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Der Angeklagte O. ist des gewerbsmäßigen Bandenbetruges schuldig. Er wird zu einer
Freiheitsstrafe von 2 Jahren
verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
Der Angeklagte I. ist des gewerbsmäßigen Bandenbetruges in drei Fällen schuldig. Er wird zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten
verurteilt.
Der Angeklagte L. ist des gewerbsmäßigen Bandenbetruges schuldig. Er wird zu einer
Freiheitsstrafe von 2 Jahren
verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
Der Angeklagte S. ist der schweren mittelbaren Falschbeurkundung in zwei Fällen, jeweils in zwei tateinheitlichen Fällen, und der versuchten vorsätzlichen Geldwäsche schuldig. Er wird zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten
verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird. Im Übrigen wird er freigesprochen.
Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens, soweit sie verurteilt worden sind. Soweit der Angeklagte S. freigesprochen worden ist und das Verfahren gegen die Angeklagten O., I. und L. eingestellt worden ist, trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens sowie deren notwendige Auslagen.
Gegen den Angeklagten O. wird als Gesamtschuldner die Einziehung von Wertersatz des Taterlangten in Höhe von 1.355.916,21 € angeordnet.
Gegen den Angeklagten I. wird als Gesamtschuldner die Einziehung von Wertersatz des Taterlangten in Höhe von 1.613.735,17 € angeordnet.
Gegen den Angeklagten L. wird als Gesamtschuldner die Einziehung von Wertersatz des Taterlangten in Höhe von 1.253.743,31 € angeordnet.
Gegen den Angeklagten S. wird die Einziehung von Wertersatz des Taterlangten in Höhe von 3.500,00 € angeordnet, davon in Höhe von 1.500 € als Gesamtschuldner.
Gegen die M. GmbH wird die Einziehung von Wertersatz des Taterlangten in Höhe von 512.557,20 € angeordnet.
Gegen die P. GmbH wird die Einziehung von Wertersatz des Taterlangten in Höhe von 1.780.054,52 € angeordnet.
Angewendete Vorschriften für den Angeklagten O.: §§ 263 Abs. 1, Abs. 5, 25 Abs. 2, 52, 56 Abs. 1 und Abs. 2, 56 b Abs. 1 und Abs. 2 S. 2 Nr. 3, 56 c, 73 Abs. 1, 73c S. 1, 73e Abs. 1 StGB.
Angewendete Vorschriften für den Angeklagten I.: §§ 263 Abs. 1, Abs. 5, 17 S. 1 und S. 2, 25 Abs. 2;52, 53, 73 Abs. 1, 73c S. 1, 73e Abs. 1 StGB.
Angewendete Vorschriften für den Angeklagten L.: §§ 263 Abs. 1, Abs. 5, 25 Abs. 2, 52, 56 Abs. 1 und Abs. 2, 56 b Abs. 1 und Abs. 2 S. 2 Nr. 3, 56 c, 73 Abs. 1, 73c S. 1, 73e Abs. 1 StGB.
Angewendete Vorschriften für den Angeklagten S.: §§ 261 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 4 a), Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2, Abs. 4 S. 2 Alt. 1, 271 Abs. 1, 3 Var. 1, 22, 23, 52, 53, 56 Abs. 1 und Abs. 2, 56 c, 73 Abs. 1, Alt. 1, 73 c S. 1, 73 d Abs. 1 StGB.
Angewendete Vorschriften für die Einziehungsbeteiligte M. GmbH: §§ 73 Abs. 1, 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 2a, 73c S. 1 StGB.
Angewendete Vorschriften für die Einziehungsbeteiligte P. GmbH: §§ 73 Abs. 1, 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 2a, 73c S. 1, 73e Abs. 1 StGB.
Gründe:
2(abgekürzt bzgl. der Angeklagten O., L. und S.)
3A. Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten
4I. Zur Person des Angeklagten O.
51. Persönliche Verhältnisse
6Der Angeklagte H. W. O. wurde am 05.08.0000 in E. geboren. Seine Mutter ist Hausfrau und stammt aus Thailand. Sein Vater arbeitete bei der evangelischen Kirche. Der Angeklagte O. hat zwei ältere Halbbrüder. Im Hinterhof zu der elterlichen Wohnung lernte der Angeklagte O. bereits im Kindesalter den Angeklagten L. kennen. Sie verband eine „Sandkastenfreundschaft".
7Im Jahr 2006 trennten sich die Eltern des Angeklagten O.. Die Mutter verzog mit den älteren Brüdern nach FA.. Der Angeklagte O. lebte mit seinem Vater weiterhin in E.. Er wurde altersgerecht in die Grundschule eingeschult. Aufgrund seiner überdurchschnittlichen schulischen Leistungen übersprang er das drifte Schuljahr und wechselte nach der vierten Klasse auf ein Gymnasium. Mit seinen Leistungen ging es bergab, als sein Vater an Lungenkrebs erkrankte., Zu diesem Zeitpunkt war der Angeklagte O. 13 Jahre alt. In der achten Klasse wechselte er auf die Realschule, schaffte jedoch nicht die Versetzung in die neunte Klasse.
8Der Gesundheitszustand des Vaters wurde immer schlechter. Er war auf einen Rollstuhl angewiesen und , benötigte Hilfe im Alltag. Als der Angeklagte 15 oder 16 Jahre alt war, verstarb sein Vater. Den Abschluss der zehnten Klasse auf der Hauptschule erreichte der Angeklagte aufgrund der hohen Anzahl seiner Fehlstunden nicht.
9Nach dem Tod des Vaters zog seine Mutter mit den älteren Brüdern zurück nach E. in die Wohnung des Vaters. Er blieb in der Wohnung. Im Anschluss an die Hauptschule besuchte er die Berufsschule, musste diese jedoch wegen vieler Fehlstunden bereits nach einem halben Jahr verlassen. Er suchte sich daraufhin eine Arbeitsstelle in der Gastronomie. Er verzog in eine eigene Wohnung, gab diese indes durch die Inhaftierung In hiesiger Sache auf und lebt seit seiner Haftverschonung wieder bei seiner Mutter.
10Im Alter von 14 Jahren begann er mit dem Konsum von Marihuana. Anlass dafür war der Anblick seines leidenden Vaters. Bis zu seinem 21. Lebensjahr konsumierte er regelmäßig und täglich. Seiner Mutter zuliebe hörte er mit dem Konsum von Drogen im November 2018 auf. Unter Entzugserscheinungen litt er dabei nicht.
112. Vorstrafe
12Der Bundeszentralregister des Angeklagten O. weist eine Eintragung auf:
13Mit Strafbefehl vom 03.04.2019, rechtskräftig seit dem 24.04.2019, setzte das Amtsgericht Siegburg (Az. 203 Cs 117 Js 453/19 27/19) gegen den Angeklagten O. wegen Beleidigung eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 100,00 € fest. Der Angeklagte zahlte die Geldstrafe vollständig (Erledigung der Vollstreckung am 16.08.2019).
14II. Zur Person des Angeklagten I.
151. Persönliche Verhältnisse
16Der Angeklagte Q. R. B. I. wurde am 23.11.0000 in Tunesien geboren. Seine Großeltern väterlicher- als auch mütterlicherseits stammen aus Tunesien. Sein Vater, V. arbeitete als Maschinenarbeiter bei der Firma T.. Auch seine Mutter war berufstätig. Seit 2013 sind beide Elternteile in Rente. Der Angeklagte I. hat zwei Geschwister. Sein ältester Bruder F. ist 39 Jahre alt, von Beruf Diplom-Ingenieur und inzwischen verheiratet. A. ist 37 Jahre alt, Diplom-Informatiker und lebt mit dem Angeklagten I. noch im elterlichen Haushalt.
17Im Alter von acht Monaten kam der Angeklagte I. zusammen mit seiner Familie nach Deutschland. Altersgerecht ging er in den Kindergarten und besuchte in X. die Grundschule. Im Jahr 2002 erkrankte er. In der Universitätsklinik X. wurde ein Morbus Hodgkin-Lymphom, ein bösartiger Lymphknotentumor, diagnostiziert. Aufgrund, dessen musste er sich einer Chemotherapie und einer Strahlentherapie unterziehen, die letztlich zu einer körperlichen Heilung führten. Die Behandlung führte indes zu erheblichen psychosozialen Belastungen.
18Der Angeklagte I. wurde in den Folgejahren regelmäßig nachuntersucht. Die Nachsorge konnte erst im Jahr 2011 beendet werden. Aufgrund seiner Erkrankung erlangte er den Status eines Schwerbehinderten.
19Die Schule konnte er infolge seiner Erkrankung über einen Zeitraum von sechs Monaten nicht besuchen, sondern wurde im Krankenhaus unterrichtet. Nach seiner Genesung absolvierte er die vierte Klasse auf einer katholischen Grundschule und wechselte im Anschluss daran auf eine Gemeinschaftshauptschule. Im Jahr 2006 wechselte der Angeklagte I. auf die D.-J.-U.-Schule, eine Förderschule für schwer Erziehbare, fühlte sich dort jedoch nicht gut aufgehoben. Es kam zu körperlichen Übergriffen von Mitschülern. Nach einem Zwischenfall in der Schule wurde er in die Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universitätsklink X. gebracht. Dort wurde er für einen Zeitraum von zwei Monaten wegen Eigen- und Fremdgefährdung stationär behandelt. Es wurde die Diagnose einer Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen sowie einer leichten Intelligenzminderung gestellt.
20Der Angeklagte I. wollte danach nicht weiter die Förderschule besuchen. Es kam zu einer Reihe von Auseinandersetzungen mit dem Schulamt. Mit anwaltlicher Hilfe gelang es der Familie des Angeklagten I., dass er in der neunten Klasse eine integrative Hauptschule in X.-C. besuchen konnte. Nachdem er sich dort gut eingefügt hatte, wechselte er im zweiten Halbjahr auf die Hauptschule in K. und erlangte dort, den Hauptschulabschluss der zehnten Klasse. Dem Angeklagten I. gelang es im Anschluss nicht, den anvisierten Realschulabschluss zu erreichen.
21In den Jahren 2014-2017 schloss der Angeklagte I. eine 3-jährige Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement bei der Firma HU. WR. GmbH in X. erfolgreich ab.
22Der Angeklagte I. konsumiert keine Drogen.
232. Vorstrafen
24Der Angeklagte I. ist mehrfach vorbestraft:
25Am 18.06.2008 hat die Staatsanwaltschaft Düsseldorf (Az. 70 Js 7555/08) von der
26Verfolgung eines Hausfriedensbruches nach § 45 Abs. 1 JGG abgesehen.
27Mit Urteil vom 20.05.2009, rechtskräftig seit dem 28.05,2009, verwarnte das Amtsgericht Düsseldorf (Az. 132 Ds - 70 Js 16864/08 - 50/09) den Angeklagten I. wegen Beleidigung und Hausfriedensbruches und legte ihm die Erbringung von Arbeitsleistungen auf.
28Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
29„Der Angeklagte hielt sich am 21.11.08 gegen 15.30 Uhr ungeachtet eines ihm zuvor erteilten Hausverbots erneut in den Räumlichkeiten des Schulamtes auf dem SI.-straße 2 in X. auf und verließ trotz Aufforderung das Büro des Schulamtsleiters nicht.
30Am 05.01.09 gegen 22.20 Uhr bezeichnete der Angeklagte auf der PG.-straße die Zeugen PK DL., POK RB. und PM BE. als „schwule Assis, Scheiß Spastis und Wichser"."
31Der Erfüllung der Auflage ist der Angeklagte I. ausweislich des Berichts der AWO Jugendgerichtshilfe X. nachgekommen.
32c)
33Das Amtsgericht Düsseldorf stellte gegen den Angeklagten I. mit Beschluss vom
3419.04.2010 (Az. 132 Ds-70 Js 69/10-27/10) ein Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung nach richterlicher Ermahnung gemäß §§ 45, 47 JGG ein.
35d)
36Mit Urteil vom 20.09.2010, rechtskräftig seit dem 28.09.2010, verwarnte das Amtsgericht Düsseldorf (Az. 132 Ds-80 Js 523/10-244/10) den Angeklagten I. wegen Beschimpfung von Religionsgemeinschaften und wegen versuchten gemeinschaftlichen Computerbetruges und gab ihm auf, binnen 3 Monaten 50 Arbeitsstunden nach Weisung des Jugendamtes X. abzuleisten.
37Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
38„Am 10.4.2010 fanden der Angeklagte und die gesondert Verfolgten GT. VG. und BH. EL. IW. in der Straßenbahn der Linie 715 in X. ein Portemonnaie, in dem sich neben weiteren Karten die schwedische VISA-Karte Nr. N01 der TB. UT. VP. befand.. Gemäß einem gemeinsamen Tatplan begaben sich der Angeklagte und die gesondert Verfolgten gegen 20.00 Uhr mit der VISA-Karte zu der Firma OE. & IN. auf der OW.-straße 1. Sie suchten sich Schuhe, eine Lederjacke und eine Adidas-Jacke aus und gingen zur Express-Kasse, an der eine Selbstzahlung mittels Kreditkarte möglich ist. Dort versuchten sie gemäß der vorherigen Absprache die VISA-Karte einzusetzen und die Ware zu bezahlen. Als die Karte auch nach einigen Versuchen nicht akzeptiert wurde, brachen sie ihr Vorhaben ab und verließen die Geschäftsräume unter Zurücklassung der Kleidungsstücke.
39Am 21.4.2010 äußerte der Angeklagte vor der jüdischen Synagoge in der ZH.-straße in X. für jedermann hörbar: "Scheiß Juden! Scheiß Judenkirche! Ich bin ein Rassist!". Der Angeklagte wollte hierdurch die Polizeibeamten, die vor der Synagoge Objektschutzdienst versahen, provozieren. Ihm war bewusst, dass Menschen, die seine Äußerung hören würden, sich in ihrem Vertrauen in Frieden ohne Ansehen ihrer Religionszugehörigkeit leben zu können, erschüttert sehen könnten."
40e)
41Am 13.12.2010, rechtskräftig seit dem 26.05.2011, wurde der Angeklagte I. durch das Amtsgericht Düsseldorf (Az. 132 Ds-70 Js 11741/10-376/10) wegen Körperverletzung in zwei Fällen sowie wegen Beleidigung verurteilt und ihm wurde aufgegeben, innerhalb von sechs Monaten an einem langfristigen Antiaggressionstraining teilzunehmen. Zudem verhängte das Amtsgericht Düsseldorf zwei Freizeitarreste. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
42„Am 14.07.2010 gegen 14.40 Uhr waren der Angeklagte und der 15jährige Geschädigte WT. zusammen mit weiteren Jugendlichen im Freibad am. Europlatz 1 in X.. Als ein Teil der Gruppe im Wasser war, begann der Angeklagte die Taschen derjenigen, die schwimmen waren, zu durchwühlen. Andere aus der Gruppe forderten den Angeklagten auf, dies zu lassen. Er ging daraufhin zu seiner Decke zurück. Auf einmal stand der Angeklagte auf, ging zu dem Geschädigten WT. und zu dessen Freunden und warf ihnen vor, ihn als "behindert" beschimpft zu haben. Da dies nicht stimmte, lachten der Geschädigte WT. und seine Freunde über den Angeklagten. Daraufhin kam der Angeklagte zum Geschädigten WT., der auf dem Bauch auf einem Handtuch lag. Er stellte ihm seinen Fuß in den Nacken. Der Geschädigte WT. stand daraufhin auf und forderte den Angeklagten auf, ihn in Ruhe zu lassen. Der Angeklagte schlug den Geschädigten WT. hierauf mit der Faust ins Gesicht.
43Als der Zeuge WT. aus Angst vor weiteren Schlägen weglief, verfolgte ihn der Angeklagte und rief ihm zu:.„Ich ficke deine Mutter, Wichser, Bastard — . komm her".
44Als der Geschädigte WT. davon ausging, dass die Auseinandersetzung beendet war und zu seinem Handtuch zurückkehrte, erschien der Angeklagte erneut und griff den Zeugen WT. durch weitere Schläge an. Nachdem
45der Geschädigte im Verlauf dieses Angriffs zu Boden gegangen war, trat der Angeklagte mehrmals auf den Geschädigten ein, wobei er diesen an Kopf, Bauch und Beinen traf.
46Durch den Faustschlag ins Gesicht erlitt der Geschädigte eine blutende Wunde im Mund. Durch die weiteren Schläge und Tritte erlitt der Geschädigte Schmerzen am Kopf und an den Füßen.
47Den für die Verfolgung der Körperverletzung und der Beleidigung erforderlichen Strafantrag stellte der Zeuge WT. durch seine erziehungsberechtigte Mutter am 30.07.2010. Außerdem bejahte die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse an der Verfolgung der Körperverletzung."
48Der Angeklagte I. verbüßte die Freizeitarreste und kam der Weisung nach.
49f)
50Mit Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 15.07.2013 (Az. 132 Ls 266/11), rechtskräftig seit dem 18.03.2014, wurde der Angeklagte I. wegen Diebstahls in zwei Fällen, wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, wegen Hehlerei, wegen Bedrohung, wegen Körperverletzung in fünf Fällen, hiervon in einem Fall tateinheitlich mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowie wegen Beleidigung in einem weiteren Fall zu einer Jugendstrafe von einem Jahr verurteilt. Die Vollstreckung der Jugendstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Diesem Urteil lagen folgende Sachverhalte zu Grunde:
511.
52Anklage aus dem Verfahren 132 Ls 70 Js 2672/11 - 105/11.
53Am 15.05.2010 gegen 0.10 Uhr betrat der Angeklagten zusammen mit dem gesondert Verfolgen EL. IW. und einer unbekannten Person das Hotel NF. auf der VL.-straße 59 in X.. Der Angeklagte, der gesondert verfolgte IW. und der unbekannte Dritte liefen zunächst durch das Hotel. Dann betraten sie den unverschlossenen Ballsaal ll des Hotels. Dort beschlossen der Angeklagte, der gesondert verfolgte IW. und der unbekannt Dritte spontan, einen am Boden befestigten Flachbildschirm zu entwenden. Der Angeklagte und der gesondert verfolgte IW. montierten den am Boden befestigten Flachbildschirm ab. Der Angeklagte trug den Flachbildschirm anschließend in den hinteren Bereich des Ballsaals. Dort legte er den Flachbildschirm ab. Der Angeklagte und der unbekannte Dritte hoben den zuvor abgelegten Bildschirm wieder hoch, um ihn aus dem Saal zu tragen. In diesem Moment rannte der gesondert verfolgte IW. zur Tür und verließ den Saal. Der Angeklagte und der unbekannte Dritte trugen den Flachbildschirm aus dem Saal. Außerhalb des Saals wollte der Angeklagte bei der Tat nicht mehr mitmachen und flüchtete aus dem Hotel. Vor dem Hotel traf er auf den gesondert verfolgten IW., der ebenfalls geflüchtet war. Der unbekannte Dritte trug den Flachbildschirm unbemerkt aus dem, Hotel. Vor dem Hotel hielt er ein Taxi an und fuhr mit dem Flachbildschirm weg.
542.
55Anklage aus dem Verfahren 132 Ls 70 Js 245/11 - 179/11.
56Der Angeklagte befuhr am 30.10:2010 gegen 1.00 Uhr mit dem fahrerlaubnispflichtigen Pkw des Stiefvaters des Zeugen ZQ. die Straßen von YG. nach HK.. Zum Führen des Fahrzeugs war er— wie ihm bekannt war — nicht berechtigt, weil er zum Zeitpunkt der Tat keine Fahrerlaubnis besaß.
573.
58Anklage aus dem Verfahren 1321s 70 Js 6908/11- 57/12.
59Zwischen dem 25.12.2010 und dem 03.01.2011 verschaffte sich der damals 13jährige GQ. CL. Zutritt zu dem Einfamilienhaus der Familie HD., HY.-straße 369 in X., Aus den dortigen Räumlichkeiten entwendete der CL. eine Herrenjacke der Marke Dolce & Gabbana des Zeugen DC. in HD. und gab diese zwischen dem 25.10.2010 und 12.01.2011 an den Angeklagten weiter. Dieser nahm die Jacke an sich und verwendete sie für sich. Der Angeklagte nahm dabei billigend in Kauf, dass die Jacke aus einem. Diebstahl stammte.
604.
61Anklage aus dem Verfahren 132 Ls 70 Js 4771/11 -65/13.
62Am 26.03.2011 gegen 2.30 Uhr griff der anderweitig verfolgte LC. XN. dem Geschädigten KP. NS. im Bereich des U-Bahnabgangs an der YI.-straße in X. von hinten an, brachte ihn mit einem Würgegriff zu Boden und schlug ihm mit der Faust gegen den Kopf. Der Geschädigte setzte sich daraufhin zur Wehr, woraufhin der anderweitig verfolgte XN. und der Geschädigte wechselseitig Faustschläge austauschten. Da der Geschädigte versuchte, zu flüchten, verlagerte sich das Tatgeschehen hinter den Treppenabgang zur U-Bahn. Dort schlug der anderweitig verfolgte XN. mit Fäusten auf den Geschädigten ein. Der Angeklagte rannte herbei und griff in das Geschehen ein. Er schlug ebenfalls mit den Fäusten auf den Geschädigten ein. Außerdem versetzte er dem Geschädigten einen Tritt. Der gesonderte verfolgte DY. stützte sich auf der Schulter des. Angeklagten ab und gab dem Geschädigten einen Tritt.
635.
64Anklage aus dem Verfahren 132 Ls 70 Js 7857/11 - 207/11:
65Am 14.04.2011 gegen 12.00 Uhr forderten die Mitarbeiter des städtischen Ordnungs- und Servicedienstes VA. und W. den Angeklagten, der auf dem Parkplatz an der WZ.-straße 25 in X. Minderjährigen Zigaretten angeboten hatte, auf, sich auszuweisen. Da der Angeklagte vorgab, keinen Personalpapiere bei sich zu haben, und zudem versuchte, sich zu entfernen, führten die Zeugen W. und VA. den Angeklagten zu einem in der Nähe befindlichen Einsatzwagen. Auf dem Weg dorthin riss sich der Angeklagte aus dem Griff der Zeugen los und versuchte dem Zeugen W. einen Kopfstoß zu verpassen. Den Zeugen VX., ebenfalls Mitarbeiter des Ordnungs- und Servicedienstes, traf der Angeklagte mit einem weiteren gezielten Kopfstoß an der Stirn über dem Nasenbein. Während des Transports zur Polizeiwache NU. beleidigte der Angeklagten den Ordnungsdienstmitarbeiter DZ. als "schwul". Der Zeuge VX. erlitt aufgrund des Kopfstoßes eine Schädelprellung.
666.
67Anklage aus dem Verfahren 132 Ls 70 Js 6898/11 - 198/11.
68Der Angeklagte entwendete am 26.04.2011 gegen 17.30 Uhr aus den Auslagen der Firma ZV., VL.-straße 40 in X., 2 hochwertige Schals, indem er die Waren nacheinander unter seine über dem Arm getragene Jacke steckte. Als der Angeklagte von dem Zeugen LJ., der das Geschehen beobachtet hatte, auf den Vorfall angesprochen wurde, legte er die Schals in die Auslagen zurück.
697.
70Anklage aus dem Verfahren 132 Ls 70 Js 6910/12 - 303/12.
71Am einem nicht näher bestimmten Tag nach dem 29.10.2011 bedrohte der Angeklagte den Zeugen NC. DX. per SMS mit den Worten: "Wenn Du irgendetwas sagen solltest, steche ich dich und deine Familie ab".
728.
73Anklage aus dem Verfahren 132 Ls 70 Js 6549/12- 149/12.
74Am 18.11.2011 gegen 22.30 Uhr schlug der Angeklagte den Geschädigten TD. JT. RA.-MZ. FY. vor dem RV. Center auf der AD.-straße in X. grundlos mit der Faust gegen den Körper. Außerdem trat er den Geschädigten mit dem Knie gegen den Oberschenkel, so dass der Geschädigte Schmerzen erlitt.
759.
76Anklage aus dem Verfahren 132 Ls 70 Js 6549/12- 149/12.
77Am 13.12.2011 beleidigte der Angeklagte die Polizeibeamtinnen DI. und MD. vor dem Polizeipräsidium auf der QG.-straße 180 in X. mit den Worten: "Elf Meter Fresse" und "halt die Fresse Schatz".
7810. Anklage aus dem Verfahren 132 Ls 70 Js 6549/12- 149/12.
79Am 29.01.2012 gegen 0.40 Uhr mischte sich der Angeklagte vor der Diskothek HI. in der X.er Altstadt in einen ihn nicht betreffenden verbalen Konflikt zwischen dem Geschädigten CF. und den Türstehern der Diskothek ein. Im Verlauf der Auseinandersetzung trat der Angeklagten den Zeugen CF. grundlos gegen die Hüfte. Der Angeklagte war bei der Tat alkoholisiert.
8011.
81Anklage aus dem Verfahren 132 Ls 70 Js 2755/13 - 99/13.
82Am 01.12.2012 gegen 3.20 Uhr wartete der Geschädigte PR. YX. in der Altstadt in X. am Eingang des Schnellrestaurants FL. auf seinen Begleiter CB., als der Angeklagte mit mehreren Begleitern an ihm vorbeiging und einer der Begleiter dem Geschädigten auf den Fuß trat. Auf die Frage, was das solle, wurde der Angeklagte aggressiv und schlug dem Geschädigten grundlos mit der Faust in das Gesicht. Dieser erlitt eine aufgeplatzte Lippe.
8312.
84Bei Begehung aller Taten war die Fähigkeit des Angeklagten, das Unrecht der Taten einzusehen, nicht beeinträchtigt. Die Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln, war nicht aufgehoben, jedoch im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert.
85Die Jugendstrafe wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 04.04.2017 nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen und der Strafmakel beseitigt.
869)
87Mit Urteil vom 21.02.2018, rechtskräftig seit demselben Tag, setzte das Amtsgericht Düsseldorf (Az. 121 Cs-20 Js 3457/16-546/17) die Tagessätzhöhe auf jeweils 10,00 € fest. Diese Tagessatzhöhe bezog sich auf die rechtskräftigen Strafbefehle des Amtsgerichts Düsseldorf vom 22.08.2017 - Cs 20 Js 3457/16 — und vom 22.08.2017 - Cs 20 Js 6563/16 — wonach der Angeklagte I. des Betruges und der Beleidigung schuldig war und er jeweils zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt wurde. Den Strafbefehlen lagen folgende Sachverhalte zu Grunde:
88Am Tattag gegen 05.15 Uhr in der AD.-straße in X. stiegen Sie in das Taxi der Geschädigten BF. und ließen sich zur YV.-straße fahren. Wie Ihnen von Anfang an bekannt und gewollt war, zahlten Sie am Zielort den Preis der Taxifahrt von 08,60 Euro nicht. Sie gaben an, weder die Summe zahlen zu können, noch die Summe zahlen zu wollen. Ihnen kam es von Anfang an nur darauf an, ohne Bezahlung gefahren zu werden.
89Am Tattag gegen 13.02 Uhr in der ZK.-straße 249 in TW. beleidigten Sie den Geschädigten WK., indem Sie diesen als Hurensohn bezeichneten. Dadurch würdigten Sie den Geschädigten in seiner Würde herab.
90Der Angeklagte I. zahlte die Geldstrafe vollständig (Erledigung der Vollstreckung am 14.05.2018).
91III. Zur Person des Angeklagten L.
921. Persönliche Verhältnisse
93Der Angeklagte N. Y. L. wurde am 04.12.0000 in E. geboren und ist deutscher Staatsangehöriger. Seine Eltern WC. WJ. und LX. L. trennten sich drei Jahre nach seiner Geburt. Der Angeklagte L. zog mit seiner Mutter in den Haushalt seiner Oma ein, sein Vater verzog nach X..
94Weil seine Mutter ihn vernachlässigte, hielt sich der Angeklagte größtenteils bei seiner Großmutter auf. Der Angeklagte L. wurde altersgerecht eingeschult und wechselte nach der Grundschule auf die Realschule. Als die Großmutter alters- und krankheitsbedingt in ein Altersheim kam, zog der Angeklagte L. zu seinem Vater nach X.. Der Umzug erfolgte während des sechsten Schuljahrs und hatte einen unterjährigen Schulwechsel zur Folge. Der Vater hatte eine neue Frau kennengelernt und mit ihr zwei Kinder, die heute 19-jährige Halbschwester und den nun 16-jährigen Halbbruder, bekommen. Das familiäre Zusammenleben war liebevoll und harmonisch.
95Weil ihm der Abschluss nach der zehnten Klasse nicht gut genug war, wiederholte der Angeklagte L. diese Stufe freiwillig und erreichte einen Realschulabschluss mit Qualifikation. Anschließend besuchte er die Fachoberschule. Weil seine damalige Freundin sich von ihm getrennt hatte, gelang es dem Angeklagten L. nicht das Abitur zu erlangen; er verließ die Fachoberschule mit einem Abgangszeugnis. Der Angeklagte L. hielt sich mit Kellnern finanziell über Wasser und zog aus dem väterlichen Haushalt aus. Er absolvierte eine Ausbildung zum Fachmann für Versicherungen und Finanzen. Nachdem er gearbeitet und seine Abiturprüfungen nachgeholt hatte, schloss sich in den letzten beiden Jahren ein Studium zum Betriebswirt an, welches der Angeklagte L. während der laufenden Hauptverhandlung erfolgreich beendete. Er begann im Anschluss ein Masterstudium mit einer Regelstudienzeit von drei Semestern. Sein Ziel ist der Abschluss eines Masters of Arts, Leadership and Management.
962. Vorstrafe
97Der Bundeszentralregisterauszug des Angeklagten L. weist eine Eintragung auf:
98Mit Strafbefehl vom 23.05.2017, bzgl. des Schuldspruches rechtskräftig seit dem 07.12.2017, in Verbindung mit dem Urteil vom 07.12.2017, rechtskräftig seit dem 15.12.2017, verurteilte das Amtsgericht Düsseldorf den Angeklagten L. wegen Erschleichens von Leistungen in 3 Fällen zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 15,00 €.
99Der Angeklagte zahlte die Geldstrafe vollständig (Erledigung der Vollstreckung am 31.01.2019).
100IV. Zur Person des Angeklagten S.
1011. Persönliche Verhältnisse
102Der Angeklagte S. wurde am 05.06.0000 in QM./Italien geboren. Dort wuchs er mit seiner Zwillingsschwester und zwei weiteren Schwestern wohl behütet in intakten Familienverhältnissen auf. Im Alter von neun Jahren verzog er zu seiner Großmutter nach PL., weil er dort eine bessere Schulbildung erhalten sollte.
103Schon früh entdeckte der Angeklagte S. die Leidenschaft zum Boxsport. Aufgrund seines Talents ging er mit 12 Jahren auf ein Sportinternat in PL., wurde dort gefördert und erlernte die englische Sprache. Dort erhielt er auch einen Schulabschluss.
104Der Angeklagte S. leidet seit seinem neunten oder zehnten Lebensjahr unter dem Tourette-Syndrom. Nach einem körperlichen Übergriff verschlechterte sich sein Gesundheitszustand. Er befand sich in medizinischer Behandlung, unter anderem auch in Frankreich. Seitdem befindet er sich in therapeutischer Behandlung. Nach einer einjährigen Sperre konnte er weiter boxen. Seinen ersten Profiboxkampf absolvierte er im Alter von 22 Jahren.
105Über den Boxsport kam er mit 24 Jahren nach Deutschland, weil er sich hier eine bessere Chance auf eine Boxkarriere versprach. Kurze Zeit boxte er auch als Profi, für den BD.. Es wurde jedoch schnell klar, dass für ihn eine weitere Karriere als Profiboxer nicht in Betracht kam. Er arbeitete fortan als Box-Trainer in E.. In EZ. BO. lernte er seine Ehefrau kennen. Nach neun Ehejahren kam es zur Scheidung der Ehe:
106Seine Arbeitsstätten wechselte der Angeklagte wiederholt, da er wegen seiner Erkrankung gemobbt wurde. Zuletzt machte er eine Ausbildung zum Hausmeister, die er vor seiner Untersuchungshaft in dieser Sache noch erfolgreich abschließen konnte.
107Der Angeklagte S. hat einen 27 Jahre alten Sohn.
1082. Vorstrafen
109Der Angeklagte S. ist mehrfach vorbestraft:
110Mit Strafbefehl vom 14.11.2011, rechtskräftig seit dem 23.03.2012, verurteilte das Amtsgericht Siegburg den Angeklagten S. wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 20 Tagesätzen zu je 12,00 €.
111Der Angeklagte S. zahlte die Geldstrafe.
112Mit Urteil des Amtsgerichts Köln vom 01.06.2012 (Az. 613 Ls 40/12), rechtskräftig seit demselben Tag, wurde der Angeklagte S. wegen gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Diebstahls in 16 Fällen, davon in 2 Fällen in Form des Versuchs sowie wegen gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Computerbetrugs in 2 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
113Der Verurteilung lagen Trickdiebstähle in Supermärkten zu Lasten älterer Menschen zu Grunde. In zwei Fällen hoben die Täter mit entwendeten EC-Karten später Geld ab.
114Mit Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 14.07.2015 wurde die Bewährungsstrafe nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen.
115c)
116Mit Strafbefehl vom 14.03.2013, rechtskräftig seit dem 04.04.2013, verurteilte das Amtsgericht Viersen (Az. 24 Cs 103 Js 2512/11-96/13) den Angeklagten S. wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10,00 €.
117Nachdem ein Vollstreckungshaftbefehl ergangen und der Angeklagte S. am 11.12.2014 festgenommen worden war, zahlte er die Geldstrafe.
118B. Verständigung
119Dem Urteil ist hinsichtlich der Angeklagten O., I. und L. eine Verständigung nach § 257c StPO vorausgegangen.
120C. Feststellungen zur Sache
121Gegenstand dieses Urteils sind Betrugstaten im Zusammenhang mit der massenhaften Versendung rechnungsähnlicher Angebotsschreiben — sogenannter Offerten — an Gewerbetreibende. Das Geschäftsmodell beinhaltete die Versendung rechnungsähnlich aufgemachter Angebotsschreiben an Firmen, die kurz zuvor eine Änderung im Handelsregister vorgenommen hatten. Von der Eintragung im Handelsregister konnten die Täter Kenntnis nehmen, da die Eintragungen im Handelsregister automatisiert auf der Seite„https: entfernt" veröffentlicht werden. Die Empfänger der Offerten sollten dabei planmäßig über den Angebotscharakter für eine kostenpflichtige Eintragung in eine private Firmendatenbank im Internet getäuscht werden und stattdessen davon ausgehen, es handele sich um eine amtliche Rechnung für den Eintrag ins oder die Änderung im Handelsregister. Die irreführende Gestaltung der Angebotsschreiben und die zeitliche Nähe des Angebotsversands zum tatsächlich erfolgten Handelsregistereintrag bzw. der Handelsregisteränderung erfolgten mit dem Ziel, die Empfänger zu täuschungsbedingten Zahlungen von 796,00 € bzw. 798,74 € oder 783,79 € zu veranlassen. Wie von vornherein beabsichtigt, war die im Falle der Zahlung erfolgte Eintragung in die private Firmendatenbank für die Gewerbetreibenden aufgrund des geringen Informationsgehaltes ohne wirtschaftlichen Wert.
