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Die Vollziehung der Leistungsgebote wegen Kraftfahrzeugsteuer in den Bescheiden vom 14.03.2024 betreffend die Geschäftszeichen 28548-2022-8100-G102003, 69571-2022-8100-G102003, 134122-2022-8100-G102003, 31350-2023-8100-G102003, 73118-2023-8100-G102003, 11395-2024-8100-G102003 und 29401-2024-8100-G102003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.03.2024 wird bis zur Beendigung des Klageverfahrens in dieser Instanz ausgesetzt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
I.
2Streitig ist, ob mehrere an die Antragstellerin (Ast) gerichtete Leistungsgebote des Antragsgegners (Ag) von der Vollziehung auszusetzen sind.
3Die Ast ist eine Enkeltochter der am xx.xx..2022 verstorbenen Frau S M (Erblasserin). Auf die Erblasserin waren die Fahrzeuge mit den amtlichen Kennzeichen XX X 001, XX X 002, XX X 003 und XX X 004 zugelassen. Die Kraftfahrzeugsteuer für diese Fahrzeuge wurde ursprünglich mit Steuerbescheiden des Finanzamtes O festgesetzt. Das Fahrzeug mit dem Kennzeichen XX X 003 wurde zum 21.06.2023 abgemeldet. Die übrigen Fahrzeuge wurden bisher nicht abgemeldet und sind noch auf die Erblasserin zugelassen.
4Das Amtsgericht N ordnete mit Beschluss vom 10.08.2023 in der Nachlassangelegenheit der Erblasserin die Nachlasspflegschaft an und bestellte Herrn Rechtsanwalt N X aus E zum Nachlasspfleger. Der Beschluss erging unter dem Aktenzeichen des Amtsgericht N 00 VI 000/00. Als Beteiligter in dem Verfahren wird im Rubrum des Beschlusses Herr T M als „Erbe“ aufgeführt. In den Gründen zum Beschluss führt das Amtsgericht N aus, dass die Erben unbekannt seien bzw. die Erbenstellung noch nicht vollständig geklärt sei.
5Im Berufungsverfahren vor dem Landgericht B , Aktenzeichen I-0 X 00/21 (0 X 00/20Amtsgericht N ), dem ein Rechtsstreit der Erblasserin zugrunde liegt, hat das Landgericht in seinem gerichtlichen Hinweis vom 01.03.2024 (im Rubrum „Beschluss“) ausgeführt, dass bei einem Passivprozess – wie im dort vorliegenden Streitfall – die unbekannten Erben, vertreten durch den Nachlasspfleger, passiv legitimiert seien. Der in der 1. Instanz im Wege der Klageerhebung gegen die Erblasserin begonnene Prozess werde im Berufungsverfahren nunmehr gegen deren unbekannte Erben, vertreten durch den Nachlasspfleger, aufgenommen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den „Beschluss“ des Landgerichts B vom 01.03.2024 Bezug genommen.
6Mit Schreiben vom 12.03.2024 teilte der Nachlasspfleger dem Ag auf dessen Anfrage mit, dass die Ast sowie die weitere Enkeltochter Frau U M beim Amtsgericht N einen Erbschein beantragt hätten. Weiter habe der Nachlasspfleger das Schreiben des Ag zum Anlass genommen, den Verbleib und die Nutzer der Fahrzeuge zu ermitteln.
7Mit Leistungsgeboten vom 14.03.2024 forderte der Ag die Ast auf, die für die oben genannten Fahrzeuge festgesetzte Kraftfahrzeugsteuer nebst Säumniszuschlägen für die Entrichtungszeiträume ab dem 21.01.2022 zu bezahlen. Die Forderungen belaufen sich nach Aktenlage in der Summe auf 2.149,50 €. Zur Begründung führte der Ag jeweils aus, das Leistungsgebot ergehe an die Ast als Gesamtrechtsnachfolgerin gemäß § 45 Abgabenordnung (AO) der verstorbenen Frau S M. Wegen der im Bescheid angegebenen – fälligen – Geldforderungen in Höhe von … habe der Ag (Sachgebiet Vollstreckung) gegen die Ast die Vollstreckung durchzuführen. Es folgt im Bescheid jeweils die Berechnung der Geldforderung. Weitere Ausführungen zur Begründung der Inanspruchnahme der Ast sind in den Bescheiden nicht enthalten.
