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Waffen und Munition sind im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b Alt. 3 WaffG nur dann sorgfältig verwahrt, wenn die Anforderungen des § 36 WaffG beachtet sind.
Die Schlüssel zu Waffen- oder Munitionsbehältnissen, sind, soweit der Waffen- oder Munitionsbesitzer die tatsächliche Gewalt über sie nicht ausübt, in Behältnissen aufzubewahren, die ihrerseits den gesetzlichen Anforderungen an die Aufbewahrung der im Waffen- oder Munitionsbehältnis verwahrten Waffen und Munition genügen.
Ist ein objektiver Verstoß gegen die Pflichten zur Aufbewahrung von Schlüsseln zu Waffen- oder Munitionsbehältnissen dem Waffen- oder Munitionsbesitzer ausnahmsweise wegen besonderer Umstände in subjektiver Hinsicht nicht als besonders schwerwiegend vorzuwerfen, kann dies im Einzelfall ein plausibles Risiko erneuten Fehlverhaltens im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b WaffG ausschließen.
Das angegriffene Urteil wird geändert.
Der Bescheid des Beklagten vom 28. Februar 2019 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf ihm vom Beklagten erteilter waffenrechtlicher Erlaubnisse.
3Der Beklagte hatte dem Kläger verschiedene Waffenbesitzkarten erteilt, in welchen insgesamt acht Langwaffen und zwei Kurzwaffen eingetragen sind. Seine Waffen bewahrte der Kläger in seinem Wohnhaus in einem Waffenschrank der Sicherheitsstufe B nach VDMA 24992 auf, der mittels eines Schlüssels zu verschließen war. Die Kurzwaffen bewahrte der Kläger innerhalb dieses Schranks in einem gesonderten, ebenfalls mit einem Schlüssel verschließbaren Fach auf. Die zum Waffenschrank zugehörigen Schlüssel lagerte der Kläger in einem auf dem Waffenschrank aufgeklebten, etwa 30 cm x 40 cm x 35 cm großen und etwa 40 kg schweren Tresor aus dick- und doppelwandigem Stahl, der über ein Zahlenschloss verfügte und nicht zertifiziert war. Die Aufbewahrung seiner Waffen wies der Kläger dem Beklagten im November 2010 durch Vorlage von Lichtbildern nach. Bei einer örtlichen Überprüfung der Art und Weise der Aufbewahrung der Waffen und Munition am 8. Dezember 2010 beanstandete der Beklagte nichts.
4Während einer Urlaubsabwesenheit vom 28. Oktober bis zum 4. November 2018 wurde in das Haus des Klägers eingebrochen. Die Einbrecher öffneten den Waffenschrank und entwendeten daraus zwei Kurzwaffen, zwei Waffenmagazine, mehrere Packungen Munition und zudem den auf dem Waffenschrank geklebten kleinen Tresor mit Zahlenschoss. Es wurden keine Spuren einer gewaltsamen Öffnung des Waffenschranks festgestellt.
5Noch im November 2018 erwarb der Kläger einen neuen zur Aufbewahrung von Waffen genügenden Waffenschank mit dem Widerstandsgrad I nach DIN/EN 1143 11, der mittels Zahlenkombination zu verschließen ist. Geliefert wurde dem Kläger der Waffenschrank am 3. Dezember 2018.
6Unter dem 11. Dezember 2018 hörte der Beklagte den Kläger zum beabsichtigten Widerruf der erteilten waffenrechtlichen Erlaubnisse an. Nachdem der Kläger dazu mit anwaltlichem Schreiben vom 14. Januar 2019 Stellung genommen hatte, widerrief der Beklagte mit am 12. März 2019 zugestellten Bescheid vom 28. Februar 2019 die waffenrechtlichen Erlaubnisse des Klägers (Nr. 1 des Bescheides), ordnete an, dass der Kläger die waffenrechtlichen Erlaubnisse auszuhändigen sowie die in den Waffenbesitzkarten eingetragenen Schusswaffen und die eventuell im Besitz des Klägers befindliche Munition bis spätestens vier Wochen nach Zustellung an einen Berechtigten zu veräußern oder unbrauchbar zu machen habe (Nr. 2 des Bescheides) und setzte eine Gebühr in Höhe von 305,- Euro fest. Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus: Der Kläger besitze nicht die erforderliche Zuverlässigkeit, weil der anlässlich des Einbruchs festgestellte Sachverhalt die Annahme rechtfertige, er werde mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren. Zwar habe der Kläger die Waffen in einem den Anforderungen entsprechenden Waffenschrank aufbewahrt und dies auch den Behörden nachgewiesen, ausschlaggebend sei jedoch, dass die Sicherheitsvorkehrungen zur Aufbewahrung der Tresorschlüssel nicht hinreichend verlässlich gewesen seien, um zu verhindern, dass Schusswaffen in die Hände von Unbefugten gelangten.
7Der Kläger hat am 9. April 2019 Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen vorgetragen hat: Der angefochtene Bescheid sei materiell rechtswidrig. Ihm könne keine unsorgfältige Aufbewahrung seiner Waffenschrankschlüssel vorgeworfen werden. Er habe alles getan, was ein akkurater und umsichtiger Mensch tue, um Waffen und Munition sicher unterzubringen. Es sei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Die Waffenbehörden verlangten ihm etwas ab, was die waffenrechtlichen Gesetze an keiner Stelle forderten. Das Waffenrecht schreibe für die Aufbewahrung von Waffenschrankschlüsseln keine Tresore und erst Recht nicht deren Widerstandsgrad vor. Es finde im Gesetz keine Stütze, dass der kleine Tresor eine Zertifizierung hätte haben müssen. Einen absoluten Ein- und Aufbruchsschutz gebe es nicht. Darüber hinaus habe der kleine Tresor sämtliche Kriterien eines Sicherheitsbehältnisses der Norm DIN/EN 1143-1 Widerstandsgrad 0 bzw. ein faktisch gleichwertiges Schutzniveau erfüllt. Es hätte sogar ausgereicht, wenn er die Schlüssel zum Waffenschrank in einer Geldkassette aufbewahrt hätte. Die Stabilität des Tresors und die Sicherung durch ein Zahlenschloss hätten den Inhalt denkbar sicher vor jedermann geschützt.