122Vorliegend sind drei Zeiträume (Taten 1-3 des Urteils) zu unterscheiden:
123Die Versendung der Offerten erfolgte von Dezember 2017 bis Juli 2018 offiziell durch die in X. ansässige M. GmbH unter Mitwirkung des Angeklagten I. (Tat 1 des Urteils). In dem Tatzeitraum von November 2018 bis April 2019 durch die in FA. ansässige P. GmbH unter Mitwirkung der Angeklagten O., I. und L. (Tat 2 des Urteils) und im Tatzeitraum von April 2019 bis Juli 2019 durch die P. GmbH unter Mitwirkung des Angeklagten I. (Tat 3 des Urteils). An die M. GmbH wurde ein Betrag von insgesamt 512.557,20 € (Tat 1 des Urteils) und an die P. GmbH ein Betrag in Höhe von 1.499.136,90 € (Tat 2 des Urteils) sowie 410.053,86 € (Tat 3 des Urteils) überwiesen. Organisatoren der zu Grunde liegenden Betrugstaten waren bislang nicht ermittelbare Hintermänner, die den Druck und den Versand der rechnungsähnlichen Angebotsschreiben gemeinschaftlich aus einem Büro mit mehreren dort tätigen Personen durchführten. Eine geschäftliche Tätigkeit der M. GmbH und der P. GmbH wurde an den offiziellen Geschäftsanschriften nicht entfaltet.
124I. Feststellungen betreffend die M. GmbH (Tat 1 des Urteils)
125Dem Angeklagten I. gelang es im Jahr 2017 die Abschlussprüfung im Bereich Büromanagement und Bürokommunikation vor der Industrie- und Handelskammer. X. zu bestehen. Dazu trug sein Ausbildungsbetrieb HU. WR. GmbH, insbesondere in der Person des Ausbildungsleiters; des Zeugen XD., durch umfangreiche Hilfemaßnahmen bei. So wurde er zeitweilig von der Arbeit freigestellt; um sich mithilfe eines besonderen Lehrgangs auf die Prüfung vorbereiten zu können. Im Rahmen seiner praktischen Ausbildung war es dem Angeklagten I., der über eine leicht Unterdurchschnittliche Intelligenz verfügt, nach entsprechender Anleitung möglich, einzelne, eher leichtere Aufgaben selbstständig durchzuführen. Er war jedoch nicht in der Lage, eigenständig Dinge zu erlernen, sondern bedurfte stets einer Anleitung. Arbeitsvorgänge, die er verinnerlicht hatte, konnte er problemlos ausführen.
126Nach dem Abschluss der Ausbildung im Jahr 2017 machte der Ausbildungsbetrieb dem Angeklagten I. ein Übernahmeangebot, das dieser jedoch ausschlug, weil er sich nach den Anstrengungen der Ausbildung erholen wollte. Nach Abschluss der Ausbildung war er folglich ohne Anstellung und Einkommen. Ende 2017 wurde der Angeklagte I. von unbekannten Personen darauf angesprochen, ob er Geschäftsführer einer Gesellschaft werden und viel Geld verdienen wolle. Ihm wurde berichtet, die Gesellschaft solle in unbekannter Vielzahl rechnungsähnliche Vertragsangebote unter einer amtlich klingenden Firma an Gewerbetreibende, in der Regel Gesellschaften, versenden, die eine Neueintragung oder Änderung im Handelsregister unmittelbar zuvor veranlasst hatten. Dabei solle kostenpflichtig angeboten werden, den im Handelsregister veröffentlichten Text in einer eigenen Datenbank zu erfassen und zu veröffentlichen. Verfolgt werde damit das Ziel, durch die Gestaltung der Offerten planmäßig gegenüber den Firmen eine Zahlungspflicht vorzutäuschen und sie auf diese Weise zu irrtumsbedingten Zahlungen der Rechnungsbeträge zu veranlassen.
127Seitens der Hintermänner wurde dem Angeklagten I. dargelegt, dass es sich bei diesem Vorgehen um eine rechtliche Grauzone handele. Um ihn zu überzeugen an ihrem Vorhaben mitzumachen, zeigten die Hintermänner dem Angeklagten I. einen Stapel Papier, der eine angebliche gerichtliche Entscheidung des Bundesgerichtshofes enthalten sollte. Ihm wurde gesagt, dass in dieser Entscheidung eine wegen eines ähnlich gelagerten Falls angeklagte Person freigesprochen worden sei. Diese Umstände glaubte er. Die angebliche Entscheidung las er sich nicht durch. Rechtlichen Rat holte er sich zu diesem Zeitpunkt auch nicht ein. Vielmehr ließ er sich mit dem Argument, dass er binnen kurzer Zeit viel Geld verdienen und teure Autos fahren könne, überzeugen mitzumachen.
128Seine Aufgabe bestand darin, die Gesellschaft zu gründen, eine Büroräumlichkeit anzumieten und Geschäftskonten zu eröffnen. Die XL. sollte von ihm in Empfanggenommen werden, bzw. an der Geschäftsadresse abgeholt werden und an die Hintermänner übergeben werden. Für die Gründung der Gesellschaft sollte er eine unbekannt gebliebene Summe als Entlohnung erhalten.
129Weitere Aufgabe von ihm war es, das auf den Gesellschaftskonten eingegangene Geld bei den verschiedenen Banken in bar abzuholen. Gemeinsam mit den Hintermännern vereinbarte er folgende Verwendung des abgeholten Geldes:
130Zunächst sollten von dem abgeholten Geld alle Aufwendungen bestritten werden. Der verbleibende Gewinn sollte zu 50 % an die unbekannt geblieben Hintermänner und zu 25% an ihn ausgekehrt werden. Mit den verbleibenden 25 % des Gewinns sollten Rücklagen, beispielsweise für die Entrichtung von Steuern, gebildet werden.
131Entsprechend des gemeinsam gefassten Tatplans gründete der Angeklagte I. am 24.10.2017 vor dem Notar Dr. WV. in X. unter der Urkunden-Nr.: 0000/0000 die M. GmbH und bestellte sich in einer vor dem Notar abgehaltenen Gesellschafterversammlung selbst zum alleinigen Geschäftsführer der Gesellschaft. Im Gesellschaftsvertrag wurde als Gegenstand des Unternehmens die Erbringung von Marketingleistungen und Webdesign sowie alle damit in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten festgelegt. Das Stammkapital belief sich auf 25.000,00 € und wurde ihm von den unbekannt gebliebenen Hintermännern zur Verfügung gestellt.
132Der Geschäftssitz befand sich in der DA.-straße 91 in X.. Mit Datum vom 04.12.2017 wurde die Gesellschaft im Handelsregister unter der HRB-Nr.: 00000 eingetragen. Der Angeklagte I. brauchte sich selbst nicht um die erforderlichen Unterlagen, die in Zusammenhang mit der Gründung erforderlich waren, kümmern. Für ihn wurde alles seitens der unbekannt gebliebenen Hintermänner organisiert und vorbereitet. Er nahm lediglich den Notartermin währ und unterschrieb die dafür notwendigen Urkunden.
133Im Anschluss daran eröffnete er, wie ihm zuvor mitgeteilt und aufgetragen worden war, und in Kenntnis wofür diese im Rahmen des Geschäftsmodells benötigt werden, eine Vielzahl von Geschäftskonten. Ihm war es nach der getroffenen Absprache gestattet, sich wechselnde hochpreisige Firmenwagen bei einem X.er Autohaus anzumieten. Diese Fahrzeuge hätte er sich ansonsten nicht leisten können. Mit diesen Fahrzeugen begab er sich zu einer Vielzahl von unterschiedlichen Banken, insbesondere zu verschiedenen Volksbanken und Sparkassen, um dort Geschäftskonten für die M. GmbH zu eröffnen.
134Ende des Jahres 2017 sowie Anfang des Jahres 2018 eröffnete er Konten bei der
135WI. Bank AG (IBAN DE N02),
136bei der JF.-Sparkasse C. Rheinland (IBAN DE N03),
137bei der JC. Bank AG (IBAN DE N04),
138bei der SK. OQ. BZ. eG (IBAN DE N05,
139bei der OF. (IBAN DE N06),
140bei der Sparkasse ES. TC. (IBAN DE N07)
141und bei der SK. AN.-UW. eG (IBAN De N08). Als geschäftsführender Gesellschafter der M. GmbH erhielt er die Verfügungsbefugnis über die eröffneten Konten.
142Die große Anzahl an Bankkonten war insgesamt erforderlich, da angesichts des betrügerischen Geschäftsgebarens mit Kundenbeschwerden und Kontokündigungen der Banken zu rechnen war und das Geschäftsmodell ohne Bankkonto nicht funktionierte. Auch dies war dem Angeklagten I. bewusst. Er wollte diese Anzahl von Konten eröffnen, um die Erfolgschancen des Geschäftsmodells zu erhöhen. Sämtliche Zugangsdaten leitete er weisungsgemäß an die Hintermänner weiter, damit diese den finanziellen Überblick über seine Handlungen in den Händen hielten.
143Die unbekannt geblieben Hintermänner betrieben ein „Büro". In diesem Büro befanden sich Arbeitsplätze, sowie die technischen Voraussetzungen zur massenhaften Erstellung der versendeten Offertenschreiben. Eine Vielzahl von Personen war in der Zeit von Montag bis Samstag damit betraut, sämtliche neue Registerbekanntmachungen zu verfolgen. Die in dem Schreiben aufgeführten Daten, wie die Firma nebst Anschrift, die Handelsregisternummer, das Datum der Eintragung, das Registergericht sowie den einzutragenden Handelsregistertext wurden von den dort tätigen Mitarbeitern recherchiert und in das Schreiben digital eingefügt. Das Musterschreiben war zuvor durch unbekannt gebliebene Personen entworfen worden. Für das dort tätige Personal sowie die technischen Voraussetzungen, wie Papier, Drucker, Rechnungsvordrucke etc. fielen enorme Kosten an. Wöchentlich lagen diese in dem Bereich von etwa 9.000,00 €.
144Die Schreiben der M. GmbH waren wie folgt aufgebaut:
145Im linken oberen Bereich war „Gewerberegisterzentrale" aufgeführt sowie unterhalb davon in kleinerer Schrift „Handelsregisterbekanntmachungen für Bund und Länder".
146Oberhalb des Adressfeldes ist aufgeführt: „Falls Empfänger verzogen: Bitte mit Vermerk der neuen Anschrift zurück an". Das rechte obere Drittel des Formulars wurde ausgefüllt durch einen Kasten, in dem in der Betreffzeile "Ihre Offerte zumHandelsregistereintrag", darunter „Kontakt: Bekanntmachungen©entfernt" und unter "Ihr Handelsregistertext:" der Hinweis auf den zuvor erfolgten Handelsregistereintrag bzw. die zuvor erfolgte Änderung im Handelsregister. An dieser Stelle wurde auch der konkrete Handelsregistereintrag in seiner Gesamtheit wiedergegeben. Auf der gegenüberliegenden linken Seite war ein in vier Zeilen aufgegliederter Kasten mit "Handelsregisterbekanntmachung", das Kassenzeichen mit der jeweiligen HRB Nummer, dem Datum der Eintragung und dem Registergericht angeführt. Es folgte ein enger und kleingedruckter Text, der weniger als ein Viertel des gesamten Formulars ausmachte, mit folgendem Wortlaut: „Sehr geehrte Damen und Herren, die Veröffentlichung firmenrelevanter Daten" Ihres Unternehmens wurde u.a. im Bundesanzeiger zur Kenntnis gebracht. Dies ist ein Dienst, Ihren Firmendatensatz und den Handelsregistertext in die Datenbank der Handelsregisterbekanntmachung einzutragen. Die elektronische Veröffentlichung Ihrer Unternehmensdaten wurde bereits automatisch zentral zusammengeführt und für Interessenten elektronisch abrufbar im Internet unter www.entfernt bereitgestellt. Die Erfassung Ihrer Unternehmensdaten ist eine nicht amtliche, kostenpflichtige Eintragung, mit dieser Offerte verbundenen Leistungen ist die Aufnahme Ihrer firmenrelevanten Unternehmensdaten sowie deren Auswertung zu Auskunftszwecken in unsere Datenbank www.entfernt. Der zu entrichtende Betrag dieser Dienstleistung ist im Falle der Annahme durch einmalige Zahlung auf die untenstehende Bankverbindung zu entrichten."
147Anschließend waren in einem größeren Kasten ein Gesamtbetrag von insgesamt 796 € brutto für die Positionen "Veröffentlichung des Handelsregistertextes 558,91 €" und "Eintragungskosten 110,00 €" sowie "Umsatzsteuer 19 % 127,09 €" aufgelistet. Es folgte in Fettdruck und größerer Schrift der Passus — Zahlbar binnen 3 Werktagen nach Erhalt — und darunter in kleiner Schrift, jedoch unterstrichen „Erst im Anschluss wird die Veröffentlichung in die Handelsregisterbekanntmachungen erfolgen!" und in der Zeile darunter nicht unterstrichen „Andernfalls behalten wir uns das Recht vor, Ihre Daten unverzüglich aus dem System zu löschen". Im unteren Drittel des Offertenschreibens befand sich sodann ein heraus trennbarer und zum Teil bereits vorausgefüllter Überweisungsträger, in dem in der Spalte „Angaben zum Zahlungsempfänger" die M. GmbH mit einer der eröffneten Konten eingetragen und unter "Verwendungszweck" unter anderem die konkrete HRB-Nummer des Adressaten eingetragen war.
148So sah das Schreiben an die Schreinerei FH. Geschäftsführungsgesellschaft mbH (Fall 1 der Anklage), BI. 6 der Hauptakte des verbundenen Verfahrens 112 KLs 5120 so, wie auf der Folgeseite eingerückt aus:
149150
Angaben zum Zahlungsempfänger entfernt
151152
153
Nach dem Druck und der Verpackung der Schreiben in einen Umschlag wurden diese zunächst gesammelt und von unbekannt gebliebenen Personen in größeren Mengen
154zu verschiedenen Postannahmestellen in X. gebracht. Die größte Anzahl von Schreiben wurde bei dem Briefzentrum in JQ. aufgegeben. Der erste Versand einer Vielzahl von Briefen der M. GmbH, einer Größenordnung von ca. 480 Briefen, erfolgte am 07.12.2017 bei dem Briefzentrum in JQ.: Das Porto der Einlieferungen wurde in bar entrichtet.
155Zwecks Abholung der eingegangenen Gelder bei den verschiedenen Banken verblieben die Kontokarten nach der Eröffnung der Konten bei dem Angeklagten I.. Er bekam von den Hintermännern ein Encropohone, d.h. ein hilobiltelefon, mit dem eine verschlüsselte Kommunikation möglich ist, ausgehändigt. Durch dieses wurden ihm stets die Kontoeingänge angezeigt. Er fuhr zeitnah zu den einzelnen Banken und hob das eingegangene Geld in bar ab.
156Im Übrigen kommunizierte er mit den unbekannt gebliebenen Hintermännern über sog. Wegwerfhandys, die sie alle 14 Tage austauschten. So wollten sie erreichen, dass ihre Kornmunikation unerkannt blieb und nicht durch Strafverfolgungsbehörden abgehört werden konnten. In diesem Wissen besorgte der Angeklagte I. die Handys und reichte sie an die Beteiligten weiter.
157Nach Beginn des operativen Geschäftsbetriebs erstellten und pflegten die Hintermänner zur besseren Übersichtlichkeit und Praktikabilität eine Microsoft Teams-Tabelle. Die Tabelle bestand aus mehreren Spalten. Sie wies unter anderem die durch den Angeklagten I. abgehobenen Gelder und deren Verteilung gemäß dem vereinbarten Schlüssel nach Aufwendungen, Rückstellungen und Gewinnanteilen aus. Am Ende war aus der Tabelle ersichtlich, in welcher Höhe Kostenentstanden, wie hoch die Gewinnanteile der Beteiligten und in welcher Höhe Rücklagen zu bilden waren.
158Der Angeklagten I. war ferner dafür zuständig am Ende einer Woche gleichlautend zu dieser Tabelle Geld in Umschläge zu packen und diese an die Hintermänner zu übergeben. Dementsprechend packte er vier Umschläge: Einen zur Kostendeckung, einen weiteren zur Rücklagenbildung und zwei mit den Beuteanteilen für die Hintermänner und sich selbst. Diese Tabelle, verbunden mit dem Online-Zugang zu den eröffneten Konten, ermöglichte den Hintermännern den kompletten Überblick und die wirtschaftliche Kontrolle über das Handeln des Angeklagten I.. Das Handeln des Angeklagten I. war darauf gerichtet, seinen Gewinnanteil zu erhalten, um sich einen besseren Lebensstil leisten zu können.
159Die Hintermänner baten den Angeklagten I. ferner darum, sich um die Eintragungen in der Firmendatenbank im Internet zu kümmern, sofern die angeschriebenen Firmen und Gewerbetreibenden den durch das rechnungsähnliche Offertenschreiben geforderten Betrag überwiesen. Diese Datenbank war lediglich pro Forma eingerichtet worden, um getäuschten "Kunden" und Strafverfolgungsbehörden eine Gegenleistung für den überwiesenen Geldbetrag präsentieren zu können, was der Angeklagte I. auch wusste. Weil er sich selber technisch nicht in der Lage sah, dieser Aufgabe nachzukommen, sprach er in Absprache mit den Hintermännern, den mit ihm befreundeten Angeklagten L. an. Er bot diesem an, die Eintragungen der Firmen gegen ein Entgelt von einem Euro pro Eintragung vorzunehmen. Über den Hintergrund der Eintragungen bzw. das den Überweisungen zugrundeliegenden Offertenschreiben ließ er den Angeklagten L. jedoch im Ungewissen.
160Der Angeklagte L. nahm das Angebot des Angeklagten I. an, weil es für ihn ein einfacher und guter Nebenverdienst war. Er nahm die Eintragungen entsprechend einer ihm zur Verfügung gestellten Liste zeitnah nach den Überweisungen vor. Eine gesonderte Information über die Eintragung in das Register erhielten die Firmen nicht. Ob die von dem Angeklagten L. gepflegte Datenbank tatsächlich online war, konnte die Kammer nicht feststellen.
161Insgesamt wurde im hier gegenständlichen Zeitraum (Dezember 2017 bis Juni 2018) von mindestens 644 Firmen jeweils ein Betrag in Höhe von 796,00 € auf verschiedene Bankkonten der M. GmbH überwiesen. Die Anzahl der angeschriebenen Gewerbetreibenden lag um ein Vielfaches höher. Im Zeitraum vom 07.12.2018 bis zum 09.05.2018 wurden im Raum X. durch die M. GmbH ca. 42.604 Schreiben versandt.
162Die Fälle der Anklage der Staatsanwaltschaft Düsseldorf vom 04.09.2019, Aktenzeichen 140 Js 139/18, die Namen der Überweisenden, der Datum des Geldeingangs, der Betrag und das in der Überweisung angegebene Kassenzeichen lassen sich der nachfolgenden Tabelle entnehmen. Der jeweilige Entscheidungsträger veranlasste die Zahlung im Hinblick darauf, dass er aufgrund der äußeren Gestaltung des Angebotsschreibens und der zeitlichen Nähe zu einer zuvor erfolgten Neueintragung oder Änderungseintragung im Handelsregister dem Irrtum erlag, es handele sich um eine amtliche Kostenrechnung für die Eintragung im Handelsregister und es bestünde daher eine Zahlungspflicht:
163Tabelle entfernt
164Aufgrund ihres Irrtums war es den Entscheidungsträgern der vorgenannten Gewerbetreibenden jeweils auch nicht bewusst, dass sie — nach dem Wortlaut des Schreibens — ein Angebot über die im Kleingedruckten beschriebene Leistung der M. GmbH, die Eintragung in ein privates Firmenverzeichnis im Internet, annahmen. Darüber hinaus hatten sie an der Leistung auch kein Interesse. Die Eintragung in der Datenbank der M. GmbH stellte keinerlei Nutzen oder Gewinn für die betroffenen Personen und Unternehmen dar. Eine solche war für die getäuschten Adressaten vollkommen wertlos.
165Der von dem Angeklagten- I. und den Hintermännern verursachte und beabsichtigte Schaden beträgt im Tatzeitraum 512.557,20 €. In dieser Höhe haben sie eine Schädigung der angeschriebenen Gewerbetreibenden billigend in Kauf genommen. Rückzahlungen der Beträge erfolgten in keiner der aufgezählten Fälle. Lediglich in einem Fall erfolgte auf Veranlassung eines Gewerbetreibenden eine Stornierung.
166Der Angeklagte I. hob entsprechend des gemeinsam gefassten Tatplans und in Kenntnis der Herkunft der Gelder beginnend ab dem 08.12.2017 und endend am 24.04.2018 insgesamt einen Betrag in Höhe von 506.458,18 € von den eröffneten Geschäftskonten der M. GmbH ab. Am Ende einer jeden Woche teilte er das abgehobene Bargeld entsprechend der Microsoft Teams-Tabelle auf und übergab die Gelder, einzeln entsprechend ihrer Verwendung in Umschlägen verpackt, an die Hintermänner, und nahm seinen Anteil an sich. Aufgrund der hohen Kosten betreffend den Druck und Versand der Schreiben, der Rücklagenbildung und der Gewinnverteilung erhielt der Angeklagte I. aus seiner Tätigkeit, abgesehen von der Nutzung kostspieliger Fahrzeuge als Firmenwagen und seinem Entgelt für die Gründung der Gesellschaft, einen Betrag von etwa 6.000,00 €.
167Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf erhielt von dem Vorgehen der M. GmbH durch die Erstattung von Strafanzeigen Kenntnis. Auf deren Antrag hat das Amtsgericht Düsseldorf am 21.03.2018 (Az.152 Gs 448/18) einen Beschluss erlassen, in dem ein Vermögensarrest in Höhe von 398.729,20 € in das bewegliche und unbewegliche Vermögen der M. GmbH angeordnet, wurde. Der Arrest ist durch Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 03.05.2018 (Az. 152 Gs 843/18) auf das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Angeklagten I., als Geschäftsführer der M. GmbH, erweitert worden. In Vollziehung dieses Arrestes, sind ab dem 16.04.2018 die Pfändung sämtlicher bestehender und künftiger Forderungen der M. GmbH aus den Konten bei der XG. AG, der WI. Bank Privat- und Geschäftskunden AG, der SK. WA. eG, der OF. und der SK. AN. UW. eG erfolgt. Bei den Banken ist auf diesem Wege ein Betrag in Höhe von 23.040.53 € arrestiert worden.
168Der Angeklagte I. erhielt durch die Pfändungen Kenntnis von dem vorbezeichneten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Düsseldorf. Er beauftragte Herrn Rechtsanwalt Dr. JK. aus X. mit seiner Verteidigung. Dieser bestellte sich im April 2018 gegenüber der Staatsanwaltschaft Düsseldorf für den Angeklagten I. als Beschuldigten und nahm im August 2018 Einsicht in die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Düsseldorf. In einem Beratungsgespräch erläuterte Herr Rechtsanwalt Dr. JK. dem Angeklagten I. die Rechtslage in strafrechtlicher Hinsicht. Dabei erteilte er dem Angeklagten keinen Freibrief in dem Sinne, dass der Angeklagte I. sich nicht strafbar gemacht habe. Gemeinsam wurde jedoch die Verteidigungsstrategie abgestimmt, die Betrugsvorwürfe mit Blick auf die angebotene Gegenleistung zurückzuweisen. Am 02.10.2018 nahm Herr Dr. JK. für den Angeklagten I. zu den Vorwürfen Stellung. Darin heißt es im Wesentlichen, dass Offertenschreiben im Namen der M. GmbH versandt worden seien. Der Angeklagte I. habe aber niemanden getäuscht, weil er in dem Schreiben angeboten habe, die Firmen in ein privates Register aufzunehmen und diese Leistung nach erfolgter Überweisung auch vorgenommen habe.
169Im Herbst 2018 erklärten die unbekannt gebliebenen Hintermänner dem Angeklagten I., dass das Geschäftsmodell mit der M. GmbH nicht weitergeführt werden solle. Sie kümmerten sich um eine Person, die die Gesellschaftsanteile an der Gesellschaft erwerben sollte. So kam es am 04.10.2018 dazu, dass der Angeklagte I. bei dem Notar Dr. WV. in X. als Geschäftsführer abberufen und als neuer Geschäftsführer Herr SD. GI. berufen wurde. Ferner veräußerte der Angeklagte I. die Geschäftsanteile an der M. GmbH an GI.. Der vereinbarte Kaufpreis wurde nicht an den Angeklagten I. ausgekehrt Damit fand die geschäftliche Tätigkeit des Angeklagten I. für die M. GmbH ihr Ende.
170Obwohl der Angeklagte I. grundsätzlich über die notwendige Unrechtseinsicht verfügt und auch in der Lage ist nach dieser Einsicht zu handeln, fehlte ihm vorliegend aufgrund der ihm übergebenen angeblichen Entscheidung des Bundesgerichtshofes die Einsicht Unrecht zu tun.
171Für die M. GmbH wurde an das Finanzamt X. im Jahr 2018 für das Kalenderjahr 2017 Umsatzsteuer in Höhe von 17.8223,50 € und für den Veranlagungszeitraurn 2018 Umsatzsteuer in Höhe von 52.198,64 € gezahlt. Die Körperschaftssteuer für das Jahr 2017 in Höhe von 11.772,00 € zzgl. Solidaritätszuschlag in Höhe von 647,46 € wurde nicht gezahlt. Der Steuerberater erstellte für die M. GmbH für den Zeitraum vom 24.10.2017 bis zum 31.12.2017 einen Jahresabschluss, der veröffentlicht wurde.
172Am 04.09.2019 hat die Staatsanwaltschaft Düsseldorf unter dem Aktenzeichen 140 Js 139/18 Anklage gegen den Angeklagten I. zum Landgericht Düsseldorf erhoben. Die 17. große Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf hat mit Beschluss vom 23.03.2020 die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren gegen den Angeklagten I. vor der 17. großen Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf (017 KLs-140 Js 139/18-12/19) eröffnet. Mit Beschluss vom 15.06.2020 (BI. 1519-1521 d.A.) hat die Kammer das Verfahren Landgericht Düsseldorf 017 KLs-140 Js 139/18-12/19 übernommen und zum führenden Verfahren 112 KLs 9/19 hinzuverbunden. Die Übernahme ist auf der Grundlage von § 13 Abs. 2 StPO auf Antrag des Angeklagten I., seines Verteidigers Rechtsanwalt KD. und der beteiligten Staatsanwaltschaften Düsseldorf und Köln durch Vereinbarung der beteiligten Gerichte (Abgabe- und Übernahmebeschluss) erfolgt.
173II. Feststellungen betreffend die P. GmbH
1741. Geschehen ab Herbst 2018 (Tat 2 des Urteils)
175Der Angeklagte O. sprach im Sommer/Herbst 2018 seinen Freund, den Angeklagten L., an und fragte danach, ob er eine Idee habe, wie man geschäftlich an viel Geld kommen könne. Der Angeklagte L. hatte im Jahr 2018 die Veränderung der Lebensverhältnisse des Angeklagten I. wahrgenommen. Denn dieser trug plötzlich teure Markenkleidung und war spendabel. Er lud Freunde häufig zum Essen oder bei Diskothek-Besuchen ein. Ferner fuhr er teure Autos. Aufgrund dessen sagte der Angeklagte L. dem Angeklagten I., dass er einen Freund habe, der schnell viel Geld verdienen wolle.
176Der Angeklagte I., der seinerseits nach den Erfahrungen mit der M. GmbH nicht mehr selbst als Geschäftsführer im Zusammenhang mit einer Gesellschaft, die „Offertenschreiben" versendet, auftreten wollte, teilte den Hintermännern mit, dass er jemanden habe, der sich als Geschäftsführer zur Verfügung stellen wolle. Da der Angeklagte O. dem Angeklagten I. jedoch gänzlich unbekannt war und unklar war, wie vertrauenswürdig er ist, kam die Idee auf den Angeklagten L. als Bindeglied zwischen dem Angeklagten O. und dem Angeklagten I. und somit auch den Hintermännern zwischenzuschalten. Jeder sollte das Handeln seines Vorgängers kontrollieren und beobachten. Der Angeklagte I. sollte verantwortlich für das Handeln der Angeklagten O. und L. sein und für diese „geradestehen".
177In diesem Zusammenhang legte der Angeklagte I. dem bis dahin unwissenden Angeklagten L. das Geschäftsmodell mit den „Offertenschreiben" offen und fragte ihn, ob er sich ebenfalls beteiligen wolle. Er erklärte ihm, wie die Sache funktioniere und tatsächlich ablaufe. Der Angeklagte L. erklärte sich einverstanden und führte in E. mit dem Angeklagten O. ein Gespräch, in dem er auch diesem das Geschäftsmodell der noch zu gründenden Gesellschaft vorstellte. Auch der Angeklagte O. entschied sich in Kenntnis der Umstände dafür, dem Geschäftsmodell näherzutreten und sich als Geschäftsführer zur Verfügung zu stellen. Der Angeklagte I. hatte dem Angeklagten L. dargelegt, dass es sich juristisch gesehen wohl um eine Grauzone handeln solle. Damit versuchten sich die Angeklagten L. und O. zu beruhigen, wenngleich sie — wie auch der Angeklagte I. — billigend in Kauf nahmen, dass es sich um ein strafbares Verhalten handele.
178So schlossen die unbekannt gebliebenen Hintermänner, der Angeklagte I., der Angeklagte L. und der Angeklagten O. zusammen den Entschluss, die P. GmbH zu gründen und Offertenschreiben zu versenden, um sich finanziell besser zu stellen.
179Die Aufgabenverteilung sah wie folgt aus:
180Die Hintermänner sollten das Schreiben zur Verfügung stellen und sich um den Druck und den Versand der Schreiben kümmern. Der Angeklagte O. sollte die Gesellschaft gründen, eine Geschäftsadresse einrichten und Bankkonten für die P. GmbH eröffnen. Die Zugangsdaten sollten bis zu den Hintermännern durchgereicht werden, damit die Bankverbindungen in die Schreiben eingefügt werden können. Nach dem Versand der Schreiben und Zahlungseingängen auf den Konten war der Angeklagte O. für die Geldabholung zuständig. Wie bereits im Rahmen der M. GmbH etabliert, sollte eine Excel-Tabelle über Microsoft Teams geführt werden in der die abgehobenen Geldbeträge und anfallende Kosten eingetragen werden.
181Zwei Mal wöchentlich sollte ein Treffen zwischen dem Angeklagten O. und dem Angeklagten L. in X. stattfinden, bei dem die durch den Angeklagten O. abgeholten Geldbeträge übergeben werden. Aufgabe des Angeklagten L. war es, sich um die Eintragung der Daten der „Einzahler" zu kümmern. Zudem war ihm zugedacht, entsprechend der Tabelle für den Gewinn und die anfallenden Kosten dem Angeklagten O. unmittelbar dessen Anteil bei den Treffen zu übergeben und im Anschluss die übrigen Umschläge mit den Anteilen der weiteren Beteiligten und der Kosten zu packen. Diese Umschläge waren durch ihn freitags an den Angeklagten I. zu übergeben, der wiederum den Anteil für die Hintermänner und die Kosten an diese weiterzureichen hatte. Der Angeklagte I. sollte dafür gerade stehen, dass die Abrede eingehalten wird und das System funktioniert.
182Die Hintermänner beanspruchten zunächst 50 % des nach Abzug der Kosten verbleibenden Gewinns für sich. Nach einem Gespräch mit dem Angeklagten I. kam man indes überein, dass bei der P. GmbH — anders als bei der M. GmbH —keine Rücklagen gebildet werden sollten. Im Anschluss sollte der Gewinn jeweils zu 25 % auf den Angeklagten O., den Angeklagten L., den Angeklagten I. und die Hintermänner aufgeteilt werden.
183Die Gesellschaftsgründung wurde durch die unbekannten Hintermänner initiiert und vorbereitet. Der Angeklagte O., der von dem Angeklagten L. begleitet wurde, begab sich am 09.11.2018 nach ZO. zu dem Notarassessor Dr. H. QE. als bestellter Vertreter des Notars Dr. YO. DU.. Den Termin vor dem Notar nahm er alleine wahr. Unter der Urkunden Rollen Nr. 0000 aus 2018 gründete er die P. GmbH mit einem Stammkapital von 12.500,00 €, bestellte sich selbst zum alleinigen Geschäftsführer der Gesellschaft und meldete die Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister an. Im Gesellschaftsvertrag wurde als Gegenstand die Erstellung und Aktualisierung von Webdesign sowie die Erbringung und Vermittlung von Dienstleistungen im Bereich von Online- und IT-Marketing festgelegt. Die Eintragung der P. GmbH im Handelsregister erfolgte am 07.12.2018 unter der HRB-Nummer 00000.
184Im Anschluss an den Notartermin am 09.11.2018 fuhren der Angeklagte O. und der Angeklagte L. gemeinsam zu dem SP.-Office in FA.. Für die P. GmbH unterschrieb der Angeklagte O. dort einen Mietvertrag, beginnend ab demselben Tag, über die Nutzung einer XL./Geschäftsadresse in der TS.-straße 134 in 00000 FA.. Vereinbart wurde in diesem Vertrag zudem, dass der Angeklagte O. die ankommende XL. abholt.
185Damit das Geschäftsmodell funktioniert, musste der Angeklagte O. Geschäftskonten eröffnen. So schloss er Geschäfts-Giroverträge mit der XG. (IBAN DE N09),
186der IE. Bank GS. DM. eG (IBAN DE N10), der Kreisparkasse FA. Bank (IBAN DE N11), der Sparkasse BA. Bank (IBAN DE N12, der RG. (IBAN DE N13),
187der Sparkasse AW. (IBAN DE N14) und der TJ. Bank (IBAN DE N15) ab und übergab die Zugangsdaten für das Online-Banking an den Angeklagten L. zur Weiterleitung über den Angeklagten I. an die Hintermänner. Auf die Konten konnte allein der Angeklagte O. als Geschäftsführer der Gesellschaft zugreifen. Als geschäftsführender Gesellschafter hatte der Angeklagte O. die Verfügungsbefugnis über die eröffneten Konten. Die zu den Konten ausgegebenen Ec-Karten waren im Besitz des Angeklagten O..
188Die große Anzahl an Bankkonten war insgesamt erforderlich, da angesichts des betrügerischen Geschäftsgebarens mit Kundenbeschwerden und Kontokündigungen der Banken zu rechnen war kund das Geschäftsmodell ohne Bankkonto nicht funktionierte. Auch dies war den Angeklagten O., I. und L. bewusst.
189Auch das erforderliche Stammkapital übergaben die Hintermänner an den Angeklagten I., dieser an den Angeklagten L., der diesen Betrag schließlich an den Angeklagten O. weitergab. Nach der Einzahlung des Stammkapitals am 14.11.2018 auf das Geschäftskonto der P. GmbH bei der KSK FA. Bank mit der IBAN DE N11 hob der Angeklagte O. einen Betrag von 12.200,00 € mit dem Verwendungszweck „Erwerb einer Büroeinrichtung" wieder ab. Diesen Betrag übergab er stattdessen sofort wieder an den Angeklagten L., der diesen Betrag seinerseits über den Angeklagten I. an die unbekannt gebliebenen Hintermänner zurückreichte.
190Nachdem der Angeklagte O. diese Vorarbeiten geleistet hatte, fügten die unbekannt gebliebenen Hintermänner die erforderlichen Daten der P. GmbH in das Musterschreiben und den Überweisungsvordruck ein und begannen mit dem Versand der „Offertenschreiben".