8Hiergegen legte die Ast Einspruch ein und machte geltend, dass sie nicht Gesamtrechtsnachfolgerin sei. Vielmehr seien die Erben unbekannt, weshalb ein Nachlasspfleger bestellt worden sei. Zudem könne bis zur Teilung des Nachlasses jeder Miterbe nach § 2959 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) die Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten aus dem Vermögen, das er außer seinem Anteil an dem Nachlass hat, verweigern. Der Nachlasspfleger habe die Nachlassangelegenheit abzuwickeln und insbesondere für die Begleichung von Nachlassverbindlichkeiten zu sorgen. Zugleich stellte die Ast einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Ag, der den Antrag mit Verfügung vom 28.03.2024 ablehnte.
9Mit Einspruchsentscheidung, ebenfalls vom 28.03.2024, wies der Ag den Einspruch der Ast als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus: Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 AO gingen Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Gesamtrechtsnachfolger über. Eine Gesamtrechtsnachfolge trete im Erbrecht durch die
10gesetzliche Erbfolge gemäß § 1922 Abs. 1 BGB ein. Gemäß § 1943 BGB könne der Erbe die Erbschaft nicht mehr ausschlagen, wenn er sie angenommen habe. Dies könne konkludent durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Hierbei sei der Antrag auf Erteilung eines Erbscheines regelmäßig als Annahme zu deuten. Mit der konkludenten Handlung durch Beantragung des Erbscheins beim Amtsgericht N habe die Ast erklärt, das Erbe anzunehmen. Sie sei somit Erbin des Vermögens der verstorbenen Frau S M und trete gemäß § 45 Abs. 1 AO die Gesamtrechtsnachfolge an.
11Am 07.04.2024 hat die Ast in der Sache Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) beim Gericht gestellt. Zur Begründung wiederholt sie ihr außergerichtliches Vorbringen.
12Die Ast beantragt,
13die Vollziehung der Leistungsgebote in den Bescheiden vom 14.03.2024 betreffend die Geschäftszeichen 28548-2022-8100-G102003, 69571-2022-8100-G102003, 134122-2022-8100-G102003, 31350-2023-8100-G102003, 73118-2023-8100-G102003, 11395-2024-8100-G102003 und 29401-2024-8100-G102003 bis einen Monat nach rechtskräftiger Entscheidung über die Klage auszusetzen.
14Der Ag beantrag,
15den Antrag abzulehnen.
16Er ist der Auffassung, dass die Leistungsgebote zu Recht ergangen seien und ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsakte nicht bestünden.
17II.
181. Der Antrag ist zulässig.
19Der Ag hat mit Verfügung vom 28.03.2024 den Antrag der Ast auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt.
202. Der Antrag ist auch begründet.
21a. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache, wenn die Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO erfüllt sind, d.h. bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, ganz oder teilweise die AdV anordnen, und zwar auch gegen Sicherheitsleistung.
22Die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheides ist ernstlich zweifelhaft, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken, so dass sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen könnte (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18.10.2023 - XI B 41/23, BFH/NV 2024, 179; vom 16.05.2019 - XI B 13/19, BFHE 264, 521, BStBl II 2021, 950; vom 26.09.2022 - XI B 9/22 (AdV), BFHE 276, 467). Es ist nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2024, 179; vom 04.07.2019 - VIII B 128/18, BFH/NV 2019, 1060, Rz 11; vom 31.07.2019 - XI B 15/19, BFH/NV 2019, 1259, Rz 12). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. BFH-Beschluss vom 07.05.2008 - IX S 26/07, BFH/NV 2008, 1498 m.w.N.). Dabei ist die Prüfung der tatsächlichen Gegebenheiten auf die präsenten Beweismittel, insbesondere auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen, einschließlich der Akten der Finanzbehörde, beschränkt. Es ist Sache des Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 155 FGO i.V.m. § 294 der Zivilprozessordnung - ZPO -).
23b. Ausgehend von diesen Grundsätzen bestehen nach summarischer Prüfung der von den Beteiligten vorgetragenen Tatsachen und unter Berücksichtigung der dem Gericht vorliegenden präsenten Beweismittel ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der gegenüber der Ast erlassenen Leistungsgebote vom 14.03.2024.