8Der Kläger hat beantragt,
9den Widerrufsbescheid des Beklagten vom 28. Februar 2019 aufzuheben.
10Der Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Der Beklagte hat unter Wiederholung und Vertiefung der Begründung des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen vorgetragen: Die Sicherheitsvorkehrungen des Klägers zur Aufbewahrung der Schlüssel seien nicht hinreichend verlässlich gewesen. Es bestehe kein Nachweis über die Widerstandskraft des Tresors, da dieser nicht zertifiziert gewesen sei. Der Kläger habe nicht alle Sicherheitsmöglichkeiten ausgenutzt, um eine Gefährdung so weit wie möglich auszuschließen.
13Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angegriffenen Urteil vom 23. Juni 2020 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die zulässige Klage sei unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Voraussetzungen von § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG für den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse seien erfüllt. Es seien nachträglich Tatsachen eingetreten, die zur Folge hätten, dass der Kläger bei Widerrufserlass die erforderliche Zuverlässigkeit nicht (mehr) besessen habe. Er habe nicht die erforderlichen Vorkehrungen getroffen, um zu verhindern, dass seine Waffen abhandenkommen oder Dritte sie unbefugt an sich nehmen. Durch die konkrete Aufbewahrung der Schlüssel zum Waffenschrank habe er Unbefugten den Zugriff dergestalt ermöglicht, dass die Sicherheitsstufe bzw. der Widerstandsgrad seines Waffenschrankes habe umgangen werden können. Es könne nicht festgestellt werden, dass der vom Kläger zur Aufbewahrung seiner Waffenschrankschlüssel genutzte kleine Tresor eine vom Waffengesetz anerkannte Sicherheitsstufe oder einen entsprechenden Widerstandsgrad erfüllt habe. Angesichts dessen seien die Vorkehrungen des Klägers in der konkreten Situation unzureichend gewesen. Indem er direkt auf dem Waffenschrank das Behältnis für die Schlüssel aufbewahrt und sich dann - für Dritte erkennbar - in eine längere Urlaubsreise begeben habe, sei das Schutzniveau des Waffenschrankes praktisch leergelaufen und habe nicht mehr die Anforderungen von Sicherheitsstufe B nach VDMA 24992 (Stand Mai 1995) bzw. Widerstandsgrad 0 nach DIN/EN 1143-1 (Stand 1997) erfüllt. Dem Kläger habe sich aufdrängen müssen, dass seine Art der Aufbewahrung des Schlüssels nicht ansatzweise einen hinreichenden Schutz für planmäßig agierende Einbrecherbanden habe bieten können. Der Aufbewahrungsverstoß wiege hinreichend schwer und rechtfertige bereits für sich genommen die Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b WaffG, der Kläger werde auch künftig mit Waffen nicht vorsichtig umgehen und diese auch künftig nicht sorgfältig verwahren. Auch die Anordnung in Nr. 2 des angefochtenen Bescheides und die Gebührenfestsetzung in Nr. 3 des Bescheides seien rechtmäßig.
14Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung des Klägers zu deren Begründung er vorträgt : Man könne ihm keine unsorgfältige Aufbewahrung von Waffen und Munition vorwerfen. Es gebe keine Norm, wonach sich Schlüsselbehältnis und Waffenschrank hinsichtlich ihres Widerstandsgrades entsprechen müssten, sodass man ihm dies auch nicht abverlangen dürfe. Der Gesetzgeber verzichte auf leicht umzusetzende höhere Sicherheitsstandards, indem er noch immer keine Schlüsselschlösser an Waffenschränken verbiete, und akzeptiere gewisse Sicherheitslücken. Weil es eine absolute Sicherheit nicht gebe, dürfe diese auch nicht Sorgfaltsmaßstab sein. Ein Tresor gelte üblicherweise als der sicherste Aufbewahrungsort. Es habe sich ihm nicht aufdrängen müssen, dass seine Art der Aufbewahrung des Schlüssels keinen hinreichenden Schutz für planmäßig agierende Einbrecherbanden hätte bieten können. Dass der Tresor mit den Schlüsseln entwendet worden sei, spreche gewichtig dafür, dass es den Einbrechern vor Ort nicht gelungen sei, ihn zu öffnen. Dies sei ein durchschlagender Beweis dafür, dass er seinen Inhalt bestmöglich geschützt habe. Er habe die Nutzung des Tresors für geeignet halten dürfen, missbräuchlicher Verwendung des Waffenschrankschlüssels bestmöglich vorzubeugen. Er habe aus der Perspektive eines umsichtigen Waffenbesitzers alles Zumutbare getan, um einem Abhandenkommen des Waffenschrankinhaltes vorzubeugen. Weder ein Versteck noch ein Mitsichführen des Schlüssels wäre sorgfältiger als die Verwahrung im Tresor gewesen. Die Verwahrung der Waffenschrankschlüssel in einem Tresor, der ebenso sicherheitszertifiziert sei wie der Waffenschrank, übersteige die im einschlägigen Verkehrskreis zu beachtende Sorgfalt und ein Verstecken oder Mitnehmen hätte keinen besseren Schutz geboten.
15Der Kläger beantragt,
16das angegriffene Urteil zu ändern und dem erstinstanzlichen Antrag zu entsprechen.