191Zunächst war das Schreiben der P..GmbH wie folgt aufgebaut:
192Im linken oberen Bereich war „Handelsregisterzentrale" aufgeführt sowie unterhalb davon in kleinerer Schrift „Handelsregisterbekanntmachungen für Bund und Länder". Oberhalb des Adressfeldes ist aufgeführt „Falls Empfänger verzogen: Bitte mit Vermerk der neuen Anschrift zurück an". Das rechte obere Drittel des Formulars wurde ausgefüllt durch einen Kasten, in dem zunächst „Ihre Offerte- zum Handelsregistereintrag", darunter „Kontakt: entfernt" darunter „Öffnungszeiten: Mo-Fr von 08.00 bis 13.00 Uhr" stand. Darauf folgt ein Absatz und darunter „Ihr Handelsregistertext:" der Hinweis auf den zuvor erfolgten Handelsregistereintrag bzw. die zuvor erfolgte Änderung im Handelsregister. An dieser Stelle wurde auch der konkrete Handelsregistereintrag in seiner Gesamtheit wiedergegeben. Auf der gegenüberliegenden linken Seite war ein in vier Zeilen aufgegliederter Kasten mit „Handelsregisterbekanntmachung", das Kassenzeichen mit der jeweiligen HRB Nummer und in Klammern der Zusatz „bei Zahlungen angeben", dem Datum der Eintragung und dem Registergericht angeführt. Rechts von diesem Fenster befindet sich ein Barcode mit der jeweiligen HRB Nummer. Darunter befindet sich ein umrandeter Kasten mit einem fett gedruckten Pfeil auf diesen darüber liegenden Passus in dem es heißt „Bei Zahlungen bitte dieses Aktenzeichen angeben". Es folgt ein enger und kleingedruckter Text, der weniger als ein Viertel des gesamten Formulars ausmacht, mit folgendem Wortlaut: „Sehr geehrte Damen und Herren, die Veröffentlichung firmenrelevanter Daten Ihres Unternehmens wurde u.a. im Bundesanzeiger zur Kenntnis gebracht. Dies ist ein Dienst, Ihren Firmendatensatz und den Handelsregistertext in die Datenbank der Handelsregisterbekanntmachung einzutragen. Die elektronische Veröffentlichung Ihrer Unternehmensdaten wurde bereits automatisch zentral zusammengeführt und für Interessenten elektronisch abrufbar im Internet unter www.entfernt bereitgestellt. Die Erfassung Ihrer Unternehmensdaten ist eine nicht amtliche, kostenpflichtige Eintragung, mit dieser Offerte verbundenen Leistungen ist die Aufnahme Ihrer firmenrelevanten Unternehmensdaten sowie deren Auswertung zu Auskunftszwecken in unsere Datenbank www.entfernt. Der zu entrichtende Betrag dieser Dienstleistung ist im Falle der Annahme durch einmalige Zahlung auf die untenstehende Bankverbindung zu entrichten:"
193Anschließend waren in einem größeren Kasten ein Gesamtbetrag von 783,79 € oder 789,74 € angegeben. In dem Fall, in denen ein Betrag von insgesamt 783,79 € ausgewiesen war, unterteilte sich dieser in die Positionen „Veröffentlichung eines Handelsregistertextes 553,65 €" und „Eintragungskosten 105,00 €" sowie "Umsatzsteuer 19 % 125,14 €". In den Fällen mit einer Summe von 789,74 €, wurden folgende Beträge aufgelistet: „Veröffentlichen eines Handelsregistertextes 553,65 €", „Eintragungskosten 110,00 €" und „Umsatzsteuer 19% 126,09 ,€". Es folgte in Fettdruck und größerer Schrift der Passus — Zahlbar binnen 3 Werktagen nach Erhalt — und darunter in kleiner Schrift, jedoch unterstrichen „Erst im Anschluss wird die Veröffentlichung in die Handelsregisterbekanntmachungen erfolgen!" und in der Zeile darunter nicht unterstrichen „Andernfalls behalten wir uns das Recht vor, Ihre Daten unverzüglich aus dem System zu löschen". Im unteren Drittel des Offertenschreibens befand sich sodann ein heraus trennbarer und zum Teil bereits vorausgefüllter Überweisungsträger, in dem in der Spalte Angaben zum Zahlungsempfänger die P. GmbH mit einer der eröffneten Konten eingetragen und unter „Verwendungszweck" unter anderem die konkrete HRB-Nummer des Adressaten eingetragen war.
194So sah das Schreiben an das BR. Süd OHG (Fall 251 der Anklage), BI. 9 der FA 82 (112 KLs 9/19) als Schwarzweißkopie, wie auf der Folgeseite eingerückt aus:
195196
197
Die Offertenschreiben der P. GmbH differenzierten zwischen einer Summe für die
198Eintragung einer Neugründung in Höhe von 789,74 € und einer Änderung im Handelsregister in Höhe von 783,79 €. Dies sollte dem Angeklagten L. die Eintragungen in der Weise erleichtern, dass sich aus der gezahlten Summe der Hinweis darauf ergab, ob es sich um eine Neueintragung in das Handelsregister oder um eine Änderung im Handelsregister handelt.
199Von unbekannten Personen wurden diese Schreiben in X. und JQ. aufgegeben. Im Jahr 2018 lieferte die P. GmbH mindestens 1.997 Briefsendungen ein. Im Jahr 2019 wurden mindestens 44.698 Sendungen frankiert und verschickt. Das Porto wurde in bar entrichtet.
200Die ersten Zahlungseingänge auf den Konten der P. GmbH gingen ab dem 13.12.2018 ein. Gleichzeitig damit begann der Angeklagte O. in Kenntnis der Umstände, täglich mehrere Banken anzufahren, um die eingegangenen Gelder abzuheben. Weil es ihm unangenehm war, so hohe Bargeldbeträge bei den Banken in E., wo er aufgewachsen und er auch teilweise bekannt war, abzuheben, hob er das Geld bei unterschiedlichen Filialen in der Umgebung oder in FA. ab. Zudem suchte er regelmäßig die TS.-straße 134 in FA. auf und leerte den dortigen Briefkasten der Gesellschaft.
201Untereinander kommunizierten die Beteiligten über Wegwerfhandys, um nicht Gefahr zu laufen, abgehört zu werden. Die Handys wechselten sie alle 14 Tage. Der Angeklagte I. besorgte die Handys und reichte sie an alle Beteiligten weiter, um eine „sichere" Kommunikation untereinander zu gewährleisten. Dieser Hintergrund war allen Beteiligten bekannt Sie wollten damit verhindern, in das Visier der Strafverfolgungsbehörden zu geratene
202Das Geschäftsmodell war bereits zu Beginn, d.h. im Dezember 2018, sehr erfolgreich. Der Angeklagter O. hob im Dezember 2018 einen Betrag in Höhe von 41.369,37 € von den Konten der Gesellschaft bei der XG. und der IE. Bank GS. DM. eG ab.
203Zum Jahreswechsel und zu Beginn des Jahres 2019 steigerten sich die Kontoumsätze weiter. Allein im Januar 2019 hob der Angeklagte O. 216.070,00 € von den Konten der P. GmbH ab.
204Entsprechend des gemeinsam gefassten Tatplans trafen sich der Angeklagten O. und der Angeklagte L. zwei Mal pro Woche. Der Angeklagte O. erhielt für seine Fahrten eine Bahn-Card 50. Die weiteren Kosten für Bahn- oder Bus-Tickets, Taxi-Fahrten und eine Essenspauschale bekam er erstattet. Diese Kosten beliefen sich mit Beginn der Bargeldabhebungen ab dem 13.12.2018 auf ca. 1.000,00 € die Woche. Der Angeklagte O. übergab in X. die von ihm abgehobenen Gelder und die XL. der P. GmbH an den Angeklagten L..
205Der Angeklagte L. nahm die Gelder und die XL., entgegen. Die XL. reichte er weiter und die Gelder verteilte er entsprechend der gemeinsam getroffenen Abrede auf der Grundlage der Teams-Tabelle. Seinen Anteil behielt er direkt für sich, übergab dem anwesenden Angeklagten O. unmittelbar seinen Anteil und reichte an den Angeklagten I. stets drei Umschläge, einen mit dem Anteil für den Angeklagten I., einen mit dem Anteil für die Hintermänner und einen mit den aus der Tabelle ersichtlichen und angefallenen Kosten, weiter. Auch nahm er die Eintragungen der Daten der Überweisenden in eine Datenbank vor. Feststellungen, ob diese Datenbank im Internet aufrufbar und damit einsehbar war, konnten nicht getroffen werden.
206Aufgrund einer Vielzahl von eingegangenen Strafanzeigen hat die Staatsanwaltschaft Köln ein Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten O., als Geschäftsführer der P. GmbH, eingeleitet.
207Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Köln hat das Amtsgericht Köln mit Beschluss vom 21.12.2018 (Az. 503 Gs 2855/18) die Beschlagnahme des bei der XG. AG geführten Kontos der Gesellschaft mit der Nummer DE N16 und mit Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 02.01.2019 (Az. 503 Gs 4/19) die Beschlagnahme des bei der Kreissparkasse FA. unter der IBAN DE N11 geführten Gesellschaftskontos angeordnet. Von diesen Beschlagnahmen nahmen die Angeklagten O., I. und L. sowie die Hintermänner Kenntnis. Die sich noch auf den Konten befindlichen Gelder konnten nicht mehr durch den Angeklagten O. abgeholt werden.
208Die XG. kündigte am 27.12.2018 fristlos die mit der P. GmbH bestehende Geschäftsverbindung. Auch dies gelangte den Angeklagten O., I. und L. sowie den Hintermännern zur Kenntnis.
209Die Beschlagnahme bzw. Kündigung von Gesellschaftskonten hatte zur Folge, dass die Hintermänner in weitere Schreiben eine andere Bankverbindung der Gesellschaft eintragen mussten, damit die Überweisungen aus Sicht der Angeklagten und der Hintermänner nicht ins Leere laufen. Hierzu standen weitere Konten zur Verfügung, die vorsorglich bereits eingerichtet worden waren. Gerichtliche Schritte bzw. Rechtsbehelfe gegen die Beschlüsse oder die Kontokündigung wurden nicht eingelegt.
210Mitte/Ende Januar erreichte die P. GmbH ein Schreiben des Amtsgerichts Köln vom 18.01.2019. Darin wurde mitgeteilt, dass dem Registergericht gemeldet worden sei, dass die von der Firma versandten Offertenschreiben nicht den Vorgaben des § 35a GmbHG entsprechen. Aufgeführt wurde in dem Schreiben, dass nach dieser Vorschrift folgende Angaben erforderlich seien:
211Vollständige Firma mit Rechtsformzusatz, Sitz der Gesellschaft, Registergericht des Sitzes und Nummer, unter der die Firma eingetragen ist sowie der Geschäftsführer (mit Familiennamen und mindestens einem Vornamen).
212Mit Blick auf das Schreiben des Registergerichts wurde das „Offertenschreiben" der P. GmbH durch die Hintermänner entsprechend der darin niedergelegten Vorgaben angepasst. Lediglich der Kasten am rechten oberen Rand veränderte sich und war wie folgt aufgebaut: in erster Zeile fand sich „P. GmbH, TS.-straße 134, 00000 FA., Amtsgericht Köln (HRB00000)" in der Zeile darunter „GF: H. W. O." und in der dritten Zeile „Ihre Offerte zum Handelsregistereintrag". Inhaltlich blieb das Schreiben jedoch identisch.
213Im Februar 2019 wollte der Angeklagte L. ein paar Tage verreisen. Er teilte dies dem Angeklagten I. mit, der, davon nicht begeistert war. Der Angeklagte I. stand in der Pflicht, für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen. Gemeinsam kamen sie überein, dass während der Zeit der Abwesenheit des Angeklagten L. der Angeklagte O. dem Angeklagten I. in der Wohnung des urlaubsabwesenden Angeklagten L. die abgehobenen Beträge unmittelbar übergeben solle. So trafen sich der Angeklagten O. und der Angeklagte I. erstmals persönlich. Der Angeklagte I. übernahm im Übrigen die Aufgaben des Angeklagten L.. Eintragungen in der Datenbank nahm er jedoch nicht vor.
214Der nachfolgenden Tabelle lassen sich die Fälle der beiden Anklagen der Staatsanwaltschaft Köln mit den Aktenzeichen 116 Js 618/19 (betreffend den Angeklagten O.) und 116 Js 1303/19 (betreffend die Angeklagten I., S. und L.), die Namen der Überweisenden, das Datum des Geldeingangs, das in der Überweisung angegebene Kassenzeichen und der überwiesene Betrag entnehmen. Sämtliche der in den Tabellen ausgeführten „Einzahler" hatten zuvor auch ein Offertenschreiben der P. GmbH erhalten und in diesem Zusammenhang die entsprechende Überweisung veranlasst. Der jeweilige Entscheidungsträger veranlasste die Zahlung im Hinblick darauf, dass er aufgrund der äußeren Gestaltung des Angebotsschreibens und der zeitlichen Nähe zu einer zuvor erfolgten Neueintragung oder Änderungseintragung im Handelsregister dem Irrtum erlag, es handele sich um eine amtliche Rechnung für die Eintragung im Handelsregister und es bestünde daher eine Zahlungspflicht:
215Tabelle entfernt
216Aufgrund ihres Irrtums war den Entscheidungsträgern der vorgenannten Gewerbetreibenden jeweils auch nicht bewusst, dass sie mit der Zahlung — ausweislich des Wortlauts des Offertenschreibens — ein Angebot annahmen. Da sie die Offerte jeweils nur oberflächlich gelesen hatten, hatten sie von dem Inhalt des im Rahmen des Kleingedruckten Dargestellten im Zahlungszeitpunkt keine Kenntnis genommen. Darüber hinaus hatten sie an der angegebenen Leistung, nämlich der Eintragung in ein privates Firmenverzeichnis im Internet, kein Interesse. Für die. genannten Gewerbetreibenden war die angebotene Gegenleistung wirtschaftlich wertlos.
217Infolge der Überweisungen erfolgten auf den Konten der P. GmbH Gutschriften, die der Angeklagte O., wie bereits dargelegt, zeitnah in bar abhob. Darauf kam es den Angeklagten O., I. und L. an. Aus den Gutschriften ergaben sich ihre Gewinnanteile. Über andere Einnahmequellen verfügten die Angeklagten O., I. und L. zu dieser Zeit nicht.
218Dem Angeklagten O. wurde die Angelegenheit aufgrund der Höhe der durch ihn abgehobenen Bargeldbeträge im April 2019 zu „heiß". Er hatte zu Beginn seiner Tätigkeit nicht damit gerechnet, so viel Geld abzuholen und damit — nach Abzug der Kosten — anteilig so viel Geld verdienen zu können. Dies teilte er seinem Freund, dem Angeklagten L., mit. Sie sprachen gemeinsam darüber. Der Angeklagte L. teilte die Bedenken des Angeklagten O.. Sie kamen überein, aus der Sache „auszusteigen". Ihre Entscheidung teilten sie dem Angeklagten I. mit. Der Angeklagte I. informierte seinerseits die Hintermänner.
219Daraufhin wurde im April 2019 der Angeklagte S. über einen Bekannten aus dem Box-Club, dem Zeugen UY. UI., angesprochen und gefragt, ob er einen Rumänen kenne, der bereit sei, Geschäftsführer einer GmbH zu werden. Dafür solle er eine Bezahlung in Höhe von 3.000,00 € erhalten. Der Angeklagte S. hatte einige Zeit zuvor den Zeugen und ehemaligen Mitbeschuldigten DJ. kennengelernt. Dieser war zu diesem Zeitpunkt obdachlos und Alkoholiker. Der Angeklagte S. bot ihm an, in seiner Wohnung unterkommen zu können, wenn er keinen Alkohol mehr konsumiere. Der Zeuge DJ. erklärte sich hiermit einverstanden und zog bei dem Angeklagten S. ein. Dem Angeklagten S. kam die Idee, den Zeugen DJ. auf die Anfrage des Zeugen UI. anzusprechen._ DJ. erklärte sich gegenüber dem Angeklagten S. bereit, als Geschäftsführer aufzutreten. Die beiden vereinbarten, die 3.000,00 € hälftig zu teilen. Der Angeklagte S. meldete dies seinem Bekannten, dem Zeugen UI., zurück. Die Hintermänner kümmerten sich um den Notartermin und im Vorfeld um die erforderlichen Unterlagen.
220Der Angeklagte O. reiste am 11.04.2019 von E. nach FA. und wurde am Bahnhof von den Angeklagten I. und S. zusammen mit dem Zeugen DJ. abgeholt. Sie fuhren gemeinsam mit dem Auto nach ZO. zu dem Notar Dr. MH.. Weil der Zeuge DJ. zuvor Alkohol konsumiert hatte, schlief er auf der Fahrt ein und war bei der Ankunft in ZO. nicht in der Lage, den Notartermin wahrzunehmen.
221Dem Angeklagten O. wir es jedoch wichtig den Notartermin wahrzunehmen und die Gesellschaft auf eine andere Person zu übertragen, um aus der Gesellschaft ausscheiden zu können. Auch dem Angeklagten S. war bewusst, dass sie die 3.000,00 € nur erhalten werden, wenn der Termin vor dem Notar stattfindet. So kam bei ihm die Idee auf, dass er sich, als DJ. ausgegeben könne und für ihn den Termin bei dem Notar wahrnehmen könne.
222Der Angeklagte S. nahm daraufhin die Identitätspapiere des DJ. an sich und begab sich zusammen mit dem Angeklagten O. zu dem Notar. Dabei war es dem Angeklagten S. bewusst, dass er den Notar über seine Identität täuschen werde und die von ihm unterzeichneten Urkunden eine besondere Bedeutung im Rechtsverkehr innehaben. Ihm kam es indes darauf an, für sich und den Zeugen DJ. den anvisierten Geldbetrag zu erhalten. DJ. war damit einverstanden.
223Bei dem Notar stellte sich der Angeklagte S. als DJ. vor und legte dessen Ausweis vor. Der Notar vergewisserte sich anhand des vorgelegten Ausweises der M1 Identität des Angeklagten S. als DJ.. Der Angeklagte S. als DJ. und der Angeklagte O. unterschrieben den notariellen Kaufvertrag vom 11.04.2019 des Notars Dr. OO. MH., Urkundenrollennummer 00000/0000. Geregelt wurde in diesem Vertrag, dass der Angeklagte O. dem DJ. seinen Geschäftsanteil an der GmbH für 3.000,00 € verkauft und ihm seine Geschäftsanteile in Höhe von 25.000,00 € an der Gesellschaft abtritt.
224Zudem hielt der Angeklagte S. als DJ. vor dem Notar eine Gesellschafterversammlung ab und beschloss durch Gesellschafterbeschluss vom selben Tage, dass der Angeklagte O. als Geschäftsführer abberufen werde und DJ. als neuer Geschäftsführer für die P. GmbH bestellt werde. Unter der Urkundenrollen Nr. 00000/0000 leistete der Angeklagte S. als DJ. eine weitere Unterschrift. Darin meldete er die Abberufung des Angeklagten O. und die Neubestellung des DJ. als Geschäftsführer zur Eintragung in das Handelsregister an. Die in dieser Urkunde von ihm vollzogene Unterschrift beglaubigte der Notar MH. auf ihre Echtheit. In dem Beglaubigungsvermerk ist niedergelegt, dass sich DJ. durch Vorlage eines Lichtbildausweises ausgewiesen habe.
225Nach dem Notartermin übergab der Angeklagte I. dem Angeklagten S. für seine Tätigkeit die verabredete Summe von 3.000,00 €, die er wie von vornherein geplant, mit dem Zeugen. DJ. teilte.
226Das Geschehen bei dem Notar. Dr. MH. in ZO. stellte — bezogen auf den Angeklagten S. — die Tat 4 des Urteils dar.
227Letztmalig hob der Angeklagte O. noch am Tag des Notartermins und am 12.04.2019 Bargeldbeträge von den eingerichteten Konten ab und gab sie entsprechend der getroffenen Abrede an den Angeklagten L. weiter. Der Angeklagte L. teilte das Geld entsprechend der Microsoft Teams-Tabelle auf und leitete es - mit Ausnahme seines Anteils und des Anteils des Angeklagten O. — weiter. Damit endete auch die Tätigkeit des Angeklagten L. für die P. GmbH.
228Insgesamt wurde in dem Zeitraum, beginnend am 09.11.2018 bis zum 16.04.2019, in 1897 Einzelfällen verschiedene Rechnungsbeträge (je nach Rechnungsbetrag und Anzahl der erhaltenen Rechnungen) mit einer Gesamtsumme von 1.499.136,90 € auf die Konten der P. GmbH eingezahlt.
229Bei der XG. (IBAN DE N09) gingen Zahlungen in Höh von 24.481,94 € ein. Bei der Kreisparkasse BA. (IBANDE N11) ging eine Gesamtsumme von 62.389,46 € auf dem Konto ein. Auf dem Konto der IE. Bank GS. DM. eG (IBAN DE N10) gingen Zahlungen in Höhe von 33.958,82 €, bei der RG. (IBAN DE N13) ein Betrag von insgesamt 1.354.614,48 €, bei der Sparkasse BA. (IBAN DEN12 eine Summe von 17.374,28 € und bei der IK. Bank eG (IBAN DE N17) eine Summe von 6.317,92 € ein: Stornierungen der Überweisenden erfolgten bei der XG. in Höhe 789,74 €, bei der RG. in Höhe von insgesamt 106.884,30 € und bei der Sparkasse BA. in Höhe von 12.635,84 €.
230Bis zum 12.04.2019, dem Tag des Ausscheidens des Angeklagten O., gingen auf den genannten Konten. der P. GmbH Überweisungen in Höhe von 1.478.752,41 € ein. Über einen Betrag in Höhe von 1.274.059,37 € verfügte der Angeklagte O. durch Bargeldabhebungen. Nach dem 12.04.2019 gingen bis zum 26.04.2019 auf den Konten der P. GmbH weitere 20.384,49 € infolge von Überweisungen ein.
231Bei Begehung der Tat war der Angeklagte I. uneingeschränkt in der Lage, das Unrecht seiner Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.
232Am 26.04.2010 wurde der Zeuge DJ. anstelle des Angeklagten O. als Geschäftsführer der P. GmbH im Handelsregister eingetragen. Aus der Gesellschafterliste war der Zeuge DJ. als neuer Alleingesellschafter ersichtlich.
2332. Geschehen ab dem 07.05.2019 (Tat 3 des Urteils)
234Nach dem Ausscheiden der Angeklagten O. und L. trafen der Angeklagte I. und die Hintermännern eine neue Vereinbarung.
235Wie zuvor, wurde in Kenntnis der Umstände und Hintergründe des Geschäftsmodells Folgendes vereinbart: Die Hintermänner kümmerten sich um die Anpassung der Schreiben auf den neuen Geschäftsführer der P. GmbH, den Druck und den Versand der Angebotsschreiben. Der Angeklagte I. sollte sich gemeinsam mit dem Angeklagten S. um die Bargeldabhebungen bei den Banken kümmern. Der Angeklagte I. sollte weiterhin einen Gewinnanteil von 25 % erhalten.
236Der Versand der auf den neuen Geschäftsführer angepassten, aber im Übrigen identischen Schreiben mit den durch die P. GmbH zuvor versandten Schreiben erfolgte umgehend noch im April 2019.
237Der Angeklagte O. hatte zu Beginn seiner Tätigkeit für die P. GmbH auch Geschäftskonten bei der Sparkasse AW. und der TJ.-Bank FA. eingerichtet. Diese wurden bis zu diesem Zeitpunkt nicht als Kontoverbindung in den Offertenschreiben genutzt mit der Folge, dass auf diesen Konten seit Kontoeröffnung keine Umsätze stattgefunden haben. So kam die Idee auf, diese Konten auf den neuen Geschäftsführer umtragen zu lassen. Durch diesen sollte wiederum einer anderen weiteren Person eine Verfügungsberechtigung über die Konten eingeräumt werden, mit deren Hilfe die Bargeldbeträge von den Konten abgehoben werden sollten. Für diese Tätigkeit wurde der Angeklagte S. in den Blick genommen.
238Eine unbestimmte Zeit nach dem Notartermin kam der Zeuge UI. wieder auf den Angeklagten S. zu und bat ihn erneut um Hilfe. Er erklärte ihm, dass er jemanden benötige, der dem Angeklagten I. helfe, Gelder von Banken abzuholen. Es handele sich dabei um sein Geld, das aus EC. komme. Er selber könne wegen negativer Schufa-Eintragungen das Geld nicht persönlich abholen. Dafür erhalte er, der Angeklagte S., eine Entlohnung. Für jeden Tag an dem er zusammen mit dem Angeklagten I. Geld abhole, solle er 500,00 € erhalten.
239Der Angeklagte S. vertraute dem Zeugen UI. leichtgläubig. Auf seine Nachfrage, ob ihm etwas dabei passieren könne, versicherte ihm der Zeuge UI., dass alles gut gehen und er sich dadurch nichts zu Schulden kommen lassen werde. Der Angeklagte S. ging daraufhin auf das ihm unterbreitete Angebot ein und begab sich infolgedessen am 07.05.2019 gemeinsam mit dem Zeugen DJ. und dem Angeklagten I. zu den vorgenannten Banken in AW. und FA..
240Gemeinsam betraten sie die Räumlichkeiten der Sparkasse AW. in YQ.. Am Schalter legten sie die notariellen Urkunden, in denen der DJ. zum Gesellschafter für die P. GmbH und Geschäftsführer bestellt worden war, vor. Dabei war dem Angeklagten S. bewusst, dass es dabei um die Schriftstücke handelte, die er selbst bei dem Notar, bei dem er sich als DJ. ausgegeben hat, unterzeichnet hatte. Der Angeklagte I. war der Wortführer in diesem Gespräch. Er forderte die Umtragung des Geschäftsführers der P. GmbH sowie die Einräumung einer Verfügungsberechtigung zu Gunsten des Angeklagten S.. Dazu musste der Angeklagte S. seine Identitätspapiere vorlegen und eine Unterschriftenprobe abgeben. Der Zeuge DJ. konnte dem Gespräch mangels Deutschkenntnisse nicht folgen und stand etwas abseits von den anderen beiden. Nachdem die technische Umstellung des Kontos erfolgte, hob der Zeuge DJ. in Anwesenheit des Angeklagten S. und I. einen Betrag von 6.000,00 € ab und übergab diesen unmittelbar an den Angeklagten I..
241Im Anschluss suchte der Angeklagte I. zusammen mit dem Angeklagten S. und dem Zeugen DJ. auch die TJ.-Bank Filiale in der HJ.-straße in der FA.er Innenstadt auf. Auch dort legten sie in Kenntnis und dem Bewusstsein, dass es sich dabei um die von dem Angeklagten S. mit dem Namen des DJ. bei dem Notar Dr. MH. unterschriebenen Urkunden handelte, vor und baten um Umschreibung des dort bereits existierenden Kontos der P. GmbH auf den neuen Geschäftsführer der P. GmbH, dem Zeugen DJ.. Gleichlautend wie zuvor auch bei der Sparkasse AW., räumte der Zeuge, DJ. dem Angeklagten S. eine Verfügungsberechtigung über das Konto ein. Im Anschluss hoben sie am Schalter einen Bargeldbetrag in Höhe von 3.900,00 € ab. Das Geld nahm der Angeklagte I. unmittelbar an sich. Für seine Tätigkeit an diesem Tag übergab der Angeklagte I. dem Angeklagten S., wie zuvor vereinbart, einen Bargeldbetrag in Höhe von 500,00 €, worauf es dem Angeklagten S. ankam.
242Das Geschehen bei den Banken in AW. und FA. am 07.05.2019 stellte — bezogen auf den Angeklagten S. — die Tat 5 des Urteils dar.
243Nach dem 07.05.2019 begab sich der Angeklagte S. in mehreren Fällen zusammen mit dem Angeklagten I. zu Filialen der Sparkasse AW. und zu verschiedenen Filialen der TJ.-Bank in FA. und hoben dort verschiedene Bargeldbeträge von den beiden Geschäftskonten, zum Teil am Schalter und zum Teil am Geldautomaten, ab. Die zwei trafen sich vor den Geldabhebungen und der Angeklagte I. übergab dem Angeklagte S. die EC-Karte für das Konto bei der TJ.-Bank, die er nach dem Abhebevorgang wieder an sich nahm. Den Betrag von 500,00 €, den der Angeklagte S. für seine Hilfe übergeben bekam, nahm der Angeklagte I. stets aus dem zuvor abgehobenen Geld und verpackte das Übrige sofort in Umschläge. Insgesamt erhielt der Angeklagte S. für seine Tätigkeit eine Summe von 6.500,00 €.
244Nach den jeweiligen Abhebevorgängen leitete der Angeklagte I. entsprechend der gemeinsamen Gewinnverteilung nach Abzug der Kosten, die übrigen Beträge an die Hintermänner weiter.
245Die Fälle der Anklage der Staatsanwaltschaft Köln mit dem Aktenzeichen 116 Js 1303/19, der Überweisenden, das Datum und die Höhe des Geldeingangs sowie das bei den Überweisungen angegebene Aktenzeichen lassen sich der nachfolgenden Tabelle entnehmen. Sämtliche der in der Tabelle aufgeführten „Einzahler" hatten zuvor auch ein Offertenschreiben der P. GmbH erhalten und in diesem Zusammenhang die entsprechende Überweisung veranlasst. Die Entscheidungsträger gingen aufgrund der äußeren Gestaltung des Angebotsschreibens und des zeitlichen Zusammenhangs zu der Neueintragung oder Änderung im Handelsregister davon aus, dass es sich um eine Rechnung handele und eine Zahlungspflicht bestehe.
246Tabelle entfernt
247Aufgrund ihres Irrtums war den Entscheidungsträgern der vorgenannten Gewerbetreibenden jeweils auch nicht bewusst, dass sie mit der Zahlung — ausweislich des Wortlauts der Offertenschreiben ein Angebot annahmen. Da sie die Offerte jeweils nur oberflächlich gelesen hatten, hatten sie von dem Inhalt des im Rahmen des Kleingedruckten Dargestellten im Zahlungszeitpunkt keine Kenntnis genommen. Darüber hinaus hatten sie an der angebotenen Gegenleistung, nämlich die Eintragung in ein privates Firmenverzeichnis im Internet, auch kein Interesse. Für die genannten Firmen war die angebotene Gegenleistung wirtschaftlich wertlos.
248Nach einer Vielzahl von Zahlungseingängen auf dem Konto der P. GmbH bei der Sparkasse AW. kündigte die Sparkasse AW. die Geschäftsbeziehung zunächst mit Schreiben vom 13.05.2019 ordentlich. Nach weiteren Kundenbeschwerden kündigte die Sparkasse AW. mit Schreiben vom 21.05.2019 gegenüber der P. GmbH die Geschäftsverbindung fristlos aus wichtigem Grund. Dies hatte zur Folge dass letztmalig am 24.05.2019 eine Auszahlung von diesem Konto erfolgte.
249Bei der TJ.-Bank gingen auch vermehrt Beschwerden bzw. Reklamationen im Zusammenhang mit Überweisungen auf das Geschäftskonto der P. GmbH ein. Aufgrund dessen kündigte die TJ.-Bank unter dem 21.05.2019 die Geschäftsbeziehung mit der P. GmbH, jedoch schlug die Zustellung der Kündigung auf dem Postweg fehl. Als der Angeklagte I. zusammen mit dem Angeklagten S. am 07.06.2019 die Filiale der TJ.-Bank auf der HJ.-straße betrat, um Geld abzuheben, wurde ihnen durch den Filialleiter, den Zeugen CW., die Kündigung wegen eines Verdachts der Geldwäsche übergeben. Der Angeklagte S. quittierte das übergebene Kündigungsschreiben.
250Am 14.06.2019 begaben sich die Angeklagten I. und S. erneut zur Geldabhebung zur TJ.-Bank. Dort wurde ihnen die Auszahlung des auf dem Konto bestehenden Guthabens verweigert. Es kam zu einem Gespräch zwischen den Angeklagten I. und S. sowie dem Zeugen FB.. Letzterer erklärte, dass das Konto gesperrt sei, weil der Verdacht des Betrugs bestehe. Daraufhin erläuterte ihm der Angeklagte I. im Beisein des Angeklagten S. das Geschäftsmodell der P. GmbH, um ihn zu veranlassen, das Geld auszuzahlen. Der Zeuge FB. wiederholte jedoch den Betrugsvorwurf und verweigerte die Auszahlung. Das Streitgespräch wurde in Anwesenheit des hinzugekommenen Filialleiters, des Zeugen CW., fortgeführt. Dabei wurde der Angeklagte I. immer energischer und lauter. Dies veranlasste den Zeugen CW., dem Angeklagten I. gegenüber ein Hausverbot auszusprechen. Unmittelbar nach dem erzwungenen Verlassen der Filiale wählte der Angeklagte I. aufgebracht den Notruf der Polizei. In diesem Gespräch forderte er einen Streifenwagen mit der Begründung an, dass ihm zu Unrecht eine Auszahlung von ;seinem Konto" verwehrt werde. Ihm wurde nahegelegt, sich zu beruhigen und sich mit seinem Anliegen an eine Polizeidienststelle zu wenden, um dort eine Anzeige zu erstatten.
251In Kenntnis der Vorwürfe, die der Zeuge FB. gegenüber dem Angeklagten I. im Juni in der TJ.-Bank Filiale erhoben hatte, begab sich der Angeklagte S. zusammen mit dem Angeklagten I. am 23.07.2019 zu der Filiale der TJ.-Bank in FA. WN., um erneut gemeinsam Geld von dem Konto abzuholen. Das Konto ist zwischenzeitlich durch Beschluss des Amtsgerichts Köln, Az. 504 Gs 1506/19 vom 23.07.2019 gepfändet worden. Aufgrund dessen wurde eine Auszahlung verweigert. Die Mitarbeiter der TJ.-Bank riefen die Polizei, die die Identität der Angeklagten I. und S. feststellte.
252Das Geschehen bei der TJ.-Bank am 23.07.2019 stellte — bezogen auf den Angeklagten S. — die Tat 6 des Urteils dar.
253Auf die zwei in der Zeitspanne vom 29.04.2019 bis 23.07.2019 genutzten Konten der P. GmbH erfolgten 518 Einzelüberweisungen mit einer Gesamtsumme von 410.053,86 €. Auf dem Konto der Sparkasse. AW. (IBAN DE N14) gingen Überweisungen in Höhe von 98.876,45 und auf dem Konto der TJ.-Bank (IBAN DEN15) in Höhe von 311.177,41 € ein. Durch Überweisungsrückrufe und Stornierungen wurden bei derTJ.-Bank 6.300,04 € an die Überweisenden zurückgebucht.
254Der Angeklagte I. hob gemeinsam mit dem Angeklagten S. von diesen beiden Konten zwischen dem 26.04.2019 und dem 23.07.2019 eine Summe von 330.434,66 ab. Davon erhielt der Angeklagte I. zumindest einen Beuteanteil in Höhe von 62.125,00 €, worauf es ihm auch ankam.
255Bei Begehung der Tat war der Angeklagte I. uneingeschränkt in der Lage, das Unrecht seiner Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.
2563. Verfahrensgang
257Auf die entsprechenden Anträge der Staatsanwaltschaft Köln sind folgende Beschlagnahmen von Konten der P. GmbH angeordnet worden:.
258Über die dargestellten Beschlagnahmebeschlüsse des Amtsgerichts Köln vom 21.12.2018 hinsichtlich des bei der XG. AG geführten Kontos und vom 02.01.2019 hinsichtlich des bei der Kreissparkasse FA. geführten Kontos ist mit Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 14.05.2019 (Az. 503 Gs 798/19) die Beschlagnahme des bei der WI. Bank PFK AG — RG. — geführten Geschäftskontos IBAN DE N13 einschließlich Guthaben und zukünftiger Gutschriften und durch Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 23.07.2019 (Az. 504 Gs 1506/19) die Beschlagnahme des bei der TJ.-Bank geführten Kontos einschließlich Guthaben und zukünftiger Gutschriften betreffend das Konto mit der IRAN DE N15 angeordnet worden. Insgesamt konnte durch diese Beschlüsse eine Summe von 179.930,24 € gesichert werden.
259Aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Köln vom 26.08.2019 (Az. 503 Gs 1447/19) ist der Angeklagte O. am 15.09.2019 festgenommen und in Untersuchungshaft verbracht worden.
260Mit Beschluss vom 31.10.2019 (Az. 504 Gs 2370/19) hat das Amtsgericht Köln die Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten I. angeordnet. Die Durchsuchung ist am 21.11.2019 erfolgt.
261Die Staatsanwaltschaft Köln hat unter dem Aktenzeichen 116 Js 618/19 (112 KLs 9/19) am 28.11.2019 Anklage gegen die Angeklagten O. und DJ. erhoben.
