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1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Rechtsstreits nach einem Streitwert von 25.000,00 € trägt die Klägerin.
3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Die Klägerin nimmt die beklagte E1-Bank auf Erstattung eines von der Klägerin im Juli 2023 in bar abgehobenen Betrages in Höhe von 25.000,00 € wegen vermeintlich schuldhafter Verletzung von Prüf-, Warn- und Schutzpflichten in Anspruch.
3Die heute 66- oder 67-jährige, in Ort-01 wohnhafte Klägerin unterhält bei der Beklagten ein privates Girokonto. In der Vergangenheit, d.h. vor dem hier in Rede stehenden Vorfall vom 17.07.2023, hat sie üblicherweise kleinere Bargeldbeträge zwischen 30,00 € und 300,00 € von diesem Konto abgehoben.
4Am 17.07.2023 (einem Montag) gegen 15:55 Uhr rief die Klägerin im KundenDialogCenter der Beklagten an und erkundigte sich danach, ob sie am selben Tag noch 25.000,00 € in bar abheben könne. Die Mitarbeiterin vom KundenDialogCenter der Beklagten, Frau M1, versuchte daraufhin die für die Klägerin nächstgelegene Filiale in Ort-02 zu kontaktieren. Weil in der dortigen Filiale aber niemand erreicht werden konnte und Bargeldabhebungen in kleineren Filialen der Beklagten vorab angemeldet werden müssen, schlug Frau M1 der Klägerin vor, dass der Barbetrag für sie zur Abholung am Folgetag in der Filiale in Ort-02 vorbereitet werden könne. Dies lehnte die Klägerin indes ab. Frau M1 nahm sodann telefonische Rücksprache mit der Hauptstelle der Beklagten in Ort-03 und erklärte sodann der Klägerin, dass das Bargeld für sie in der Hauptstelle für eine Auszahlung reserviert sei, die Hauptstelle jedoch bereits um 16:30 Uhr schließe.
5Kurz nach 16:30 Uhr erschien die Klägerin in der Hauptstelle. Sie konnte die Hauptstelle gerade noch „auf den letzten Drücker“ betreten; der rechte Flügel der Eingangstür war bereits geschlossen. Zu diesem Zeitpunkt war das für die Klägerin reservierte Geld in der Erwartung, die Klägerin würde nicht mehr kommen, bereits in den Tresor zurückgelegt worden. Der zuständige Mitarbeiter in der Hauptstelle, Herr W1, händigte der Klägerin sodann – nach erfolgter Legitimationsprüfung – die 25.000,00 € aus.
6Die Klägerin behauptet, Opfer eines sog. „Enkel-Tricks“ geworden zu sein. An jenem Tag, dem 17.07.2023, habe sich ein Anrufer der Klägerin gegenüber am Telefon mit einer unterdrückten Rufnummer als Polizeibeamter („Herr D1") vorgestellt und angegeben, dass ihre Tochter einen schweren Verkehrsunfall verursacht habe. Für die Entlassung aus dem Polizeigewahrsam müsse beim Ort-03 Landgericht eine Kaution hinterlegt werden. Sie, die Klägerin, habe dem angeblichen Polizisten dann ihre Mobiltelefonnummer genannt. Diese habe der Unbekannte für mehrere Anrufe genutzt, um das Verhalten der Klägerin zu kontrollieren. Schließlich sei sie für die Geldübergabe zum Landgericht gefahren. Zwischenzeitlich hätten sich auch eine „Frau S1" von der Polizei und eine weitere weinende Frau, die sich als die Tochter der Klägerin ausgegeben habe, bei der Klägerin gemeldet. Auf Nachfrage habe die Klägerin den Anrufern ihr Kfz-Kennzeichen mitgeteilt. Als sie vor dem Landgerichtsgebäude geparkt habe, habe hinter ihr ein mit zwei Männern besetzter silberner Kleintransporter gehalten. Schließlich habe die Klägerin um 17:30 Uhr am Telefon den Hinweis erhalten, dass ein Mitarbeiter der (inzwischen geschlossenen) Gerichtskasse kurz nach draußen kommen werde, um das Geld zu übernehmen. Der „Herr D1" von der Polizei habe dabei weiter den telefonischen Kontakt zu ihr gehalten. Nach der Übergabe des Geldes sei das Gespräch dann beendet worden.