24Es stand im Zeitpunkt der erlassenen Leistungsgebote schon nicht fest, dass die Ast Erbin der Erblasserin ist. Auch aktuell steht nicht fest, dass die Ast Rechtsnachfolgerin der Erblasserin ist (dazu aa.). Weiter ist zweifelhaft, ob und in welchem Umfang die Ast für in der Vergangenheit gegenüber der Erblasserin festgesetzte Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit über den Tod der Erblasserin hinaus in Anspruch genommen werden kann (dazu bb.). Schließlich hat der Ag kein Auswahlermessen bei Erlass der Leistungsgebote ausgeübt (dazu cc.)
25aa. Ausweislich der dem Gericht als präsente Beweismittel vorliegenden Beschlüsse des Landgerichts B und des Amtsgerichts N sind die Erben der verstorbenen Frau S M derzeit unbekannt. Aus diesem Grund ist ein Nachlasspfleger bestellt worden. Rechtsansprüche gegen die unbekannten Erben, zu denen ausweislich der Ausführungen des Landgerichts B auch „vorläufige Erben“ gehören, sind, wenn sie im Wege der Klage durchgesetzt werden sollen, an die unbekannten Erben, vertreten durch den Nachlasspfleger zu richten. Die Ausführungen des Landgerichts B stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts, wonach sich ein Anspruch gegen die unbekannten Erben richte und nur gegen diese vertreten durch den Nachlasspfleger gerichtlich geltend gemacht werden kann (vgl. Urteil vom 30.11.2021 - 3 U 14/21, juris).
26Der Ag hat die Leistungsgebote aber nicht an die unbekannten Erben, vertreten durch den Nachlasspfleger Herrn Rechtsanwalt X, sondern an die Ast persönlich als Schuldnerin gerichtet. Diese gilt aber auch dann noch als „unbekannte“ Erbin, wenn sie sich selbst als Erbin ansieht, solange die Erbenstellung nicht feststeht. Der Senat sieht keine Veranlassung dazu, an der ungeklärten Erbenstellung, von der das Amtsgericht N in seinem Beschluss vom 10.08.2023 ausgeht, zu zweifeln. Der Beschluss ist in einer Nachlassangelegenheit ergangen, an der Herr T M beteiligt ist. Herr T M wird im Rubrum des Beschlusses als „Erbe“ aufgeführt. Die Beteiligten im Streitfall haben zu dieser Person nichts vorgetragen, so dass nach Aktenlage nicht ausgeschlossen werden kann, dass Herr T M als weiterer Miterbe oder möglicherweise sogar als einziger Erbe in Betracht kommt.
27bb. Zudem besteht Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage, was mit der „Haltereigenschaft“ i.S. der verkehrsrechtlichen Zulassung nach den Tod eines Halters rechtlich geschieht und wer Schuldner der festgesetzten Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit nach dem Tod des eingetragenen Halters ist. In Frage kommen insoweit die Erben als Gesamtrechtsnachfolger des verstorbenen Halters, solange das Fahrzeug auf den verstorbenen Halter zugelassen ist, oder die (ungeteilte) Erbengemeinschaft als neue Halterin und „Vereinigung“ i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) selbst. Im ersten Fall würde sich möglicherweise die Steuerschuld auf den Nachlass beschränken, im zweiten Fall könnte die Erbengemeinschaft bis zur Teilung des Nachlasses selbst Steuerschuldnerin i.S. des § 7 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) sein. Zu dieser kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Frage ist – soweit ersichtlich – bisher keine eindeutige gerichtliche Entscheidung ergangen. In dem Sachverhalt, über den der BFH in seinem Urteil vom 10.02.2021 - IV R 38/19, veröffentlicht in BFH/NV 2021, 1037, juris, zu entscheiden hatte, war das Fahrzeug eines verstorbenen Halters bereits vor dessen Tod abgemeldet worden, und es ging lediglich noch um die Frage, ob die Erben nachträglich eine Steuerbefreiung für das Fahrzeug beantragen können.