262Am 19.12.2019 hat vor der Kammer ein Haftprüfungstermin bezüglich des Angeklagten O. stattgefunden. Darin hat er die ihm zur Last gelegten Taten umfassend eingeräumt und über seinen Tatbeitrag hinausgehende Angaben gemacht. Insbesondere hat er Angaben gemacht, wonach er für das Tatgeschehen nicht alleine verantwortlich sei, sondern mit weiteren Mittätern zusammengearbeitet habe. Er sei für die Gründung der Gesellschaft verantwortlich gewesen und seine Aufgabe sei es gewesen, die auf den Konten eingegangenen Gelder abzuheben und weiterzureichen. Mit der Erstellung und der Versendung der Offertenschreiben habe er jedoch nichts zu tun gehabt, darum hätten sich ihm nicht bekannte Hintermänner gekümmert. Von dem Gewinn habe er nur einen kleinen Anteil, in etwa 6-8 % der Beute, erhalten. Dies habe er für Reisen um die Welt mit seiner Freundin und Freunden ausgegeben. Er gab an über einen engen Freund, den Angeklagten L., an den Angeklagten I. geraten und damit in diese Sache hineingerutscht zu sein. Auch sein Jugendfreund sei an den Taten beteiligt gewesen. Er nannte den vollständigen Namen des Angeklagten L. und erklärte, dass dieser in X. wohnhaft sei., Ferner gab er an, den zum damaligen Zeitpunkt Mitangeklagten DJ. nur einmal, nämlich am 11.04.2019 gesehen zu haben. Bei dem Notartermin wäre DJ. nicht anwesend gewesen, denn er hätte betrunken im Auto geschlafen. Durch die Kammer ist der Angeklagte O. am 19.12.2019 vom weiteren Vollzug der Untersuchungshaft verschont worden.
263Im Nachgang zu diesem Haftprüfungstermin ist der Angeklagte L. durch die Staatsanwaltschaft Köln als Beschuldigter ermittelt worden. Bereits im Ermittlungsverfahren hat er die Taten vollumfänglich eingeräumt und präzise Angaben zu den Beteiligten, ihren Aufgaben und der Verteilung der Beute innerhalb der Gruppierung gemacht.
264Anfang Januar 2020 hat die Kammer auch einen Haftprüfungstermin betreffend den Zeugen DJ., der sich wegen eines Haftbefehls des Amtsgerichts Köln seit den 12.09.2019 in Untersuchungshaft befunden hatte, durchgeführt. Der DJ. hat umfangreiche Angaben gemacht, die sich mit der Einlassung des Angeklagten O. deckten. Das Verfahren gegen den Zeugen DJ. hat die Kammer gemäß § 153 StPO Abs. 1 und 2 StPO mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten eingestellt.
265Aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Köln vom 31.10.2019 (Az. 504 Gs 2369/19) hat sich der Angeklagte I. seit dem 21.11.2019, die Festnahme erfolgte im zeitlichen Zusammenhang zur Durchsuchung, in Untersuchungshaft befunden. Er ist durch die Kammer im Rahmen, der Hauptverhandlung am 17.08.2020 unter Auflagen vom weiteren Vollzug der Untersuchungshaft, insbesondere der Stellung einer Kautionszahlung in Höhe von 50.000,00 €, verschont worden. Die Kaution hat der Bruder F. des Angeklagten I. geleistet. Seinen Rückzahlungsanspruch hat dieser zwecks Schadenswiedergutmachung des Angeklagten I. an den Leitenden Oberstaatsanwalt in Köln abgetreten.
266Der Angeklagte S. ist aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Köln vom 26.09.2019 (Az. 504 Gs 1960/19) am 02.01.2020 vorläufig festgenommen worden. Er hat sich bis zu seiner Verschonung durch die Kammer, am 13.07.2020 in Untersuchungshaft befunden.
267Mit Anklageschrift vom 10.02.2020 hat die Staatsanwaltschaft Köln (116 Js 1303/20 = 112 KLs 2/20) Anklage gegen die Angeklagten I., L. und S. erhoben.
268Die Kammer hat die beiden Verfahren 112 KLs 9/19 und 112 KLs 2/20 mit Beschlüssen vom 27.03.2020 eröffnet und mit Beschluss vom gleichen Tage zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
269Am 15.06.2020 hat die Kammer mit der Hauptverhandlung in dieser Sache begonnen. Nachdem vier Hauptverhandlungstage durchgeführt worden waren, ist die Schöffin schwer und langfristig erkrankt. Die Hauptverhandlung musste ausgesetzt werden. Die Hauptverhandlung ist am 10.08.2020 neu begonnen worden.
270Im Rahmen der Hauptverhandlung hat die Kammer mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Strafverfolgung der Angeklagten O., I. und L. gemäß § 154 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO dahingehend beschränkt, dass die Tatvorwürfe betreffend die Fälle 1447 und 1802 der Anklage vom 28.11.2019 (StA Köln 116 Js 618/19) und der Anklage vom 10.02.2020 (StA Köln 116 Js 1303/19) nicht mehr verfolgt werden. Ebenso hat die Kammer mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Strafverfolgung des Angeklagten I. nach § 154 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO dahingehend beschränkt, dass eine etwaige Strafbarkeit wegen Urkundsdelikten in Zusammenhang mit den notariellen Urkunden des Notars MH. vom 11.04.2019 einerseits und der Umschreibung der Bankkonten der P. GmbH am 07.05.2019 andererseits nicht mehr verfolgt werden.
271Der Angeklagte S. hat in der Hauptverhandlung versucht zur Identifizierung der unbekannten Hintermänner beizutragen. So hat er ein u.a. ein Instagram-Video, dass auf dem Account des Angeklagten I. zu sehen war der Ermittlungsbehörde zur Kenntnis gebracht. Dabei hat es sich um ein Video, das anlässlich des Geburtstags des Angeklagten I. aufgenommenen worden ist, gehandelt.
272Der Angeklagte O. stellte einen Betrag von 14.500,00 € und der Angeklagte L. einen Betrag in Höhe von 43.500,00 € zur Schadenswiedergutmachung zur Verfügung.
2734. Außergerichtliche Zahlungen des Angeklagten O.
274Im März 2020 beglich der Angeklagte O. eine von der Rechtsanwaltskanzlei OB., EJ., MR., TF., OT. und KW. im Namen der OJ. Holding Besitzgesellschaft mbH an ihn gerichtete Kostenforderung (Fall 1894) in Höhe von 1.012,76 €. Dieser lag eine Hauptforderung in Höhe von 789,24 zugrunde.
275Gegenüber der Obergerichtsvollzieherin MI. VS. beglich der Angeklagte O. am 26.08.2020 eine Forderung in Höhe von 1.503,15 €. dieser Vollstreckung lag die titulierte Forderung des Dr. EI. (Fall 254 oder 255) zugrunde.
276Zudem beglich der Angeklagte O., nach Zustellung einer Klageschrift, die von der SR. Versicherungsvermittlungsgesellschaft mbH gegen die P. GmbH geltend gemachte Forderung (Fall 774) in Höhe von 783,79 €.
277D. Beweiswürdigung
278Einlassungen der Angeklagten
2791. Einlassung des Angeklagten O.
280Der Angeklagte O. hat die ihm vorgeworfenen Tat (Tat 2 des Urteils) gestanden. Im Einzelnen hat er sich wie folgt zur Sache eingelassen:
281Er habe im Spätsommer 2018 über den Angeklagten L. die Möglichkeit gehabt, Geschäftsführer einer Gesellschaft zu werden. Der Kontakt sei über den Angeklagten I., der ein Freund des Angeklagten L. sei, vermittelt worden. Die Firma, deren Geschäftsführer er werden sollte, verschicke Briefe und die Kunden würden für eine Dienstleistung zahlen. Der Angeklagte L. habe ihm gesagt, dass die Hintermänner, die ihm bis zum Schluss gänzlich unbekannt geblieben seien, gesagt hätten, dass es sich dabei um eine juristische Grauzone handele, es aber legal sei. Damit habe man versucht sich zu beruhigen, obwohl er erkannt habe, dass es sich ebenso um einen kriminelle Handlung handeln könne. Dies habe er billigend in Kauf genommen.
282Seine Aufgabe sei es gewesen, eine Gesellschaft zu gründen, deren Geschäftsführer zu werden und Konten für die Gesellschaft zu eröffnen. Wenn er sich an die Anweisungen der übrigen halte, werde alles gut gehen, er dürfe allerdings für den Fall, dass es dazu komme, keine Aussage bei der Polizei machen.
283Er habe bei einem Notar die P. GmbH gegründet und Geschäftskonten eröffnet. Im Anschluss habe er bei den Banken die Gelder abgeholt. Dazu habe er eine BahnCard 50 bekommen und sei zu verschiedenen Banken in E., FA., BU., LL. und X. gefahren. Alle zwei Wochen habe er von dem Angeklagten L. ein neues Wegwerfhandy übergeben bekommen. Zwei Mal die Woche habe er sich mit dem Angeklagten L. in X. getroffen und diesem die durch ihn abgehobenen Gelder sowie abgeholte XL. übergeben.
284Als der Angeklagte L. in Urlaub gefahren sei, habe er dem Angeklagten I. in dem vorgegebenen Rhythmus das Geld in der Wohnung des Angeklagten L. übergeben. Da habe er den Angeklagten I. das erste Mal persönlich getroffen.
285Die Urheber der Briefe seien ihm nicht bekannt. Er vermute nicht, dass der Angeklagte I. dahintersteckte, vielmehr habe dieser ihm einmal erzählt, dass es Personengäbe, die sich um die Erstellung der Schreiben und den Versand kümmern würden.
286Ende März bzw. Anfang April 2019 habe er aussteigen wollen. Es sei nach einem neuen Geschäftsführer für die P. GmbH gesucht worden. Der Angeklagte I. habe dem Angeklagten S. für das Besorgen des Herrn DJ. als neuem Geschäftsführer 3.000,00 € gegeben. An dem Verkauf der Geschäftsanteile habe er mitwirken müssen, so dass er am 11.04.2019 gemeinsam mit dem Angeklagten I., dem Angeklagten S. und dem Zeugen DJ. zum Notar nach ZO. gefahren sei. Weil der Zeuge DJ. volltrunken im Auto gelegen habe, habe sich der Angeklagte S. mit dem Ausweis des DJ. vor dem Notar als DJ. ausgegeben und die erforderlichen Unterschriften geleistet. Damit habe seine Tätigkeit als Geschäftsführer ihr Ende gefunden.
287Nach Abzug der Kosten habe er ein Viertel des Geldes erhalten. In der Summe habe er über den gesamten Zeitraum in etwa 250.000,00 € erhalten. Das Geld habe er für Reisen mit seiner Freundin und Freunden sowie Luxusartikel ausgegeben.
288Insbesondere in der Untersuchungshaft sei ihm bewusst geworden auf welche falschen Geschäfte er sich eingelassen habe. Er habe erkannt, was wichtig im Leben sei. Daher strebe er nun eine rechtschaffende Ausbildung an.
2892. Einlassung des Angeklagten I.
290Der Angeklagte I. hat die ihm vorgeworfenen Taten (Taten 1 bis 3 des Urteils) zunächst gestanden. Im Einzelnen hat er sich zunächst wie folgt zur Sache geäußert:
291Er sei Ende des Jahres 2017 angesprochen worden, ob er als Geschäftsführer mit einer GmbH im Bereich Registereintragsservice etwas verdienen wolle. Man würde Offerten an gerade gegründete und im Handelsregister eingetragene Gesellschaften versenden, mit dem Angebot diese in ein privates Gewerberegister einzutragen. Im Gegenzug müssten die Gewerbetreibenden einen gewissen Betrag entrichten. Dabei solle es sich rechtlich um eine Grauzone handeln.
292Seine Aufgabe sei es gewesen nach außen als Geschäftsführer aufzutreten, Büroräume anzumieten, Konten einzurichten, Gelder abzuheben und die XL. weiterzureichen. Dafür solle er einen Anteil von 25 % erhalten. 50 % seien für die Auftraggeber, die quasi die Geschäftsidee sowie das technische Equipment zur Umsetzung zur Verfügung stellten, und 25 % würde man zur Rücklagenbildung verwenden. Vom den abgehobenen Geld seien jedoch zunächst die Kosten, von rund 9.000,00 € wöchentlich abzuziehen.
293Ferner sollte er sich um die Eintragungen in eine Datenbank kümmern. Da er weder die erforderlichen Kenntnisse noch die Möglichkeit dazu gehabt habe, habe er sich an den Angeklagten L. gewandt, der sich bereiterklärte, dies für einen Euro pro Eintrag zu erledigen. Über den Hintergrund der Eintragungen habe er den Angeklagten L. im Dunklen gelassen. So sei es mit der M. GmbH dann, auch gelaufen.
294Beim Notar sei bereits alles vorbereitet gewesen, er habe nur die erforderlichen Unterschriften leisten müssen. Dann habe er sich teure Autos (VW Touran, Audi Q3, Audi Q5 und Audi Q7) gemietet und damit die Banken zunächst zwecks Kontoeröffnung abgefahren. Man habe um die Erfolgschancen des Geschäftsmodells zu erhöhen eine Vielzahl von Konten gebraucht, weil damit zu rechnen war, dass einige Konten wegen Beschwerden oder Kündigungen durch die Banken nicht ausreichend lange benutzt werden könnten. Die Autos habe er vor seiner Familie versteckt und immer ein paar Straßen entfernt von der elterlichen Wohnung abgestellt.
295Ferner erklärte er, dass er ein Encrophone übergeben bekommen habe, darauf habe er immer Nachrichten bekommen, sobald Gelder auf den Konten eingegangen seien.
296Er sei dann unmittelbar, teilweise auch mehrfach an einem Tag zu den Banken gefahren und habe das Geld abgeholt. Die Bankmitarbeiter hätten ihm gegenüber erklärt, im nächsten Leben auch in dieser Art und Weise tätig werden zu wollen.
297Die Hintermänner hätten ihm gesagt welches Konto grad „dran" sei. Jeden Tag habe er dann die entsprechende Bank aufgesucht und das darauf befindliche Geld komplett abgehoben. Am Ende einer jeden Woche habe er eine Abrechnung gemacht und das Bargeld übergeben. Die Hintermänner wären sehr zufrieden mit ihm gewesen. Sie hätten ihm schließlich gesagt, er sei das beste Pferd im Stall bzw. der beste Soldat.
298Aus diesem Komplex habe er neben dem Betrag, den er für die Gründung erhalten habe, ihm aber nicht mehr erinnerlich sei, ca. 6.000,00 € erhalten.
299Die Rücklagen seien für die Steuern gebildet worden. Die M. GmbH habe einen Steuerberater gehabt, der die Jahresabschlüsse angefertigt habe. Die Buchungen seien per XL. an den Steuerberater geschickt worden.
300Mit einem Beschluss, welchen Inhalt der gehabt habe, wisse er nicht mehr, sei er bei Rechtsanwalt Dr. JK. gewesen. Er habe plötzlich kein Geld mehr abheben können. Zunächst habe er gedacht, Herr Dr. JK. könne das regeln.
301Die Hintermänner hätten ihm irgendwann gesagt, dass es zu Ende sei. Daraufhin habe man die Gesellschaft verkauft.
302Im Oktober 2018 sei der Angeklagte L. auf ihn zu gekommen und habe gesagt, dass ein Freund von ihm auch so eine Gesellschaft wie die M. GmbH haben wolle. Er, der Angeklagte I., habe selber nicht mehr in Erscheinung treten wollen, weil er eine Anklage befürchtete. Nach einigem Überlegen habe er Kontakt zu den Hinterleuten aufgenommen. Nach anfänglichen Unstimmigkeiten bezüglich der Gewinnverteilung, sei man übereingekommen, dass die Parteien jeweils 25 % erhalten sollen. So sei dann die P. GmbH gegründet und identisch zur M. GmbH. tätig geworden. Er habe für das eingehende Geld haften sollen, wenn das Geld verloren ginge. Seine Aufgabe sei es gewesen der Verbindungsmann zu sein. Daher habe er das Geld von dem Angeklagten L. übergeben bekommen und an die Hintermänner weitergereicht.
303Nachdem der Angeklagte O. im April 2019 habe aussteigen wollen, habe man einen Firmenbestatter gesucht, um Repressalien seitens der Hintermänner zu vermeiden. Der Angeklagte S. habe dann den DJ. besorgt. Weil der jedoch vollkommen betrunken gewesen sei, habe sich schließlich der Angeklagte S. vor dem Notar als DJ. ausgegeben. Ab diesem Zeitpunkt sei der Angeklagte S. mit dabei gewesen. Im Wesentlichen sei alles so gelaufen wie zuvor.
304Die Hintermänner hätten sich weiter um den Druck und den Versand der Schreiben gekümmert. Er habe sich um die Umschreibung der Konten auf den neuen Geschäftsführer DJ. gekümmert, so dass es möglich gewesen sei, diese in die neu zu versendenden Offerten einzufügen. Zudem habe man jemanden gebraucht, der die Gelder abholt. Dafür sei der Angeklagte S. gefunden worden, mit dem er die Barabhebungen von den Konten zusammen durchgeführt habe. Er habe die EC-Karte zu dem Konto der TJ.-Bank gehabt und diese nur für die Abhebung an den Angeklagten S. übergeben. Das Bargeld von den Geldabhebungen am Automaten als auch vom Bankschalter habe er im Anschluss sofort an sich genommen und in einen Umschlag gepackt. Der Angeklagte S. sei nicht prozentual beteiligt worden. Vielmehr habe dieser einen Betrag von 500,00 € pro Abhebetag bekommen: Diesen Betrag habe er dem Angeklagten S. noch in den Banken überreicht.
305Durch das Ausscheiden des Angeklagten O. habe sich die Verteilung innerhalb der Gruppierung wie folgt geändert: die Hintermänner hätten 50 % und er und der Angeklagte L. 25 % erhalten. Der Angeklagte L. habe die Eintragungen anhand des Teams-Ordners vorgenommen. Den Anteil des Angeklagten L. habe er ihm bei zufälligen Treffen übergeben. Auf Nachfragen konnte der Angeklagte I. keine weiteren, konkretisierenden Angaben machen.
306Weil es Probleme mit den noch verbliebenen Konten bei der Sparkasse AW. und der TJ.-Bank gegeben und man kein Geld mehr ausgezahlt bekommen habe, habe alles sein Ende gefunden.
307Aus seiner Sicht sollten die Kunden durch das Anschreiben der M. GmbH und im weiteren Verlauf der P. GmbH dazu gebracht werden, einfach Geld zu überweisen, ohne das Schreiben richtig zu lesen. Es sei darum gegangen, dass die Kunden denken sollten, dass das Schreiben und die Rechnung mit der Eintragung in das Handelsregister zu tun habe. Die Eintragung in das private Firmenregister solle lediglich als Deckung dienen. Wenn eine Nachfrage gekommen wäre, hätte man eine gewisse Art von Tätigkeit vorweisen können. Ob und inwiefern die Eintragung in das Firmenregister einen tatsächlichen Wert hatte, wisse er nicht. Er selbst habe das so gesehen, dass die Kunden zur Überweisung des Geldes durch eine Art „Leseschwäche" gebracht werden sollen. Das sei der Trick an der Sache gewesen.
308Bezogen auf die P. GmbH habe er im ersten Teil etwa 250.000,00 € bekommen, diesen Betrag jedoch für teure Autos, Prostituierte und Partys ausgegeben.
309Auf Nachfrage der Kammer führte der Angeklagte I. zunächst aus, dass ihm eine Vorlage des Schreibens gegeben worden sei. Damit sei er beim Anwalt gewesen. Der habe darüber geschaut und ihm gesagt, dass damit alles in Ordnung sei. Da habe er sich auch keine Gedanken gemacht. Vielmehr habe der Anwalt noch Späße mit ihm gemacht und gefragt, wo der Ferrari stehe. Bei diesem Anwalt habe es sich nicht um seine Verteidiger gehandelt.
310Das Einlassungsverhalten des Angeklagten I. änderte sich, nachdem der Sachverständige Dr. ZX. im Rahmen seiner Gutachtenerstattung die Frage der Beeinflussbarkeit des Angeklagten I. thematisiert hatte. Der Gutachter führte zunächst aus, dass für ihn unklar sei, ob der Angeklagte I. von den Hintermännern beeinflusst worden sei. Der Sachverständige habe den Eindruck gewonnen, dass der Angeklagte I. seinen eigenen Kopf habe und sich auch durchsetzen könne mit der Folge, dass er nicht als willenloses Werkzeug einzustufen sei. Das könne, er indes nur als Eindruck und nicht als Feststellung wiedergeben.
311Nach Gutachtenerstattung durch den Sachverständigen Dr. ZX. ließ sich der Angeklagte I. am darauffolgenden Hauptverhandlungstag ergänzend wie folgt zur Sache ein:
312Als man ihn kontaktiert und gefragt habe, ob er eine GmbH gründen wolle, habe er Bedenken gehabt, ob das rechtlich so in Ordnung sei. Sein Ansprechpartner habe ihm jedoch versichert, dass es eine Grauzone, aber legal sei. Weil die Eintragungen tatsächlich vorgenommen werden würden, würden die Kunden etwas erhalten, weil man sie leichter im Internet auffinden könne. Insoweit würden sie profitieren. Richtig sei, dass das Schreiben einen offiziellen Eindruck mache, jeder der lesen könne und sich etwas Zeit nehmen würde, würde aber erkennen, dass es um eine Eintragung in eine private Datenbank gehe. Ihm sei gesagt worden, dass es auch eine Gerichtsentscheidung gebe, die davon spreche, dass es ausdrücklich legal sein. Auch habe man ihm ein Stapel Papier mit einem Bundesadler gegeben. Das habe ihm genügt, um davon auszugehen; dass es legal sei. Als die Ermittlungen in Köln zu der P. GmbH losgegangen seien, sei er beim Anwalt gewesen. Dieser habe ihm auch gesagt, dass andere Angeklagte, bei einem ähnlich gelagerten Sachverhalt, freigesprochen worden seien.
313Auf weitere Nachfrage der Kammer führte der Angeklagte I. aus, dass er den von ihm bereits in seiner ersten Einlassung angegebenen ersten Termin beim Anwalt wahrgenommen habe, nachdem in Köln bereits alles vorbei gewesen sei. Da sei er mit dem Angeklagten O. beim Anwalt gewesen. Vorher, das heißt vor seiner Tätigkeit für die M. GmbH, habe er sich keinen weiteren rechtlichen Rat eingeholt.
314ZU weiteren Einzelheiten der angeblichen Entscheidung des Bundesgerichtshofes bzw. den Umständen befragt, wie es dazu kam, dass man ihm diese übergeben habe und was die Hintermänner dazu ausgeführt hätten, konnte der Angeklagte I. sowohl zeitlich als auch inhaltlich keine weiteren Angaben machen. Auf den Vorhalt, warum man Wegwerfhandys benötige und bei der Polizei im Falle einer Vernehmung oder Festnahme keine Angaben machen dürfe, wenn das Vorgehen doch vollkommen legal sei, entgegnete der Angeklagte I., dass er das Urteil nicht angezweifelt habe. Warum solle er das denn anzweifeln, wenn fünf oberste Richter, die in Karlsruhe sitzen und rote Hütchen auf dem Kopf hätten, das so entschieden haben. Wenn er gewusst hätte, dass er dadurch in Untersuchungshaft kommen würde, hätte er nicht mitgemacht.
3153. Einlassung des Angeklagten L.:
316Der Angeklagte L. hat die ihm vorgeworfenen Tat (Tat 2 des Urteils) gestanden. Im Einzelnen hat er sich wie folgt zur Sache eingelassen:
317Den Angeklagten O. kenne er bereits von Kindesbeinen an den Angeklagten I. habe er ca. im Jahr 2013 über einen gemeinsamen Freund kennengelernt. Der Lebenswandel des Angeklagten I. habe sich Ende 2017/Anfang 2018 geändert. Plötzlich habe er teure Markenkleidung getragen und einen aufwändigen Lebensstil geführt. Auf Nachfrage habe er gesagt, dass er eine Firma für Marketing gegründet habe und ein Call-Center betreiben würde. Nach einiger Zeit habe der Angeklagte I. ihm angeboten, dass er ihm Arbeit abnehmen könnte und Kunden in eine Datenbank einpflegen könnte, wofür er einen Euro pro erfolgtem Eintrag erhalten könne. Er habe zugesagt und die Arbeit erledigt. In etwa habe er 600 € von dem Angeklagten I. erhalten. Ihm sei nicht bekannt gewesen, womit sich die Firma beschäftige und was das Geschäftsmodell gewesen sei. Nach einigen Monaten habe der Angeklagte I. ihm gegenüber erklärt, dass die Firma keine Aufträge mehr hätte.
318Er habe im Herbst 2019 den Kontakt zwischen dem Angeklagten O. und I. vermittelt. Auf die Nachfrage, worum es bei dem Geschäftsmodell genau gehe, habe ihm der Angeklagte I. erklärt, dass man sogenannte Offerten an Firmen schicke, die erst kürzlich im Handelsregister eingetragen worden seien. Diesen würde man anbieten gegen eine Gebühr in eine Datenbank aufgenommen zu werden. Sicherlich gäbe es Personen, die das Schreiben nicht gewissenhaft lesen würden und davon ausgehen würden, dass es sich bei der Gebühr um die Kosten für die Eintragung in das Handelsregister handeln würde.
319Er habe sich um die Eintragungen in eine Datenbank kümmern, die Gelder von dem Angeklagten O. annehmen und an den Angeklagten I. weiterreichen sollen.
320Um den gesamten organisatorischen Ablauf, insbesondere um den Druck und den Versand der Schreiben, hätten sich die Hintermänner kümmern sollen. Nach Abzug aller Kosten hätte jede Partei 25 % des Gewinns erhalten sollen.
321Nach dem Gespräch habe er den Angeklagten O. informiert und man sei gemeinsam übereingekommen an dem Vorhaben mitzumachen. Ihnen sei bewusst gewesen, dass man den potentiellen Kunden kein werthaltiges Angebot unterbreite. Sie seien auch davon ausgegangen, dass niemand in die Datenbank schaue und diese für die Kunden sinnlos sei. Klar sei allen gewesen, dass die Personen irrtümlich für etwas zahlen würden, was sie nicht bekommen.
322Ihm sei suggeriert worden, dass es sich um eine rechtliche Grauzone handele. Eine Grauzone sei weder weiß noch schwarz und wenn sie nicht weiß sei, dann sei sie doch eher schwarz. Ihm sei daher bewusst gewesen, dass es sich nicht um eine saubere Sache handele. Auch habe das Schreiben des Amtsgerichts Köln vom 18.01.2019 daran nichts geändert. Vielmehr hätten die Angeklagten O., er selber und der Angeklagte I., vor dem Hintergrund der enormen Summen, die, durch den Angeklagten O. abgeholt worden seien, versucht sich damit ein wenig zu beruhigen, obwohl ihnen klar gewesen sei, Unrecht zu tun. Explizit sei ihm von dem Angeklagten I. gesagt worden, dass für den Fall, dass die Polizei auf sie aufmerksam werden würde, man keine Aussage dort machen dürfe.
323Der Angeklagte O. habe die Formalien erledigt und die eingehenden Gelder abgeholt. Bezüglich der Geldübergabe habe man sich zwei Mal die Woche in X. getroffen. Er habe die Eintragungen vorgenommen und das Geld sowie die XL. an den Angeklagten I. gegeben. Dazu habe man eine Excel-Tabelle geführt, auf die alle über das Programm Microsoft Teams hätten zugreifen können. Der Angeklagte O. habe pro Woche 1.000,00 € für Bahn- und Taxi-Fahrten erhalten und sich diesen Betrag regelmäßig schon von dem abgehobenen Geld selbstständig genommen, bevor er selbst das Geld übergeben bekommen habe. Gemeinsam mit dem Angeklagten O. habe er entsprechend der Tabelle diesem seinen Anteil abgezählt und übergeben und im Anschluss weitere Umschläge für sich, den Angeklagten I., die Hintermänner sowie einen für das Begleichen der Kosten gepackt und an den Angeklagten I. übergeben. Von den Hintermännern habe er nie jemanden kennengelernt.
324Gemeinsam mit dem Angeklagten O. sei er im April 2019 aus der Sache ausgestiegen und im Weiteren nicht mehr für die P. GmbH tätig geworden. Soweit der Angeklagte I. angegeben habe, dass er, der Angeklagte L. nach dem Ausscheiden des Angeklagten O. weiterhin beteiligt gewesen sei und einen Beuteanteil von 25 % erhalten habe, sei dies schlichtweg gelogen.
325Er gehe davon aus, über den gesamten Zeitraum einen Betrag von 250.000,00 € erhalten zu haben. Einen Teil des Geldes habe er verliehen und den übrigen Teil für einen teuren Lebensstil, in Form von Reisen und Kleidung, ausgegeben. Er bereue seine Taten und habe nicht gedacht, dass eine solche Summe erzielt werden könne.
3264. Einlassung des Angeklagten S.
327Der Angeklagte S. hat sich wie folgt zur Sache eingelassen:
328Er sei weder der Hintermann dieser Sache, noch habe er je ein Angebotsschreiben einer Gesellschaft gesehen, noch 25 % der Gelder erhalten. Vielmehr habe ihn im Frühjahr 2019 ein ehemaliger Boxschüler, der Zeuge UY. UI., angesprochen, dass ein Bekannter von ihm, Hilfe benötige und ob er jemanden kenne, der eine Firma auf seinen Namen anmelden könne. Der Person würde nichts passieren, man müsse nur seinen Namen hergeben. Dafür würde es eine Entlohnung in Höhe von 3.000,00 € geben.
329Zu dieser Zeit habe der Zeuge DJ., der alkoholkrank gewesen sei und über keinen Schlafplatz verfügt habe, bei ihm gewohnt. Sie hätten die Vereinbarung getroffen, dass DJ., solange er keinen Alkohol trinke, bei ihm — dem Angeklagten S. — unterkommen, könne. Er habe DJ.. auf die Frage UI.s angesprochen. DJ. habe sich bereiterklärt mitzumachen.
330Am 11.04.2019 seien sie zusammen mit den Angeklagten I. und O. in einem Kleinwagen nach ZO gefahren. DJ. sei es nicht gutgegangen, deswegen habe er sich auf eigene Initiative hin bereit erklärt, sich bei dem Notartermin als DJ. auszugeben, womit DJ. einverstanden gewesen sei. Aufgrund dessen habe er mit dem Ausweis DJ.s zusammen mit dem Angeklagten O. den Termin wahrgenommen, obwohl er gewusst habe, dass das nicht in Ordnung sei. Die ihm vorgelegten Unterlagen habe er mit dem Namen DJ. unterschrieben. DJ. sei als Geschäftsführer einer Firma eingetragen worden. Den Betrag in Höhe von 3.000,00 € habe er erhalten, ihn aber trotzdem mit dem DJ. hälftig geteilt.
331In der Folgezeit sei er erneut um Hilfe gebeten worden und habe zugestimmt. Zusammen mit dem Angeklagten I. und dem DJ. sei er zu zwei Banken in AW. und FA. gefahren und habe dort die Unterlagen des Notars, in Kenntnis der Art und Weise wie diese entstanden sind, vorgelegt und eine Bevollmächtigung für den Zugriff auf die Konten erhalten.
332Ferner sollte er den Angeklagten I. bei Geldabhebungen unterstützen, der das alleine nicht könne. Auf seine Nachfrage bei UI., woher das Geld denn stamme, habe er ihm gesagt, dass ihn das nichts angehe. Das Geld komme aus EC., mehr müsse er nicht wissen. Der Zeuge UI. habe ihm versprochen, dass ihm nichts passieren könne; es sei UI.s Geld, darauf habe er vertraut. Weil UI. über einen Schufa-Eintrag oder ähnliches verfüge, könne er die Gelder nicht selber abholen, sondern benötige die Hilfe von ihm und dem Angeklagten I.. Pro Tag, an dem er zusammen mit dem Angeklagten I. Geld abgehoben habe, habe er 500,00 € erhalten. Wenn sich der Angeklagte I. bei ihm gemeldet habe, sei er mit ihm zusammen zu Filialen der Sparkasse AW. und der TJ.-Bank gefahren und habe Geld am Automaten oder am Schalter abgehoben. Insgesamt habe er circa 6.500,00 € erhalten. Bis zu dem Tag an dem er mit dem Angeklagten I. bei der TJ.-Bank durch die Polizei kontrolliert worden sei und die Bank die Auszahlung der Gelder abgelehnt habe, habe er gedacht, dass es kein Problem gäbe.
333Er habe den Menschen vertraut. Heute wisse er, dass diese ihn ausgenutzt hätten. In der Untersuchungshaft habe er gemerkt, dass diese Personen ihm nicht mehr helfen.
334II. Zu den Feststellungen zur Person
3351. Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Angeklagten O., L. und S.
336Die Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Angeklagten O., L. und S. beruhen auf ihren eigenen glaubhaften Einlassungen in der Hauptverhandlung und den verlesenen Auskünften aus dem Bundeszentralregister.
3372. Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten I.
338Die Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten I. beruhen auf seiner eigenen glaubhaften Einlassung in der Hauptverhandlung, den Angaben im nachvollziehbaren und überzeugendem Gutachten des Sachverständigen Dr. ZX. und dem verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister.
339III. Zu den Feststellungen zur Sache
3401. Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen
341a) M. GmbH (Tat 1 des Urteils)
342Die getroffenen Feststellungen zu dem objektiven Geschehen und dem Tatbeitrag des Angeklagten I. beruhen auf seinem umfassenden und glaubhaften Geständnis , soweit ihm gefolgt werden konnte, und den weiteren ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls erhobenen Beweisen, insbesondere auf den in der Hauptverhandlung verlesenen und in Augenschein genommenen Urkunden sowie auf den Angaben der vernommenen Zeugen.
343Die Feststellungen zum Verlauf und Ende der Ausbildung des Angeklagten I. bei der HU. WR. GmbH, zu der Gründung der M. GmbH, der Begründung eines Geschäftssitzes, der Eröffnung einer Vielzahl von Bankkonten durch den Angeklagten I., dem visuellen Aufbau sowie dem Inhalt der von der M. GmbH versandten Schreiben, dem Versand der Schreiben über das Briefzentrum JQ. der WI. XL. AG, den infolge des Schreibens erfolgten Gutschriften auf den Geschäftskonten der M. GmbH; den darauf eingegangenen Summen, dem zeitnahen Abholen der Gelder von den genutzten Konten und der sich anschließenden Übergabe an die Hintermänner, dem von der M. GmbH erstellten Jahresabschluss sowie den abgeführten Steuern, der Eintragung der Überweisenden in eine Datenbank durch den Angeklagten L. ohne dass er Kenntnis von dem wahren Tätigkeitsfeld der M. GmbH hatte, den im Rahmen des Ermittlungsverfahrens erlassenen Beschlüssen und die infolge dessen gepfändeten Guthaben, der Abberufung des Angeklagten I. als Geschäftsführer der Gesellschaft und der Übertragung der Geschäftsanteile sowie zum weiteren Verfahrensgang des Ermittlungsverfahrens beruhen auf dem glaubhaften Geständnis des Angeklagten I., das Stütze in den Angaben des Angeklagten L. und den glaubhaften Aussagen der vernommenen Zeugen XD, EA., BW., VI. und Kriminalhauptkommissar PB. sowie den in Augenschein genommenen und verlesenen Urkunden findet.