7Die Klägerin behauptet, bei der Abholung des Bargeldbetrages in der Hauptstelle sehr nervös gewesen zu sein, Herr T1 habe sie erst einmal beruhigen müssen. Nach Auffassung der Klägerin habe sich für Frau M1 und auch für Herrn W1 anhand der gesamten Umstände – Wunsch einer Seniorin „mit altmodischem Vornamen“ nach sofortiger Abhebung eines nach ihrem bisherigen Abhebeverhalten ungewöhnlich hohen Geldbetrages – förmlich aufdrängen müssen, dass die Klägerin Opfer eines „Enkel-Tricks“ sein könnte. Als mit derartigen betrügerischen Phänomenen vertraute Bankmitarbeiter hätten sie nachfragen und die Klägerin auf die Gefahren hinweisen müssen. Insoweit bestünden Prüf-, Warn- und Schutzpflichten, die die Beklagte schuldhaft verletzt habe, weshalb sie der Klägerin auf Schadensersatz hafte.
8Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin
91.
1025.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszins der Deutschen Bundesbank hieraus seit dem 05.08.2023 zu bezahlen;
112.
12vorgerichtliche Kosten in Höhe von 1.687,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszins der Deutschen Bundesbank hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie tritt ihrer Inanspruchnahme entgegen und vertritt die Ansicht, dass sie mit der von der Klägerin gewünschten Auszahlung ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Ausführung des ihr erteilten Zahlungsauftrages nachgekommen sei. Bei der Auszahlung hätten sich für die Beklagte keinerlei Verdachtsmomente dafür ergeben, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte.
16Das Gericht hat in der Sache am 24.01.2024 mündlich verhandelt, wobei der Klägerinvertreter – anders als der stellvertretende Leiter der Rechtsabteilung der Beklagten und ihr anwaltlicher Vertreter, die im Termin körperlich anwesend waren – nach entsprechender Gestattung durch Beschluss vom 03.11.2023 (Bl. 55 d.A.) gemäß § 128a Abs. 1 ZPO im Wege der Bild- und Tonübertragung teilgenommen hat. Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden. Es wird auf das Sitzungsprotokoll von 24.01.2024 und wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18I.
19Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
20Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus den §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 S. 1 BGB – andere Anspruchsgrundlagen kommen nicht ernsthaft in Betracht und werden auch von der Klägerin nicht angeführt – ist mangels Verletzung einer (Neben-)Pflicht aus dem Girovertrag nicht gegeben.
21Die Beklagte hat mit der Auszahlung der 25.000,00 € am 17.07.2023 in bar an die Klägerin keine dieser gegenüber bestehende (neben-)vertragliche Pflicht verletzt. Sie war vielmehr nach § 675o Abs. 2 BGB zur Ausführung des ihr erteilten Zahlungsauftrages gesetzlich verpflichtet.
22Es ist gemeinhin anerkannt, dass sich ein Zahlungsdienstleister in der Regel schon wegen der Massenhaftigkeit der Geschäftsvorgänge – auch bei Bargeldauszahlungen am Schalter – auf eine rein formale Prüfung des Inhalts, ob der ihm erteilte Auftrag seinem äußeren Erscheinungsbild nach in Ordnung ist, beschränken darf. Zwar ist ebenso anerkannt, dass Warn- und Hinweispflichten des Kreditinstituts bestehen können; diese sind jedoch auf die seltenen Ausnahmefälle beschränkt, dass Treu und Glauben es nach den Umständen des Einzelfalls gebieten, vor Ausführung des Auftrags vorherige Rückfrage bei dem abhebewilligen Bankkunden zu halten, um diesen vor einem möglicherweise drohenden Schaden zu bewahren. Um die Banken nicht übermäßig zu belasten und auch um Bargeldabhebungen nicht übermäßig zu erschweren, beschränken sich die Warn- und Hinweispflichten auf objektive Evidenz aufgrund massiver Verdachtsmomente; zusätzliche Prüfungspflichten sollen gerade nicht begründet werden (vgl. OLG Köln, Urt. v. 23.06.2022 – 18 U 8/21 – BeckRS 2022, 17622, Rn. 55 f. m.w.N.). Dies entspricht der von der Beklagten auf S. 6 der Klageerwiderungsschrift vom 02.11.2023 (Bl. 44 d.A.) zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urt. v. 22.06.2004 – XI ZR 90/03 – NJW-RR 2004, 1637, 1638; Urt. v. 06.05.2008 – XI ZR 56/07 – NJW 2008, 2245, 2246, Rn. 15 f.; außerdem: Urt. v. 19.09.2023 – XI ZR 343/22 – NJW 2023, 3719, 3721, Rn. 24 [Mitwirkung des Zahlungsdienstleisters bei unerlaubtem Glücksspiel]).
