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Eine Rechtsstreitigkeit über Maßnahmen nach dem Aufenthaltsgesetz zum Vollzug einer auf § 34 AsylG beruhenden Abschiebungsandrohung im Sinne von § 80 AsylG in der seit dem 27.2.2024 geltenden Fassung liegt vor, wenn der Antragsteller Abschiebungsschutz gemäß § 123 Abs. 1 VwGO begehrt.
Der Beschwerdeausschluss des § 80 AsylG n. F. greift auch dann, wenn der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO auf eine sogenannte Verfahrensduldung zur Sicherung eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, dessen Erteilung den Inlandsaufenthalt voraussetzt, gerichtet ist.
Die Beschwerde wird hinsichtlich des Antrags zu Ziffer 1 Buchstabe a verworfen. Im Übrigen wird sie zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe:
2Die Beschwerde mit den Anträgen,
31. den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 28. Juni 2024 zum Gz.: 5 L 817/24 in seiner Ziff. 1 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten,
a. die Abschiebung des Beschwerdeführers bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a und § 25b AufenthG auszusetzen und dem Beschwerdeführer eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung (Duldung) auszustellen sowie
b. dem Beschwerdeführer umgehend eine Beschäftigungserlaubnis für die Fortführung der begonnenen Ausbildung zum Dachdecker bei der E. Z. GmbH bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a und § 25b AufenthG zu erteilen,
2. die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, dem Beschwerdeführer [wörtlich: dem Beschwerdegegner] für den Zeitraum des anhängigen Eilverfahrens eine Beschäftigungserlaubnis zur Fortführung der Ausbildung bei der Fa. E. Z. GmbH zu erteilen (Hängebeschluss),
ist hinsichtlich der Ziffer 1 Buchstabe a als unzulässig zu verwerfen (dazu 1). Hinsichtlich der Ziffer 1 Buchstabe b ist sie jedenfalls unbegründet (dazu 2.). Für die von dem Antragsteller beantragte Zwischenentscheidung (Ziffer 2) ist vor diesem Hintergrund kein Raum mehr (dazu 3.).
121. Die Beschwerde ist hinsichtlich der Ziffer 1 Buchstabe a unzulässig. Sie ist nach § 80 AsylG in der seit dem 27. Februar 2024 durch Art. 2 Nr. 14 des Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz) vom 21. Februar 2024 (BGBl. I Nr. 54 vom 26. Februar 2024) geänderten Fassung (§ 80 AsylG n. F.) nicht statthaft. Nach dieser Vorschrift können Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach dem Asylgesetz und über Maßnahmen zum Vollzug der Abschiebungsandrohung (§ 34 AsylG) oder der Abschiebungsanordnung (§ 34a AsylG) nach dem Aufenthaltsgesetz vorbehaltlich des – hier nicht einschlägigen – § 133 Absatz 1 VwGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
13Vorliegend ist ein Fall des § 80 Var. 2 AsylG n. F. gegeben („Maßnahmen zum Vollzug der Abschiebungsandrohung (§ 34) […] nach dem Aufenthaltsgesetz“). Die geplante Abschiebung des Antragstellers, die er mit dem Antrag auf Abschiebungsschutz bzw. auf Duldung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seine Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a und § 25b AufenthG zu verhindern sucht, dient dem Vollzug der (bestandskräftigen) Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG in Ziffer 5 des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend Bundesamt) vom 14. Juni 2018.
14§ 80 AsylG n. F. ist auch in auf Abschiebungsschutz gerichteten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO anwendbar; der Grundsatz der Rechtsmittelklarheit steht dem nicht entgegen (dazu a.). Gleiches gilt in Bezug auf den Grundsatz der Rechtsschutzgleichheit (dazu b.). § 80 AsylG n. F. ist auch anwendbar, wenn der Antragsteller eine sog. Verfahrensduldung begehrt (dazu c.).
15a. Die Regelung des § 80 AsylG n. F. erfasst auch Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO, die – wie hier – darauf gerichtet sind, eine Abschiebung in Vollzug einer auf der Grundlage von § 34 AsylG erlassenen Abschiebungsandrohung vorläufig auszusetzen bzw. zu unterlassen.