344Die von dem Angeklagten I. gemachten Angaben zu der Planung der Geschäftsidee durch die Hintermänner, der vereinbarten und ausgeübten Gewinnverteilung, den im Rahmen der Erstellung und Versendung angefallenen Kosten und zu dem Umfang und der Art des Tätigwerdens von Mitarbeitern in dem „Büro der Hintermänner", sind für die Kammer überzeugend. Sie waren anschaulich und detailreich. So war beispielsweise die Tatsache, dass der Angeklagte I. über die geteilte Microsoft Teams Tabelle Einsicht in die Höhe der Kosten hatte und auf diese Weise seinen Gewinnanteil einsehen konnte, eine detailreiche Schilderung einer Einzelheit, die für eine glaubhafte Einlassung spricht. Ebenso detailreich war die Aufzählung der teuren Autos, die der Angeklagte I. sich gemietet hatte, wobei er darüber hinaus erklärte, wo er sich die Autos geliehen hatte. Auf Rückfragen konnte er ergänzend antworten. Zudem konnte die Kammer keine Feststellungen treffen, die geeignet wären, entsprechende Angaben zu widerlegen.
345Soweit die Kammer davon ausgeht, dass die Gewerbetreibenden irrtumsbedingt daran geglaubt haben, die Kosten für die Eintragung in Handelsregister zu begleichen, stützt die Kammer ihre Überzeugung auf die Inaugenscheinnahme und Verlesung des Anschreibens der M. GmbH an die Schreinerei FH. Geschäftsführungsgesellschaft mbH und den Aussagen der vernommenen Zeugen OM., CR., LD., KL., XR., MJ. und PK.. Die Zeugen haben glaubhaft angegeben, aufgrund der äußeren Gestaltung der Schreiben und der zeitlichen Nähe zu der erfolgten Anmeldung von neu gegründeten Gesellschaften oder Änderungen im Rahmen bereits existierenden Gesellschaften davon ausgegangen zu sein, dass es sich um eine Kostenrechnung des Handelsregisters handele. Dies sei auf die äußere Gestaltung des Schreibens, insb. die genaue Bezugnahme auf die eingefügten Daten betreffend den Handelsregistertext, die Handelsregisternummer und dem zuständigen Amtsgericht zurückzuführen. Die Zeugen haben eingeräumt das Schreiben mehr oder minder gewissenhaft, zum Teil sogar eingestanden es gar nicht vollständig, gelesen zu haben. Sie bekundeten, dass wenn man das Schreiben in Ruhe und mit Verstand gelesen hätte, man hätte erkennen können, worum es tatsächlich gehe und dass sie in diesem Fall, die Überweisung nicht getätigt hätten. Aufgrund des mit der Gründung einer Gesellschaft einhergehenden Stresses und der kurzen Zahlungsfrist seien sie unter Druck geraten und hätten überwiesen bzw. die Überweisung angewiesen. Keiner der genannten Zeugen habe erkannt, dass es um eine Eintragung in ein privates Firmenregister gehe. An einer derartigen Eintragung hätten sie auch kein Interesse gehabt. Diese Leistung sei für sie wertlos gewesen. Sie seien in Höhe des überwiesenen Geldes geschädigt.
346Diese Aussagen waren für die Kammer überzeugend. Die Kammer erachtet es als glaubhaft, dass die Geschädigten die Überweisungen bei Kenntnis der wahren Sachlage nicht getätigt hätten. Denn die Zeugen bekundeten übereinstimmend auf Nachfrage, dass die vermeintliche Datenbank, sofern sie dieselben Inhalte wie das Handelsregister enthalten würden, für sie keinen erkennbaren Mehrwert bieten würde.
347In Übereinstimmung dazu stehen auch die Aussagen der vernommenen Zeugen, die auf das Schreiben der M. GmbH hin keine Überweisung getätigt haben. So hat die Zeugin KL. glaubhaft und detailreich ausgeführt aufgrund der Zahlungsfrist von 3 Tagen stutzig geworden zu sein. Daraufhin habe sie sich rechtlichen Rat eines bekannten Rechtsanwaltes eingeholt, der ihr dargelegt hat, dass es sich nicht um eine amtliche Rechnung, sondern um ein Angebot handele, das sie sodann nicht angenommen habe. Der Zeuge XR. hat bekundet, dass er aufgrund seiner Vorerfahrung den Hintergrund des Schreibens erkannt habe. Weil er bereits Gesellschaften gegründet habe, habe er gewusst, dass das Schreiben von dem für ihn zuständigen Amtsgericht Montabaur kommen müsse und die Täuschung aufgrund dessen erkannt.
348Die Feststellungen zum Schaden betreffend die M. GmbH beruhen auf den verlesenen Urkunden. Diese decken sich mit der Einlassung des Angeklagten I., der ausgeführt hat, dass er täglich zu den Banken gefahren sei um die auf den Konten eingegangenen Gelder abzuholen.
349b) P. GmbH Teil 1 (Tat 2 des Urteils)
350Die Angeklagten O., L. und I. haben die von der Kammer festgestellten Taten objektiv vollumfänglich gestanden. Ihre Geständnisse sind in sich stimmig, decken sich überwiegend und sind widerspruchsfrei. So ließen sich alle drei Angeklagten zu den Einzelheiten einer Microsoft-Teams-Tabelle ein, über die sie Einsicht in die aktuelle Beuteverteilung gehabt hätten. Ebenso ließen sie sich zu der Dauer und dem Ablauf der wöchentlichen Treffen zwecks Geldübergabe ein. Die Geständnisse sind ferner für die Kammer überzeugend, weil sie sich unter Berücksichtigung der weiteren Beweismittel insbesondere den Angaben der vernommenen Zeugen und den verlesenen und in Augenschein genommenen Urkunden bestätigt haben.
351Bezüglich dieses Tatkomplexes haben die Zeugen DF.-WB., BG., GL., FD., US., MX., OJ., UB., SF., RD., KX., TX., XJ., VM., LH., EJ., KJ., UD., WS., QN.-SL., AF., CT. und PS. glaubhaft angegeben, dass sie aufgrund der äußeren Gestaltung der Schreiben und der zeitlichen Nähe zu der erfolgten Anmeldung von neu gegründeten Gesellschaften oder Änderungen im Rahmen bereits existierenden Gesellschaften davon ausgegangen seien, dass es sich um eine amtliche Kostenrechnung handele, die im Zusammenhang mit der Eintragung im Handelsregister stünde. Dies sei auf die äußere Gestaltung des Schreibens, insb. die genaue Bezugnahme auf die eingefügten Daten betreffend den Handelsregistertext, die Handelsregisternummer und dem zuständigen Amtsgericht zurückzuführen. Die Zeugen haben ausgesagt das Schreiben mehr oder minder gewissenhaft, zum Teil sogar eingestanden es gar nicht vollständig, gelesen zu haben. Aufgrund des mit der Gründung einer Gesellschaft einhergehenden Stresses und der kurzen Zahlungsfrist seien sie unter Druck geraten und hätten überwiesen bzw. die Überweisung angewiesen. Keiner der genannten Zeugen habe erkannt, dass es um eine Eintragung in ein privates Firmenregister gehe. An einer derartigen Eintragung hätten sie auch kein Interesse gehabt. Hätten sie gewusst, dass es sich um ein Angebot zur Eintragung in ein privates Firmenregister handelt, hätten sie die Überweisung nicht getätigt.
352Diese Ausführungen waren für die Kammer glaubhaft. Sie werden auch gestützt durch die Aussagen der Zeugen, die nicht überwiesen haben. So hat beispielsweise die Zeugin US. für die Kammer glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass sie eine Überweisung nicht vorgenommen habe, weil sie in der Vergangenheit nach einer Firmengründung bereits auf ein ähnliches Schreiben einer anderen Firma reingefallen und es ihr damals aufgefallen sei, als die „richtige" Rechnung für die Handelsregistereintragung kam. Seitdem sei sie bei dem Thema sensibilisiert.
353Die getroffenen Feststellungen zur Beendigung der Tätigkeit des Angeklagten O. für die P. GmbH und dem Wechsel des Geschäftsführers und den Umständen unter denen dies zustande gekommen ist, beruhen auf den übereinstimmenden Einlassungen der Angeklagten O., I. und S. sowie den ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls verlesenen und in Augenschein genommenen Urkunden.
354Die Feststellungen zum eingetretenen Schaden, zu den Stornierungen und Rückbuchungen sowie den Geldabhebungen durch den Angeklagten O. beruhen auf der Einlassung des Angeklagten O.. Die Einlassung deckt sich mit den übrigen ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls erhobenen Beweisen, insbesondere den verlesenen Urkunden.
355c) P. GmbH Teil 2 (Tat 3 des Urteils)
356Die Feststellungen zu dem weiteren objektiven Vorgehen des Angeklagten I. zusammen mit dem Angeklagten S. beruhen auf deren Einlassungen in der Hauptverhandlung, die sich decken und in Einklang mit den erhobenen Beweisen, insbesondere der glaubhaften Zeugenaussagen des Herrn DJ. und Frau KHK"in HH. und den ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls verlesenen und in Augenschein genommenen Urkunden, stehen.
357Die Feststellungen betreffend die Kontoumschreibungen, die Geldabhebungen sowie Stornierungen bzw. Rückbuchungen und die geführten Gespräche beruhen auf den glaubhaften Aussagen der vernommenen Zeugen CW., FB., HE., IA., BW., VI. und JH., die sich mit der Einlassung des Angeklagten I. decken sowie den verlesenen Urkunden.
358Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte I. im Rahmen seiner Tätigkeit für die P. GmbH nach April 2019 (Tat 3 des Urteils) zumindest einen Betrag in Höhe von 62.125,00 € erhalten hat.
359Der Angeklagte I. hat selbst keine Angaben zu der Höhe seines Beuteanteils in absoluten Zahlen in dieser Phase gemacht. Er hat angegeben, dass alles so weitergelaufen sei wie vorher und er 25 % des Gewinns erhalten habe. Zur Überzeugung der Kammer steht indes fest, dass der Angeklagte L. an Tat 3 des Urteils nicht mehr beteiligt war. Die Einlassung des Angeklagten I., wonach der Angeklagte L. weiterhin die Eintragungen in die Datenbank gemacht habe, steht im Widerspruch zu der Einlassung des Angeklagten L.. Dieser hat anschaulich und glaubhaft ausgeführt, dass er zusammen mit dem Angeklagten O. am Ende der Tat 2 des Urteils den Entschluss gefasst habe, auszusteigen. Der Angeklagte I. hat hingegen das Geschehen um die Beteiligten in Tat 3 des Urteils nur kurz dargelegt und konnte seine Angaben, auch auf weitere Nachfragen, weder konkretisieren noch plausibilisieren. Er konnte keine Angaben dazu machen, wann und welche Tatbeiträge der Angeklagte L. erbracht habe. Auch der Angeklagte S. hat angegeben, den Angeklagten L. weder zu, kennen noch im Zusammenhang mit der P. GmbH je etwas mit ihm zu tun gehabt zu haben. Andere objektive Beweismittel sind nicht gegeben.
360Auch wenn die Kammer Zweifel an der von dem Angeklagten I. dargelegten Beuteverteilung hegt, konnten keine konkreten Feststellungen dazu getroffen werden, ob er einen Beuteanteil über die von ihm selbst eingeräumten .25 % hinaus erhalten hat. Daher geht die Kammer zu Gunsten des Angeklagten I. von einem Beuteanteil von lediglich 25 % aus.
361Die konkrete Summe, die der Angeklagte I. während dieser Tat erlangt hat, hat die Kammer wie folgt berechnet::
362Auszugehen war von einer Summe von abgerundet 330.000,00 €, die in diesem Tatzeitraum von dem Angeklagten I. zusammen mit dem Angeklagten S. von den Konten bei der Sparkasse AW. und der TJ.-Bank in FA. abgehoben worden ist. Davon abzuziehen waren die Kosten für den Druck und den Versand der Schreiben von 9.000,00 € wöchentlich. Einzahlungen auf die beiden Konten erfolgten im Zeitraum vom 29.04.2019 bis zum 27.06.2019. Dabei handelt es sich um acht Kalenderwochen. Der Gewinn aus der Tat 3 belief sich somit auf 258.000,00 €. Davon zog die Kammer die weiter „Aufwendung" in Höhe von 3.000,00 €, die in Zusammenhang mit der Übertragung der Gesellschaft auf den Zeugen DJ. gestanden hat und an den Angeklagten S. nach dem Notartermin übergeben worden ist, ab. Hinzu kommt, dass der Angeklagte. S. für die einzelnen Abhebungstage eine Summe von 6.500,00 € erhielt. Es ergibt sich ein Gewinn in Höhe von 248.500;00 €. Davon erhielt der Angeklagte I. zumindest ein Viertel, demnach 62.125,00 €.
363d) Zum Verfahrensgang
364Die weiteren Feststellungen zum Verfahrensgang, den strafprozessualen Maßnahmen, zum Erlass der Haftbefehle und zu den vorläufigen Festnahmen der Angeklagten O., I. und S., zu deren Verschonungen und den geleisteten Schadenswiedergutmachungen durch den Angeklagten O. beruhen auf den Geständnissen der Angeklagten, den Angaben der vernommenen Zeugen PB. und HH. sowie auf den eingeführten Urkunden.
365Auch wenn die Kammer nicht alle Einzelfälle der angeklagten Betrugstaten durch Vernehmung von 30 Zeugen tatsächlich aufgeklärt hat, ist sie von vollendeten Betrugstaten ausgegangen. Ausnahmsweise kann in Fällen eines normativ geprägten Vorstellungsbildes des Verfügenden die Vernehmung weniger Zeugen genügen. Belegen deren Angaben das Vorliegen eines Irrtums in den sie betreffenden Fällen, kann auf die Erregung eines Irrtums auch bei anderen Verfügungen geschlossen werden (vgl. BGH, Beschluss v. 17.06.2014, 2 StR 658/13; BGH, Urteil vom 22.11.2016, 3 StR 162/13). Die von der Kammer vernommenen Zeugen, die aufgrund eines im Zusammenhang mit dem erhaltenen Schreiben täuschungsbedingten Irrtums tatsächlich Geld überwiesen haben, haben ausgesagt, dass sie, unabhängig ob überhaupt bzw. wie intensiv sie sich das Schreiben tatsächlich durchgelesen haben, aufgrund der äußerlichen Gestaltung davon ausgegangen seien, dass es sich um eine amtliche Kostenrechnung gehandelt habe und eine Zahlungspflicht bestehe. Keiner von ihnen habe die Zahlung vorgenommen, um in die Datenbanken der M. GmbH bzw. der P. GmbH aufgenommen zu werden.
3662. Feststellungen zum Vorsatz der Angeklagten O., L. und S.
367Die subjektiven Feststellungen hinsichtlich der Angeklagten O. und L. zum Tatgeschehen betreffend die P. GmbH beruhen auf deren Geständnissen. Beide haben für die Kammer überzeugend ausgeführt, dass sie Kenntnis von den Umständen hatten, sich jedoch aus Gewinnstreben am dem Vorgehen beteiligt haben.
368Auch wenn ihnen gegenüber erklärt worden sei, dass es sich rechtlich um eine Grauzone handeln solle, hätten sie die wahren Umstände erkannt und eine Täuschung der Personen billigend in Kauf genommen. So hat der Angeklagte L. anschaulich geschildert, dass eine Grauzone eben nicht weiß und nicht schwarz sei. Dies sei auch allen Beteiligten, das heißt dem Angeklagten O., dem Angeklagten I. und den Hintermännern bewusst gewesen. Er selber warf die Frage auf, warum man denn sonst über Wegwerfhandys kommuniziert habe und bei der Polizei keine Aussage machen dürfe. Nachvollziehbar hat er sich dahingehend eingelassen, dass er und der Angeklagte O., mit dem er während des Tatzeitraums stets in Kontakt gestanden habe, angesichts der enormen Summen, die der Angeklagte O. von den Banken abgeholt habe, versucht haben ihr Gewissen mit der „Grauzone" zu beruhigen. Ähnlich verlaufen sei es mit dem Schreiben des Amtsgerichts Köln von Mitte Januar 2019. Dort sei es jedoch nur um die äußere Gestaltung der Schreiben gegangen. Ein „Freibrief" was den Inhalt ihrer Schreiben betraf, habe das Amtsgericht Köln ihnen nicht erteilt. Die Schilderungen der Angeklagten O. und L. sind glaubhaft, weil sie sich hinsichtlich der Angaben zum Vorsatz decken und sich in die objektiven Feststellungen einfügen.
369Die Kammer folgt der Einlassung des Angeklagten S., die Bestätigung durch die, Aussagen der Angeklagten O., I. und L. sowie dem Zeugen DJ. sowie den eingeführten Urkunden gefunden hat. Soweit der Angeklagte S. sich eingelassen hat bis zum Schluss seines Tätigwerdens im Juli 2019 daran geglaubt zu haben, dass das von ihm gemeinsam mit dem Angeklagten I. abgehobene Geld solches des Zeugen UI. gewesen sei, aus EC. komme und dieser es wegen negativer Schufa-Eintragungen nicht selber abholen könne, wird dies wiederlegt durch die glaubhaften Angaben der Zeugen CW. und FB. sowie den verlesenen und eingeführten Urkunden. Denn der Zeuge FB. konnte sich in Bezug auf die dem Angeklagten S. übergebenen Kündigung der Geschäftsbeziehung zwischen der TJ.-Bank und der P. GmbH und einem weiteren Gespräch detailreich und für die Kammer anschaulich daran erinnern, wie der Angeklagte I. ihm, im Beisein des Angeklagten S. nach der Konfrontation mit dem Vorwurf, dass es sich um Betrügereien handele, versucht hat davon zu überzeugen, dass das nicht der Fall sei. Insbesondere konnte sich der Zeuge FB. detailreich daran erinnern, dass der Angeklagte S. die Füße auf seinen Schreibtisch gelegt habe während er dem Zwiegespräch zugehört habe. Die Kammer ist nach Gesamtwürdigung der Umstände, davon überzeugt, dass dieses Gespräch zwischen dem Zeugen FB. und den Angeklagten I. und S. am 14.06.2019, dem Tag an dem der Angeklagte I. im Anschluss an den Termin aufgebracht den Polizeinotruf wählte, stattgefunden hat.
3703. Feststellungen zum Vorsatz des Angeklagten I.
371Nachdem der Angeklagte I. in der Hauptverhandlung zunächst die ihm vorgeworfenen Taten auch in subjektiver Hinsicht eingeräumt hatte, hat er sich im Lauf der Hauptverhandlung über seine Verteidiger dahingehend eingelassen, dass er keine Kenntnis davon gehabt habe, dass man die Empfänger der Schreiben getäuscht habe, denn wer das Schreiben aufmerksam lese, würde erkennen, dass es um eine Eintragung in eine private Datenbank gehe. Auch würden die Kunden durch die Eintragung etwas erhalten, indem sie durch sie im Rahmen einer Internetrecherche durch eine höhere Platzierung besser aufzufinden seien. Diese Einlassung erachtet die Kammer für nicht überzeugend.
372Im Einzelnen ist hierzu folgendes auszuführen:
373Zunächst ist das Aussageverhalten des Angeklagten I. im Rahmen der Hauptverhandlung zu würdigen. Wie bereits dargestellt hat sich der Angeklagte I. zunächst dahingehend eingelassen, dass die Kunden denken sollten, dass das Schreiben und die Rechnung mit der Eintragung zu tun habe und dazu gebracht werden sollten, einfach Geld zu überweisen ohne das Schreiben richtig zu lesen. Wenn es zu Beschwerden gekommen wäre, hätte man durch die Eintragung in die Datenbank eine gewisse Art von Tätigkeit vorweisen können. Das Ausnutzen der Leseschwäche sei der Trick an der Sache gewesen.
374Mit dem weiteren Fortgang der Hauptverhandlung hat sich sein Aussageverhalten geändert. Nach der Erstattung der Sachverständigengutachten, wo das Thema einer „Suggestibilität" im Sinne einer leichteren Beeinflussbarkeit des Angeklagten I. durch die Hintermänner aufkam, ließ sich der Angeklagte I. ergänzend über seine Verteidiger dahingehend ein, dass er, davon ausgegangen sei, dass niemand getäuscht werde, weil man ja auch Eintragungen vornehme.
375Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte I. das Geschäftsmodell der M. GmbH und den „Trick" an der Sache, so wie er es selbst zu Beginn der Hauptverhandlung anschaulich und für die Kammer überzeugend dargestellt hat, durchschaut, erkannt und billigend in Kauf genommen hat. Ihm waren die Hintergründe bekannt. Dies stützt die Kammer insbesondere auf den Aspekt der Nutzung von Wegwerfhandys und verschlüsselter Encrophones. Die Nutzung von Wegwerfhandys, inklusive einem Wechsel derer alle zwei Wochen, lässt sich zur Überzeugung der Kammer nicht mit den Angaben des Angeklagten I. übereinbringen. Wenn die Angst besteht, dass man durch die Polizei abgehört wird und infolgedessen untereinander nur über die Wegwerfhandys kommuniziert und diese zudem in kurzen Zeitabständen wechselt, lässt sich dies mit der Einlassung des Angeklagten I., es werde niemand getäuscht und die Kunden würden einen Gewinn durch die Eintragung in der Datenbank erfahren, nicht in Einklang bringen. Auch war der Angeklagte I. selbst für die Beschaffung dieser Wegwerfhandys zuständig. Hinzu kommt, dass der Angeklagte I. dem Angeklagten L. unrichtige Angaben gegenüber machte, als er versuchte, ihn für die Vornahme der Eintragungen in Bezug auf die M. GmbH zu gewinnen. So gab der Angeklagte I. ihm vor, dass er eine Firma die im Bereich des Marketings tätig sei, gegründet habe und ein Call-Center betreiben würde. Diese falsche Angabe lässt nur den Schluss zu, dass der Angeklagte I. das eigentliche Geschäftsmodell vor dem Angeklagten L. geheim halten wollte. Für den Fall, dass der Angeklagte I. tatsächlich, wie im Verlauf der Hauptverhandlung angegeben, davon ausgegangen sei, dass durch das Schreiben ein betrügerisches Handeln nicht verwirklicht werde, hätte der Angeklagte I. seinem Freund, dem Angeklagten L., die Geschäftsidee offen legen können. Lügen wäre dann jedenfalls nicht erforderlich gewesen. Auch hat er seine Familie im Unklaren über seine Tätigkeit gelassen. Insbesondere die von ihm angemieteten hochpreisigen Fahrzeuge hat er einige Straßen entfernt von der elterlichen Wohnung abgestellt, um Nachfragen seiner Familienangehörigen zu vermeiden.
376Die Feststellung, dass der Angeklagte I. auch wusste, dass es sich um eine rechtswidrige Bereicherung handelte und ihm die Gelder nicht rechtmäßig zustehen, ergibt sich aus seiner ersten Einlassung und den äußeren Umständen. Insoweit stützt sich die Kammer auf seine Einlassung, dass die Leseschwäche der Adressaten der Offertenschreiben ausgenutzt werden sollte und dass das der Trick an der Sache gewesen sei. Auch war ihm klar, dass er einen etwaigen Anspruch nicht gerichtlich hätte durchsetzen können. Dies ergibt sich zum einen schon daraus, dass er angeführt hat, dass ihm dargelegt worden sei, dass es sich um eine rechtliche Grauzone handeln solle.
377Zum anderen ist der Angeklagte I. weder gegen die strafprozessuale Maßnahmen vorgegangen, noch hat er zivilrechtliche Maßnahmen gegen die Kontobeschlagnahmen und Pfändungen der Konten bei den beteiligen Banken eingeleitet. Stattdessen wurde, schlicht ein anderes Konto in den Offertenschreiben angegeben. Die durch den Angeklagten I. zuletzt angegebene subjektive Vorstellung, dass alles rechtmäßig gewesen sei, ist mit seinen tatsächlichen Handlungen nicht in Einklang zu bringen. Der Angeklagte I. hatte auch Kenntnis von den Beschlagnahmen der Konten, denn ihm war es nicht mehr möglich, die auf den Konten eingegangenen Gelder in bar abzuheben und für sich und die Hintermänner zu vereinnahmen. Erst als der Angeklagte I. Kenntnis von dem gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahren nahm, bestellte sich im April 2018 Rechtsanwalt JK., der jedoch gegen die einzelnen Pfändungen und Beschlagnahmen der Konten auch nicht vorging. Vielmehr nahm der Angeklagte I. seine Erfahrungen bei der Fortsetzung des Geschäftsmodells zum Anlass, im Rahmen der P. GmbH, nicht mehr als Geschäftsführer auftreten zu wollen, was er ausweislich seiner ersten Einlassung ausdrücklich eingestanden hat.
378Auch bezüglich des Handeln des Angeklagten I. in Bezug auf die P. GmbH ergibt sich aus dem Aussageverhalten des Angeklagten I. in der Hauptverhandlung, aus den Gesamtumständen und den Angaben der Angeklagten O. und L., die ihre Informationen unmittelbar von dem Angeklagten I. erhalten haben, dass der Angeklagte I. wusste und davon ausging, dass die Empfänger der Schreiben getäuscht werden und irrtumsbedingt eine Zahlung
379veranlassen sollten. Ihnen war bewusst, dass ein Anspruch auf das Geld nicht. gegeben ist und die Eintragung in die Datenbank für die Geschädigten keinen Wert hatte. Insoweit sei es nur darum gegangen im Notfall etwas vorweisen zu können. Zur Überzeugung der Kammer von einem vorsätzlichen Handeln des Angeklagten I. tragen auch die weiteren Umstände, dass auch hier keine Maßnahmen gegen strafprozessuale Maßnahmen wie Kontenbeschlagnahmen und Kontokündigungen durch die Bank ergriffen worden sind in Kombination mit der Nutzung und dem regelmäßigen Austausch von Einwegtelefonen, sowie insbesondere die bereits geschilderte Tatsache, dass der Angeklagte I. nach seinen Erfahrungen mit der M. GmbH nicht erneut als Geschäftsführer der neu zu gründenden Gesellschaft auftreten wollte, bei.
380Hinzu kommt, dass der Angeklagte I. dem Angeklagten L. gegenüber geäußert hat, dass er bei der Polizei keine Aussage machen dürfe, nur dann würde alles gut gehen.
381Insbesondere war dem Angeklagten I. im Rahmen der P. GmbH bekannt, dass ihm kein Anspruch auf die Auszahlung der Gelder zusteht. Zur Überzeugung der Kammer steht dies nicht in Widerspruch mit dem von dem Angeklagten I. getätigten Notruf bei der Polizei, als er am 14.06.2019 bei der TJ.-Bank kein Geld abholen konnte und ihm gegenüber ein Hausverbot ausgesprochen worden war. In diesem Gespräch mit der Leitstelle der Polizei fordert der Angeklagte I. ein Einsatzmittel zu der TJ.-Bank Filiale auf der HJ.-straße in FA., weil ihm die Auszahlung von Geld verweigert werde. Er ist während dieses Gespräch aufgebracht, laut und emotional erregt. Er schafft es kaum die Gesprächsteilnehmerin aussprechen zu lassen. Der Sachverständige Dr. ZX. führte diesbezüglich zwar aus, dass er es nachvollziehen könne, dass der Angeklagte I. im Moment des Notrufs davon ausgegangen sei, dass er einen Anspruch auf die Auszahlung des Geldbetrages habe. Die Kammer ist jedoch davon überzeugt, dass sich der Angeklagte I. in diesem Moment nur ungerecht behandelt sah. Aufgrund dessen reagierte er, wie auch zum Teil im Lauf der Hauptverhandlung ersichtlich, impulsiv und aus dem Bauch heraus, ohne über sein Handeln reflektierend nachzudenken. Dieser Anruf in einer emotionalen Erregtheit und einem Anflug von Hilflosigkeit begründet zur Überzeugung der Kammer jedoch keinen Zweifel an dem Vorsatz des Angeklagten I. betreffend die Rechtswidrigkeit der Zueignung. Denn auch nach diesem Anruf hat es weder eine Anzeigenerstattung, wie es ihm in dem Telefonat angeraten worden ist, gegeben noch hat der Angeklagte I. oder irgendeine der beteiligten und involvierten Personen juristische Schritte gegen das Handeln der Banken ergriffen.
382Zudem war der Angeklagte I. formal an der P. GmbH gar nicht beteiligt. Ihm persönlich konnte eine Zahlung daher zivilrechtlich überhaupt nicht zustehen. Das wusste der Angeklagte I. nach seinen Erfahrungen, die er mit der M. GmbH gesammelt hatte, auch. Auch war der Angeklagte I., eben weil er namentlich nicht in Erscheinung treten wollte, auch nicht bei der P. GmbH, die keine weitere, geschäftliche Tätigkeit entfaltet hat, angestellt.
3834. Feststellungen zur Unrechtseinsicht und Schuld des Angeklagten I.
384Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten I. bezüglich aller Täten weder eingeschränkt noch aufgehoben war. Eine verminderte Schuldfähigkeit, insbesondere ein Eingangsmerkmal des § 20 StGB, liegt nicht vor. Dies steht fest aufgrund der erstatteten Gutachten der Sachverständigen Dr. ZX. und Dr. QU..
385Der Sachverständige Dr. ZX. ist Facharzt für Psychiatrie, Neurologie und Forensische Psychiatrie. Er hat den Angeklagten mit seinem Einverständnis in der JVA FA. psychiatrisch exploriert und im Rahmen seiner Beurteilung die Angaben des Angeklagten I. zur Person in Bezug auf Biografie sowie insbesondere die
386Feststellungen aus bisherigen Urteilen und die Anklageschrift in dieser Sache in Bezug auf den Tatvorwurf zugrunde gelegt.
387Der Sachverständige Dr. ZX. führte in seinem Gutachten aus, dass in Bezug auf die Persönlichkeit des Angeklagten I. wichtig sei, sich vor Augen zu führen, dass er in einem jungen Alter in die Uniklinik eingeliefert worden und dort eine Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen diagnostiziert worden sei. Der Angeklagte I. sei früh Opfer gewalttätiger Übergriffe von Mitschülern geworden. Aus dieser Situation heraus sei es zu einem Vorfall gekommen, in dessen Folge der Angeklagte I. in die Uniklinik eingeliefert worden sei.
388Zudem sei zu beachten, dass der Angeklagte I. aufgrund seines Tumorleidens mit einer Chemotherapie und einer Radiotherapie behandelt worden sei, was dazu geführt habe, dass er fast über ein Jahr nicht regulär beschult worden sei. Bis zum Jahr 2011 habe es regelmäßige, unauffällige Nachuntersuchungen gegeben. Da keine Folgeerscheinungen erkennbar gewesen seien, komme er zu der sachverständigen Einschätzung, dass keine Hinweise auf eine organische Störung des zentralen Nervensystems bestünden.
389Eine Persönlichkeitsstörung, die das Eingangsmerkmal der schweren seelischen Abartigkeit erfüllen könne, liege nach der Einschätzung des Sachverständig/en ebenfalls nicht vor.
390Zwar sei dem Angeklagten I. frühzeitig durch die Universitätsklinik X. als auch im Rahmen einer späteren Exploration im Rahmen eines Strafverfahrens die Diagnose einer Störung der Emotionen und des Sozialverhaltens gestellt worden. Der Vorgutachter Dr. AG. sei in seinem Gutachten jedoch davon ausgegangen, dass der Angeklagte I. grundsätzlich in der Lage ist das Unrecht seiner Taten einzusehen und in der Regel danach zu handeln. Lediglich in Bezug auf einen zu begutachtenden Fall, eine Tat, die eine gewisse Aggressivität aufwies, habe er die Voraussetzungen des § 21 StGB angenommen, im Übrigen jedoch abgelehnt.
391Aus seiner Sicht seien bei dem Angeklagten I. zwar Auffälligkeiten der Persönlichkeit festzustellen, am ehesten im Sinne einer Akzentuierung bestimmter Persönlichkeitszüge, welche aber nicht die Kriterien einer Persönlichkeitsstörung erfüllen. Zwar haben sich in der Begutachtung Auffälligkeiten in, der Kognition, Affektivität, Impulskontrolle und der Art des Umgangs mit anderen ergeben. Jedoch sei der Angeklagte I. in der Lage in verschiedenen sozialen Kontexten sein Leben zu gestalten, Beziehungen zu führen und alltägliche Dinge zu bewältigen. Seine soziale Intelligenz, insbesondere seine Beziehung zu seinen Brüdern, sei als gut einzuschätzen. Auch die alltagspraktische Intelligenz sei als normal einzuschätzen, weil es ihm möglich sei, sein Leben nach seinen Vorstellungen und nach seinen Bedürfnissen selbstständig zu gestalten. Zudem sei das Niveau der psychosozialen Belastung im Zeitraum der angeklagten Taten nicht als hoch einzuschätzen. Weder Drogen noch Alkohol würden im Leben des Angeklagten I. eine Rolle spielen. Zudem sei seine Fähigkeit der Anpassung an Regeln und seine Kontaktfähigkeit zu Dritten als gut einzuschätzen. Neben seiner guten Beziehung zu seinen Brüdern, sei er auch in seinem Ausbildungsbetrieb sehr beliebt gewesen.
392Eine gewisse dissoziale Entwicklung habe dazu geführt, dass er im jugendlichen Alter als Intensivtäter geführt worden sei, jedoch habe sich diese Phase nach der Verurteilung. im Jahr 2013 deutlich beruhigt. Die Abweichungen, die er im Rahmen seiner Begutachtung festgestellt habe, seien nicht so ausgeprägt, dass der Angeklagte I. in vielen persönlichen und sozialen Situationen unflexibel, unangepasst oder auf eine andere Weise unzweckmäßig handele.
393Zudem liege keine krankheitswertige psychiatrische. Störung vor, die dem Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung zuzuordnen sei. Bezogen auf das Thema der intellektuellen Beeinträchtigung des Angeklagten I. sei kein Hinweis erkennbar, dass es sich um eine erworbene Störung handele. Tatzeitbezogen seien zudem keine Hinweise für das Vorliegen einer tiefgreifenden Bewusstseinstörung im Sinne eines Affektdeliktes im engeren Sinne gegeben.
394Auch das dritte Eingangsmerkmal des § 20 StGB des Schwachsinns liege nicht vor.
395Auf Anregung des Sachverständigen Dr. ZX. hat die Kammer ein neuropsychologisches Zusatzgutachten zu der Frage der Intelligenz und spezifischer intellektueller Funktions- und Leistungsbereiche des Angeklagten I. eingeholt. Dieses hat der Sachverständige Herr Priv.-Doz. Dr. QU. erstattet. Auch er hat den Angeklagten I. mit seinem Einverständnis in der JVA FA. exploriert.
396Der Sachverständige Dr. QU. hat erläutert, dass aufgrund der ihm aus der Akte ersichtlichen Vorbefunde deutlich geworden sei, dass der Angeklagte I. über eine unterdurchschnittliche Intelligenz verfügen könne, mit der Folge, dass er den für diesen Bereich standardisierten Wechsler Intelligenztest für Erwachsene angewendet habe, der die kognitiven Fähigkeiten von Personen zwischen dem 16. und 89. Lebensjahr untersuche. Diese Fähigkeiten werden danach in drei verschiedenen Intelligenz(IQ)-Werten beschrieben, dem Verbal-IQ, dem Handlungs-IQ und dem Gesamt-IQ. Der Gesamt-IQ beziehe sich auf das allgemeine intellektuelle Leistungsvermögen. Der Verbal-IQ erfasse das sprachliche und durch Bildungsprozesse geprägte Intelligenzpotential. Der Handlungs-IQ beziehe sich auf die allgemeine Auffassungsgabe sowie die Denk- und Problemlösefähigkeit im handlungspraktischen Kontext. Bei diesen intellektuellen Leistungswertberechnungen erfolge zusätzlich eine statische Berechnung von sog. Vertrauensintervallen; die sich auf eine mögliche „Zufälligkeit" des erhobenen Intelligenzleistungswerts bezögen und definierten unter statistischen Wahrscheinlichkeitsgesichtspunkten d6ri geschätzten Minimal- bzw. Maximalwert des erhobenen IQ-Werts.