17Der Beklagte beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Er trägt vertiefend und ergänzend vor: Der Kläger sei nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b WaffG unzuverlässig. Er habe gegen seine Pflicht zur sorgfältigen Aufbewahrung von Waffen und Munition verstoßen, weil er den Waffenschrankschlüssel nicht in einem Behältnis aufbewahrt habe, welches mindestens den gleichen Widerstandsgrad oder dieselbe Sicherheitsklasse wie der dazugehörige Waffenschrank aufgewiesen habe. Insbesondere dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Schlüssel zum Waffenschrank in einem nicht zertifizierten Schrank innerhalb des gleichen Raumes aufbewahrt werde, sei die Verwendung eines den Anforderungen entsprechenden Schrankes für die Aufbewahrung der Waffen und Munition praktisch sinnlos. Von dem Waffenschrank gehe dann kein größeres Sicherheitsniveau aus, als wenn die Waffen und Munition in dem nicht zertifizierten Schrank aufbewahrt würden. Der Kläger habe nicht alle ihm zumutbaren Sorgfalts- und Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, obwohl für ihn in der konkreten Situation allein aufgrund seiner urlaubsbedingten längerfristigen Ortsabwesenheit sogar ein Grund für erhöhte Vorsichtsmaßnahmen bestanden habe. Der Aufbewahrungsverstoß stelle eine gröbliche und schwerwiegende Zuwiderhandlung gegen die gesetzlichen Vorschriften über die Aufbewahrung von Waffen und Munition dar und rechtfertige die Unzuverlässigkeitsprognose. Dass der Kläger seine Aufbewahrungsverhältnisse bis zuletzt verteidige, sei ein weiterer Beleg für seine Rechtsauffassung in Bezug auf die von ihm einzuhaltenden Aufbewahrungsanforderungen. Zu keinem anderen Ergebnis könne führen, dass er in der Zwischenzeit den notwendigen Anforderungen bezüglich der Aufbewahrung durch Anschaffung eines Waffenschranks mit Codeschloss nachgekommen sei. Im Übrigen lasse das bisherige Vorbringen des Klägers keinerlei sachliche Auseinandersetzung mit seinem Fehlverhalten und seiner Schuld und Verantwortlichkeit erkennen.
20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
21E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
22Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.
23Die zulässige Klage ist begründet.
24Der Bescheid des Beklagten vom 28. Februar 2018 ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben, weil er rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt.
25Dies gilt zunächst für den verfügten Erlaubniswiderruf (Nr. 1 des Bescheides).
26Als Rechtsgrundlage für den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse des Klägers kommt im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufserlasses,
27vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 - 6 C 24.06 ‑, juris, Rn. 35,
28hier also im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides vom 28. Februar 2019, allein § 45 Abs. 2 Satz 1 des Waffengesetzes vom 11. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3970, 4592; 2003 I S. 1957) in der Fassung der Änderung durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Waffengesetzes und weiterer Vorschriften vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2133) - im Folgenden: WaffG - in Betracht.
29Danach ist eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eingetreten sind, die zur Versagung hätte führen müssen. Diese Voraussetzungen für den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse des Klägers lagen im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufserlasses nicht vor.
30Als Versagungsgrund ist vorliegend ernsthaft allein in Betracht zu ziehen, dass der Kläger nicht mehr über die für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis erforderliche Zuverlässigkeit (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG) verfügte. Das war indes nicht der Fall, weil keiner der in § 5 WaffG genannten Gründe für ein Fehlen der Zuverlässigkeit gegeben war.
31Der Kläger war im Zeitpunkt des verfügten Erlaubniswiderrufs nicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b WaffG unzuverlässig.
32Nach dieser Vorschrift besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden.
33Die zur Feststellung der (absoluten) Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b WaffG erforderliche Prognose ist anhand einer umfassenden Einbeziehung und Bewertung aller Tatsachen vorzunehmen, die für die zu treffende zukunftsbezogene Beurteilung bedeutsam sein können. Dabei dürfen keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Die Prognose hat sich am Zweck des Gesetzes zu orientieren. Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen.
34Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Juli 2018 - 6 B 79.18 -, juris, Rn. 6 und 8, m. w. N., und Urteil vom 28. Januar 2015 - 6 C 1.14 -, juris, Rn. 17, m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 5. Juni 2020 - 20 B 1740/19 -, juris, Rn. 9, m. w. N.
35Der Mangel der Zuverlässigkeit setzt nicht den Nachweis voraus, dass der Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit Waffen und Munition nicht sorgsam (verantwortungsbewusst) umgehen wird. Vielmehr genügt, dass bei verständiger Würdigung aller Umstände eine gewisse bzw. hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen besteht.
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2015 - 6 C 1.14 -, juris, Rn. 17, m. w. N., und Beschluss vom 2. November 1994 - 1 B 215.93 -, juris, Rn. 10; OVG NRW, Beschluss vom 5. Juni 2020 - 20 B 1740/19 -, juris, Rn. 9, m. w. N.
37Wird im Rahmen der anzustellenden Prognose von einem gezeigten Verhalten als Tatsache auf das in Zukunft zu erwartende Verhalten des Betroffenen geschlossen, muss im Bereich des Waffenrechts kein Restrisiko hingenommen werden.
38Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Juni 2020 ‑ 20 B 1740/19 -, juris, Rn. 13 f., m. w. N.
39Die Annahme einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b WaffG ist nicht erst bei einer beharrlichen Verletzung der Vorschriften über die Aufbewahrung von Waffen und Munition anzunehmen. Mit dem aufgezeigten, vom Gesetzgeber gewollten und das Waffengesetz prägenden Grundsatz, Waffenbesitz nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit der Waffe jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen, kann auch ein einmaliger, nicht völlig unerheblicher Verstoß gegen Aufbewahrungsvorschriften ausreichen, um darauf die Prognose zu stützen, es werde auch zukünftig zu entsprechenden Verstößen kommen.
40Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Juni 2020 ‑ 20 B 1740/19 -, juris, Rn. 15 ff., m. w. N.
41Allerdings führt ein nachgewiesener Verstoß gegen waffenrechtliche Vorschriften nicht unweigerlich zu einer negativen Prognose im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG. Das wäre mit dem prospektiven Charakter dieses Zuverlässigkeitskriteriums unvereinbar.
42Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 20. April 2023 ‑ 24 CS 23.495 -, juris, Rn. 25.
43Die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG erforderliche Prognose ist, wie ausgeführt, anhand einer umfassenden Einbeziehung und Bewertung aller Tatsachen vorzunehmen, die für die zu treffende zukunftsbezogene Beurteilung bedeutsam sein können. Dazu zählen auch entlastende Umstände.
44Insgesamt ist - wie ausgeführt - entscheidend, ob die ermittelten Tatsachen nach aller Lebenserfahrung ein plausibles Risiko dafür begründen, dass der Betroffene künftig das prognoserelevante Verhalten (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG) begehen wird.
45Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2015 - 6 C 1.14 -, juris, Rn. 17, m. w. N.; Bay. VGH, Beschluss vom 20. April 2023 ‑ 24 CS 23.495 -, juris, Rn. 25.
46Dabei ist die Annahme, dass der Betroffene erneut einschlägige Verhaltensweisen zeigen wird, umso mehr gerechtfertigt ist, je mehr in dem nachgewiesenen Verhalten eine grundlegend mangelhafte Einstellung des Betroffenen in Bezug auf die Einhaltung der waffengesetzlich begründeten (Sorgfalts‑)Pflichten zum Ausdruck kommt; je geringfügiger der Verstoß ist, umso eher kann die Annahme, dass es erneut zu spezifisch waffenrechtlich missbilligten Verhaltensweisen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG kommen wird, verneint werden.
47Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 20. April 2023 ‑ 24 CS 23.495 -, juris, Rn. 25.
48Letzteres kann insbesondere anzunehmen sein, wenn das betreffende Verhalten als situative Nachlässigkeit minderen Gewichts einzustufen ist und bei nur einmaligem Auftreten noch toleriert werden kann.
49Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Juni 2020 ‑ 20 B 1740/19 -, juris, Rn. 19 f., m. w. N.
50Ausgehend von dem Vorstehenden lagen im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlaubniswiderrufs keine Tatsachen vor, die die Annahme gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b WaffG rechtfertigten, der Kläger werde zukünftig mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder nicht sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren.
51Zwar hat der Kläger durch die von ihm praktizierte Aufbewahrung seiner Waffen und Munition gegen waffengesetzliche Anforderungen an die sorgfältige Aufbewahrung solcher Gegenstände verstoßen. Im vorliegenden Einzelfall ist aber dennoch nicht zu erwarten, dass der Kläger künftig ein waffenrechtlich bedenkliches Verhalten im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b WaffG zeigen wird.
52Der Kläger hat objektiv gegen die gesetzlichen Anforderungen an eine sorgfältige Aufbewahrung von Waffen und Munition verstoßen, indem er während seiner urlaubsbedingten Abwesenheit in der Zeit vom 28. Oktober bis zum 4. November 2018 zwar seine Waffen und Munition in einem den gesetzlichen Anforderungen an die Aufbewahrung dieser erlaubnispflichtigen Waffen und Munition gemäß § 36 Abs. 1, Abs. 5 WaffG, § 13 Abs. 1 bis 3 AWaffV in der bis zum 18. September 2020 geltenden und hier maßgeblichen Fassung (AWaffV a. F.) entsprechenden Waffenschrank, jedoch die Schlüssel zu diesem Schrank und dessen Innenfach in einem auf dem Waffenschrank befindlichen Tresor aufbewahrt hat, der nicht den entsprechenden gesetzlichen Anforderungen an die Aufbewahrung der hier in Rede stehenden Waffen und Munition genügte.
53Waffen und Munition sind im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b Alt. 3 WaffG nur dann sorgfältig verwahrt, wenn die Anforderungen des § 36 WaffG beachtet sind. Nach § 36 Abs. 1 WaffG hat der Besitzer von Waffen oder Munition die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass diese Gegenstände abhandenkommen oder Dritte sie unbefugt an sich nehmen. § 36 Abs. 1 WaffG begründet eine umfassende Pflicht zum sicheren Umgang mit Waffen und Munition, die nicht allein zu Vorkehrungen technischer Art, sondern auch zur Vornahme aller sonstigen Maßnahmen verpflichtet, die erforderlich sind, um das Abhandenkommen von Waffen und Munition oder deren Ansichnahme durch unbefugte Dritte zu verhindern. Welche Maßnahmen im Einzelnen getroffen werden müssen, damit der allgemeinen Sorgfaltspflicht nach § 36 Abs. 1 WaffG genügt wird, bemisst sich jeweils nach den Umständen des Einzelfalles.
54Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. April 2020 ‑ 20 B 1296/19 -, m. w. N.
55Bereits seinem Wortlaut nach gibt § 36 Abs. 1 WaffG als Maßstab für die zu treffenden Vorkehrungen gegen ein Abhandenkommen und eine Ansichnahme von Waffen und Munition durch unberechtigte Dritte die Erforderlichkeit der betreffenden Maßnahme und des betreffenden Verhaltens vor. In Anknüpfung daran und unter weiterer Berücksichtigung der nicht zuletzt verfassungsrechtlich gebotenen Verhältnismäßigkeit der dem Besitzer von Waffen oder Munition durch § 36 Abs. 1 WaffG auferlegten Pflichten sind nach dieser Vorschrift solche Vorkehrungen zu treffen, die geeignet und erforderlich sind, um das Abhandenkommen von Waffen oder Munition und deren Ansichnahme durch unberechtigte Dritte zu verhindern. Außerdem müssen die Vorkehrungen im angemessenen Verhältnis zum vorgenannten Zweck stehen, d. h. die entsprechende Belastung des Waffen- oder Munitionsbesitzers muss diesem mit Rücksicht auf den damit verfolgten Zweck zumutbar sein.
56Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2016 ‑ 20 A 1397/14 -, m. w. N.