16Ebenso die Anwendbarkeit des § 80 AsylG n. F. in diesen Fällen bejahend: Hamb. OVG, Beschluss vom 23. Juli 2024 – 6 Bs 36/24 –, juris, Rn. 9; Bay. VGH, Beschluss vom 30. April 2024 – 19 CE 24.661 –, juris, Rn. 4 f.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 13. März 2024 – 11 S 402/24 –, juris, Rn. 4 (darauf abstellend, dass das Eilrechtsschutzbegehren nicht gegen den Träger der für die Titelerteilung zuständigen Ausländerbehörde gerichtet war); Dienelt, Erweiterung des Beschwerdeausschlusses nach § 80 AsylG, Beitrag vom 15. Februar 2024, abrufbar unter: https://www.migrationsrecht. net/nachrichten auslaenderrecht-politik-gesetzgebung/erweiterung-des-beschwerdeausschlusses-nach-80-asylg.html; zuletzt abgerufen am 9. August 2024; a. A. Bay. VGH, Beschlüsse vom 19. März 2024 – 10 CE 24.374 –, juris, Rn. 3 ff., und vom 1. August 2024 – 10 CE 24.1299 –, juris, Rn. 13.
17§ 80 AsylG n. F. verstößt auch insoweit nicht gegen den als Ausformung des Rechtsstaatsprinzips in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Bestimmtheit und Rechtsmittelklarheit.
18Vgl. zu dieser Herleitung: BVerfG, Beschlüsse vom 11. Februar 2009 – 1 BvR 3582/08 –, juris, Rn. 16 f., vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 –, juris, Rn. 69, und vom 9. August 1978 – 2 BvR 831/76 –, juris, Rn. 37.
19Hiernach muss dem Rechtschutzsuchenden der Weg zu einer Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen durch die gesetzliche Ausgestaltung des Verfahrens hinreichend klar vorgezeichnet werden. Er muss insbesondere erkennen können, welches Rechtsmittel in Betracht kommt und unter welchen rechtlichen Voraussetzungen es zulässig ist. Allerdings folgt nicht aus jeder von einer Verfahrensvorschrift aufgeworfenen Rechtsfrage eine verfassungsrechtlich angreifbare Ausgestaltung des Rechtsschutzsystems. Das Bestimmtheitsgebot ist nicht verletzt, wenn sich der betroffenen Vorschrift unter Beachtung der herkömmlichen juristischen Auslegungsmethoden ihr Regelungsgehalt hinreichend deutlich entnehmen lässt und für den Rechtschutzsuchenden daher voraussehbar ist, welches Verfahrensrecht anzuwenden und ob danach der Zugang zu einer weiteren Instanz eröffnet ist.
20Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 2009 – 1 BvR 3582/08 –, juris, Rn. 16 f., m. w. N.
21§ 80 AsylG n. F. lässt sich nach diesen Maßgaben hinreichend deutlich entnehmen, dass er auch Fälle erfasst, in denen der Betroffene nach § 123 Abs. 1 VwGO die vorläufige Aussetzung der Abschiebung begehrt, die dem Vollzug einer Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG dient.
22Dies ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut der Vorschrift, der ohne Einschränkung Rechtsstreitigkeiten über Maßnahmen nach dem Aufenthaltsgesetz zum Vollzug der asylrechtlichen Abschiebungsandrohung (§ 34) nennt. Bei der Abschiebung, die mit dem Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO verhindert werden soll, handelt es sich unzweifelhaft um eine Maßnahme (vgl. auch § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) zum Vollzug der Abschiebungsandrohung.
23Vgl. Hamb. OVG, Beschluss vom 23. Juli 2024 – 6 Bs 36/24 –, juris, Rn. 9.