397Ergänzend zu diesen globalen Intelligenzbereichen würden zusätzliche Kennwerte des intellektuellen Leistungsvermögens im Hinblick auf Sprachverständnis (spezifisches Maß für das Allgemeinwissen, verbales Schlussfolgern und Konzeptbildung, verbales Verständnis und Ausdrucksvermögen sowie sprachliches Urteilsvermögen), Wahrnehmungsorganisation (Maß für das nonverbale, flüssige, schlussfolgernde Denken, die Aufmerksamkeit für Details und die visuo-motorische Integration), Arbeitsgedächtnis (Beachtung für Informationen, das kurzzeitige Merken dieser Information und die Bearbeitung im Gedächtnis) oder kognitive Arbeitsgeschwindigkeit (Fähigkeit des IndividUums, visuelle Informationen möglichst schnell zu verarbeiten) berechnet.
398Im Rahmen der Testung habe sich der Angeklagte I. durchgehend kooperativ gezeigt. Es sei schnell deutlich geworden, dass der Angeklagte I. mit den geistigen Anforderungen bei anspruchsvollen Fragestellungen komplett überfordert gewesen sei. Er habe sich in seinen Denkprozessen während der Exploration sprunghaft und assoziativ gelockert verhalten. Vielfach habe der Sachverständige das Gespräch neu strukturieren müssen. Die Denk- und Problemlöseprozesse des Angeklagten I. hätten sich nur auf kurze Zeitspannen bezogen. Obwohl er selbst gemerkt habe, dass er mit den Prüfungsfragen überfordert gewesen sei, habe er sich selbst überschätzt und mehrfach selbst gelobt. Er habe keine Hinweise auf eine autobiographische oder episodische Gedächtnislücke erkennen können. Die Leistungs- und Erfolgsorientierung habe sich im Untersuchungsverlauf schwankend gezeigt, häufig habe der Angeklagte I. aufgegeben.
399Trotz dieser Auffälligkeiten habe der Gutachter keine unmittelbar gesprächsbezogene Merkfähigkeits- und/oder Konzentrationsstörung feststellen können. Im sprachlichen Ausdruck habe der Angeklagte I. im hohen Maße flüssig gewirkt, aber eher oberflächlich in seinen Gedankengängen. Auf der Gesprächsebene seien keine Einschränkungen im Sprachschatz festzustellen gewesen. Obwohl seine Denkprozesse als konkret- und anschauungsgebunden einzuordnen seien, läge keine Beeinträchtigung im Aufgabenverständnis vor. Er habe jedoch eine hohe kognitive Impulsivität in der Entscheidungsfindung und Problemlösefähigkeit erkannt, die sich dadurch gezeigt habe, dass der Angeklagte I. sich bei kognitiven Problemlöseaufgaben umstellungserschwert gezeigt habe und Einschränkungen im Perspektivwechsel erkennbar gewesen seien. Auf Persönlichkeitsebene bestünden keine Hinweise auf schwerwiegende Auffälligkeiten im Persönlichkeitsgefüge im Sinne einer Persönlichkeitsstörung.
400Er sei zu dem Ergebnis gekommen, dass der Angeklagte I. über einen Gesamt-intelligenzquotienten in Höhe von 66 (90 Vo-Vertrauensintervall: 62-73), einen Verbal-IQ von 74 (90 %-Vertrauensintervall: 70-80) und einen Handlungs-IQ von 61 (90 %Vertrauensintervall: 58-69) verfüge. Bei dem Index für Sprachverständnis habe er einen leistungsbezogenen Index-Wert von 75 (90 %-Vertrauensintervall: 71-81) erzielt, welches ein unterunterdurchschnittliches Testergebnis darstelle. In dem Funktionsbereich für die Wahrnehmungsorganisation habe er einen Index-Wert von 63 (90 %-Vertrauensintervall: 60-71) erzielt, welches ein unterdurchschnittliches Testergebnis widerspiegele. Bei der Testung des Arbeitsgedächtnisses habe der Angeklagte einen Index-Wert von 74 (90 %-Vertrauensintervall: 70-83), ein unterdurchschnittliches Testergebnis, erreicht. Einen Index-Wert von 68, ein unterdurchschnittliches Testergebnis, habe der Angeklagte I. im Rahmen der Arbeitsgeschwindigkeit erreicht. Aus diesen Werten ergebe sich ein Gesamtintelligenzleistungswert in Höhe von 66, der im oberen Grenzbereich einer leichten Intelligenzminderung liege. Zu beachten sei, dass die Intelligenzprüfungen strikt nach den standardierten Testdurchführungsbestimmungen durchgeführt worden seien, was bedeute, dass richtige Testergebnisse, die nach einem jeweils vorgegebenen Zeitlimit erfolgten, für die Leistungsberechnung unberücksichtigt geblieben seien. Da der Angeklagte I. während der gesamten Untersuchungszeit überhastet-fehlerhafte Verhaltenszüge, ein vorzeitiges Aufgeben in den Lösungsbemühungen sowie eine schwankende Leistungs- und Erfolgsorientierung gezeigt habe, gehe er davon aus, dass die berechneten Intelligenz-Leistungswerte sein tatsächlich vorhandenes Leistungspotential unterschätzend darstellen. Aufgrund dieser bedeutsamen leistungskonfundierenden Einflussfaktoren, die als Messfehler einzuordnen seien, wären die sog. Vertrauensintervallberechnungen zu berücksichtigen, die z.B. hinsichtlich des Gesamt-IQ einen maximalen IQ-Wert in Höhe von 73 ergeben. Dies würde bedeuten, dass der Angeklagte I. geringfügig über dem Schwellenwert einer leichten Intelligenzminderung gemäß ICD-10 liege. Dennoch sei insgesamt von einer unterdurchschnittlichen Intelligenz(struktur) auszugehen. Diese stelle keine Intelligenzminderung dar.
401Zunächst verwies der Sachverständige Dr. ZX. auf das zuvor dargestellte Zusatzgutachten seines Kollegen Dr. QU., welchem er sich anschloss, weil es sich mit seinen Befunden deckte und somit seiner Begutachtung zugrunde zu legen sei. Danach liege eine normale Intelligenz, jedoch im unterdurchschnittlichen Bereich vor. Die intellektuelle Leistungsfähigkeit des Angeklagten I. begründe jedenfalls keine erheblichen krankheitswertigen Einschränkungen sozialer Kompetenzen, Alltagsfähigkeiten oder weiterer psychischer Fähigkeiten. Es seien zwar Einschränkungen kognitiver Funktionen vorhanden, diese hätten ihn jedoch nicht daran gehindert, dass er einen Hauptschulabschluss und eine Berufsausbildung habe absolvieren können.
402Die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten I. sei im Tatzeitraum weder aufgehoben noch eingeschränkt gewesen. Für diese Frage sei zu beachten, dass das Handlungsmuster keine große Komplexität aufgewiesen habe. Der Angeklagte I. habe eine To-Do-Liste erhalten, die er abgearbeitet habe. Dies sei, nachdem was der Sachverständige Dr. QU. ausgeführt habe, für den Angeklagten I. mit seiner Intelligenzstruktur unproblematisch machbar und durchführbar gewesen. Zudem sei er in der Lage gewesen auf neue Situationen zu reagieren. Wichtig seien für ihn insoweit zwei Aspekte. Zum einen habe der Ausbildungsleiter, der Zeuge XD., ausgeführt, dass der Angeklagte I. durchaus in der Lage gewesen sei, die Aufgabe in angemessener Zeit zu erfüllen, wenn man ihm im Rahmen der Ausbildung etwas gezeigt und ihn angeleitet habe. Zum anderen hätten die Bankmitarbeiter, insbesondere der Zeuge FB. angegeben, dass der Angeklagte I. der Wortführer gewesen sei und in dem Gespräch juristische Wortspiele verwandt habe.
403Die Ausführungen des gerichtsbekannten und erfahrenen Sachverständigen Dr. ZX. sind überzeugend, nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Sie beruhen auf einer umfangreichen Exploration des Angeklagten I. und seiner Beobachtung im Laufe der mehrtägigen Verhandlung durch den Sachverständigen selbst. Er hat die vorausgegangenen Fremdbefunde umfassend ausgewertet und berücksichtigt. Er hat die Aussagen der vernommenen Zeugen, insbesondere die der Zeugen XD. und FB., umfassend in sein Gutachten einbezogen und der Kammer dargelegt, wie er zu seiner sachverständigen Einschätzung kommt. Zudem deckte es sich mit dem Eindruck, den die Kammer in der Hauptverhandlung von dem Angeklagten I. gewonnen hat. Denn er war jederzeit problemlos in der Lage der Hauptverhandlung zu folgen und brachte sich mehrfach spontan ein. Diese Spontanäußerungen des Angeklagten I. waren immer sachbezogen und zeugten von einem guten Erinnerungsvermögen. In Übereinstimmung mit dem Gutachten ist die Kammer davon überzeugt, dass der Angeklagte I. in der Lage ist sein Leben selbstständig zu gestalten und seine Interessen wahrzunehmen. Er erkennt für sich persönliche Grenzen und hält diese ein. Dies zeigte sich plastisch an der von dem Sachverständigen Dr. ZX. dargelegten „Ganovenehre". Denn der _Angeklagte I. hielt, wie auch schon in seiner Jugendzeit im Zusammenhang mit den Vorstrafen, daran fest seine übrigen Mittäter gegenüber den Strafverfolgungsbehörden nicht ans Messer zu liefern.
404Der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. QU. ist Facharzt für Psychologie und Neuropsychologie. Er ist besonders qualifiziert auf diesem Gebiet. Er hat langjährige praktische und umfangreiche wissenschaftliche Erfahrungen.
405Die Angaben des Sachverständigen Dr. QU. hat die Kammer für glaubhaft und belastbar erachtet und sie den entsprechenden Feststellungen zugrunde gelegt. Das Gutachten war für die Kammer anschaulich und überzeugend. Der Gutachter erläuterte plausibel die einzelnen Verfahrensschritte im Rahmen seiner Begutachtung, warum er welche Testmethode angewendet habe und gab Beispiele einzelner Testfragen. Zudem deckt sich das Gutachten mit dem Eindruck, den die Kammer von dem Angeklagten I. in der Hauptverhandlung gewonnen hat. Er zeigte sich im Laufe der Vielzahl von Verhandlungstagen impulsiv. Mehrfach gab er spontane, unüberlegte Zwischenäußerungen auf Zeugenaussagen,. in denen der Angeklagte I. das Bedürfnis hatte, Dinge unmittelbar klar zu stellen. Er war uneingeschränkt in der Lage der Hauptverhandlung zu folgen. Auch ist die Einschätzung des Sachverständigen, dass sich der Angeklagte I. während der Exploration überschätzte und sich lobend in den Vordergrund stellte, für die Kammer aufgrund des gewonnenen Eindrucks des Angeklagten I. überzeugend. Denn auch im Rahmen der Hauptverhandlung stellte sich der Angeklagte I. häufig in den Vordergrund. Ihm war es ein großes Anliegen darzustellen, wie zufrieden die unbekannten Hintermänner mit ihm gewesen seien und wie erfolgreich er gewesen sei, schließlich sei ihm gesagt worden, es sei das beste Pferd im Stall oder der beste Soldat.
406Der Angeklagte I. handelte indes in Bezug auf die M. GmbH ohne die erforderliche Unrechtseinsicht.
407Nach den überzeugenden Angaben des Sachverständigen Dr. ZX. verfügt der " Angeklagte I. grundsätzlich über die Fähigkeit soziale Normen zu verstehen und kann" Recht von Unrecht unterscheiden. Dieser gutachterlichen Einschätzung schließt sich die Kammer aufgrund des persönlichen Eindrucks des Angeklagten I. in der Hauptverhandlung an.
408Nach seiner Einlassung ging der Angeklagte I. jedoch während seines Tätigwerdens als Geschäftsführer der M. GmbH, davon aus, dass es sich um eine rechtliche Grauzone handele, sein Handeln jedoch legal sei. Da die Gewerbetreibenden in eine Datenbank eingetragen werden würden, würden sie auch etwas erhalten, denn sie wären im Internet leichter zu finden. Er habe den Hintermännern vertraut, die ihm eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes vorgelegt hätten. Wenn er gewusst hätte, dass er deswegen in Untersuchungshaft kommen könnte, hätte er die Finger davon gelassen, schließlich habe er sich seit 2013 straffrei verhalten. Die Gesellschaft der M. GmbH habe schließlich sogar Steuern gezahlt.
409Im Einklang mit der Einschätzungen der Sachverständigen, Dr. ZX. und Dr. QU., geht die Kammer davon aus, dass der Angeklagte I. auch in Tat 1 des Urteils grundsätzlich in der Lage war, Recht von Unrecht zu unterscheiden, selbstständig zu handeln und sich Dritten zu widersetzen. Mit Bezug auf die M. GmbH bestand allerdings die Besonderheit, dass der Angeklagte I. von den Hintermännern auf die dargelegte Art und Weise beeinflusst worden ist. Aufgrund dessen ist die Kammer zu Gunsten des Angeklagten I. davon ausgegangen, dass ihm bezogen auf den Teil der M. GmbH die Unrechtseinsicht fehlte. Denn unter Vorlage des vermeintlichen Urteils des Bundesgerichtshofs, das in einer Parallelsache den Angeklagten vom Vorwurf des Betruges freigesprochen habe, durfte der Angeklagte I., dem alle tatsächlichen Umstände der Tat bewusst waren, davon ausgehen; dass sein Handeln rechtmäßig sei. Dies ergibt sich auch vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte I. das Urteil sich tatsächlich nicht durchlas, sondern auf die Angaben der Hintermänner vertraute.
410Zur Überzeugung der Kammer steht indes fest, dass im weiteren Fortgang des Geschehens (Taten 2 und 3 des Urteils) der Angeklagte I. die erforderliche Unrechtseinsicht hatte. Die Feststellung, dass der Angeklagte I. bezüglich der P. GmbH über Unrechtseinsicht verfügte, ergibt sich aus den verlesenen Urkunden sowie der zeitlichen Abfolge der Ermittlungen, die mit der M. GmbH in Zusammenhang standen. Sie werden zudem gestützt durch die Angaben der Angeklagten O. und L.. Die Einlassung des Angeklagten I., dass er auch in diesem Tatkomplex davon ausgegangen sei, sein Handeln sei legal, erachtet die Kammer für nicht glaubhaft.
411Nachdem sich für den Angeklagten I. in dem Ermittlungsverfahren betreffend die M. GmbH Rechtsanwalt Dr. JK. als Verteidiger bestellt hatte, wurde diesem im August 2018, also bevor es zur Gründung der P. GmbH gekommen ist, Akteneinsicht gewährt. Damit hatte der Angeklagte I. Kenntnis von den gegen ihn, im Zusammenhang mit denen durch die M. GmbH versandten Offertenschreiben, geführten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf und sah sich, wie er selbst im Rahmen der Hauptverhandlung ausgeführt hat, einer Anklageerhebung ausgesetzt. Zudem wurde er durch Rechtsanwalt Dr. JK. anwaltlich beraten. Dazu hat der Rechtsanwalt Dr. JK. als Zeuge in der Hauptverhandlung glaubhaft und anschaulich bekundet, dem Angeklagten I. die Rechtslage in strafrechtlicher Hinsicht erläutert zu haben. Er habe dem Angeklagten keinen Freibrief in dem Sinne erteilt, dass er sich nicht strafbar gemacht habe. Gemeinsam sei jedoch die Verteidigungsstrategie abgestimmt worden, die Betrugsvorwürfe mit Blick auf die angebotene Gegenleistung zurückzuweisen.
412Nach seinen eigenen Angaben wollte der Angeklagte I. nicht mehr selbst als Geschäftsführer auftreten. Ferner nutzten die Beteiligten, damit sie nicht Gefahr liefen, dass ihre Gespräche von Strafverfolgungsbehörden abgehört werden könnten, auch in diesem Tatkomplex Einwegtelefone und wechselten diese regelmäßig. Zur Überzeugung der Kammer steht aus der Gesamtschau dieser Umstände, im Gegensatz zu seiner Tätigkeit bei der M. GmbH und seinem geschilderten Glauben an die ihm gezeigte angebliche Entscheidung des Bundesgerichtshofes, fest, dass der Angeklagte I. wusste und davon ausging, dass es sich bei der Versendung der Schreiben um ein betrügerisches Vorgehen handelte und er insoweit nun auch über die entsprechende Unrechtseinsicht verfügte.
413Daran ändert auch das an die P. GmbH adressierte Schreiben des Amtsgerichts Köln vom 18.01.2019 nichts. Denn darin ist nur ausgeführt, dass das von der P. GmbH. versandte Schreiben nicht den Vorgaben des GmbH-Gesetzes gerecht wird. Explizit ist in dem Schreiben aufgeführt, welche Elemente aufgenommen werden müssen. So wurde es auch von den Hintermännern umgesetzt, und die danach versandten Schreiben werden den dort genannten Anforderungen gerecht. Mit keinem Wort geht das Amtsgericht Köln auf den Inhalt der Schreiben oder dessen Rechtmäßigkeit ein. Dies lässt sich auch aus nichts in diesem Schreiben ableiten, zumal als Betreff „Handelsregistersache der Fa. P. GmbH" aufgeführt ist. Damit in Einklang steht auch die Einlassung des Angeklagten L., der überzeugend ausführte, dass man vielmehr versucht habe sich mit diesem Schreiben zu beruhigen. Warum sonst verwende man Einwegtelefone und bekomme die eindrückliche Anweisung bei der Polizei keine Angaben machen zu dürfen.
414Zur Überzeugung der Kammer handelte der Angeklagte I. auch in Zusammenhang mit der P. GmbH ab April 2019 mit Unrechtseinsicht. Der Angeklagte I. hatte bereits zuvor die Angeklagten O. und L., die man als Geschäftsführer und für die Eintragungen der P. GmbH gewinnen wollte, aufgeklärt. Er wusste, dass man im Gegensatz dazu den Angeklagten S., gleichlaufend mit dem Angeklagten L. zu Zeiten der M. GmbH im „dunklen" lasse und ihm eine Erklärung gab, von der der Angeklagte I. wusste, dass sie falsch war. Die abgehobenen Gelder stammten nicht aus EC.: Wenn der Angeklagte I. tatsächlich davon ausgegangen sei, dass das Handeln legal sei, gäbe es keinen Grund Außenstehenden, die man zu seinen Zwecken einsetzen möchte, nicht die Wahrheit zu sagen. Verglichen mit dem Angeklagten L. bei der M. GmbH wurde hier zudem eine andere, abweichende Legende aufgebaut.
415Wie bereits dargelegt ergibt sich auch aus den Notruf des Angeklagten I. bei der Polizei am 14.06.2019 nicht, dass er während seiner Tatbegehung nicht über die erforderliche Unrechtseinsicht verfügt hat. Denn, zum einen handelte es sich zur Überzeugung der Kammer um ein impulsives Handeln des Angeklagten I. als er sich mit dem Rücken zur Wand gestellt sah, weil er auf die auf den Konto vorhandenen Gelder nicht mehr zugreifen konnte. Zum anderen liegt dieser Telefonanruf in seiner zeitlichen Betrachtung am Ende des Geschehens in Bezug auf die P. GmbH und damit zu einem Zeitpunkt als die rechtliche Beratung durch Herrn Dr. JK. bereits erfolgt war und somit unter anderem deshalb Anlass bestand, von einer Strafba.rkeit des Verhaltens auszugehen.
416E. Rechtliche Würdigung
417I. Betreffend die M. GmbH (Tat 1 .des Urteils = Fälle 1-644 der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Düsseldorf 140 Js 139/18)
418Der Angeklagte I. hat sich betreffend die M. GmbH (Tät 1 des Urteils) wegen eines tateinheitlich begangenen 644-fachen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs gern. §§ 263 Abs. 1, Abs. 5, 17 S. 1 und S. 2, 25 Abs. 2, 52 StGB strafbar gemacht.
4191. Täuschung durch Versand rechnungsähnlicher Angebotsschreiben
420Die von den unbekannt gebliebenen Hintermännern organisierte und durchgeführte Versendung der verfahrensgegenständlichen Offerten der M. GmbH, die bei den Empfängern den Eindruck (amtlicher) Rechnungen für vorangegangene Handelsregistereinträge bzw. Handelsregisteränderungen erweckten, stellen Täuschungshandlungen im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB dar. Dies gilt nach Auffassung der Kammer ungeachtet dessen, dass in den Schreiben jeweils darauf hingewiesen wird, dass es sich um ein Angebot zur Eintragung in eine private Datenbank und um eine nicht amtliche kostenpflichtige Eintragung handelt.
421Eine Täuschungshandlung im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB ist jede Einwirkung des Täters auf die Vorstellung des Getäuschten, welche objektiv geeignet und subjektiv bestimmt ist, beim Adressaten eine Fehlvorstellung über tatsächliche Umstände hervorzurufen. Sie besteht in der Vorspiegelung falscher oder in der Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen. Dabei kann die Täuschung nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent erfolgen, wenn der Täter die Unwahrheit zwar nicht expressis verbis zum Ausdruck bringt, sie aber durch sein Verhalten miterklärt. Ein solches Verhalten wird dann zur tatbestandlichen Täuschung, wenn der Täter die Eignung einer — inhaltlich richtigen — Erklärung, einen Irrtum hervorzurufen, planmäßig einsetzt und damit unter dem Anschein äußerlich verkehrsgerechten Verhaltens gezielt die Schädigung des Adressaten verfolgt, wenn also die Irrtumserregung nicht die bloße Folge, sondern der Zweck der Handlung ist (BGH, Urteil vom 28.05.2014, 2 StR 437/13; BGH, Urteil vom 19.072001, 4 StR 457/00; BGH, Urteil vom 26.04.2001, 4 StR 439/00; zitiert jeweils nach juris). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn durch die äußere Gestaltung eines Angebotsschreibens gezielt der Eindruck erweckt werden soll, es handele sich um eine amtliche Kostenforderung (BGH, Urteil vom 28.05.2014, 2 StR 437/1.3; BGH, Urteil vom 04.12.2003, 5 StR 308/03; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 13.03.2003, 1 Ws 126/02, jeweils zitiert nach juris; Fischer, StGB, 67. Aufl., § 263 Rdnr. 28, 28a m.w.N.).
422Diese Voraussetzungen werden durch die von den Hintermännern gestalteten und versandten rechnungsähnlichen Angebotsschreiben erfüllt. Bei objektiver Betrachtung ist der Gesamterklärungswert der Offerten der M. GmbH dahin zu werten, dass es sich um eine amtliche Kostenforderung bzw. Rechnung für einen bereits erfolgten Registereintrag handelt. Den Gesamteindruck der verfahrensgegenständlichen Angebotsschreiben prägen vor allem typische Rechnungsmerkmale, währenddessen die Hinweise auf den Angebotscharakter — insbesondere die klein und eng gedruckte Textpassage — völlig in den Hintergrund treten:
423Die Offertenschreiben der M. GmbH enthalten zahlreiche typische Merkmale einer Rechnung, wie die Angabe verschiedener Kostenpositionen, die Aufschlüsselung des zu zahlenden Betrages nach Netto- und Bruttosumme, die Hervorhebung einer kurzen Zahlungsfrist von drei Tagen und die Beifügung eines teilweise vorausgefüllten Überweisungsträgers. Ausdrücklich wird an mehreren Stellen auf den jeweils erfolgten Handelsregistereintrag bzw. die Handelsregisteränderung Bezug genommen und der Eintragungstext vollständig wiedergegeben. Auch die Angabe des eintragenden Amtsgerichts ist ebenso wie das Eintragungsdatum und die HRB-Nummer vorhanden. Der Eindruck einer amtlichen Rechnung im Zusammenhang mit der Eintragung bzw. Änderung im Handelsregister wird daneben durch die Bezugszeile "Handelsregisterbekanntmachung" sowie durch die Bezeichnung der beiden
424Kostenpositionen "Veröffentlichung des Handelsregistertextes" und„Eintragungskosten" noch verstärkt.
425Der Umstand, dass sich der Angebotscharakter der Schreiben der M. GmbH bei hinreichend. sorgfältiger Prüfung bereits aus der Textpassage ergibt, lässt weder die Täuschungshandlung noch eine darauf beruhende Fehlvorstellung der Adressaten entfallen.
426Hierbei ist zunächst grundlegend zu berücksichtigen, dass auch Leichtgläubigkeit oder Erkennbarkeit der Täuschung bei hinreichend sorgfältiger Prüfung die Schutzbedürftigkeit des potentiellen Opfers und damit eine Täuschung nicht ausschließen (BGH, Urteil vorn 04.12.2003, 5 StR 308/03, NStZ-RR 2004, S. 110 111). Darüber hinaus darf der Adressat eines Schreibens, das die im Geschäftsverkehr übliche Form einer Rechnung hat, nach der objektiven Anschauung des Geschäftsverkehrs darauf vertrauen, dass es sich auch tatsächlich um eine Rechnung handelt (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.03.2003, 1 Ws 126/02, NJW 2003, 3215-3217). Dies gilt auch dann, wenn es sich bei den Adressaten um kaufmännische Unternehmen handelt. Soweit die Rechtsprechung für die Annahme einer objektiven Täuschung unter anderem auf die auf Seiten des Erklärungsadressaten zu erwartende — typisierte — Sorgfaltspflicht abstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 27.02.1979, 5 StR 805/78, NStZ 1997, 186 f.), ist es angesichts des prägenden Gesamteindrucks des hier in Frage stehenden Angebotsschreibens nicht fernliegend, dass selbst geschäftserfahrene Adressaten sie mit einer Rechnung verwechseln. Denn aufgrund des durch die rechnungsähnliche Gestaltung der Schreiben in Verbindung mit der Wiedergabe der amtlichen Eintragung erweckten Eindrucks einer amtlichen Rechnung -- zumal nach unmittelbar vorangehender Handelsregistereintrag-/änderung — hat auch der im Geschäftsverkehr erfahrene Empfänger keine Veranlassung, sich mit dem Text des auf die Eintragung/Änderung Bezug nehmenden Schreibens genauer zu befassen und sich über den Grund der vermeintlichen Rechnungsstellung zu vergewissern.
427Es ist schließlich nicht ungewöhnlich, dass selbst der geschäftserfahrene Adressat eines in der vorstehend geschilderten Art gestalteten Schreibens dieses nicht besonders aufmerksam liest und sich durch dessen Gestaltung täuschen lässt. Erst recht gilt dies für den geschäftlich unerfahrenen Neugründer einer Firma, der noch über keine bzw. wenig Erfahrung im kaufmännischen Bereich zurückgreifen kann und vor diesem Hintergrund besonders „täuschungsanfällig" ist. Hinzu kommt, dass im Rahmen von Neugründungen häufig vieles zusammentrifft, wenig Zeit zur Prüfung besteht und es diesem Personenkreis immens wichtig ist, dass die Eintragung erfolgt und sie Kosten, die damit einhergehen, rechtzeitig begleichen. Auf diese Zwangssituation zielt das Offertenschreiben auch ab, indem es fettgedruckt darauf verweist, dass eine Zahlung binnen drei Tagen erfolgen solle. Dies wird dadurch verstärkt, dass es darunter unterstrichen heißt, dass erst im Anschluss die Veröffentlichung in die Handelsregisterbekanntmachungen erfolgen werde und darunter — nicht unterstrichen — weiter heißt: „Andernfalls behalten wir uns das Recht vor, Ihre Daten unverzüglich aus unserem System zu löschen." Auch entspricht es nicht der üblichen Geschäftspraxis, dass eingehende Schreiben nur von Geschäftsleitern gelesen werden. Bei deren Eingang prüft in der Regel derjenige, der die XL. öffnet, ob es sich um eine Rechnung handelt oder nicht. Geschäftserfahrenen Kaufleuten werden diese häufig gar nicht erst vorgelegt. Zudem liegt in größeren Unternehmen die Erteilung von Aufträgen der hier in Rede stehenden Art und deren Begleichung vielfach in verschiedenen Händen. Die für die Zahlung zuständige Abteilung eines Betriebes, der insbesondere bei größeren Unternehmen auf eine Arbeitsteilung angewiesen und betriebsstrukturell konzipiert ist, begleicht demgemäß die vermeintliche Rechnung im Vertrauen auf einen entsprechenden Vertragsschluss durch die hierfür betriebsintern zuständige Stelle (vgl. zum Ganzen: OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.03.2003, 1 Ws 126/02, NJW 2003, S. 3215- 3217).
428Diese Vorgehensweise entspricht auch den Angaben der als Zeugen vernommenen Mitarbeiter bzw. Entscheidungsträger der jeweils von der M. GmbH betroffenen Unternehmen. Die Geschädigten haben im Rahmen ihrer Zeugenaussage angeben, dass sie das Schreiben nicht aufmerksam oder auch zum Teil gar nicht vollständig gelesen haben, sondern sich von der Aufmachung und der zeitlichen Nähe zu der Eintragung haben beeinflussen lassen.
429Gleiches gilt für den Umstand, dass in der verfahrensgegenständlichen Offerte auch außerhalb der Textpassage - einige wenige, in der Gesamtgestaltung zurücktretende oder in Wortkombinationen "versteckte" - Hinweise auf den Angebotscharakter, wie etwa der Zusatz „Ihre Offerte zum Handelsregistereintrag" vorhanden sind. Auch aus dem Umstand, dass in den Schreiben die Umsatzsteuer in Höhe von 19 % ausgewiesen ist, ergibt sich nicht zweifelsfrei, dass es sich nicht um eine amtliche Kostenrechnung handeln kann. Es ist nicht allgemein bekannt und muss einem Gewerbetreibenden nicht zwingend auffallen, dass diese Rechnung nicht von einer Behörde stammen kann, weil diese keine Umsatzsteuer ausweist.
430Die Gestaltung und Versendung des verfahrensgegenständlichen Offertenschreibens der M. GmbH erfolgte absichtlich und planmäßig im Rahmen eines Gesamtkonzeptes, welches gezielt darauf ausgerichtet war, mit den inhaltlich wahren, aber zur Irrtumserregung geeigneten Schreiben, unter dem Anschein äußerlich verkehrsgerechten Verhaltens bei den Empfängern irrtumsbedingte Zahlungen des angegebenen Betrags zu veranlassen.
431Dass der Angeklagte I. weder das Offertenschreiben der M. GmbH entworfen, noch selbst verschickt hat, steht einer tatbestandlichen Verwirklichung des § 263 Abs. 1 StGB nicht entgegen, weil ihm die Tathandlungen der unbekannt gebliebenen Mittäter gemäß § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen ist. Denn sowohl die Handlungen des Angeklagten I. als auch die der Hintermänner wurden in Ausführung des gemeinsamen Tatplans ausgeführt. Insbesondere hatte der Angeklagte I. ein eigenes Interesse am Erfolg der Tat, hatte Tatherrschaft und den Willen zur Tatherrschaft. Der Angeklagte I. leistete für das Gelingen der konkreten Tat einen wesentlichen Beitrag. Denn ohne die Gründung einer Gesellschaft, der Übernahme der Geschäftsführertätigkeit, dem Eröffnen einer Vielzahl von Bankkonten und dem Abholen und Weiterleiten des auf den Konten der Gesellschaft eingegangenen Geldes in bar wäre eine Durchführung der Tat nicht möglich gewesen. Diesen Beitrag wollte der Angeklagte I. auch leisten. Denn ihm kam es auf den Erfolg der Firma an, um daraus einen finanziellen Vorteil (Beuteanteil und Nutzung teurer Autos) für sich zu ziehen.
4322. Übrige Voraussetzungen des Betrugstatbestandes, insbesondere Vermögensverfügung und Schaden
433Die irrtumsbedingten Zahlungen sollten nach den übereinstimmenden Vorstellungen der Beteiligten auch jeweils zu einem Vermögensschaden bei den Empfängern der Offerten führen. Für die Bestimmung des Vermögensschadens bei einem Austauschvertrag aufgrund eines gegenseitigen Vertrags ist allein der nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bestimmende Wertvergleich zwischen Leistung und Gegenleistung entscheidend (vgl. Perron: in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 263 Rn. 106-108.). Nicht die Dispositionsfreiheit, sondern allein das Vermögen des Getäuschten soll geschützt werden.
434Vorliegend liegt der Schaden der angeschriebenen Gewerbetreibenden bereits darin, dass sie durch ihre jeweilige Überweisung an die M. GmbH entgegen ihrer Vorstellung nicht von einer— tatsächlich gar nicht existierenden Verbindlichkeitbefreit wurden. Die Empfänger der Offerten leisteten die geforderte Überweisung nicht deshalb, um in die private Datenbank aufgenommen zu werden, sondern weil sie irrtumsbedingt an eine Zahlungsverpflichtung im Zusammenhang mit dem Handelsregistereintrag glaubten.
435Durch die Überweisung kam auch kein schuldrechtlicher Vertrag über eine Eintragung in einer privaten Datenbank zustande. So war das Offertenschreiben lediglich eine Tarnung für den Rechtsverkehr, jedoch kein erstgemeintes Angebot im Sinne von § 145 BGB. Darüber hinaus fehlt es an einer Annahme durch die Gewerbetreibenden im Sinne von § 145 BGB, da diese irrtumsbedingt lediglich eine Rechnung bezahlen wollten. Dabei handelt es sich zivilrechtlich um einen Realakt, nicht jedoch um eine Willenserklärung.
436Die Aufnahme in die elektronische Datenbank im Internet unter www.entfernt war auch nicht geeignet, den eingetretenen Vermögensverlust zu kompensieren. Bei einer Gesamtbetrachtung der beiden Datenbanken kam der Eintragung aufgrund der Identität des Eintragungstextes mit der im Bundesanzeiger veröffentlichten Eintragung kein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zu. Die Zusammensetzung der Datenbank hing zum einen zufällig davon ab, welche Unternehmen auf die Offertenschreiben gezahlt haben. Zum anderen übersteigt der Informationsgehalt des Registers nicht den des Handelsregisters oder eines gewöhnlichen Telefonbuchs. Hinzu kommt vorliegend, dass die Daten weder sortiert noch branchenspezifisch aufbereitet waren. Der Informationsgehalt beschränkte sich im Wesentlichen auf die Firmenanschrift und den Text des Handelsregistereintrags bzw. der Handelsregisteränderung. Die mittels der Angebotsschreiben der M. GmbH offerierte Gegenleistung war daher für die Gewerbetreibenden insgesamt vollkommen wertlos. Dies gilt insbesondere deshalb, da die Bekanntmachungen des Handelsregisters im Internet gerade kostenfrei abrufbar sind und auch die Grundeinträge im Telefonbuch oder in den "Gelben Seiten" keine Kosten verursachen (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 28.05.2014, 2 StR 437/13 m.w.N.):
4373. Subjektive Voraussetzungen des Betrugstatbestandes
438Diese objektiv zur Täuschung geeigneten Angebotsschreiben waren auch subjektiv zur Täuschung bestimmt, was der Angeklagte I. wusste und billigend in Kauf nahm. Ihre Erstellung und Versendung erfolgte absichtlich und planmäßig im Rahmen eines Gesamtkonzeptes, welches gezielt darauf angelegt war, mit den zur Irrtumserregung geeigneten Schreiben unter dem Anschein äußerlich verkehrsgerechten Verhaltens bei den Adressaten Missverständnis und Irrtum hervorzurufen und sie zur Zahlung zu veranlassen. Der Hinweis in den Schreiben auf das Angebot zum Abschluss eines Vertrages über die Eintragung in einer Datenbank im Internet diente unter diesen Umständen lediglich als „Fassade", um die von vornherein in betrügerischer Absicht angestrebte Zahlung nach außen hin als vertraglich geschuldet und damit als rechtmäßig erscheinen lassen zu können (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.03.2003, aaO.). Dies hat der Angeklagte I., zur Überzeugung der Kammer sehr plastisch veranschaulicht, als er in seiner Einlassung angab, dass das der Trick an der Sache gewesen sei und man die Leute durch eine „Leseschwäche" dazu bringen wollte das Geld zu überweisen.
439Der Angeklagte I. handelte auch in der Absicht, unmittelbar der M. GmbH einen rechtswidrigen stoffgleichen Vermögensvorteil zu verschaffen. Mittelbar ging es ihm um die eigene Bereicherung und diejenige der Hintermänner. Ihm kam es zielgerichtet, also mit dolus directus 1. Grades, darauf an, unmittelbar der M. GmbH und mittelbar sich selbst und den Hintermännern einen Vermögensvorteil zu verschaffen, denn es handelte sich um seine einzige Einnahmequelle zu dieser Zeit.