57Darüber hinaus sind die Anforderungen an die Aufbewahrung von Waffen und Munition in § 36 Abs. 5 WaffG i. V. m. § 13 AWaffV bestimmt bzw. zum hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlaubniswiderrufs in § 36 Abs. 1 WaffG i. V. m. § 13 AWaffV a. F. bestimmt gewesen. In diesen Vorschriften waren und sind insbesondere Vorgaben zur Aufbewahrung von Waffen und Munition in Behältnissen und erforderliche Sicherheitsstandards der Behältnisse geregelt. Darin waren und sind indes keine Bestimmungen getroffen, die es ausschließen, dass ein solches Behältnis mittels eines Schlüssels zu verschließen ist.
58Da es ebenso wenig konkretere gesetzliche Vorschriften dazu gibt, wie der Besitzer von Waffen oder Munition gegebenenfalls mit dem Schlüssel für das Behältnis, in dem er Waffen oder Munition aufbewahrt, zu verfahren hat, bestimmen sich die Vorkehrungen, die er insofern zu treffen hat, im hier maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt nach § 36 Abs. 1 WaffG unter Berücksichtigung des Zusammenhangs mit § 36 Abs. 2 bis 6 WaffG i. V. m. § 13 AWaffV a. F.
59Es versteht sich mit Blick auf die in § 36 Abs. 5 WaffG i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 AWaffV a. F. geregelte Verpflichtung zur Aufbewahrung von erlaubnispflichtigen Schusswaffen in Behältnissen, die bestimmten Sicherungsanforderungen genügen müssen, von selbst, dass der Waffenbesitzer bei einer solchermaßen erforderlichen Aufbewahrung von erlaubnispflichtigen Schusswaffen nach § 36 Abs. 1 WaffG nicht nur verpflichtet ist, das Behältnis, in dem die Schusswaffen aufbewahrt werden, sobald es nicht mehr unter seiner jederzeitigen Zugriffsmöglichkeit steht, verschlossen zu halten, sondern dass er die zugehörigen Schlüssel auch zu keinem Zeitpunkt für unbefugte Dritte zugänglich aufbewahren darf.
60Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. April 2020 ‑ 20 B 1296/19 -.
61Vielmehr müssen die Schlüssel zu derartigen Behältnissen ebenfalls gesichert aufbewahrt werden und eine solche Sicherung - sei es durch Mitsichführen, Verschluss oder andere Maßnahmen - muss hinreichend verlässlich sein, um den Zugriff Dritter möglichst auszuschließen.
62Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. März 2016 ‑ 20 A 1397/14 -, m. w. N.
63Für den Besitzer von Munition gilt nichts Anderes.
64Diesen Anforderungen ist nach den gesetzlichen Regelungen jedenfalls genügt, wenn und solange der Waffen- und/oder Munitionsbesitzer die tatsächliche Gewalt über den Schlüssel zum Waffen- bzw. Munitionsbehältnis ausübt. Denn auch im Hinblick auf Waffen und Munition selbst sind nach den gesetzlichen Bestimmungen (§ 36 WaffG i. V. m. § 13 AWaffV a. F.) erst dann weitergehende Sicherungsvorkehrungen erforderlich, wenn deren Besitzer die tatsächliche Gewalt über diese Gegenstände nicht mehr ausübt, sondern diese verwahrt.
65Daraus ergibt sich indes zugleich, dass es auch für einen Schlüssel zum Waffen- oder Munitionsbehältnis entsprechender Sicherungsmaßnahmen bedarf, wenn und solange der Waffen- oder Munitionsbesitzer die tatsächliche Gewalt über diesen Schlüssel nicht ausübt, sondern diesen anderweitig verwahrt. Anderes liefe dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen zu den Anforderungen an die Behältnisse, in denen Waffen und Munition aufbewahrt werden, zuwider.
66Nach den gesetzlichen Bestimmungen ist es nicht ausgeschlossen, Waffen und/oder Munition in einem den vorgeschriebenen Sicherheitsstandards genügenden Behältnis aufzubewahren, das mit einem Schlüssel verschlossen wird. In diesem Fall ist der Schlüssel zu diesem Behältnis aber in einem Behältnis aufzubewahren, das seinerseits den gesetzlichen Sicherheitsstandards an die Aufbewahrung der in Rede stehenden erlaubnispflichtigen Waffen und Munition entspricht. Andernfalls liefen die gesetzlich vorgeschriebenen Standards für Behältnisse zur Aufbewahrung von Waffen und Munition ins Leere. Der gegenüber dem Zugriff auf den gesetzlichen Anforderungen entsprechend verwahrter Waffen und Munition erleichterte Zugriff auf Schlüssel zu deren Behältnissen führt dazu, dass das gesamte Sicherheitsniveau der Verwahrung auf dasjenige sinkt, auf dem die Schlüssel (als "schwächstes Glied der Kette") verwahrt werden.
67Die dargestellten Anforderungen halten sich auch im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Verhältnismäßigkeit der dem Besitzer von Waffen oder Munition durch § 36 Abs. 1 WaffG auferlegten Pflichten. Insbesondere stehen die danach erforderlichen Vorkehrungen und die damit verbundene Belastung des Waffen- oder Munitionsbesitzers im angemessenen Verhältnis zu dem Zweck der Aufbewahrungsvorschriften, das Abhandenkommen von Waffen oder Munition und deren Ansichnahme durch unberechtigte Dritte zu verhindern. In Anbetracht der großen Bedeutung, die dem Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren, die mit dem Umgang mit Waffen und Munition verbunden sind, zukommt, ist weder etwas Tragfähiges dafür dargetan noch sonst ersichtlich, dass eine Aufbewahrung von Schlüsseln zum Waffen- oder Munitionsbehältnis entsprechend den gesetzlichen Anforderungen an die Aufbewahrung der in dem Behältnis aufbewahrten Waffen und Munition einem Waffen- oder Munitionsbesitzer - wie hier dem Kläger - nicht zuzumuten wäre. Eine etwaige Belastung mit den Kosten für die Anschaffung eines weiteren Behältnisses, das dem Sicherheitsniveau für die Aufbewahrung der Waffen und Munition entspricht, muss von den Waffen- oder Munitionsbesitzer zum Schutz der Bevölkerung vor den großen Gefahren, die von Waffen und Munition in Händen unberechtigter Dritter ausgehen, hingenommen werden.