24Die gegenteilige Argumentation, schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sei das mit dem Antrag nach § 123 Abs. 1 AufenthG begehrte Unterlassen bzw. die Aussetzung der Abschiebung keine „Maßnahme“,
25vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 19. März 2024 – 10 CE 24.374 –, juris, Rn. 8,
26greift vor diesem Hintergrund nicht durch. Weshalb eine Rechtsstreitigkeit über die Maßnahme „Abschiebung“ angesichts des § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG sowie nach dem maßgeblichen verwaltungsprozessualen Streitgegenstandsbegriff nicht vorliegen soll, wenn das Rechtsschutzbegehren des Betroffenen darauf gerichtet ist, die Abschiebung zu verhindern, erschließt sich nicht.
27Vgl. Hamb. OVG, Beschluss vom 23. Juli 2024 – 6 Bs 36/24 –, juris, Rn. 9; VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 5. Juli 2024 – 12 S 821/24 –, juris, Rn. 13, und vom 11. April 2024 – 11 S 552/24 –, juris, Rn. 3; Bay. VGH, Beschluss vom 30. April 2024 – 19 CE 24.661 –, juris, Rn. 4; siehe zur Abschiebung als Anwendung unmittelbaren Zwangs auch Dietz, Der Beschwerdeausschluss nach § 80 AsylG n. F., NVwZ 2024, 865 (866).
28Dass § 80 AsylG n. F. nur Maßnahmen zum Vollzug der Abschiebungsandrohung in der Form eines Verwaltungsakts (wie etwa eine Passverfügung) erfassen soll, gegen die vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft ist,
29siehe dazu Bay. VGH, Beschluss vom 19. März 2024 – 10 CE 24.374 –, juris, Rn. 7 und 10,
30findet in seinem Wortlaut keine Stütze.
31Eine solche einengende Auslegung wäre auch mit dem Ziel, die Rückführung von Personen ohne Bleiberecht beschleunigen zu können, das dem Rückführungsverbesserungsgesetz übergreifend zugrunde liegt, nicht zu vereinbaren.
32Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 20/9463, S. 1 und 20, und die Begründung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Heimat vom 17. Januar 2024, BT-Drs. 20/10090, S. 1 bis 3; siehe hierzu auch Dienelt, Erweiterung des Beschwerdeausschlusses nach § 80 AsylG (a. a. O.).
33Mit Blick darauf erscheint es nicht überzeugend, dass der Gesetzgeber nur der eigentlichen Aufenthaltsbeendigung bzw. Abschiebung vorgelagerte Maßnahmen wie etwa die genannte Passverfügung, die Anordnung einer räumlichen Beschränkung des Aufenthalts (§ 61 Abs. 1c AufenthG) oder eine Wohnsitzauflage (§ 61 Abs. 1d AufenthG), nicht aber die Aufenthaltsbeendigung als solche dem Beschwerdeausschluss unterstellen wollte.
34Siehe dazu auch: Dietz, Der Beschwerdeausschluss nach § 80 AsylG n. F., NVwZ 2024, 865 (870).
35Auch der Entstehungsgeschichte der Norm ist nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die Erweiterung des Beschwerdeausschlusses auf ausländerrechtliche Maßnahmen zum Vollzug einer asylrechtlichen Abschiebungsandrohung beschränken wollte, gegen die vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft ist. Der Ausschuss für Inneres und Heimat, auf dessen Initiative hin die Änderung Eingang in das Rückführungsverbesserungsgesetz gefunden hat, führt in seiner Beschlussempfehlung vom 17. Januar 2024 zu § 80 AsylG (lediglich) aus, der Beschwerdeausschluss solle in Rechtsstreitigkeiten nach erfolglosem Asylverfahren gelten, in denen die asylrechtliche Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung durch die zuständigen Behörden nach dem Aufenthaltsgesetz vollzogen wird und in denen der Streitgegenstand „als asylrechtlich anzusehen ist“.
36Vgl. BT-Drs. 20/10090, S. 21.
37Für den Senat spricht manches dafür, dass durch die Neufassung des § 80 AsylG die vom Bundesverfassungsgericht in Zweifel gezogene,
38vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. November 2023 – 2 BvR 1478/23 –, juris, Rn. 9, mit Verweis u. a. auf BVerwG, Urteil vom 25. September 1997 – 1 C6.97 –, juris, Rn. 13 ff.,
39Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs, der schon zu § 80 AsylG a. F. entschieden hatte, der Beschwerdeausschluss greife auch dann, wenn der der asylrechtlichen Abschiebungsandrohung entgegengehaltene Anspruch im Ausländerrecht begründet sei,
40vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 17. August 2023 – 3 B 1143/23 –, juris, Rn. 4 ff.,
41im Ergebnis (Beschwerdeausschluss) nunmehr in der gesetzlichen Regelung Niederschlag finden soll.