440Der erstrebte Vorteil war zudem rechtswidrig, denn weder die M. GmbH noch der Angeklagte I. noch die unbekannten Hintermänner hatten nach materiellem Recht einen fälligen und einredefreien Anspruch gegen die Überweisenden. Über die Eintragung in einer Datenbank im Internet ist, wie bereits ausgeführt, kein Vertrag zustande gekommen. Selbst für den Fall, dass man von einem Vertragsschluss ausginge, würde es sich nicht um einen einredefreien Anspruch handeln, denn der Vertragsschluss wäre durch die Überweisenden wegen Täuschung anfechtbar.
441Dem Angeklagten I. war auch bewusst, dass es sich um eine rechtswidrige Bereicherung handelte. Der Täter erstrebt dann eine unrechtmäßige Bereicherung, wenn er es für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, dass seine Forderung nicht besteht oder aber von der Rechtsordnung nicht geschützt wird (BGH, Urteil vom 07.08.20013, 3 StR 137/93). Dies ist wegen der normativen Natur dieses Tatbestandsmerkmals nicht bereits dann der Fall, wenn der Täter die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen sich, ergibt, dass ihm zivilrechtlich ein Anspruch nicht zusteht. Maßgeblich ist vielmehr, ob er sich als Ergebnis laienhafter Bewertung dieser Umstände einen Anspruch auf die erstrebte Leistung nicht zumisst oder für zweifelhaft hält (vgl. BGH, aaO.). Entscheidend ist, ob er sich vorstellt, dass dieser Anspruch von der Rechtsordnung anerkannt wird und er seine Forderung demgemäß mit gerichtlicher Hilfe in einem Zivilprozess durchsetzen könnte. Nach den Feststellungen der Kammer war es dem Angeklagten I. bewusst, dass er als Geschäftsführer der M. GmbH keinen Anspruch gegen die Kunden aus einem vermeintlichen Vertragsschluss durchsetzen könne.
4424. Qualifikation des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs
443Die Angeklagte I. erfüllt den Qualifikationstatbestand der kumulativ gewerbs- und bandenmäßigen Begehung im Sinne von § 263 Abs. 5 StGB.
444Gewerbsmäßig handelt, wer sich aus wiederholter Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende, nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle verschaffen will (Fischer, a.a.O., Vor § 52 Rdnr. 61). Dies zugrunde gelegt, handelte der Angeklagte I. gewerbsmäßig. Der Gewinn aus dem verfahrensgegenständlichen Offertenversand stellt — wie von vornherein beabsichtigt — seine Haupteinnahmequelle im Tatzeitraum dar. Einer anderen geschäftlichen oder beruflichen Tätigkeit ging der Angeklagte I. nicht nach.
445Eine bandenmäßige Begehung ist dann gegeben, wenn sich eine Gruppe von mindestens drei Personen künftig für eine gewisse Dauer zur Begehung einer Mehrzahl von selbständigen Taten des Betrugs verbunden hat. Die Mitwirkung eines anderen Bandenmitgliedes ist nicht erforderlich (Fischer, a.a.O., § 263 Rdnr. 211). Die Tatbegehung "als Bandenmitglied" setzt aber eine über die Beteiligung an der Einzeltat hinausgehende Einbeziehung in eine — auch konkludente — Gesamtabrede voraus (Fischer, a.a.O., § 244 Rdnr. 41 m.w.N.). Danach war der Angeklagte I. zusammen mit den ihm bekannten Hintermännern Bandenmitglied betreffend die M. GmbH. Ende des Jahres 2017 schloss sich der Angeklagte I. mit den Hintermännern zusammen und führte mit ihnen zusammen als Geschäftsführer der M. GmbH den Offertenversand durch. Dabei handelte es sich auch um mehr als einen Hintermann, mit dem der Angeklagte I. zusammenarbeitete. So wie der Angeklagte I. es selbst schilderte waren verschiedene Hintermänner beteiligt, die sich zum Teil um die Entwürfe der Schreiben wie auch um den Druck und Versand in organisatorischer Form kümmerten und das „Büro" betrieben. Gemeinsam kam der Angeklagte I. mit den Hintermännern überein, sich zusammenzuschließen und zusammen die Versendung der Offertenschreiben in der dargelegten Form, nebst der dafür erforderlichen Gründung der Gesellschaft und Eröffnung von Gesellschaftskonten und die Abholung und Weitergabe der Gelder über einen längeren Zeitraum durchzuführen. Die damit einhergehenden Tätigkeiten sollten zwischen dem Angeklagten I. und den Hintermännern arbeitsteilig erfolgen.
4465. Verbotsirrtum
447Der Angeklagte I. handelte bei der Begehung der Tat 1 des Urteils auch rechtswidrig und schuldhaft. Eine Schuldausschließung im Sinne von § 20 StGB oder eine verminderte Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB konnte die Kammer nicht feststellen.
448In Tat 1 des Urteils hat die Kammer jedoch einen Verbostirrtum gemäß § 17 StGB angenommen. Nach dieser Vorschrift handelt der Täter ohne Schuld, wenn ihm bei Begehung der Tat die Einsicht fehlt, Unrecht zu tun. Unrechtsbewusstsein ist die Einsicht, dass das Tun oder Unterlassen gegen die durch verbindliches Recht erkennbare Wertordnung verstößt (Fischer, a.a.O., § 17, Rn. 3). Die Unrechtseinsicht muss sich auf die spezifische Rechtsgutsverletzung beziehen. Die Kammer ist zugunsten des Angeklagten I. davon ausgegangen, dass er aufgrund der Angaben der Hintermänner, insbesondere des ihm übergebenen angeblichen Urteils des Bundesgerichtshofes, darauf vertraut hat, dass das Vorgehen rechtmäßig sei.
449Dieser Verbotsirrtum ist jedoch gemäß § 17 S. 2 StGB als vermeidbarer Verbotsirrtum einzustufen. Vermeidbar ist ein Verbotsirrtum dann, wenn dem Täter zum Zeitpunkt der Tathandlung sein Vorhaben unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten und Kenntnisse hätte Anlass geben müssen, über dessen mögliche Rechtswidrigkeit nachzudenken oder sich zu erkundigen, und wenn er auf diesem Wege zur Unrechtseinsicht gekommen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 07.04.2016, 5 StR 332/15, Rn. 22). Erforderlich ist, dass der Täter sein Gewissen anspanne und alle seine Erkenntniskräfte und sittlichen Wertvorstellungen einsetze und zwar auf Grundlage seiner Vorstellungen seiner Rechtsgemeinschaft. Sofern dem Täter Zweifel bleiben, trifft ihn eine Erkundigungspflicht.
450Diese Anstrengungen hat der Angeklagte I. nicht unternommen, sondern einfach auf die ihm gegenüber getätigten Äußerungen, dass es sich um eine Grauzone handele und es schon zu einem Freispruch gekommen sei, vertraut. Der Angeklagte I. hat den ihm übergebenen Stapel Papier, das angebliche Urteil des Bundesgerichtshofes, nicht gelesen. Auch hat er sich keinen rechtlichen Rat eingeholt. Vor dem Hintergrund, dass ihm bewusst war, dass man die Leseschwäche ausnutzen wollte und die Eintragung in einer Datenbank nur für den Fall vornimmt, dass man im Falle von Beschwerden irgendwas vorweisen kann, ist die Kammer der Überzeugung, dass er vorschnell und aus Gewinnstreben auf die Richtigkeit eines ihm günstigen Standpunktes vertraut hat. In dieser Situation hätte er sich rechtlichen Rat einholen müssen.
451Selbst unter Berücksichtigung seiner besonderen Leichtgläubigkeit, d.h. seiner Empfänglichkeit für Suggestionen, war der Angeklagte I., wie die Sachverständigen zur Überzeugung der Kammer ausgeführt haben, in der Lage, sich der Beeinflussung zu widersetzen. Auch unter Berücksichtigung seiner intellektuellen Fähigkeiten hätte es ausgereicht, das angebliche Urteil des Bundesgerichtshofes durchzulesen. Dabei hätte er bemerkt, dass es kein Urteil oder Beschluss des Bundesgerichtshofs gibt, das die Versendung von Offertenschreiben nach dem bei der M. GmbH verwendeten modus operandi als rechtmäßig erkennt.
4526. Konkurrenzen
453Die Kammer hat die 644 Einzelfälle hinsichtlich der M. GmbH für den Angeklagten I. zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammengefasst, weil es sich für ihn um ein uneigentliches Organisationsdelikt handelt.
454Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestimmt sich bei Zusammenarbeit mehrerer Beteiligter im Rahmen einer Tatserie die Zahl der rechtlich selbständigen, Handlungen im Sinne von § 53 Abs. 1. StGB für jeden Täter grundsätzlich nach der Anzahl seiner eigenen Handlungen zur Verwirklichung der Einzeldelikte. Wirkt ein Täter an einzelnen Taten anderer Beteiligter selbst nicht unmittelbar mit, sondern erschöpfen sich seine Tatbeiträge hierzu im Aufbau und in der Aufrechterhaltung des auf die Straftaten ausgerichteten „Geschäftsbetriebes", sind diese Tathandlungen als uneigentliches — Organisationsdelikt zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen (vgl. BGH, Beschl. v. 29.7.2009, 2 StR 160/09). Von dieser Handlungseinheit sind nur die Fälle ausgenommen, in denen der Täter selbst einen individuellen Tatbeitrag erbringt. Betreffend die M. GmbH war es Aufgabe des Angeklagten I. die Gesellschaft zu gründen, Konten zu eröffnen, die auf den Konten eingegangenen Gelder abzuheben und entsprechend der vorhandenen Teams-Liste auf die Beteiligten zu verteilen. Damit hat er die Vorbereitungen getroffen und während des Laufs der Deliktserie Tatbeiträge erbracht, die zur Aufrechterhaltung eines jeweils auf Straftaten ausgerichteten Geschäftsbetriebs gerichtet waren. Danach sind hier für den Angeklagten I. alle festgestellten Einzelfälle des Betruges rechtlich als unselbständige Teile eines derartigen Organisationsdelikts zu bewerten.
455Der Annahme von Gewerbsmäßigkeit oder Bandenmäßigkeit steht auch nicht entgegen, dass das strafrechtliche Verhalten als eine materiell einheitliche Tat im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB zu werten ist (TX., a.a.O., Vor § 52 Rdnr. 61 a). Denn es handelt sich bei der fortgesetzten Tat nur im rechtlichen, nicht aber im natürlichen Sinne um „eine" Tat, die sich aus mehreren stets vom Vorsatz des Täters getragenen Verletzungen desselben Rechtsguts zusammensetzt, aus denen der Täter immer wieder neue materielle Vorteile ziehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 StR 344, Rn. 26; BGHSt 26; S. 4, 8).
456Il. Betreffend die P. GmbH
4571. Tatzeitraum 09.11.2018-26.04.2019 (Tat 2 des Urteils = Fälle 1-1899 der Anklageschriften der Staatsanwaltschaft Köln 116 Js 618/19 und 116 Js 1303/19)
458Im ersten Tatzeitraum (09.11.2018-26.04.2019) haben sich die Angeklagten O., I. und L. jeweils eines tateinheitlich begangenen gewerbsmäßigen 1897-fachen Bandenbetrugs gem. §§ 263 Abs. 1 ; Abs. 5, 25 Abs. 2, 52 StGB strafbar gemacht.
459Auch die im Namen der P. GmbH durch die Hintermänner versandten Offertenschreiben erfüllen die Voraussetzungen einer Täuschungshandlung gemäß § 263 Abs. 1 StGB. Die Schreiben der P. GmbH waren unter Bezugnahme auf die getroffenen Feststellungen bis auf die Unterschiede in Bezug auf den Absender und den damit in Zusammenhang stehenden Informationen inhaltlich identisch mit denen der M. GmbH. Sie erweckten demnach ebenfalls den Anschein einer amtlichen Kostenforderung im Zusammenhang mit der Neueintragung oder Änderung des Handelsregisters und waren objektiv geeignet, beim Adressaten eine Fehlvorstellung über tatsächliche Umstände, folglich die Zahlungspflicht, hervorzurufen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird ergänzend auf die obigen Ausführungen zu E. I. verwiesen.
460Durch die irrtumsbedingte Überweisung erlitten die Getäuschten einen Vermögensschaden, da sie nicht von einer bestehenden Verpflichtung befreit wurden. Ein werthaltiges Äquivalent kam den Eintragungen in der Datenbank, sofern sie überhaupt online und damit einsehbar war, nicht zu.
461Den Angeklagten O., I. und L. sind die Tathandlungen der unbekannt gebliebenen Hintermänner, insb. die Erstellung der Schreiben und deren Versendung gemäß § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen, denn ihnen kam im Gesamtgefüge entsprechend des gemeinsamen Tatplans Tatherrschaft zu. Während der Angeklagte O. als Geschäftsführer für die Gründung der Gesellschaft, die Kontoeröffnungen und die Geldabhebungen zuständig war, oblag es dem Angeklagten L. die ihm von dem Angeklagten O. übergebenen Gelder an, den Angeklagten I. weiterzureichen und die jeweiligen Eintragungen in der Datenbank vorzunehmen. Der Angeklagte I. fungierte als Mittelsmann zwischen den Hintermännern und den für diese unbekannten O. und L. und reichte entsprechend den getroffenen Feststellungen, einen Teil der Gelder weiter an die Hintermänner. Ohne den Angeklagten I. als notweniges Bindeglied für die Hintermänner, wäre es nicht zu den gegenständlichen Taten gekommen. Sie verfügten jeweils auch über den erforderlichen Willen zur Tatherrschaft und hatten insbesondere ein eigenes finanzielles Interesse am Taterfolg.
462Diese objektiv zur Täuschung geeigneten Angebotsschreiben waren auch nach der Vorstellung der Angeklagten O., I. und L. subjektiv zur Täuschung bestimmt, denn ihre Erstellung und Versendung erfolgte absichtlich und planmäßig im Rahmen des Gesamtkonzeptes, welches gezielt darauf angelegt war, mit den an sich inhaltlich wahren, aber zur Irrtumserregung geeigneten Schreiben unter dem Anschein äußerlich verkehrsgerechten Verhaltens bei den Adressaten Missverständnis und Irrtum hervorzurufen und sie zur Zahlung zu veranlassen.
463Die Angeklagten O., I. und L. handelten auch in der Absicht, also mit dolus directus 1: Grades, unmittelbar der P. GmbH einen rechtswidrigen und stoffgleichen Vermögensvorteil zu verschaffen. Mittelbar kam es ihnen zielgerichtet darauf an, sich und den Hintermännern durch die Beteiligung an der Beute einen Vermögensvorteil zu verschaffen.
464Der erstrebte Vorteil war entsprechend der obigen Ausführungen zudem rechtswidrig. Nach den Feststellungen wussten die Angeklagten O., I. und L., das die P. GmbH keinen fälligen und einredefreien Anspruch gegen die Überweisenden auf Zahlung hatte.
465In Zusammenhang mit der P. GmbH waren die Angeklagten O., I.. und L., wiederum gemeinsam mit den Organisierenden unbekannten Hintermännern Bandenmitglieder im Sinne des § 263 Abs. 5 StGB.
466Auch hinsichtlich Tat 2 des Urteils handelte der Angeklagte I. rechtswidrig und schuldhaft. Er befand sich auch nicht in einem Verbotsirrtum im Sinne von § 17 StGB. Er hatte im Sinne von § 17 S. 1 StGB die Einsicht Unrecht zu tun, da er erkannt hat, dass sein Handeln gegen die rechtliche Ordnung verstößt.
467Auch hier hat die Kammer die durch die Vielzahl von durchgeführten Überweisungen eingetretenen Einzelfälle, 1897 an der Zahl, für die Angeklagten O., I. und L. jeweils zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst. Auf die vorstehenden Ausführungen (E. I. 5) zum uneigentlichen Organisationsdelikt wird verwiesen.
4682. Tatzeitraum 26.04.2019-23.07.2019 (Tat 3 des Urteils = Fälle 1900-2417 der Anklageschriften der Staatsanwaltschaft Köln 116 Js 618/19 und 116 Js 1303/19)
469In dem Zeitraum vom 26.04.2019-23.07.2019 hat sich der Angeklagte I. eines tateinheitlich begangenen 517-fachen gewerbsmäßigen Bandenbetruges gemäß §§ 263 Abs. 1, Abs. 5, 25 Abs. 2, 52 StGB schuldig gemacht.
470Auch die nach dem Ausscheiden der Angeklagten O. und L. versendeten Angebotsschreiben der P. GmbH erfüllen objektiv und subjektiv die Voraussetzungen des Betruges. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die vorherigen Ausführungen Bezug genommen. Zudem ist festzustellen, dass während diesem Zeitraum keinerlei Daten der zahlenden Gewerbetreibenden in eine Datenbank stattfanden, was dem Angeklagten I. auch bewusst gewesen ist. Es handelte sich um eine gewerbsmäßige Bandentat, weil es dem Angeklagten I. darauf ankam, sich aus den Tathandlungen zusammen mit den Hintermännern eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen. Er handelte mit der erforderlichen Unrechtseinsicht.
471Die Kammer hat die Tat als Organisationsdelikt zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst.
472Auch hinsichtlich Tat 3 des Urteils handelte der Angeklagte I. rechtswidrig und schuldhaft. Er befand sich auch nicht in einem Verbotsirrtum im Sinne von § 17 StGB.
4733. Rechtliche Würdigung der Taten des Angeklagten S.
474a) Tat 4 des Urteils
475Der Angeklagte S. hat sich wegen des Tatgeschehens am 11.04.2019 bei dem Notar Dr. MH. in ZO. der schweren mittelbaren Falschbeurkundung gemäß § 271 Abs. 1, 3 StGB in zwei Fällen schuldig gemacht. Die Taten bei dem Notar stehen ihrerseits zueinander in Tateinheit, § 52 StGB.
476b) Tat 5 des Urteils
477Durch die Vorlage der bei dem Notar entstandenen Urkunden bei der Sparkasse AW. und der TJ.-Bank in FA. am 07.05.2019 hat der Angeklagte S. sich wiederum der schweren mittelbaren Falschbeurkundung in zwei Fällen schuldig gemacht, die wiederum zueinander im Verhältnis der Tateinheit stehen. Da der Entschluss zur Vorlage der Unterlagen bei den Banken erst nach dem Notartermin am 11.04.2019 gefasst worden ist, stehen die Tat vom 11.04.2019 und die Tat vom 07.05.2019 zueinander in Tatmehrheit, § 53 StGB.
478c) Tat 6 des Urteils
479Darüber hinaus hat sich der Angeklagte S. am 23.07.2019 bei der TJ.-Bank in WN. der versuchten Geldwäsche in einem besonders schweren Fall gemäß § 261 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 4 a), Abs. 2 Nr. 1 2. Var., Abs. 4, 22, 23 StGB schuldig gemacht. Diese Tat steht zu den Taten 4 und 5 des Urteils in Tatmehrheit, § 53 StGB.
480III. Konkurrenzen
481Die Tathandlungen des Angeklagten I. (Taten 1-3 des Urteils) stehen gemäß § 53 StGB jeweils im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander. Nach dem Ende der M. GmbH und wiederum nach dem Ausscheiden der Angeklagten O. und L. wurde ein neuer Tatentschluss unter veränderten Umständen getroffen, da die Taten nach dem bisherigen Schema nicht weiter funktionieren konnten. Es mussten neue Personen gefunden werden, um neue Gesellschaften zu gründen und unerkannt die auf den Konten eingegangenen Gelder in bar abzuholen, wie die Angeklagten O. in Tat 2 und S. in Tat 3 des Urteils. Außerdem mussten die Offertenschreiben in Bezug auf die Bankverbindung, den Namen der Gesellschaft und den zuständigen Geschäftsführer angepasst werden.
482F. Strafzumessung
483I. Angeklagter O. (Tat 2 des Urteils)
484Bei der Strafzumessung für den Angeklagten O. hat sich die Kammer von den folgenden Erwägungen leiten lassen:
485Die Kammer ist von dem Strafrahmen des § 263 Abs. 5 StGB ausgegangen.
486Sie hat es abgelehnt, einen minder schwerer Fall i. S. d. § 263 Abs. 5 StGB ohne Berücksichtigung von vertypten Milderungsgründen anzunehmen.
487Die Kammer hat jedoch unter Verbrauch des vertypten Strafmilderungsgrundes der Aufklärungshilfe gemäß § 46 b Abs. 1 Nr. 1 StGB einen minder schweren Fall angenommen. Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 46 b StGB liegen vor. Bei der Anlasstat, dem gewerbsmäßigen Bandenbetrug, handelt es sich um eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe. Zu dieser Katalogtat hat der Angeklagte Aufklärungshilfe geleistet. Bis zum Haftprüfungstermin gingen die Ermittlungsbehörden davon aus, dass der Angeklagte O. die abzuurteilende Tat alleine begangen habe. Der Angeklagte O. hat unter Inkaufnahme, dass ein höherer Strafrahmen, nämlich der des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs nach § 263 Abs. 5 StGB, angenommen werden wird, die Beteiligung weiterer Personen an der Tat eingeräumt. Er benannte namentlich den Angeklagten L.. Der Angeklagte L. wurde lediglich im Hintergrund tätig, war den Ermittlungsbehörden bis dato im Zusammenhang mit der abzuurteilenden Tat gänzlich unbekannt und wäre ohne die Angaben des Angeklagten O. nicht in deren Visier geraten. Diese Angaben hat der Angeklagte freiwillig im Ermittlungsverfahren offenbart. Auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller für die Wertung von Tat und Täter in Betracht kommenden Umstände war es für den Angeklagten O. günstiger, einen minder schweren Fall anzunehmen, anstatt den Strafrahmen des gewerbsmäßigen Bandenbetruges über den vertypten Strafmilderungsgrund gemäß § 49 Abs. 1 StGB zu mildern.
488Bei der Strafzumessung im engeren Sinne war zugunsten des Angeklagten O. sein umfassendes und frühes, schon im Haftprüfungstermin, abgelegtes Geständnis zu berücksichtigen, das von Reue und Einsicht getragen war. Zu Beginn der Hauptverhandlung hat er dieses wiederholt, Angaben über seinen unmittelbaren Tatbeitrag hinaus gemacht und Nachfragen der Verfahrensbeteiligten umfassend beantwortet. Damit hat er zur Aufklärung insgesamt sowie zu einer Verkürzung der Hauptverhandlung beigetragen und seine Distanzierung von den Taten dokumentiert.
489Strafmildernd hat die Kammer auch berücksichtigt, dass der Angeklagte in diesem Verfahren erstmals Untersuchungshaft verbüßte, besonders haftempfindlich war und sich davon sehr beeindruckt zeigte. Nach der Haftverschonung stabilisierten sich seine Lebensverhältnisse. Er geht seiner schulischen Weiterbildung nach und besucht das Abendgymnasium.
490Auch war strafmildernd im Rahmen des bei der Tat aufgewendeten Willens zu berücksichtigen, dass der Angeklagte innerhalb der Bandenhierarchie eine untergeordnete Position - innehatte, wenngleich diese elementar für die Tatdurchführung war. Im Vergleich zu den übrigen Beteiligten trug er als nach außen. auftretender Geschäftsführer der Gesellschaft ein deutliches, höheres Entdeckungsrisiko.
491Strafmildernd hat die Kammer zudem berücksichtigt, dass der Angeklagte schon einige Gläubiger, die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ergriffen haben, befriedigt und einen Betrag, in Höhe von 14.500,00 € zur Schadenswiedergutmachung zur Verfügung gestellt hat. Schließlich war die lange Verfahrensdauer zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen. Mildernd hat die Kammer auch gewertet, dass die Taten zwischenzeitlich fast zwei Jahre zurückliegen.
492Zu Lasten des Angeklagten O. ist der durch die Tat eingetretene hohe Gesamtschaden in Höhe von 1.478.752,41 € zu berücksichtigen.
493Unter Abwägung sämtlicher für den Angeklagten sprechenden Umstände sowie unter Beachtung des Gesamtbildes der Tat, der Persönlichkeit des Angeklagten und seiner persönlichen Verhältnisse hält die Kammer
494eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren
495als tat- und schuldangemessen sowie zum Erreichen sämtlicher Strafzwecke als erforderlich, aber auch ausreichend.
496Ein Absehen von Strafe gemäß § 46 b Abs. 1 S. 4 StGB erachtete die Kammer mit Blick auf Tatunrecht und Schuld des Angeklagten, insbesondere aufgrund der Höhe des eingetretenen Schadens, bei Weitem als nicht angezeigt.
497Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe konnte gemäß § 56 Abs. 1, 2 StGB noch zur Bewährung ausgesetzt werden. Dem Angeklagten ist eine positive Sozialprognose zu stellen und eine Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten ergibt, dass besondere Umstände vorliegen, die erwarten lassen, dass er sich die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und auch ohne Einwirkung des Strafvollzuges, namentlich unter Eindruck der Bewährungsauflagen, keine Straftaten mehr begehen wird. Der Angeklagte hat Einsicht in sein Fehlverhalten und Reue gezeigt. Sein Prozessverhalten war tadellos. Nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft haben sich seine Lebensverhältnisse stabilisiert und er hat seine schulische Weiterbildung erfolgreich fortgeführt.
498Auch gebietet die Verteidigung der Rechtsordnung nicht die Vollstreckung der Freiheitsstrafe, § 56 Abs. 3 StGB. Es liegen insbesondere keine auf den Einzelfall bezogenen schwerwiegenden Besonderheiten vor, die eine Strafaussetzung schlechthin für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen ließen und das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts und den Schutz der Rechtsordnung vor kriminellen Angriffen erschütterten.
499II. Angeklagter I.
5001. Strafrahmen
501Im Rahmen der Strafzumessung war zunächst der anzuwendende Strafrahmen für die Taten .1 bis 3 des Urteils zu bestimmen.
502a) Betrugstat in Zusammenhang mit der M. GmbH (Tat 1 des Urteils)
503Zunächst ist die Kammer von dem Strafrahmen des § 263 Abs. 5 StGB ausgegangen.
504Die Annahme eines minder schweren Falls i. S. d. § 263 Abs. 5 StGB ohne Berücksichtigung von vertypten Milderungsgründen hat die Kammer abgelehnt.
505Es ist kein beträchtliches Überwiegen der strafmildernden Umstände gegenüber den strafschärfenden Umständen mit der Folge gegeben, dass das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt des gewöhnlich vorkämmenden Falls in einem solchen Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint.
506Dabei hat die Kammer zugunsten des Angeklagten I. sein Geständnis berücksichtigt, soweit die Kammer diesem folgen konnte. Das Geständnis ging über seinen unmittelbaren Tatbeitrag hinaus. Er hat sowohl zu den Tätigkeitsfeldern der übrigen Angeklagten als auch zu dem Druck und Versand der Schreiben, Angaben gemacht. Er hat dokumentiert, dass er das Unrecht seines Handelns einsieht.
507In der Hauptverhandlung hat er Fragen umfassend beantwortet. Er hat zur Aufklärung insgesamt sowie zu einer Verkürzung der Hauptverhandlung beigetragen und seine Distanzierung von den Taten dokumentiert.
508Strafmildernd hat die Kammer auch berücksichtigt, dass der Angeklagte in diesem Verfahren erstmals sowie über einen Zeitraum von fast acht Monaten Untersuchungshaft erlitten hat. Durch diese zeigte sich der Angeklagte I., der aufgrund seiner Schwerbehinderung besonders haftempfindlich ist, sehr beeindruckt.
509Zu seinen Gunsten hat die Kammer sein Lebensalter berücksichtigt. Bei der Tatbegehung war er zwar bereits 25 Jahre alt. Indes ist zu berücksichtigen, dass er infolge seiner schweren Erkrankung als Kind, erst kurz vor der Tatbegehung seine Ausbildung abschließen konnte.
510Auch fällt strafmildernd ins Gewicht, dass der Angeklagte I. bemüht ist den entstandenen Schaden wieder gut zu machen und einen Betrag in Höhe von 50.000,00 € zur Schadenswiedergutmachung in Form der Abtretung des Kautionsrückzahlungsanspruches durch seinen Bruder F. zur Verfügung gestellt hat.
511Auch war strafmildernd im Rahmen des bei der Tat aufgewendeten Willens zu berücksichtigen, dass der Angeklagte innerhalb der Bandenhierarchie eine untergeordnete Position innehatte. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass es sich dabei für die Tatdurchführung um eine elementare Rolle handelte. Im Vergleich zu den übrigen Beteiligten trug er als nach außen auftretender Geschäftsführer der Gesellschaft ein deutliches, höheres Entdeckungsrisiko.
512Zudem war der Angeklagte I. leicht beeinflussbar und wurde von den Hintermännern zielgerichtet für diese Tätigkeit ausgewählt.
513Hinzu kommt strafmildernd, dass sich sein Beuteanteil aus der Tat 1 auf lediglich 6.000 € und die Nutzung teurer Autos belief.
514Zu seinen Gunsten war auch die lange Verfahrensdauer zu berücksichtigen. Er hat spätestens seit Sommer 2018 Kenntnis von dem Ermittlungsverfahren. Die Kammer hat auch strafmildernd berücksichtigt, dass die Tat 1 des Urteils bereits mehr als zweieinhalb Jahre (Tatzeitraum von Dezember 2017 bis Juni 2018) zurückliegt.
515Diesen Umständen stehen indes strafschärfende Umstände gegenüber.
516Der Angeklagte I. ist erheblich und bereits einschlägig, auch wegen Vermögensdelikten, strafrechtlich in Erscheinung getreten. Er ist im Jahr 2010 rechtskräftig unter anderem wegen versuchten Computerbetruges, im Jahr 2014 rechtskräftig wegen Diebstahls in zwei Fällen und im Jahr 2018 rechtskräftig wegen Betruges verurteilt worden.
517Zudem ist der Schaden mit einer Gesamtsumme in Höhe von 512.557,20 € sehr hoch. Dies wird jedoch dadurch relativiert, dass sich sein Beuteanteil, wie bereits ausgeführt, auf lediglich 6.000 € und die Nutzung teurer Autos belief.
518Angesichts der Schadenshöhe von über einer halben Million Euro und den strafrechtlichen Vorbelastungen des Angeklagten I. weicht der vorliegend zu betrachtende Fall selbst unter Beachtung der genannten Milderungsgründe in der zu treffenden Gesamtabwägung nicht derart von den vom Durchschnitt des gewöhnlich vorkommenden Falls ab, dass die Annahme eines minder schweren Falles geboten erscheint.
519Die Kammer hat darauf in einem weiteren Schritt geprüft, ob ein minder schwerer Fall durch einen oder mehrere vertypte Strafmilderungsgründe anzunehmen ist.
520Zu Gunsten des Angeklagten I. greift der vertypte Strafmilderungsgrund des § 17 S. 2 StGB ein. Die Kammer ist sich dessen bewusst, dass es sich lediglich um eine fakultative Strafmilderung handelt. Sie vermag jedoch keine Gründe zu erkennen, wonach diese im vorliegenden Fall nicht anzunehmen ist.
521Unter Berücksichtigung des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 17 S. 2 StGB ist die Kammer nach erneuter Gesamtabwägung mit den bereits dargelegten allgemeinen Strafzumessungserwägungen zu der Annahme eines minder schweren Falles gekommen. Denn die Annahme eines minder schweren Falls ist für den Angeklagten I. günstiger als eine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 17 S. 2, 49 StGB. Zwar liegt die Strafrahmenuntergrenze im Falle der Milderung niedriger im Vergleich zu der des minder schweren Falles, jedoch ist die Strafrahmenobergrenze des minder schweren Falles deutlich niedriger als im Falle einer Strafmilderung über § 49 Abs. 1 StGB. Da die Kammer das durch die Tat verwirklichte Unrecht des Angeklagten I. eher im mittleren Bereich des Strafrahmens ansiedelt, stellte dies für den Angeklagten I. den günstigeren Strafrahmen dar.
522Eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB kam nach den Feststellungen der Kammer nicht in Betracht.
523Auch kommt zu Gunsten des Angeklagten I. keine Aufklärungshilfe gemäß § 46 b StGB in Betracht, da es schon am Aufklärungserfolg fehlt. Zwar machte der Angeklagte I. Angaben über seinen Tatbeitrag hinaus. Diese waren jedoch nicht dazu geeignet, die Hintermänner zu identifizieren oder zur Überführung eines bislang verdächtigen oder unverdächtigen Tatbeteiligten beizutragen. Hinsichtlich der Einlassung in der Hauptverhandlung greift zudem die zeitliche Sperre des § 46b Abs. 3 StGB.
524b) Betrugstat in Zusammenhang mit der P. GmbH (Tat 2 des Urteils = Fälle 11899 der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Köln 116 Js 1303/19)
525Betreffend die Tathandlung des Angeklagten im Zusammenhang mit der P. GmbH bis April 2019 ist die Kammer erneut von dem Strafrahmen des § 263 Abs. 5 StGB ausgegangen Die Kammer ist unter Berücksichtigung der allgemeinen Strafzumessungserwägungen nicht zu der Annahme eines minder schweren Falls gekommen.
526Bei der hierbei gebotenen Gesamtwürdigung aller für und gegen den Angeklagten I. sprechenden Gesichtspunkte hat die Kammer folgende, bereits zu Tat 1 des Urteils dargestellten allgemeinen Strafmilderungsgründe berücksichtigt: Geständnis, Unrechtseinsicht, Aufklärung über seine Tatbeteiligung hinaus, Verkürzung der Hauptverhandlung, Untersuchungshaft, Lebensalter, Schadenswiedergutmachung, Einfluss Dritter. Hinsichtlich deren Darstellung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Strafzumessungserwägungen zu Tat 1 des Urteils Bezug genommen.
527Abweichend von Tat 1 ist in Tat 2 des Urteils zu berücksichtigen, dass der Angeklagte I. nicht mehr als Geschäftsführer der Gesellschaften nach außen hin aufgetreten ist, sondern eher im Hintergrund als Bindeglied zwischen den Ausführenden und den Hintermännern tätig geworden ist und damit in der Hierarchie der Bande aufgestiegen ist. Die Stellung des Angeklagten I. innerhalb der Bande ist deshalb nur noch schwach strafmildernd zu berücksichtigen.
528Die Kammer hat auch strafmildernd berücksichtigt, dass die Tat 2 des Urteils (betrifft den Zeitraum der Versendung von Offertenschreiben von November 2018 bis April 2019) bereits mehr als eineinhalb Jahre zurückliegt. Mildernd ist weiter die lange Verfahrensdauer zu werten, da er bereits seit Herbst 2019 Kenntnis von dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Köln hat.
529Ferner hat die Kammer zu Gunsten des Angeklagten I. berücksichtigt, dass bei ihm infolge der wiederholten Tatbegehung die Hemmschwelle gesunken ist.
530Zu Lasten des Angeklagten I. sind wiederum seine zu Tat 1 dargestellten einschlägigen strafrechtlichen Vorverurteilungen zu werten.
531Gegen den Angeklagten I. ist der Schaden in diesem Tatzeitraum von 1.499.136,90 € anzuführen. Die Schadenshöhe wird jedoch dadurch relativiert, dass er lediglich einen Beuteanteil von 250.000,00 € erhielt.
532Schwach strafschärfend war hier zu berücksichtigen, dass er die vorliegende Tat nach Erlangung der Kenntnis über das gegen ihn durch die Staatsanwaltschaft Düsseldorf geführte Ermittlungsverfahren begangen hat. Die von diesem Verfahren ausgehende Warnfunktion hielt den Angeklagten I. jedoch nicht von der Begehung der Tat 2 des Urteils ab. Von den Ermittlungen in Düsseldorf erlangte der Angeklagte I. bereits im Sommer 2018, zeitlich gesehen also vor der zu betrachtenden Tat 2 des Urteils, Kenntnis. Seinem Verteidiger, Herrn RA Dr. JK., wurde im August 2018 Akteneinsicht gewährt. Auch ließ sich der Angeklagte I. im Oktober 2018 in dem dortigen Verfahren zur Sache ein. Dabei hat die Kammer nicht unberücksichtigt gelassen, dass die Erhebung der Anklage in dem Düsseldorfer Verfahren erst im September 2019 erfolgte und im Übrigen bis zu einer Verurteilung die Unschuldsvermutung besteht.