68Vorstehenden Anforderungen an die Aufbewahrung von Schlüsseln zum Waffen- bzw. Munitionsbehältnissen ist der Kläger ersichtlich nicht gerecht geworden. Unstreitig hat er seine Waffen und Munition in einem Behältnis der Sicherheitsstufe B nach VDMA 24992 (Stand 1995) aufbewahrt. Ebenso wenig steht in Streit, dass dies den gesetzlichen Vorgaben für die Aufbewahrung der in Rede stehenden Waffen und Munition entsprach, namentlich den Vorgaben in § 36 Abs. 2 WaffG in der bis zum 5. Juli 2017 geltenden Fassung (WaffG 2009) i. V. m. § 36 Abs. 4 WaffG.
69Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts, denen der Kläger nicht mehr entgegengetreten ist, entsprach jedoch der auf dem Waffenschrank befindliche kleine Tresor als Schlüsselaufbewahrungsbehältnis weder diesem Sicherheitsniveau noch demjenigen der in § 36 Abs. 2 WaffG 2009 i. V. m. § 36 Abs. 4 WaffG angesprochenen Norm DIN/EN 1143-1 Widerstandsgrad 0 (Stand 1997).
70Hat der Kläger nach dem Vorstehenden objektiv gegen die waffengesetzlichen Vorschriften zur Aufbewahrung erlaubnispflichtiger Waffen und Munition verstoßen und begründet ein Verstoß gegen grundlegende sicherheitsrelevante waffengesetzliche Bestimmungen mit Rücksicht auf die dadurch offenbarte mangelhafte Einstellung in Bezug auf ihre Beachtung regelmäßig ein plausibles Risiko dafür, dass der Betroffene auch künftig waffenrechtlich bedenkliches Verhalten im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b WaffG zeigen wird, ist eine solche Annahme vorliegend jedoch mit Rücksicht auf die gegebenen besonderen Umstände ausnahmsweise nicht gerechtfertigt.
71Der Aufbewahrungsverstoß ist dem Kläger nämlich in subjektiver Hinsicht nicht als im besonderen Maße schwerwiegend vorzuwerfen, sodass aufgrund dessen ausnahmsweise nicht auf eine grundlegend mangelhafte Einstellung des Klägers in Bezug auf die Beachtung waffenrechtlicher Bestimmungen geschlossen werden kann. Vor diesem Hintergrund begründet der objektiv verwirklichte Aufbewahrungsverstoß kein plausibles Risiko dafür, dass der Kläger erneut ein waffenrechtlich bedenkliches Verhalten im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b WaffG zeigen wird.
72Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass es - wie ausgeführt - nach den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, erlaubnispflichtige Waffen und Munition in einem Behältnis aufzubewahren, das mittels eines Schlüssels zu verschließen ist,
73vgl. VG Bayreuth, Urteil vom 30. Oktober 2015 ‑ B 1 K 15.345 -, juris, Rn. 28,
74konkretere gesetzliche Vorgaben dazu, wie mit einem solchen Schlüssel zu verfahren und wie dieser insbesondere aufzubewahren ist, jedoch fehlen. Es ist indes lebensfremd zu erwarten, dass der Waffen- und Munitionsbesitzer stets die tatsächliche Gewalt über die Schlüssel zum Waffen- oder Munitionsbehältnis einschließlich etwaiger Zweitschlüssel wird ausüben können. Lassen die gesetzlichen Regelungen gleichwohl zumindest konkretere und klarere Vorgaben zum weiteren Umgang mit einem Schlüssel zum Waffen- oder Munitionsbehältnis vermissen, musste es sich dem Kläger als juristischem Laien nicht ohne weiteres aufdrängen, dass die Aufbewahrung des Schlüssels den gleichen gesetzlichen Sicherheitsstandards zu entsprechen hat wie die Aufbewahrung der in dem Waffenschrank verwahrten Waffen und Munition selbst. Nach den vorstehenden Ausführungen ergibt sich ein solches Erfordernis erst aus einer eingehenderen Auslegung der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen zur Aufbewahrung von Waffen und Munition insbesondere unter Berücksichtigung ihres systematischen Zusammenhangs und ihres Sinns und Zwecks. Das musste sich jedenfalls einem juristischen Laien wie dem Kläger nicht ohne weiteres erschließen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es - soweit ersichtlich - bislang keine ober- oder höchstrichterliche Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte gibt, denen entsprechend hohe Vorgaben zu entnehmen (gewesen) sind, und an welcher sich Waffen- oder Munitionsbesitzer hätten orientieren können und müssen. Vielmehr gibt es bisher - soweit ersichtlich - allenfalls erstinstanzliche verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, der jedenfalls nicht ohne weiteres entnommen werden kann, dass Schlüssel zu Waffen- oder Munitionsbehältnissen denjenigen gesetzlichen Anforderungen entsprechend aufbewahrt werden müssen, die für die Aufbewahrung der betreffenden Waffen und Munition bestehen. So hat mit dem Verwaltungsgericht Köln in Kammerbesetzung ein Kollegialgericht in einem Fall, in welchem der Waffenschrankschlüssel in einer nach den dortigen Feststellungen ersichtlich stabilen Geldkassette aufbewahrt worden war, die "nur mit hoher Gewaltanwendung unter Zuhilfenahme von Werkzeugen geöffnet werden konnte", entschieden, dass "ein von Fahrlässigkeit geprägtes Verhalten" des Betroffenen "in Bezug auf die Aufbewahrung seiner Waffen und Munition nicht angenommen werden" könne, "so dass für eine negative Prognose wegen Nichteinhaltung der Sorgfalt" keine hinreichenden Anhaltspunkte vorlägen.