28(1) Anhaltspunkte zur Frage der Haltereigenschaft und des Steuerschuldners ergeben sich aus den folgenden Überlegungen: Zwar besteht nach ständiger Rechtsprechung des BFH die Steuerpflicht auch in dem Zeitraum, in dem der Fahrzeughalter tatsächlich oder rechtlich „zeitweilig“ daran gehindert ist, das Fahrzeug im Straßenverkehr zu nutzen. Solange es für den Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen ist, handelt es sich um ein „Halten“ i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG (BFH-Urteile vom 14.06.2018 - III R 26/16, BFHE 261, 480, BFH/NV 2018, 1203; und vom 18.04.2012 - II R 32/10, BFHE 240, 413, BStBl II 2013, 516). Maßgebend und ausreichend dafür ist die Ausfertigung der Zulassungsbescheinigung gemäß §§ 11, 12 Fahrzeug-Zulassungsverordnung. Der Begriff des Haltens knüpft bei zulassungspflichtigen Fahrzeugen allein an das Innehaben der Zulassung an (BFH in BFHE 240, 413, BStBl II 2013, 516; BFH-Urteile vom 04.03.1986 - VII R 166/83, BFHE 146, 282, 285, 287, BStBl II 1986, 531; vom 13.01.1987 - VII R 150/84, BFHE 148, 542, BStBl II 1987, 272), durch die auch die Person des Steuerschuldners bestimmt wird (§ 7 Nr. 1 KraftStG; BFH-Urteil in BFHE 148, 542, BStBl II 1987, 272).
29(2) Legt man diese Rechtsprechung zugrunde, spricht viel dafür, dass die Kraftfahrzeugsteuerpflicht im Streitfall über den Tod der Erblasserin hinaus angedauert hat. Denn die streitgegenständlichen Fahrzeuge sind nach wie vor formal für den Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen. Aus der Zulassung folgt die Berechtigung, die Fahrzeuge zu benutzen. Fraglich ist jedoch, ob die Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit nach dem Tod der Erblasserin (noch) eine Nachlassverbindlichkeit darstellt oder eine neue Verbindlichkeit der Erbengemeinschaft, die keinen Bezug zum Nachlass aufweist. Problematisch ist, dass im Streitfall aktuell die Fahrzeuge auf die Erbengemeinschaft als „Vereinigung“ nicht zugelassen sind.
30(3) Weiter bestehen Bedenken dahingehend, die oben dargestellte formale Sichtweise des BFH auf den Streitfall zu übertragen: Erstens ist fraglich, ob der Rechtsgrundsatz des BFH, wonach ein „Halten“ i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG vorliegt, solange ein Fahrzeug für den Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen ist, ausnahmslos anzuwenden ist, d.h. auch auf Fahrzeuge, die auf eine verstorbene Person zugelassen sind. Denn insoweit ist der Fahrzeughalter nicht lediglich „zeitweilig“ aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen daran gehindert, das Fahrzeug zu nutzen. Vielmehr würden die Halterposition und damit die Kraftfahrzeugsteuerpflicht im Falle eines Versterbens des Halters an eine Person anknüpfen, die gar nicht mehr existiert. In den Sachverhaltskonstellationen, über die der BFH in den oben genannten Urteilen entschieden hat, lebten bzw. existierten (juristische Person) die eingetragenen Halter, so dass die Rechtsprechung nicht mit dem vorliegenden Streitfall vergleichbar ist.
31Zudem sind Änderungen in der Person des Halters bzw. Eigentümers – wozu auch ein Erbe bzw. eine ungeteilte Erbengemeinschaft gehört – der Zulassungsbehörde umgehend mitzuteilen (vgl. § 15 FZV). Die Zulassung eines Fahrzeugs auf eine verstorbene Person sieht das Verkehrsrecht nicht vor. Vielmehr darf auf einen Toten keine Zulassungsbescheinigung ausgestellt werden (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 06.07.2016 - M 23 K 15.4389, juris).
32(4) Weiter hat der BFH festgestellt, dass die Rechtsposition des Halters eines Kraftfahrzeugs im Falle einer Insolvenz des Halters kein „Vermögen“ i.S. des § 35 der Insolvenzordnung ist und nicht zur Insolvenzmasse gehört, da die Rechtsposition des Halters kein geldwertes Recht oder Gut ist (vgl. BFH-Urteil vom 13.04.2011 - II R 49/09, BFHE 234, 97, BStBl II 2011, 944). Damit besteht Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage, ob die Rechtsposition als „Halter“ an sich vererbt werden kann. Die Rechtsposition als Halter ist insoweit vom Eigentum am Fahrzeug als Vermögenswert zu unterscheiden.