42Vgl. auch Dienelt, Erweiterung des Beschwerdeausschlusses nach § 80 AsylG (a. a. O.); auch der 10. Senat des Bay. VGH, Beschluss vom 19. März 2024 – 10 CE 24.374 –, juris, Rn. 10, hält einen Zusammenhang mit der zitierten Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs jedenfalls für denkbar; zu den im Einzelnen offenen gesetzgeberischen Motiven siehe auch Wittmann, in: InfAuslR 2024, 269 (271).
43Der zitierten Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshof lag gerade eine Konstellation zugrunde, in der die dortige Antragstellerin nach § 123 Abs. 1 VwGO die Aussetzung der Abschiebung unter Hinweis auf einen Anspruch auf eine (Ausbildungs-)Duldung begehrt hatte.
44Inwiefern der knappen Begründung in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Heimat indes auch eine Klarstellung dahingehend entnommen werden könnte, dass nur solche Maßnahmen von dem Beschwerdeausschluss erfasst werden sollen, gegen die vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO zu suchen ist,
45vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 19. März 2024 – 10 CE 24.374 –, juris, Rn. 10,
46ist für den beschließenden Senat nicht erkennbar. Die Begründung nimmt vielmehr ohne eine solche Einschränkung lediglich Bezug auf einen Maßnahmenvollzug nach dem Aufenthaltsgesetz.
47So auch Hamb. OVG, Beschluss vom 23. Juli 2024 – 6 Bs 36/24 –, juris, Rn. 11 ff., insb. Rn. 13: „[…] Inhalt und Zielrichtung der Begründung bleiben insgesamt unklar, so dass es beim Wortlaut des Gesetzes verbleibt.“.
48Schließlich sprechen auch systematische Argumente nicht gegen die Erstreckung des Beschwerdeausschlusses auf Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO, in denen der Antragsteller Abschiebungsschutz bzw. eine Duldung begehrt. Inwiefern insoweit der Umstand relevant sein sollte, dass bei Entscheidungen über Maßnahmen nach dem Aufenthaltsgesetz zum Vollzug einer asylrechtlichen Abschiebungsandrohung i. S. v. § 80 AsylG n. F. nicht auch die Regelung des § 76 AsylG über die regelmäßige bzw. zwingende Zuständigkeit des Einzelrichters (entsprechend) gilt,
49dies aber annehmend: Bay. VGH, Beschluss vom 19. März 2024 – 10 CE 24.374 –, juris, Rn. 9,
50ist nicht erkennbar, zumal auch im Falle der – vom 10. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs offenbar nicht in Zweifel gezogenen – Anwendbarkeit des § 80 AsylG n. F. in aufenthaltsrechtliche Maßnahmen betreffenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO,
51vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 19. März 2024 – 10 CE 24.374 –, juris, Rn. 7,
52die Regelung des § 76 AsylG nicht greift.
53Gleiches gilt hinsichtlich des Einwands, es seien Fälle denkbar, in denen das Bundesamt bei abgelehnten Asylsuchenden mit Blick auf § 34 Abs. 1 Nr. 4 AsylG n. F. zunächst von dem Erlass einer Abschiebungsandrohung absieht. Inwiefern dies für die im Hinblick auf die Beschwerdemöglichkeit vorgenommene Unterscheidung zwischen Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO und Abschiebungsschutzverfahren gemäß § 123 Abs. 1 VwGO sprechen sollte, erschließt sich ebenso wenig.
54b. Ein Verstoß von § 80 AsylG n. F. gegen das Gebot gleichen Rechtsschutzes ist nicht ersichtlich.
55Dieses wird aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitet. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich dabei je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsgrund unterschiedliche Anforderungen an gesetzliche Unterscheidungen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen.
56Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 18. Juni 2008 – 1 BvR 1336/08 –, juris, Rn. 9, m. w. N.
57Der Gleichheitssatz ist nicht verletzt, wenn der Gesetzgeber Rechtsmittel aus sachlichen Gesichtspunkten für einzelne Fallgruppen oder Sachgebiete unterschiedlich regelt.
58Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 9. Juni 1993 –1 BvR 938/93 –, juris, Rn. 2, und Beschluss vom 12. Juli 1983 – 1 BvR 1470/82 –, juris, Rn. 45.
59Soweit die Gestaltung eines Instanzenzuges zu einer Unterscheidung nach Sachverhalten und nicht nach Personengruppen führt, ist der Gesetzgeber in den Grenzen des Willkürverbots zu ihm sachgerecht erscheinenden Differenzierungen befugt.
60Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschlüsse vom 18. Juni 2008 – 1 BvR 1336/08 –, juris, Rn. 10, und vom 1. Oktober 2004 – 1 BvR 173/04 –, juris, Rn. 7 f., sowie Beschluss vom 7. Oktober 1980 – 1 BvL 50/79 u. a. –, juris, Rn. 50.
61Indem der Beschwerdeausschluss in § 80 Var. 2 und 3 AsylG n. F. sich auf den vorläufigen Rechtsschutz gegen Maßnahmen zum Vollzug der Abschiebungsandrohung (§ 34 AsylG) bzw. Abschiebungsanordnung (§ 34a AsylG) bezieht, ist Anknüpfungspunkt der prozessualen Benachteiligung im Vergleich zu dem Instanzenzug des Eilrechtsschutzes hinsichtlich des Vollzugs einer außerhalb eines Asylverfahrens (nach § 59 AufenthG) erlassenen Abschiebungsandrohung das erfolglose Asylverfahren (§ 1 Abs. 1, § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG). Hierbei handelt es sich nicht um ein personenbezogenes Merkmal.
62Vgl. auch zur bisherigen Rechtslage: Bergmann, in: ders./Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, § 80 AsylG Rn. 3; siehe auch Marx, AsylG, 11. Aufl. 2022, § 80 AsylG Rn. 2.
63Vielmehr sind insoweit sachliche Gesichtspunkte gegeben, die nicht gegen das Willkürverbot verstoßen. Angesichts der im Gesetzentwurf der Bundesregierung,
64BT-Drs. 20/9463, S. 1 und 20,
65und in der Beschlussempfehlung und im Bericht des Ausschusses für Inneres und Heimat vom 17. Januar 2024,
66BT-Drs. 20/10090, S. 1 und 3 sowie 21,
67genannten Gründe, namentlich der Vielzahl erfolgloser Anträge auf Asyl bzw. internationalen Schutz, sowie der Möglichkeit der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der entsprechenden Ablehnungsentscheidung des Bundesamts und von diesem erlassenen Abschiebungsandrohung (§ 34 AsylG) bzw. Abschiebungsanordnung (§ 34a AsylG) in einem (gerichtskostenfreien) verwaltungsgerichtlichen Verfahren, erweist sich die Beschränkung des Instanzenzugs bei Maßnahmen zum Vollzug der Abschiebungsandrohung (bzw. Abschiebungsanordnung) nicht als willkürlich.
68c. § 80 AsylG n. F. ist auch anwendbar, wenn der Antragsteller wie hier – mit Blick auf die im Hauptsacheverfahren begehrte Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, deren Beantragung keine Fiktionswirkung (§ 81 Abs. 3 Satz 1 bzw. Abs. 4 Satz 1 AufenthG) ausgelöst hat – im einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO eine sog. Verfahrensduldung begehrt.
69So auch: Hamb. OVG, Beschluss vom 23. Juli 2024 – 6 Bs 36/24 –, juris, Rn. 14; a. A. hingegen: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 5. Juli 2024 – 12 S 821/24 –, juris, Rn. 16 f.
70Der Anwendungsbereich des Beschwerdeausschlusses nach § 80 AsylG n. F. ist über den Streitgegenstand zu bestimmen.