75Vgl. VG Köln, Urteil vom 21. Februar 2019 - 20 K 8077/17 -, juris.
76Ferner hat das Verwaltungsgericht Bayreuth ausgeführt, der "Gesetzgeber" fordere nicht, "dass ein Waffenschrank durch ein Schloss mit Zahlenkombination verschlossen wird oder dass der Schlüssel seinerseits in einem Schlüsselsafe mit Zahlenkombination oder auch z.B. in einem Bankschließfach aufbewahrt wird", und akzeptiere damit "wohl … eine gewisse Sicherheitslücke", "da es in der Praxis nach aller Lebenserfahrung wohl unmöglich sein dürfte, eine absolute, lückenlose Kontrolle über den Schlüssel sicherzustellen".
77Vgl. VG Bayreuth, Urteil vom 30. Oktober 2015 ‑ B 1 K 15.345 –, juris, Rn. 28.
78Sind demnach selbst Verwaltungsgerichte zu der Interpretation der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen gelangt, dass, um den gesetzlichen Anforderungen an die Aufbewahrung von Waffen und Munition zu genügen, ein Schlüssel zum Waffen- oder Munitionsbehältnis nicht zwingend in einem Behältnis aufzubewahren ist, dessen Sicherheitsstand seinerseits dem für die Aufbewahrung von Waffen und Munition gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitsstandard entspricht, und fehlt es bislang ‑ soweit ersichtlich - an einer anderslautenden ober- oder höchstrichterlichen Rechtsprechung, ist es dem Kläger vorliegend ausnahmsweise nicht als schwerwiegende Nachlässigkeit vorzuwerfen, seine Schlüssel zum Waffenschrank in einem Behältnis aufbewahrt zu haben, das zwar gegen unbefugte Öffnung besonders gesichert war, jedoch keinen zertifizierten Sicherheitsstandard aufwies und hinter dem Sicherheitsniveau des Waffenschranks zurückblieb.
79Daran ändern auch die anderslautenden Hinweise in verschiedenen öffentlich zugänglichen Verlautbarungen nichts, wonach das Waffenaufbewahrungsbehältnis nur als so sicher einzustufen sei wie das Behältnis, in welchem der zugehörige Schlüssel aufbewahrt werde, weshalb für das Schlüsselaufbewahrungsbehältnis der für das Waffenaufbewahrungsbehältnis erforderliche Sicherheitsstandard oder aber mnemonische oder biometrische Verschlusssysteme des Waffenaufbewahrungsbehältnisses empfohlen werden.
80Vgl. beispielsweise Merkblatt des Bayerischen Kriminalamtes, "Aufbewahrung von Waffen und Munition in Bayern - Gesetzliche Mindestanforderungen in Bayern und Empfehlungen des Bayerischen Landeskriminalamts, Stand: 17. Oktober 2011, https://www.sv-freiendiez.de/wp-content/uploads/2017/10/waffmun.pdf, zuletzt abgerufen am 29. August 2023; Hinweis auf dieses Merkblatt ebenso in dem Online-Artikel vom 30. Dezember 2011 unter https://www.pirsch.de/jagdwissen/waffenschrank-wie-muss-der-schluessel-aufbewahrt-werden-33245.
81Es verhält sich im Übrigen auch nicht so, dass dem Kläger ein schwerwiegend fahrlässiges Verhalten schon deshalb vorgeworfen werden könnte, weil er bereits einfachste Maßnahmen unterlassen hätte, um eine Ansichnahme der Waffenschrankschlüssel durch unbefugte Dritte oder ein sonstiges Abhandenkommen derselben zu verhindern. Das ist nämlich nicht der Fall. Der Kläger hat die Schlüssel keineswegs frei zugänglich in seinem Wohnhaus zurückgelassen. Vielmehr hat er die Schlüssel in einem etwa 40 kg schweren, dick- und doppelwandigen Stahltresor mit Zahlenkombinationsschloss und sechs zwei Zentimeter langen Schließbolzen an der Tür untergebracht, der ohne Kenntnis der Zahlenkombination ersichtlich allenfalls durch eine von erheblicher krimineller Energie geprägte Vorgehensweise mit beträchtlichem Aufwand unter Zuhilfenahme besonderer Werkzeuge, Maschinen oder Sprengmittel zu öffnen gewesen ist. Damit hatte der Kläger jedenfalls Maßnahmen getroffen, die geeignet gewesen sind, einen Zugriff durch unbefugte Dritte auf die Schlüssel zu verhindern, jedenfalls nicht unerheblich zu erschweren.
82Vor diesem Hintergrund ist es dem Kläger auch nicht vorzuwerfen, dass er vom 28. Oktober bis zum 4. November 2018 urlaubsbedingt nicht vor Ort gewesen ist.
83Ebenso wenig gilt etwas anderes, weil der Kläger den Tresor, in dem er die Schlüssel zum Waffenschrank aufbewahrte, auf dem Waffenschrank angebracht und damit in dessen unmittelbarer Nähe platziert hat. Es ist vorliegend nichts Tragfähiges dafür dargetan oder sonst zu ersehen, dass eine anderweitige Unterbringung des Tresors, in dem die Waffenschrankschlüssel aufbewahrt wurden, in demselben Haus die Gefahr signifikant gemindert hätte, dass unbefugte Dritte sich dieser Schlüssel bemächtigen und damit den Waffenschrank öffnen.