33(5) Die Inanspruchnahme der Ast im Streitfall zum aktuellen Zeitpunkt wirft zudem weitere, insbesondere praktische Fragen bezüglich einer etwaigen beabsichtigten Ummeldung oder Abmeldung der auf die Erblasserin zugelassenen Fahrzeuge auf: Die Zulassungsstelle darf, etwa im Rahmen einer beantragten Ausstellung des Ersatzes der Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II für Fahrzeuge, die sich in einem Nachlass befinden, nicht ohne Nachweis davon ausgehen, dass der Ehegatte oder die nächsten Verwandten eines verstorbenen Halters dessen Erben oder Gesamtrechtsnachfolger sind. Diese haben vielmehr ihre „Verfügungsberechtigung“ nachzuweisen. Ein solcher Nachweis erfolgt üblicherweise im Geschäftsverkehr durch einen Erbschein, soweit nicht Rechtsstreitigkeiten hierüber anhängig sind; er kann aber evtl. auch in sonstiger Weise geführt werden, etwa durch ein notarielles Testament (vgl. Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 07.02.2017 - 11 ZB 16.1886, juris). Die Zulassungsstelle entscheidet ferner keine privatrechtlichen Sachverhalte (§ 14 Abs. 7 Satz 1 FZV). Das heißt, die Zulassungsstelle prüft auch nicht von Amts wegen, wer rechtmäßiger Erbe des Fahrzeugs ist.
34Übertragen auf den Streitfall bedeutet dies, dass die Ast nach Aktenlage keine Möglichkeit hat, die Kraftfahrzeugsteuerpflicht der streitgegenständlichen Fahrzeuge durch Abmeldung oder Ummeldung der Fahrzeuge zu beenden. Denn nach summarischer Prüfung der vorgetragenen Tatsachen ist bisher weder ein Erbschein gegenüber der Ast ausgestellt worden noch existiert ein Testament, mit dem die Ast der Zulassungsstelle gegenüber nachweisen kann, dass sie Erbin ist. Ferner ist nicht ersichtlich, dass die Ast im Besitz der amtlichen Kennzeichen und der Zulassungsbescheinigungen ist, deren Vorlage für eine Abmeldung der Fahrzeuge ebenfalls erforderlich wäre. Vielmehr hat der Nachlasspfleger mit Schreiben vom 12.03.2024 dem Ag gegenüber mitgeteilt, dass er die Anfrage des Ag zum Anlass genommen habe, den Verbleib und die Nutzer der Fahrzeuge zu ermitteln. Anhaltspunkte dafür, dass die Ast die streitgegenständlichen Fahrzeugs genutzt hat, haben sich bisher nicht ergeben. Dies hat der Ag auch nicht behauptet. Ist es einem Halter objektiv nicht möglich, die Zulassung eines Fahrzeugs und damit die Steuerpflicht zu beenden, kommt insoweit – bei Vorliegen der jeweiligen übrigen Voraussetzungen – der Erlass der Kraftfahrzeugsteuer oder eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 5 Abs. 4 KraftStG bzw. § 163 AO in Betracht.
35Es bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten, den Sachverhalt hierzu zu ermitteln.
36cc. Schließlich hat der Ag bei Erlass der Leistungsgebote im Hinblick darauf, dass die Erben der Erblasserin Gesamtschuldner i.S. des § 44 AO sind, kein Auswahlermessen nach § 5 AO ausgeübt. Das auszuübende Auswahlermessen ist nach § 121 Abs. 1 AO unter Angabe der maßgeblichen Zweckmäßigkeitserwägungen und der Umstände, die für oder gegen die Inanspruchnahme des jeweiligen Gesamtschuldners sprechen, zu begründen (Urteil des FG Hamburg vom 26.08.2019 - 4 K 64/17, juris; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 44 Rz. 28; Schindler in Gosch, AO/FGO, § 44 Rz. 32 und 39).
37Vorliegend kommen neben der Ast als weitere Erben und Gesamtschuldner Frau U M und Herr T M in Betracht. Der Ag hat in den Bescheiden aber nicht darauf hingewiesen, dass er die Ast als Gesamtschuldnerin in Anspruch nimmt. Weder die angefochtenen Bescheide über die Leistungsgebote vom 14.03.2024 noch die Einspruchsentscheidung vom 28.03.2024 lassen Ermessenserwägungen des Ag erkennen, so dass auch insoweit nach summarischer Prüfung der vorgetragenen Umstände ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Leistungsgebote bestehen.
383. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO
39… … …