533Vertypte Strafmilderungsgründe sind nicht gegeben. Weder handelte der Angeklagte I. in einem Verbotsirrtum, noch kommt eine Aufklärungshilfe oder eine verminderte Schuldfähigkeit in Betracht.
534c) Betrugstat in Zusammenhang mit der P. GmbH (Tat 3 des Urteils = Fälle 19002417 der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Köln 116 Js 1303/19)
535Zur Überzeugung der Kammer ist auch bezüglich dieser Tathandlung der Strafrahmen des § 263 Abs. 5 StGB zugrunde zu legen.
536Die Kammer ist unter Berücksichtigung der allgemeinen Strafzumessungserwägungen nicht zu der Annahme eines minder schweren Falls gekommen. Auch hier hat die Kammer alle für und gegen den Angeklagten I. sprechende Gesichtspunkte in eine Gesamtwürdigung einbezogen.
537Zu Gunsten des Angeklagten I. hat die Kammer folgende, bereits zu Tat 1 des Urteils dargestellten Strafmilderungsgründe berücksichtigt: Geständnis,Unrechtseinsicht, Aufklärung über seine Tatbeteiligung hinaus, Verkürzung der Hauptverhandlung, Untersuchungshaft, Lebensalter, Schadenswiedergutmachung, Einfluss Dritter. Hinsichtlich deren Darstellung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Strafzumessungserwägungen zu Tat 1 des Urteils Bezug genommen.
538Zu Gunsten des Angeklagten I. ist anzuführen, dass infolge der wiederholten Tatbegehung die Hemmschwelle für die Begehung der Tat 3 des Urteils weiter gesunken ist.
539Weiter hat die Kammer zu seinen Gunsten den Abstand zwischen Tat 3 des Urteils und dem Zeitpunkt des Urteils von fast eineinhalb Jahren sowie die Dauer des Ermittlungsverfahrens, von dem er im Herbst 2019 Kenntnis erlangte, berücksichtigt.
540Zu Gunsten des Angeklagten I. hat die Kammer auch seine Stellung im Gesamtgefüge berücksichtigt. Anders als in Tat 2 des Urteils wirkte er in Tat 3 des Urteils wieder bei der Abhebung des eingegangenen Geldes bei den Banken mit und trat damit wieder mehr in den Vordergrund. Damit ging eine höhere Gefahr der Entdeckung einher, die sich am 23.07.2019 schließlich auch verwirklichte.
541Zu seinen Lasten ist auch in Fall 3 des Urteils der eingetretene Schaden, eine Summe von 410.053,86 €, zu würdigen. Hierbei hat die Kammer jedoch relativierend bedacht, dass er lediglich einen Beuteanteil von 62.125,00 € erhielt.
542Ferner sind wie in Tat 2 des Urteils zu Lasten des Angeklagten dessen einschlägige Vorstrafen und die Warnfunktion des anhängigen Ermittlungsverfahrens zu werten.
543Vertypte Strafmilderungsgründe sind in Tat 3 des Urteils nicht ersichtlich.
5442. Einzelstrafen
545Ausgehend von den in den Taten 1 bis 3 des Urteils jeweils gefundenen Strafrahmen hat die Kammer bei der Bemessung der Einzelstrafen für den Angeklagten I. erneut die nach Maßgabe des § 46 StGB für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte abgewogen. Hierbei hat sie sämtliche bereits bei der Strafrahmenwahl zu den einzelnen Taten des Urteils genannten Strafzumessungsgesichtspunkte berücksichtigt. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
546Zu Tat 1 hat sie nochmals (trotz Verbrauchs des vertypten Strafzumessungsgesichtspunkts des § 17 S. 2 StGB bei der Strafrahmenwahl) zugunsten des Angeklagten I. — wenn auch mit geringerem Gewicht —berücksichtigt, dass er bei Begehung der Tat einem vermeidbaren Verbotsirrtum unterlag. Ferner hat sie Besonderheiten der Tat 1 des Urteils gewürdigt, in etwa mildernd den geringen Beuteanteil von „nur" 6.000 € nebst der Nutzung teurer Autos, die Stellung innerhalb der Bande, der Abstand von mehr als zwei Jahren zwischen Abschluss der Tat und dem Urteil sowie die Dauer des Ermittlungsverfahrens von mehr als zwei Jahren. Als Besonderheit in Tat 1 des Urteils hat sie in etwa schärfend die hohe Schadenssumme von rund 500.000,00 € — relativiert durch den geringen Beuteanteil — gewertet.
547Zu Tat 2 des Urteils hat sie in etwa folgende Besonderheiten mildernd berücksichtigt: Die gesunkene Hemmschwelle, die Stellung innerhalb der Bande, auch wenn er innerhalb der Hierarchie aufgestiegen ist (schwach strafmildernd) sowie den zeitlichen Abstand zwischen Tat und Urteil sowie die Verfahrensdauer. Strafschärfend hat sie in etwa die Besonderheit gewürdigt, dass sich der Schaden auf fast anderthalb Millionen € beläuft, relativiert durch den Beuteanteil von 250.000 €, sowie (schwach strafschärfend) die Missachtung der Warnfunktion des dem Angeklagten I. bekannten Ermittlungsverfahrens in Düsseldorf.
548Bezogen auf Tat 3 des Urteils hat die Kammer in etwa folgende Aspekte strafmildernd berücksichtigt: Die weiter gesunkene Hemmschwelle, die Stellung innerhalb der Bande — er war wieder im Vordergrund tätig und trug das Entdeckungsrisiko, was sich letztendlich auch realisierte — sowie den zeitlichen Abstand zwischen Tat und Urteil sowie die Verfahrensdauer. Strafschärfend hat sie in etwa die Besonderheit gewertet, dass sich der Schaden auf rund 410.000 € belief, relativiert durch seinen Beuteanteil von 62.125,00 € sowie (schwach strafschärfend) die Missachtung der Warnfunktion des dem Angeklagten I. bekannten Ermittlungsverfahrens in Düsseldorf.
549Nach Gesamtabwägung der Strafzumessungskriterien hat die Kammer auf folgende schuldangemessenen Einzelstrafen erkannt:
550Tat 1 des Urteils im Zusammenhang mit der M. GmbH:
551ein Jahr und neun Monate Freiheitsstrafe
552185
553Tat 2 des Urteils im Zusammenhang mit der P. GmbH (1. Teil):
554zwei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe
555Tat 3 des Urteils im Zusammenhang mit der P. GmbH (2.TeiI):
556ein Jahr und neun Monate Freiheitsstrafe.
5573. Bildung einer Gesamtstrafe
558Aus den Einzelfreiheitsstrafen hat die Kammer gemäß §§ 53 Abs. 1, 54 StGB eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet. Dies erfolgte durch Erhöhung der höchsten Einzelfreiheitsstrafe, der Einsatzstrafe aus Tat 2 des Urteils.
559Dabei hielt sie unter nochmaliger Heranziehung und Abwägung aller für und wider den Angeklagten I. sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte nach dem Gesamtbild der Taten, der Persönlichkeit des Angeklagten und seinen persönlichen Verhältnissen, insbesondere auch mit Blick auf die, erlittene Untersuchungshaft, eine
560Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten
561für erforderlich, aber auch ausreichend, um den Angeklagten das Unrecht seiner Taten hinreichend vor Augen zu halten und ihn selbst von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten.
562III. Angeklagter L.
563Bezüglich des Angeklagten L. war in Tat 2 des Urteils von dem Strafrahmen des § 263 Abs. 5 StGB auszugehen.
564Die Kammer hat die Annahme eines minder schweren Falles gemäß § 263 Abs. 5 StGB geprüft, jedoch im Ergebnis abgelehnt.
565Dabei war zunächst zu berücksichtigen, dass der Angeklagte L. in einem frühen Verfahrensstadium ein umfassendes Geständnis abgelegt hat, das erkennbar von Reue und Einsicht getragen war und das sich erheblich verfahrensverkürzend ausgewirkt hat. Er hat die Fragen der Verfahrensbeteiligten umfangreich beantwortet und auch Angaben über seinen Tatbeitrag hinaus gemacht. Er hat sich deutlich von seiner Tat distanziert.
566Seine Lebensverhältnisse stabilisierten sich nach der Tatbegehung. Derzeit geht er erfolgreich seinem Studium nach.
567Zu seinen Gunsten war auch zu berücksichtigen, dass er einen Betrag in Höhe von 43.500,00 EUR zur Schadenswiedergutmachung zur Verfügung gestellt hat.
568Der von ihm bei der Tat aufgewendete Wille ist auch zu seinen Gunsten zu berücksichtigten. Er ist von Dritten mitbeeinflusst worden und hat sich in der Bandenhierarchie eher auf unterer Stufe befunden.
569Zu seinen Lasten und damit gegen die Annahme eines minder schweren Falles spricht indes der entstandene Schaden in Höhe von 1.478.752,41 €.
570Vertypte Strafmilderungsgründe sind nicht gegeben. Unter erneuter Abwägung sämtlicher für den Angeklagten L. sprechenden Umstände sowie unter Beachtung des Gesamtbildes der Tat, der Persönlichkeit des Angeklagten und seiner persönlichen Verhältnisse hält die Kammer
571eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren
572für tat- und schuldangemessen sowie zum Erreichen sämtlicher Strafzwecke als erforderlich, aber auch ausreichend.
573Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe konnte gemäß § 56 Abs. 1, 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Dem Angeklagten ist eine positive Sozialprognose zu stellen und die Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten ergibt, dass besondere Umstände vorliegen, die erwarten lassen, dass er sich die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und auch ohne Einwirkung des Strafvollzuges, namentlich unter Eindruck der Bewährungsauflagen, keine Straftaten mehr begehen wird. Durch das unmittelbare Geständnis hat der Angeklagte Einsicht in sein Fehlverhalten und Reue gezeigt. Seine Lebensverhältnisse haben sich weiter stabilisiert. Er geht seinem Studium nach. Auch ist er bislang nicht erheblich bzw. einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten.
574Auch gebietet die Verteidigung der Rechtsordnung nicht die Vollstreckung der Freiheitsstrafe, § 56 Abs. 3 StGB. Es liegen insbesondere keine auf den Einzelfall bezogenen schwerwiegenden Besonderheiten vor, die eine Strafaussetzung schlechthin für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen ließen und das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts und den Schutz der Rechtsordnung vor kriminellen Angriffen erschütterten.
575IV. Angeklagter S.
576Bei der Strafzumessung für den Angeklagten S. hat sich die Kammer von folgenden Erwägungen leiten lassen:
5771. Strafrahmen
578Hinsichtlich der verwirklichten Taten am 11.04.2019 und am 07.05.2019 ist die Kammer jeweils von dem Strafrahmen des § 271 Abs. 3 Var. 1 StGB ausgegangen.
579Bei der Bestimmung der Einzelstrafen hat die Kammer zugunsten des Angeklagten S. zunächst sein frühes und umfangreiches Geständnis gewertet. Es handelte sich bei dem Notar Dr. MH. um eine Spontantat. Der Angeklagte S. hat über einen Zeitraum von sechseinhalb Monaten Untersuchungshaft erlitten. Vor dem Hintergrund seiner Erkrankung war er besonders haftempfindlich, was die Kammer zu seinen Gunsten berücksichtigt hat. Zudem ist strafmildernd die lange Verfahrensdauer zu berücksichtigen. Die Kammer hat zu Gunsten des Angeklagten S. gewertet, dass er zur Aufklärung der vorliegenden Taten beitragen wollte und den Strafverfolgungsbehörden weitere Ermittlungsansätze in Form eines Instagram-Videos offenbart hat. Andererseits hat die Kammer zu seinen Lasten berücksichtigt, dass er schon mehrfach strafrechtlich, wenn auch nicht einschlägig, in Erscheinung ist, und dass er jeweils zwei Taten tateinheitlich verwirklicht hat.
580Betreffend des Geschehens am 23.07.2019 ist die Kammer zunächst von dem Strafrahmen des § 261 Abs. 4 StGB ausgegangen. Ein Entfallen der Regelwirkung hat die Kammer unter Berücksichtigung der allgemeinen Strafzumessungserwägungen abgelehnt. Da die Tat des Angeklagten S. indes im Versuch geblieben ist, hat die Kammer geprüft, ob ein Entfallen der Regelwirkung angesichts dieses vertypten Strafmilderungsgrundes des § 23 Abs. 2 StGB in Betracht kommt, im Ergebnis jedoch abgelehnt, weil eine Milderung des Strafrahmens gemäß §§ 23 Abs. 1 und 2, 49 Abs. 1 StGB für den Angeklagten, dessen verwirklichtes Unrecht die Kammer im unteren Bereich des Strafrahmens ansiedelt, günstiger ist.
581Zugunsten des Angeklagten S. hat die Kammer berücksichtigt, dass er teilgeständig war, über einen langen Zeitraum Untersuchungshaft erlitten hat und besonders haftempfindlich war.
5822. Einzelstrafe
583Unter nochmaliger Abwägung sämtlicher für und gegen den Angeklagten S. sprechenden Umstände hat die Kammer folgende Einzelstrafen als tat- und schuldangemessen sowie zum Erreichen sämtlicher Strafzwecke als erforderlich, aber auch ausreichend angesehen:
584Tat am 11.04.2019: eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten,
585Tat am 07.05.2019: eine Geldstrafe von neunzig Tagessätzen zu je 10 €,
586Tat am 23.07.2019: eine Geldstrafe von neunzig Tagessätzen zu je 10 €.
587189
588Die Kammer hat die Verhängung von kurzen Freiheitsstrafen gemäß § 47 Abs. 1 StGB nicht für unerlässlich gehalten.
5893. Gesamtstrafe
590Aus diesen Einzelstrafen hatte die Kammer gemäß §§ 53, 54 StGB durch Erhöhung der höchsten Einzelstrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe eine Gesamtstrafe zu bilden. Die Kammer hat unter nochmaliger Heranziehung und Abwägung aller Strafzumessungsgesichtspunkte nach dem Gesamtbild der Taten, der Persönlichkeit des Angeklagten S., seinen persönlichen Verhältnissen und dem HH. seines Verschuldens eine
591Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten
592für erforderlich, aber auch ausreichend gehalten, um dem Angeklagten das Unrecht seiner Taten hinreichend vor Augen zu halten und ihn von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten.
593Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe konnte gemäß § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Dem Angeklagten ist eine positive Sozialprognose zu stellen. Es ist zu erwarten, dass sich der Angeklagte S. die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und auch ohne Einwirkung des Strafvollzuges, namentlich unter Eindruck der Bewährungsauflagen, keine Straftaten mehr begehen wird. Der Angeklagte hat Einsicht in sein Fehlverhalten und Reue gezeigt.
594G. Vermögensabschöpfung und Einziehung
595Einziehungsentscheidung zu Lasten der Einziehungsbeteiligten M. GmbH
596Die Entscheidung über die Einziehung von Taterträgen beruht auf §§ 73 Abs. 1, 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 2a, 73c S. 1 StGB.
597190
598Hinsichtlich der M. GmbH war gemäß §§ 73 Abs. 1, 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 2a, 73c S. 1 StGB die Einziehung des Wertes des seinerseits durch die Tat Erlangten anzuordnen, namentlich die Summe der aus den im Zeitraum vom 07.12.2017 bis zum 04.06.2018 auf den Konten der M. GmbH eingehenden Gelder. Diese beläuft sich auf 512.557,20 €.
599Die M. GmbH wurde von den Tatbeteiligten als leere Hülle für die in Zusammenhang mit der Versendung von Offertenschreiben liegenden Tathandlungen genutzt. Es kam zu keiner Entfaltung einer besonderen Geschäftstätigkeit insbesondere zu keinen für eine Gesellschaft üblichen Geschäftshandlungen. Sie war lediglich Inhaberin der genutzten Geschäftskonten. Mithin ist sie Drittbegünstigte. Bei den eingegangenen Geldern handelt es sich um aus rechtswidrigen Taten, erlangten Vermögenswerte.
600II. Einziehungsentscheidung zu Lasten der Einziehungsbeteiligten P. GmbH
601Die Entscheidung über die Einziehung von Taterträgen beruht auf §§ 73 Abs. 1, 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 2a, 73c S. 1, 73e Abs. 1 StGB.
602Demnach war die Einziehung des Wertes des seinerseits durch die Tat Erlangten in Höhe von 1.780.054,52 € anzuordnen. Dabei handelt es sich um die Summe aller in dem Zeitraum vom 09.11.2018 bis zum 23.07.2019 auf den Geschäftskonten der P. GmbH eingegangenen Gelder. Auszugehen war, demnach zum einen von einer Summe von 1.499.136,90 € (betrifft Tat 2 des Urteils) und zum anderen von einer Summe von 410.053,86 € (betrifft Tat 3 des Urteils).
603Die P. GmbH wurde von den Tatbeteiligten als leere Hülle für die in Zusammenhang mit der Versendung von Offertenschreiben liegenden Tathandlungen genutzt. Es kam zu keiner Entfaltung einer besonderen Geschäftstätigkeit, insbesondere zu keinen für eine Gesellschaft üblichen Geschäftshandlungen. Sie war lediglich Inhaberin der genutzten Geschäftskonten, von denen das Geld schnellstmöglich abgehoben wurde nach Eingang. Mithin ist sie Drittbegünstigte. Bei den eingegangenen Geldern handelt es sich um aus rechtswidrigen Taten erlangten Vermögenswerte.
604Gemäß § 73e Abs. 1 StGB waren die durch Zahlungsrückrufe erfolgten Stornierungen zu berücksichtigen, weil insoweit die Ansprüche der Geschädigten gemäß § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung erloschen sind. Stornierungen erfolgten bei der XG., der RG., der Sparkasse BA. sowie der TJ.Bank in Höhe von insgesamt 126.609,92€. Ebenso waren die durch den Angeklagten O. geleisteten Zahlungen an die Gläubiger in den Fällen 254 oder 255, 774 und 1894 der Anklagen von insgesamt 2.363,27 € abzuziehen. Unberücksichtigt blieben ferner die gemäß § 154 a StPO beschränkten Fälle, die eine Summe von 952,79 € ausmachen.
605III. Einziehungsentscheidung zu Lasten des Angeklagten O.
606Die Entscheidung über die Einziehung von Taterträgen zu Lasten des Angeklagten O. beruht auf §§ 73 Abs. 1, 73c S. 1, 73e Abs. 1 StGB.
607Da der Angeklagte O. die durch seine rechtswidrige Tat bereicherte Gesellschaft, die P. GmbH, als Geschäftsführer nur als formalen Mantel nutzte, ohne dass deren Vermögenssphäre von seiner eigenen getrennt war bzw. weil die Erträge aus den Taten stets an ihn als Täter weitergeleitet worden sind, hatte er im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB die betreffenden Vermögenswerte bereits dann erlangt, als sie der Gesellschaft zugeflossen sind.
608Die Kammer hat berücksichtigt, dass die Anordnung der Einziehung von Taterträgen grundsätzlich voraussetzt, dass der Betroffene den Vermögenswert tatsächlich erlangt hat. Erforderlich ist die tatsächliche Verfügungsgewalt, bei Mittätern zumindest die wirtschaftliche Mitverfügungsgewalt. Dagegen genügt eine Vermögensmehrung bei einem Drittbegünstigten zum Nachteil des Täters nicht. Vielmehr kann in diesem Fall bei dem Tatunbeteiligten Drittbegünstigten die Einziehung von Taterträgen gemäß § 73 b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB angeordnet werden. Ausgangspunkt dieser Vorschrift ist nämlich, dass der Drittbegünstigte als Rechtssubjekt über eine eigene Vermögensmasse verfügt, die von dem Vermögen des Täters zu trennen ist. Dies ist grundsätzlich auch bei rechtsfähigen Personengesellschaften der Fall. Handelt der Täter für eine solche Gesellschaft und tritt die Vermögensmehrung ausschließlich bei ihr ein, kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass der Täter eigene Verfügungsgewalt über das Erlangte hat. Für die Anordnung der Einziehung von Taterträgen gegen den Täter bedarf es daher einer über die faktische Verfügungsgewalt hinausgehende Feststellung, dass er selbst etwas erlangte, was zu einer Änderung der Vermögensbilanz führte. Umstände, die eine solche Feststellung rechtfertigen, können namentlich darin liegen, dass der Täter die juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft als formalen Mantel nutzt, eine Trennung zwischen seiner eigenen Vermögenssphäre und derjenigen der Gesellschaft aber tatsächlich nicht vornimmt, oder darin, dass jeder aus der Tat folgende Vermögenszufluss an die Gesellschaft sogleich an den Täter weitergeleitet wird (vgl. zu dem Vorstehenden, BGH, Beschluss v, 06.06.2019, 1 StR 75/19).
609Dies ist vorliegend der Fall. Die Gesellschaft wurde einzelfallbezogen für das gemeinsame Vorhaben der Versendung von „Offertenschreiben" gegründet. Eine andere geschäftliche Tätigkeit hat die Gesellschaft nicht ausgeübt. Die auf den Konten eingegangenen Gelder der Gesellschaft sind stets unmittelbar, zumeist noch am gleichen Tag, allein durch den Angeklagten O. in bar abgehoben worden. Somit wurde das Vermögen der Gesellschaft unmittelbar zum Vermögen des Angeklagten O..
610Ausgegangen ist die Kammer daher zunächst von der Summe der auf den Geschäftskonten der P. GmbH eingegangenen Geldern in Höhe von 1.499.136,90 €. Davon abzuziehen war zum einen der Betrag in Höhe von 20.384,49 €. Dabei handelt es sich um die Summe der eingehenden Überweisungen, die nach dem 12.04.2019, dem Zeitpunkt an dem der Angeklagte O. seine Tätigkeit als Geschäftsführer der Gesellschaft aufgegeben hatte und aus der Sache „ausgestiegen" war, eingegangen waren, mit der Folge, dass diese Vermögensmehrung ihm nicht mehr unmittelbar zuzurechnen war. Zum anderen sind wiederum die infolge von Stornierungen der Banken und durch den Angeklagten O. erfüllten Forderungen gemäß § 73e Abs. 1 StGB in Höhe von insgesamt 123.625,94 € abzuziehen.
611Unerheblich ist bei der gebotenen gegenständlichen (tatsächlichen) Betrachtungsweise dagegen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Täter oder Teilnehmer eine unmittelbar aus der Tat gewonnene (Mit-)Verfügungsmacht später aufgegeben hat und der zunächst erzielte Vermögenszuwachs durch Mittelabflüsse bei Beuteteilung gemindert wurde (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 215/10). Daher bleibt es für den Angeklagten O. unberücksichtigt, dass er sogar den überwiegenden Teil der Beute entsprechend des gemeinsam zuvor gefasstenTatplans an den Angeklagten L. übergeben hat. Ebenso bleiben die Kosten, die es benötigte, um die Tatserie aufrecht zu erhalten (Druck und Versenden der Schreiben), aufgrund des geltenden Nettoprinzips gem. § 73d Abs. 1 S. 2 StGB unberücksichtigt.
612IV. Einziehungsentscheidung zu Lasten des Angeklagten L.
613Die Entscheidung über die Einziehung von Taterträgen zu Lasten des Angeklagten L. beruht auf §§ 73 Abs. 1, 73c S. 1, 73e Abs. 1 StGB.
614Der Angeklagte L. hatte keinen formalen Bezug zu der als Mantel genutzten P. GmbH und keine faktische Zugriffsmöglichkeit auf deren Konten. Aufgrund dessen ist nicht von einer faktischen Verschmelzung der Vermögensmasse der Gesellschaft und der des Angeklagten L. auszugehen. Demnach richtet sich die gegen ihn angeordnete Wertersatzeinziehung gemäß §§ 73 Abs. 1, 73c S. 1 StGB auf das, was er tatsächlich erlangt, also in den Händen gehalten hat.
615In diesem Sinn ist die Kammer zunächst von der durch den Angeklagten O. tatsächlich abgeholten Summe ausgegangen. Dabei handelte es sich um einen Betrag von 1.274.059,37 €. Da der Angeklagte O. sich aus dem abgehobenen Geld wöchentlich 1.000,00 € entnommen hat, wurde für die entsprechenden Kalenderwochen, in denen der Angeklagte O. im vorbeschriebenen Sinne tätig geworden ist, ein Betrag in Höhe von 17.000,00 € abgezogen. Ferner hat die Kammer gemäß § 73e Abs. 1 StGB die durch den Angeklagten O. erfüllten Forderungen sowie die nach § 154a StPO beschränkten Fälle berücksichtigt (3.316,06 €). Den übrigen Betrag hat der Angeklagte L. durch die Treffen in X. von dem Angeklagten O. übergeben bekommen, die Geldbeträge gezählt und in entsprechende Umschläge verpackt. Damit hatte er die tatsächliche Verfügungsmacht inne. Unberücksichtigt bleibt erneut, dass er die erlangte Verfügungsmacht später wieder aufgegeben hat, in dem er die Anteile an den Angeklagten O. einerseits und an den Angeklagten I. andererseits weitergegeben hat.
616V. Einziehungsentscheidung zu Lasten des Angeklagten I.
617Die Entscheidung über die Einziehung von Taterträgen zu Lasten des Angeklagten I. beruht auf §§ 73 Abs. 1, 73c S. 1, 73e Abs. 1 StGB. Zu unterscheiden ist zwischen der Einziehung von Wertersatz betreffend der M. GmbH und der P. GmbH.
6181. M. GmbH
619Wie bereits zuvor, unter G. III. dargestellt, ist auch von einer Verschmelzung der Vermögensmasse der M. GmbH und der des Angeklagten I. in der Form auszugehen, dass er diese als leeren Mantel nutzte. Auch die M. GmbH wurde eigens für die vorliegende Tat gegründet. Eine andere geschäftliche Tätigkeit entfaltete sie nicht. Der Angeklagte I. war damit betraut jeden Tag die eingegangenen Gelder von den genutzten Konten abzuholen. Da der Angeklagte I. alle Gelder unmittelbar abhob, kam der Gesellschaft keine eigene von der des Angeklagten I. zu trennende Vermögensmasse zu. Dabei hat die Kammer auch berücksichtigt, dass die M. GmbH einen Steuerberater hatte, der eine Jahresbilanz erstellt hat. Auch führte die M. GmbH Steuern ab. Diese Gelder stammten indes aus den Rücklagen, die aus dem von dem Angeklagten I. abgehobenen Geld, gebildet wurden. Auch dies führt nicht zu der Annahme einer ordentlichen Geschäftstätigkeit, da weiterhin keine darüber hinausgehenden üblichen Ausgaben für den Geschäftszweck der Gesellschaft durch sie getroffen wurden. Ebenso bleiben die Kosten, die es benötigte, um die Tatserie aufrecht zu erhalten (Druck und Versenden der Schreiben), aufgrund des geltenden Nettoprinzips gern. § 73d Abs. 1 S. 2 StGB unberücksichtigt.
620Demnach ist das auf den Konten der M. GmbH eingegangene Geld, die eingetretene Vermögensmehrung aufgrund dieser faktischen Verschmelzung der Vermögensmassen dem Angeklagte I. zuzurechnen, mit der Folge, dass eine Wertersatzeinziehung in Höhe von 512.557,20 € anzuordnen war.
6212. P. GmbH
622In Bezug auf die P. GmbH hatte der Angeklagte I. keine Mitverfügungsmacht an der Vermögensmasse der Gesellschaft. Weder war er Geschäftsführer der Gesellschaft noch war es ihm möglich Geld von den Konten abzuholen. Maßgeblich kam es daher auf das von dem Angeklagten I. gemäß § 73 Abs. 1 StGB „Erlangte" an.
623Die Kammer ist bezüglich des Zeitraums vom 09.11.2018-26.04.2019 daher zunächst von dem tatsächlich durch den Angeklagten O. abgehobenen Bargeldbetrag in Höhe von 1.274.059,37 € ausgegangen. Da die Angeklagten übereinstimmend angegeben haben, jeweils einen Gewinn in Höhe von 250.000,00 € erhalten zu haben, hat die Kammer von dem abgehobenen Betrag 500.000,00 € (Anteile des Angeklagten O. und L.) abgezogen, denn über diesen Betrag hatte der Angeklagte, I. keine faktische Verfügungsmacht und hat diesen nicht unmittelbar erlangt. Gemäß § 73e S. 1 StGB ist ferner die Einziehung der Summe der nach § 154a StPO beschränkten Fälle und der durch den Angeklagten O. erfüllten Forderungen (3.316,06 €) ausgeschlossen.
624Nach dem Ausscheiden der Angeklagten O. und L. hat der Angeklagte I. es ab dem 26.04.2019 bis zum 23.07.20219 übernommen, gemeinsam mit dem Angeklagten S., die auf, den Konten eingegangenen Gelder am Geldautomaten bzw. am Schalter bei den Banken durch die dem Angeklagten S. eingeräumte Verfügungsbefugnis über die Konten der P. GmbH bei der Sparkasse AW. und der TJ.Bank abzuholen. Dabei handelte es sich um eine Summe von 330.434,66 €. Diesen Betrag hat der Angeklagte I. unmittelbar erlangt, denn er hat die ausgezahlten Beträge stets vollständig von dem Angeklagte S. übergeben bekommen. Die im Nachgang zu den Abhebungen an den Angeklagten S. übergebenen 500,00 € bleiben genauso unberücksichtigt wie der an die Hintermänner weitergegebene Kosten- und Gewinnanteil.
625VI. Einziehungsentscheidung zu Lasten des Angeklagten S.
626Hinsichtlich des Angeklagten S. war gemäß §§ 73 Abs. 1 1. Alt., 73c S. 1, 73d Abs. 1 StGB die Einziehung des Wertes des seinerseits durch die Taten Erlangten anzuordnen, namentlich der ihm für die Wahrnehmung des Notartermins überreichten 3.000,00 € sowie der am 07.05.2019 übergebenen 500,00 €, die ihm im Zusammenhang mit der Umschreibung der Geschäftskonten auf den DJ. standen. Wie bereits dargelegt, ist es unerheblich, wenn der Täter eine durch die Tat erlangte Verfügungsmacht später wieder aufgibt.
627VII. Gesamtschuldnerische Einziehung
6281. M. GmbH
629Hinsichtlich eines Einziehungsbetrages in Höhe von 512.557,20 € haften die M. GmbH und der Angeklagte I. als Gesamtschuldner.
6302. P. GmbH
631Bezogen auf den Tatzeitraum vom 09.11.2018-12.04.2019 ist eine, gesamtschuldnerische Haftung der P. GmbH, des Angeklagten O., des Angeklagten L. und des Angeklagten I. in Höhe von 770.743,31 anzuordnen. Für die P. GmbH, die Angeklagten O. und L. ferner eine gesamtschuldnerische Haftung in Höhe weiterer 483.000,00 und darüber hinaus für die P. GmbH und den Angeklagten O. in Höhe weiterer 102.172,90 €. Für den Zeitraum vom 26.04.2019 bis zum 23.07.2019 beläuft sich die gesamtschuldnerische Haftung der P. GmbH, und des Angeklagten I. auf 330.434,66 €.
632H. Tellfreispruch im Übrigen bezüglich dem Angeklagten S.
633Mit der Anklageschrift vom 10.02.2020 -116 Js 1303/19— hat die Staatsanwaltschaft Köln dem Angeklagten S. in 1899 Fällen einen gewerbsmäßigen Bandenbetrug und in weiteren 518 Fällen einen gemeinschaftlichen Betrug mit dem Angeklagten I. nach dem vorgenannten modus operandi vorgeworfen.
634Die Staatsanwaltschaft hat dem Angeklagten S. zur Last gelegt, dass dieser in dem Zeitraum vom 09.11:2018-26.04.2019 zusammen mit dem Angeklagten I. organisatorisch im Hintergrund der Bande tätig geworden sei und 25 % des Gewinns erhalten und in dem Zeitraum vom 26.04.2019-23.07.2019 federführend mit dem Angeklagten I. die Abholung der Gelder bei den Banken durchgeführt habe.
635Der Angeklagte S. war aus tatsächlichen Gründen freizusprechen, da sich aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht mit dem erforderlichen Maß an Sicherheit feststellen ließ, dass er im erstgenannten Zeitraum überhaupt in irgendeiner Weise in das Geschehen eingebunden war und im zweiten Zeitraum in hinreichendem Maße Kenntnis der Vorgehensweise der übrigen Täter beziehungsweise der deliktischen Herkunft der Gelder hatte.
636Seine Schuld konnte danach unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt festgestellt werden. Insbesondere kam betreffend die durch den Angeklagten S. vor dem 14.06.2019 durchgeführten Bargeldabhebungen auch keine etwaige Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Betrug oder Begünstigung in Betracht. Insoweit fehlte es ihm an dem Vorsatz in Bezug auf die Vortat. Zudem war der durch die übrigen Angeklagten begangene Betrug mit dem Eingang der Gelder auf den Konten bereits vollendet. Eine Begünstigung scheiterte an der erforderlichen Absicht dem Angeklagten I. die Vorteile der Tat zu sichern. Nach den unwiderlegten Angaben des Angeklagten S. glaubte er daran, dass das Geld aus EC. stamme und er einem Bekannten, dem Zeugen UI. behilflich sei, weil dieser wegen einer Schufa-Sperre das Geld selber nicht abholen könne. Auch eine leichtfertige Geldwäsche kam zur Überzeugung der Kammer nicht in Betracht. Insoweit konnte zur Überzeugung der Kammer nicht festgestellt werden, dass der Angeklagten S. leichtfertig nicht erkannt hat, dass die Gelder aus einer gewebsmäßigen Bandenbetrugstat stammen könnten. Zeitlich vor dem gemeinsam mit dem Angeklagten I. und dem Zeugen FB. geführten Gespräch, in dem der Angeklagte I. versucht hat, den Zeugen davon zu überzeugen, dass es sich um keinen Betrug handele, ergeben sich ausweislich der durchgeführten Hauptverhandlung keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte S. hätte erkennen können oder auch leichtfertig nicht erkannt hat, dass es sich um sog. Offertenbetrügereien gehandelt hat.
637J. Keine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung
638Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens und des gerichtlichen Verfahrens ist es nicht zu einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung gekommen. Die Anklageschrift gegen den Angeklagten I. ist bei dem Landgericht Düsseldorf am 16.09.2019 und die gegenständlichen Anklageschriften der Staatsanwaltschaft Köln bei der Kammer am 29.11.2019 und 13.02.2020 eingegangen. Die Entscheidung über die Eröffnung und Verbindung der hier angeklagten Verfahren ist mit Beschluss der Kammer vorn 27.03.2020 erfolgt. Auf Antrag des Angeklagten I. und seines Verteidigers Rechtsanwalt KD. ist das Düsseldorfer Verfahren übernommen und hier mit Beschluss vom 15.06.2020 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden. Das Landgericht Düsseldorf hatte die Anklage der Staatsanwaltschaft Düsseldorf bereits mit Beschluss der Kammer vom 23.03.2020 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren gegen den Angeklagten I. eröffnet. Die am 15.06.2020 begonnene und aufgrund einer schweren Erkrankung der Schöffin ausgesetzte Hauptverhandlung stellt vor dem Hintergrund, dass die Kammer bereits am 10.08.2020 erneut mit der Hauptverhandlung begonnen hat, keine rechtsstaatswidrige Verzögerung dar.
639K. Kosten
640Die Entscheidung über die Kosten und Auslagen beruht auf §§ 464 Abs. 1, 2, 465 Abs. 1, 466, 467 Abs. 1StPO.
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