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Eine vermeintlich zu schwache Eingriffsintensität einzelner Umstände im Asylvorbringen kann nicht ohne Weiteres zu einer Belanglosigkeit des Vortrages für die Prüfung des Asylantrages führen (vgl.: VG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Juli 2024 - 7 L 1798/24.A - juris).
Die aufschiebende Wirkung der Klage 14 K 6412/24.A gegen die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 00. Juli 2024 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Gründe:
2Der am 8. August 2024 sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 14 K 6412/24.A gegen die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 00. Juli 2024 anzuordnen,
4hat Erfolg.
5Der Antrag ist zulässig und begründet.
6Im Fall einer durch das Bundesamt verfügten Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet ordnet das Gericht gemäß § 36 Abs. 1 und 3 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die – sofort vollziehbare (vgl. §§ 36, 75 AsylG) – Abschiebungsandrohung an, wenn das persönliche Interesse des Asylbewerbers, von der sofortigen Aufenthaltsbeendigung vorerst verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an ihrer sofortigen Durchsetzung überwiegt. Die Aussetzung der Abschiebung darf gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG nur dann angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Solche Zweifel liegen nur dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, die angegriffene Maßnahme hielte einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht stand, wobei sich diese Prognose gerade auch auf das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) erstrecken muss.
7Vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1516/93 –, juris.
8Solche ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes liegen zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG) vor. Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist in Streitigkeiten nach dem Asylgesetz auf die aktuelle Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts abzustellen. Daher ist vorliegend die Rechtslage, die seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz vom 21. Februar 2024, BGBl. I Nr. 54, in Kraft seit dem 27.02.2024 (Artikel 11 Abs. 1) gilt, maßgeblich.
9Die Ablehnung des Asylverfahrens als offensichtlich unbegründet wird im Hauptsacheverfahren voraussichtlich keinen Bestand haben, da die hierfür entscheidenden Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG voraussichtlich nicht vorliegen.
10Nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer im Asylverfahren nur Umstände vorgebracht hat, die für die Prüfung des Asylantrags nicht von Belang sind. Der Gesetzgeber hat damit Art. 31 Abs. 8 lit a) der Asylverfahrensrichtlinie (RICHTLINIE 2013/32/EU DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes, Abl. L 180/60 vom 29.6.2013 (Neufassung) umgesetzt.
11Unter den Voraussetzungen des Art. 31 Abs. 8 Asylverfahrensrichtlinie sind die Mitgliedstaaten berechtigt, das Asylverfahren beschleunigt durchführen, d.h. insbesondere nach Art. 32 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie einen Antrag als offensichtlich unbegründet zu betrachten. Der Asylantragsteller darf danach bei der Einreichung seines Antrags und der Darlegung der Tatsachen nur Umstände vorgebracht haben, die für die Prüfung der Frage, ob er als Flüchtling oder Person mit Anspruch auf internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU anzuerkennen ist, nicht von Belang sind. „Belanglos“ müssen diese Umstände also im Hinblick auf die Voraussetzungen beider Schutzgewährungen, der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes, sein. Der Wortlaut legt dabei ein deutlich engeres Verständnis der „Belanglosigkeit“ nahe, als dies bei der Auslegung des Offensichtlichkeitsmerkmals des § 30 Abs. 1 AsylG a.F. zu Grunde gelegt wurde.
12Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Juli 2024 – 7 L 1798/24.A – juris, m.w.N.
13Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts war – mit Blick auf die unbegründete Asylklage – die Offensichtlichkeit im Sinne von § 30 Abs. 1 AsylG (a.F.) zu bejahen, „wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise kein Zweifel bestehen kann und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung (nach dem Stand von Rspr. und Lehre) die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt“.
14BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2000 – 2 BvR 1429 –, juris.
15Demgegenüber fragt die „Belanglosigkeit“ nicht nach der Überzeugungsgewissheit des Prüfungsergebnisses, sondern setzt vielmehr bei der Darlegung an. Das ist ein wesentlicher struktureller Unterschied. Zur Offensichtlichkeit führt daher nur ein Vorbringen, das von vorneherein keinen Bezug zu den die Schutzgewährung auslösenden Gefahren für den Schutzsuchenden beinhaltet, das heißt, wenn es per se asylfremd ist.
16Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Juli 2024 – 7 L 1798/24.A – juris, m.w.N.
17Dabei kann auch von einer Beurteilung der Eingriffsintensität nicht auf die Belanglosigkeit für die Asylantragsprüfung geschlossen werden, da die Gewichtung der Eingriffsintensität als „ausreichend gravierend“ gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG abschließend jedenfalls erst nach einer Gesamtbetrachtung einer möglichen Kumulierung erfolgen kann, sodass eine vermeintlich zu schwache Eingriffsintensität einzelner Umstände im Vorbringen nicht ohne Weiteres zu einer Belanglosigkeit des Vortrags für die Prüfung des Asylantrags führen kann.
18Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Juli 2024 – 7 L 1798/24.A – juris, m.w.N.
19Der am 00. E. 2004 geborene Antragsteller hat bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt vorgetragen, dass er aufgrund der Weigerung seiner Mutter, mit den iranischen Sicherheitsbehörden in der Form zusammenzuarbeiten, dass sie diesen als Fotografin Aufnahmen von Demontrationen zur Verfügung stelle, vom Schulbesuch ausgeschlossen worden sei, um seine Mutter unter Druck zu setzen.
20Ohne dass es auf die behördliche oder richterliche Überzeugung, ob dieses Vorbringen den begehrten Schutzanspruch trägt, ankäme, lässt sich die Belanglosigkeit dieses Vorbringens nicht von vorneherein feststellen. Zum einen wird die offensichtliche Unbegründetheit allein mit einer geringfügigen Eingriffsintensität begründet, die nach dem Obenstehenden ohnehin nicht allein zu einer Belanglosigkeit des Vortrages führen kann.
21Zum anderen verweist die Antragsgegnerin zur Begründung der Ablehnung des Asylgesuchs des Antragstellers auf den ablehnenden Bescheid der Eltern und des minderjährigen Bruders, mit denen der Antragsteller zusammen ausgereist ist (Bescheid vom 00. Februar 2024, Az.: 0000000 – 439). Dieser Bescheid ist indes nicht bestandskräftig, sondern Gegenstand der am 7. März 2024 vor dem erkennenden Gericht erhobenen Klage (9 K 1633/24.A), so dass es der gerichtlichen Überprüfung vorbehalten ist, inwiefern der Mutter des Antragstellers aufgrund der Weigerung mit den Revolutionsgarden zusammenzuarbeiten, eine Verfolgung droht. Der Umstand der Klageerhebung war der Antragsgegnerin auch bekannt.
22Schließlich wird darauf hingewiesen, dass in Iran Fälle von Sippenhaft existieren, indem Familienmitglieder unter Druck gesetzt werden, um eine Handlung oder das Unterlassen politischer Aktivitäten zu erreichen,
23vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Iran vom 15. Juli 2024, Stand: 3. April 2024, S. 15.
24Daraus folgt, dass von einer „Asylfremdheit“ des Vorbringens des Antragstellers keine Rede sein kann.
25Nach alledem liegen die Voraussetzungen einer Ablehnung als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG voraussichtlich nicht vor. Auf die Frage, ob sich der Asylantrag im Hauptsacheverfahren möglicherweise als unbegründet erweisen wird, kommt es bei der Beurteilung der hier allein in Rede stehenden offensichtlichen Unbegründetheit nicht an.
26Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
27Der Gegenstandswert folgt aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.
28Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).