71In diesem Sinne auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 5. Juli 2024 – 12 S 821/24 –, juris, Rn. 11 f.; Wittmann, in: InfAuslR 2024, 269 (271), und ders., in: InfAuslR 2024, 326 (326).
72Insofern besteht zwischen dem Hauptsacheverfahren und dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zwar eine Verknüpfung, als der Streitgegenstand des letzteren durch den Streitgegenstand des Hauptsacheverfahrens begrenzt ist. Der Antragsteller kann im Eilverfahren materiell nicht mehr erreichen, als ihm in der Hauptsache zugesprochen werden könnte.
73Vgl. dazu etwa Bay. LSG, Beschluss vom 19. Juli 2018 – L 11 AS 329/18 B ER –, juris, erster Leitsatz und Rn. 9.
74Daraus folgt indes nicht, dass der im Rahmen des maßgeblichen zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs zu bestimmende prozessuale Anspruch bzw. die Rechtsfolgenbehauptung,
75vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 14. November 2016 – 5 C 10.15 D –, juris, Rn. 17, und Beschluss vom 3. Mai 2016 – 7 C 7.15 –, juris, Rn. 4,
76im Eilverfahren mit dem prozessualen Anspruch im Hauptsacheverfahren deckungsgleich sein müsste.
77Der prozessuale Anspruch wird vielmehr gerade auch von der einschlägigen Rechtsschutzform bestimmt.
78Vgl. allgemein zum Verwaltungsstreitverfahren: BVerwG, Beschluss vom 3. Mai 2016 – 7 C 7.15 –, juris, Rn. 4.
79Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wirkt sich dies dergestalt aus, dass der Antragsteller wegen der grundsätzlich nicht möglichen Vorwegnahme der Hauptsache die Rechtsfolgenbehauptung des Hauptsacheverfahrens im Regelfall nicht geltend macht bzw. nicht mit Erfolg geltend machen kann, sondern auf die einstweilige Sicherung des Hauptsacheanspruchs beschränkt ist. Dementsprechend begehrt der Antragsteller in dem vorliegenden Eilverfahren nicht die Verpflichtung zur (einstweiligen) Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a oder § 25b AufenthG, sondern (lediglich) vorläufig Abschiebungsschutz bzw. eine Verfahrensduldung.
80Mit einem auf die Gewährung von Abschiebungsschutz gerichteten Begehren im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO macht der Betroffene geltend, dass er nicht abgeschoben werden darf (obligatorischer Abschiebungsschutz, etwa nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG) bzw. – alternativ oder zusätzlich –, dass von seiner Abschiebung nach Ermessen abgesehen werden kann (fakultativer Abschiebungsschutz, etwa nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG). Mit der Rechtsfolgenbehauptung, er habe Anspruch auf eine Verfahrensduldung, macht der Antragsteller prozessual (allein) einen eben solchen Abschiebungsschutz nach § 60a Abs. 2 AufenthG geltend. Auch die sog. Verfahrensduldung ist keine eigene, im Aufenthaltsgesetz besonders geregelte Duldungsart, sondern muss ihre Grundlage in § 60a Abs. 2 AufenthG finden.
81Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. März 2022 – 1 B 35.22 –, juris, Rn. 8, und Urteil vom 18. Dezember 2019 – 1 C 34.18 –, juris, Rn. 29 f.; siehe auch Bay. VGH, Beschlüsse vom 9. Februar 2023 – 19 CE 22.2514 –, juris, Rn. 8, und vom 15. November 2002 – 10 CE 02.1467 –, juris, Rn. 5 (in letzterer Entscheidung ausdrücklich zwischen dem Streitgegenstand des Eil- und des Hauptsacheverfahrens im Falle einer Verfahrensduldung differenzierend).
82Soweit die Orientierung am Streitgegenstand der Hauptsache schon deshalb für geboten erachtet wird, weil nur damit dem gesetzgeberischen Ziel genügt werden könne, dass der Beschwerdeausschluss auch selbstständige und unselbstständige Nebenverfahren erfasse,
83vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 5. Juli 2024 – 12 S 821/24 –, juris, Rn. 11,
84ist diese Einschätzung nicht näher begründet. Überdies kommt dem Ziel der Erfassung von Nebenverfahren nach Auffassung des Senats kein hinreichendes Gewicht zu, um den Anwendungsbereich der Ausschlussvorschrift maßgeblich zu bestimmen.
