durch ausländische Patentanwälte erfolgen, mit denen die Klägerin kooperiert. Insoweit wird die Klägerin lediglich hinsichtlich der vorgelagerten Frage tätig, ob überhaupt eine Anmeldung im Ausland sinnvoll ist und wo diese beantragt werden sollte. Zudem schuldet sie die Kommunikation mit dem ausländischen Patentanwalt und die Beratung des Mandanten dahingehend, wie mit etwaigen Änderungsvorschlägen seitens der ausländischen Behörde bzw. des ausländischen Patentanwalts umzugehen ist. Den Mandanten der Klägerin ist dabei bewusst, dass die Mitunternehmer der Klägerin selbst im Ausland aufgrund der fehlenden Postulationsfähigkeit nicht tätig werden können.
62Hierin liegt auch der entscheidende Unterschied zu dem Übersetzungsbürofall (BFH, Urteil vom 21.02.2017 – VIII R 45/13, BFHE 257, 256, BStBl II 2018, 4). Dort schuldete das Übersetzungsbüro die Gesamtleistung der Übersetzung in verschiedene Sprachen. Die Einschaltung eines anderen Übersetzungsbüros erfolgte ohne Wissen des jeweiligen Kunden. Dem Kunden wurde ein einheitliches Paket an Übersetzungen angeboten und überreicht. Der Kunde hatte gegen den inländischen Übersetzer einen Anspruch auf Erbringung der gesamten Übersetzungsleistung. Vorliegend handelt es sich hingegen bei der Leistung des ausländischen Patentanwalts um eine gegenüber den Mandanten offengelegte gesonderte und auch gesondert abgerechnete Leistung. Den Mandanten ist bewusst, dass die Klägerin insoweit weder tätig werden kann noch darf und dass die Klägerin insoweit daher auch keine Verpflichtung gegenüber den Mandanten hat. Die Klägerin bietet gerade keine Gesamtleistung an, die auch die Verschaffung eines ausländischen Schutzrechts umfassen würde.
63bb. Die ausländischen Patentanwälte werden aufgrund eigener, zwischen ihnen und den Mandanten der Klägerin geschlossener Verträge tätig.
64Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt durch die Unterzeichnung der Vollmachtsurkunde durch die Mandanten der Klägerin und die darauf bezogene Aufnahme der Tätigkeiten durch den ausländischen Patentanwalt ein Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen den Mandanten und dem jeweiligen ausländischen Patentanwalt zustande.
65Ein Vertrag kommt zustande durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen, dem Angebot (§ 145 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)) und der Annahme des Angebots (§§ 146 ff. BGB). Die Abgabe beider Willenserklärungen ist grundsätzlich formlos möglich. Dies gilt auch für den Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrags i.S.d. § 675 BGB.
66Der Mandant bringt durch die Unterzeichnung der Vollmacht zum Ausdruck, dass er wünscht, dass der ausländische Patentanwalt für ihn tätig wird. Hierin ist das Angebot zum Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrages zu sehen. Durch die Entgegennahme der Vollmacht und das anschließende tatsächliche Tätigwerden nimmt der ausländische Patentanwalt das Vertragsangebot an. Die Klägerin selbst wird insoweit als Botin tätig und vertritt im Übrigen die Mandanten gegenüber der ausländischen Patentanwaltskanzlei.
67Der Behauptung des Beklagten, es fehle den Mandanten an dem erforderlichen Erklärungsbewusstsein für den Abschluss eines Vertrages, kann nicht gefolgt werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass ein Unternehmer, der eine Unterschrift unter eine Vollmachtsurkunde setzt, in dem Bewusstsein handelt, dass er hierdurch dem darauf benannten Empfänger – dem ausländischen Patentanwalt – den Auftrag erteilt, für ihn tätig zu werden. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass die Klägerin gegenüber den Mandanten jederzeit klarstellt, dass sie selbst im Ausland gar nicht für die Mandantschaft tätig werden kann.
68Die Annahme, dass ein gesonderter Vertrag zwischen den Mandanten und den ausländischen Patentanwälten zustande kommt, entspricht auch den tatsächlichen Gegebenheiten bei anderen, vergleichbaren Berufsgruppen. Wird beispielsweise neben einem im Inland tätigen Rechtsanwalt auch ein ausländischer Rechtsanwalt beauftragt, um Fragen des ausländischen Rechts zu klären, so liegen regelmäßig zwei verschiedene Auftragsverhältnisse mit voneinander getrennten Verantwortungsbereichen vor. Durch die Beauftragung des ausländischen Rechtsanwalts wird klar, dass der deutsche Anwalt die Anwendung ausländischen Rechts von seinem Mandat gerade ausschließen will, und es entfällt die Verpflichtung, sich die für die Ausführung des Auftrags erforderlichen Kenntnisse ausländischen Rechts zu verschaffen (OLG München, Beschluss vom 01.04.2016 – 15 U 3704/15 Rae –, juris; vgl. auch Knöfel in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, § 10 Anwaltsvertrag, Rn. 10.68).