84Ist dem Kläger nach alledem durch den vorliegenden objektiven Verstoß gegen die gesetzlichen Anforderungen an die Aufbewahrung von Waffen und Munition in subjektiver Hinsicht im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls ausnahmsweise kein schwerwiegender Sorgfaltsverstoß vorzuwerfen, lässt dies insgesamt nicht auf eine grundlegend mangelhafte Einstellung des Klägers in Bezug auf die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen an die Aufbewahrung von Waffen und Munition oder sonstiger waffengesetzlicher Regelungen schließen und begründet daher kein plausibles Risiko dafür, dass der Kläger erneut waffenrechtlich bedenkliches Verhalten im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b WaffG zeigen wird. Dies bestätigend tritt hinzu, dass dem Kläger ‑ soweit ersichtlich - in der Vergangenheit keine anderweitigen Verletzungen waffengesetzlicher Bestimmungen anzulasten sind, er sich nach seiner glaubhaften Einlassung in der mündlichen Verhandlung vielmehr ansonsten stets in besonderer Weise um die Einhaltung der waffengesetzlichen Anforderungen bemüht hat.
85Liegen nach alledem weder mit dem festgestellten objektiven Aufbewahrungsverstoß des Klägers noch ansonsten Tatsachen vor, die im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b WaffG die Annahme rechtfertigen, der Kläger werde künftig mit Waffen und Munition nicht vorsichtig oder nicht sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren, bedarf es keiner Auseinandersetzung damit, ob ein Waffenbesitzer, der durch einen von ihm begangenen Aufbewahrungsverstoß eine mindestens zu sorglose und nachlässige Einstellung in Bezug auf die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen an die Aufbewahrung von (Schuss-)Waffen oder Munition offenbart hat, das dadurch begründete plausible Risiko, er werde auch künftig den gesetzlichen Aufbewahrungsbestimmungen nicht gerecht werden, dadurch ausräumen kann, ein den gesetzlichen Anforderungen entsprechendes Aufbewahrungsbehältnis anzuschaffen und vorzuhalten.
86Vgl. dies ablehnend: OVG NRW, Beschluss vom 5. Juni 2020 ‑ 20 B 1740/19 ‑, juris, Rn. 57.
87Dies steht hier nicht in Rede. Wie ausgeführt, hat der Kläger schon mangels subjektiver Vorwerfbarkeit des Aufbewahrungsverstoßes keine grundlegend mangelhafte Einstellung in Bezug auf die Beachtung der gesetzlichen Anforderungen an die Aufbewahrung von Waffen und Munition oder sonstigen waffengesetzlichen Bestimmungen offenbart.
88Der Kläger ist im für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt des Erlaubniswiderrufs ebenso wenig gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG unzuverlässig.
89Nach dieser Vorschrift besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht, die wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften eines der in § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe c WaffG genannten Gesetze - dazu gehört unter anderem das Waffengesetz - verstoßen haben.
90Da keine weiteren Gesetzesverstöße im Raum stehen, kommt vorliegend ernsthaft allein in Betracht, dass der Kläger diesen Regeltatbestand waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit aufgrund eines gröblichen Verstoßes gegen waffengesetzliche Bestimmungen verwirklicht hat, indem er - wie ausgeführt - den festgestellten Verstoß gegen die gesetzlichen Anforderungen an die Aufbewahrung von Waffen und Munition begangen hat. Letzteres stellt indes keinen gröblichen Verstoß im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG dar.
91Ausgangspunkt der Bewertung, ob eine Verletzung von Vorgaben des Waffengesetzes gröblich ist, ist der ordnungsrechtliche Zweck des Gesetzes, das mit jedem Waffenbesitz verbundene Sicherheitsrisiko möglichst gering zu halten. Es soll nur bei Personen hingenommen werden, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit der Waffe stets und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Es geht im Wesentlichen um das sachliche Gewicht des zu beurteilenden Handelns oder Unterlassens, nicht dagegen darum, ob der Gesetzesverstoß als Straftat oder als Ordnungswidrigkeit geahndet worden ist oder geahndet werden kann. Entscheidend ist vielmehr, ob im Einzelnen die Rechtsverletzung gemessen an den genannten Zielsetzungen objektiv schwer wiegt und in subjektiver Hinsicht im Besonderen dem Betreffenden als grobe Pflichtverletzung zuzurechnen ist, weil er vorsätzlich gehandelt oder sich als besonderes leichtsinnig, nachlässig oder gleichgültig gezeigt hat.
92Vgl. OVG NRW, Urteil vom 31. August 2006 ‑ 20 A 524/05 -, juris, m. w. N.
93Ausgehend davon handelt es sich bei dem hier in Rede stehenden Verstoß gegen die gesetzlichen Anforderungen an die Aufbewahrung von Waffen und Munition um keinen gröblichen Verstoß im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG. Zwar wiegt der Verstoß gegen solche sicherheitsrelevanten Bestimmungen objektiv schwer. Wie ausgeführt, ist der fragliche Verstoß dem Kläger jedoch in subjektiver Hinsicht ausnahmsweise nicht als besonders schwerwiegend vorzuwerfen. In subjektiver Hinsicht kann ihm daher der fragliche Gesetzesverstoß in diesem konkreten Einzelfall auch nicht - wie für die Verwirklichung von § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG erforderlich - als grobe Pflichtverletzung im dargestellten Sinne angelastet werden.
94Fehlt dem Kläger nach alledem die erforderliche Zuverlässigkeit im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt nicht, liegen die Voraussetzungen für einen Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse des Klägers nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG nicht vor und der verfügte Erlaubniswiderruf ist damit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
95Mit Blick darauf liegen ebenso wenig die Voraussetzungen für die unter Nr. 2 des angefochtenen Bescheides auf der Grundlage von § 46 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 WaffG, an den Erlaubniswiderruf anknüpfenden Folgeanordnungen vor und diese Maßnahmen sind ebenfalls rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.
96Ebenso ist die unter Nr. 3 des angefochtenen Bescheides vorgenommene Gebührenfestsetzung rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Mit der Aufhebung des Erlaubniswiderrufs (Nr. 1 des Bescheides) und dessen Folgeanordnungen (Nr. 2 des Bescheides) fehlt die tatsächliche Grundlage für eine entsprechend veranlasste Gebührenerhebung.
97Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
98Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.