23Wenn nun ein Bankkunde bzw. eine Bankkundin – mag er oder sie auch einen nervösen Eindruck vermitteln – am Schalter die Barauszahlung eines für ihn bzw. sie unüblich hohen Betrages verlangt, hat die Bank ohne Hinzutreten weiterer, außergewöhnlicher Umstände die Motivation für die Abhebung nicht zu hinterfragen. Im Gegenteil ist sie aus dem Girovertrag ihrem Kunden bzw. ihrer Kundin gegenüber zur Ausführung des Auftrags verpflichtet, § 675o Abs. 2 BGB.
24Auch aus den von der Klägerin behaupteten Gesamtumständen – wobei dahingestellt bleiben kann, ob ihr Vorname N1 gemeinhin tatsächlich als „altmodisch“ wahrgenommen wird (diese Begrifflichkeit beruht offenbar auf dem von der Klägerin vorgelegten polizeilichen Informationsblatt zum sog. „Enkel-Trick“, Anlage K3 = Bl. 89 f. d.A.), und für das Gericht schwer nachvollziehbar (indes nicht entscheidungserheblich) ist, wie die Klägerin am Telefon die „weitere weinende Frau, die sich als die Tochter der Klägerin ausgegeben habe“ tatsächlich für ihre Tochter halten konnte – musste sich der Beklagten bzw. ihrem Mitarbeiter Herrn T1 nicht aufdrängen, dass die Abhebung des Geldbetrages nicht aus freien Stücken erfolgte. Es geht hier gerade nicht um die Barauszahlung an einen Nichtberechtigten (vgl. zum Pflichtenkreis der Bank, sich selbst und den Kunden durch – neben Prüfung der vorgelegten ec-Karte – zusätzliche Maßnahmen gegen Barauszahlungen an Nichtberechtigte zu schützen: OLG Köln, Urt. v. 25.10.1995 – 13 U 28/95 – NJW-RR 1996, 619; LG Bonn, Urt. v. 23.08.2005 – 3 O 126/05 – NJW-RR 2005, 1645, 1647 f.). Die Klägerin war vielmehr Kontoinhaberin und als solche berechtigt, Bargeld – auch in dieser Höhe – abzuheben. Der Schaden entstand hier auch nicht mit der eigentlichen Bargeldabhebung, sondern erst mit der Weitergabe des Geldes an den nichtberechtigten vermeintlichen Gerichtskassenmitarbeiter. Der innere Beweggrund der Klägerin für die Abhebung des Geldes ist gerade nicht nach außen hervorgetreten und war damit für die Beklagte auch nicht erkennbar. Es würde die oben näher beschriebenen Prüf-, Warn- und Schutzpflichten von Kreditinstituten bei weitem überspannen, wollte man ihnen abverlangen, jede – und sei es: erstmalige – Abhebung eines hohen Bargeldbetrages durch einen älteren – und sei es: nervös wirkenden – Menschen auf Plausibilität zu überprüfen.
25Eine Pflichtverletzung der Beklagten ist nach alledem unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ersichtlich, weshalb die Klage der Abweisung zu unterliegen hatte.
26II.
27Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 91 Abs. 1 ZPO.
28Den Streitwert hat das Gericht gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO auf 25.000,00 € festgesetzt.
29III.
30Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 u. S. 2 ZPO.