85Entsprechendes gilt für das weitere Argument, der Hauptanwendungsfall des Beschwerdeausschlusses – Beschlüsse in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes – weise „bei der notwendigen rechtstechnischen Betrachtung jeweils Streitgegenstände auf, die nicht unmittelbar eine Maßnahme zum Vollzug einer Abschiebungsandrohung“ sein könnten. So sei Streitgegenstand des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO die sofortige Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts. Im Verfahren nach § 123 VwGO sei Streitgegenstand der prozessuale Anspruch auf Sicherung des Hauptsacheanspruchs.
86Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 5. Juli 2024 – 12 S 821/24 –, juris, Rn. 11.
87Dies spricht indes nicht gegen die Anwendung des § 80 AsylG n. F. Der Streitgegenstand des Hauptsacheverfahrens, dessen Sicherung das Verfahren nach § 123 VwGO dienen soll, wirkt sich nämlich nur mittelbar auf den Streitgegenstand des Verfahrens nach § 123 VwGO aus,
88vgl. dazu den in VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 5. Juli 2024 – 12 S 821/24 –, juris, in Rn. 11 zitierten Beschluss des VGH Bad.-Württ. vom 18. Dezember 2018 – 11 S 2125/18 –, juris, Rn. 2 a. E.,
89indem er die Prüfung des Anordnungsanspruchs inhaltlich determiniert (vorliegend: etwaiger Duldungsanspruch wegen eines zu sichernden Anspruchs auf Erteilung einer – nur bei Inlandsaufenthalt erlangbaren – Aufenthaltserlaubnis im Hauptsacheverfahren). Für die Annahme, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 80 AsylG gerade in Bezug auf die Verfahrensduldung eine differenzierte Regelung treffen wollte und insoweit ausländerrechtliche Beschwerdeverfahren von der gewünschten Beschleunigung ausnehmen wollte, finden sich auch insoweit weder im Wortlaut noch in den Gesetzgebungsmaterialien irgendwelche Hinweise.
90Vgl. auch Funke-Kaiser, in: Gemeinschaftskommentar zum AufenthG, Werkstand: August 2024, II-§ 81 Rn. 261.
912. Der weitere Antrag zu 2. auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis zur Wiederaufnahme der Ausbildung zum Dachdecker ist jedenfalls unbegründet. Er kann bezüglich des Beschwerdeausschlusses nach § 80 AsylG nicht losgelöst von dem Antrag auf Abschiebungsschutz bzw. auf Duldung betrachtet werden, da die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis denklogisch einen Anspruch auf (vorläufigen) Verbleib im Bundesgebiet voraussetzt. Ein solcher ist hier nach der insoweit unanfechtbaren erstinstanzlichen Entscheidung nicht gegeben.
923. Für die vom Antragsteller beantragte Zwischenentscheidung (sog. „Hängebeschluss“) ist aufgrund der Verwerfung bzw. Zurückweisung der Beschwerde kein Raum mehr.
93Gleiches gilt hinsichtlich der Bitte des Antragstellers, ihn „umgehend zu informieren, wenn die Ausländerbehörde eine Mitteilung über eine bevorstehende Abschiebung gemacht hat“ und der für diesen Fall beantragten Einsicht in die Gerichtsakte. Ungeachtet der Frage, ob die Erteilung der erbetenen Information durch das Gericht mit § 59 Abs. 1 Satz 8 AufenthG vereinbar wäre, nach dem der Termin der Abschiebung dem Ausländer nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise nicht angekündigt werden darf, ist jedenfalls auch nicht ersichtlich, inwiefern eine solche Information – wie vom Antragsteller geltend gemacht – zur Gewährung rechtlichen Gehörs erforderlich sein sollte; insbesondere ist eine solche für eine Akteneinsicht nicht erforderlich und überdies die Beschwerdebegründungsfrist abgelaufen.
94Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG.
95Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).