69Entgegen der Auffassung des Beklagten hat auch das das LG München I in seinem Urteil vom 14.07.2011 (7 O 9779/10, juris) bezüglich der Einschaltung ausländischer Patentanwälte durch den inländischen Patentanwalt ausdrücklich eine vertragliche Beziehung zwischen dem Mandanten und dem ausländischen Patentanwalt angenommen und nicht lediglich eine davon unabhängige Haftungsfrage beantwortet (so auch Eley, VersR 2022, 533, 535, zudem mit Verweis auf das Urteil des LG Leipzig vom 12.10.2006, 5 O 4444/04, welches in dem Unterzeichnen der Vollmachten zugunsten des ausländischen Patentanwalts durch den Mandanten eine konkludente Erklärung sah, dass das Mandat zum inländischen Rechtsbeistand entsprechend verkürzt werde.). So entschied das LG München I, dass eine Haftung des inländischen Patentanwalts für fremdes Verschulden des eingeschalteten Auslandskollegen in dem dort zu entscheidenden Fall nicht in Betracht komme, da dieser nicht als Erfüllungsgehilfe, sondern im Rahmen eines eigenen Mandatsverhältnisses tätig wurde, das die Tätigkeit des inländischen Patentanwalts jedenfalls teilweise substituierte.
70cc. Selbst wenn man in dem Unterzeichnen der Vollmacht und dem Tätigwerden des ausländischen Patentanwalts keinen Vertragsschluss sehen wollte, so wären die die ausländische Anmeldung betreffenden Pflichten jedenfalls im Wege der Auftragssubstitution auf den ausländischen Patentanwalt übergegangen und die Klägerin von ihren diesbezüglichen Pflichten befreit worden. Auch in diesem Fall bestünde ein eigenständiges Vertragsverhältnis zwischen dem jeweiligen Mandanten und dem ausländischen Patentanwalt.
71Nach § 664 Abs. 1 Satz 2 BGB analog kann ein Auftraggeber dem Beauftragten gestatten, die Ausführung des Auftrags einem Dritten zu übertragen. Dieses Konstrukt der Substitution ist auf den Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.d. § 675 Abs. 1 BGB jedenfalls analog anzuwenden (LG München I, Urteil vom 14.07.2011, 7 O 9779/10, juris). Hierdurch gehen die Pflichten des ursprünglich mit der Geschäftsbesorgung Beauftragten auf den Dritten über. Der ursprünglich Beauftragte wird insoweit von seiner Leistungspflicht befreit.
72Entgegen der Auffassung des Beklagten wird hierdurch nicht lediglich eine für die steuerliche Beurteilung irrelevante Haftungsfrage geklärt. Entscheidend ist vielmehr, dass der Pflichtenumfang des von dem Mandanten beauftragten inländischen Patenanwalts reduziert wird und durch die Auftragssubstitution Pflichten auf den ausländischen Patentanwalt übergehen. Leistungen, die der inländische Patentanwalt aber rechtlich dem Mandanten gegenüber nicht mehr schuldet, können nicht in die Prüfung der eigenverantwortlichen und leitenden Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG einbezogen werden.
73b. Es schadet auch nicht, dass die ausländischen Patentanwälte ihre Leistungen gegenüber der Klägerin abrechneten und diese die Kosten an die Mandanten weiterberechnete. Insoweit handelt es sich bei der Klägerin lediglich um einen durchlaufenden Posten. Diese Vorgehensweise beruht auf § 24 Abs. 3 BOPA und hat keine Auswirkung darauf, dass die der Rechnung zugrundeliegende Leistung des ausländischen Patentanwalts dem jeweiligen Mandanten geschuldet wird. Die Klägerin begleicht den Rechnungsbetrag jeweils für den Mandanten und stellt denselben Betrag wiederum dem Mandanten in Rechnung.
74Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin auf diesen Betrag jeweils noch einen Aufschlag von X € hinzurechnete. Dieser Aufschlag diente lediglich dem Ausgleich von Kosten, die der Klägerin dadurch entstanden sind, dass sie die Bezahlung der ausländischen Rechnung für den jeweiligen Mandanten übernommen hat. Der Aufschlag soll Währungsschwankungen, Bankgebühren und Portokosten abdecken. Aus dem beispielhaft vorgelegten Fall in den Verwaltungsvorgängen ist ersichtlich, wie sich der Betrag zusammensetzt und dass die Klägerin hierdurch keine eigene Bereicherung anstrebt. Zwar mögen im Einzelfall die Währungsschwankungen oder Bankgebühren geringer ausfallen, so dass im Ergebnis weniger Kosten als X € auf Seiten der Klägerin entstanden sind, dafür wird in anderen Fällen der umgekehrte Fall eintreten, in dem der Aufschlag von X € die tatsächlich angefallenen Kosten nicht decken kann. Die Klägerin hat nach eigenem, unbestrittenem Vortrag hierdurch insgesamt einen Verlust erzielt.
75Schließlich kann allein die Tatsache, dass die Zahlung über die Klägerin abgewickelt wird, keine eigene Leistungspflicht der Klägerin bezüglich der Auslandsanmeldung begründen.
76IV. Die Revision wurde nicht zugelassen, da keiner der Gründe des § 115 Abs. 2 FGO einschlägig ist.
77V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
78VI. Die Entscheidung über die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren beruht auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.
79[…] […] […]