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§§ 143, 129, 133 InsO; § 242 BGB
Zahlt ein Insolvenzverwalter zur Ablösung bestehender Absonderungsrechte vereinbarungsgemäß einen Betrag auf die Restforderung der Anfechtungsgegnerin aus mit der Schuldnerin geschlossenen Darlehensverträgen, kann die Anfechtungsgegnerin erwarten, dass der Insolvenzverwalter zuvor pflichtgemäß die insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit der hierauf bisher geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen geprüft hat.
War erkennbar, dass sich der Ablösebetrag auf der Basis und unter Berücksichtigung sämtlicher bis dahin erlangter Leistungen errechnet, durfte die Anfechtungsgegnerin darauf vertrauen, dass die ursprünglichen Zahlungen der Schuldnerin Bestand haben. Eine später gleichwohl erklärte Anfechtung dieser Zahlungen ist aufgrund des durch das Verhalten des Insolvenzverwalters bei der Abwicklung der offenen Ansprüche im Zusammenhang mit der Aufgabe der Sicherheiten durch die Anfechtungsgegnerin geschaffenen Vertrauenstatbestands gemäß § 242 BGB unzulässig.
Hierbei obliegt es der Anfechtungsgegnerin insbesondere nicht, bei Abschluss der
Ablösevereinbarung vorsorglich einen „Vorbehalt der Nichtanfechtbarkeit“ oder eine „Erhöhung der Forderung im Fall einer Anfechtbarkeit“ einzufordern.
Die Berufung des Klägers gegen das am 19.05.2023 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (10 O 413/22) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 21.000,00 € festgesetzt.
I.
2Der Kläger macht als Insolvenzverwalter Rückgewähransprüche gegen die Beklagte geltend.
3Durch Beschluss des Amtsgerichts Chemnitz vom 01.07.2019 – 211 IN 834/19 – wurde auf Eigenantrag vom 14.05.2019 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der im Jahr 2003 gegründeten G. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
4Die Beklagte ist im Wege der Verschmelzung die Rechtsnachfolgerin der U. AG, die vormals unter den Namen J. AG bzw. H. AG firmierte.
5Die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin gewährte der Schuldnerin, deren Geschäftsgegenstand die Herstellung von Backzutaten und deren Vertrieb an Einzelhandelskonzerne umfasste, neben der Vorfinanzierung von Warenlieferungen der D. GmbH & Co. KG u.a. zwei Darlehen vom 09.03.2011 und 24.03.2011 über 629.673,90 € bzw. 433.353,90 € zur Finanzierung von für die Produktion benötigten Maschinen. Beide Darlehen hatten eine Laufzeit von jeweils sieben Jahren und sollten in monatlichen Teilbeträgen von 5.595,35 € bzw. 3.850,83 € zurückgezahlt werden. Zur Besicherung dieser Darlehen wurden die finanzierten Maschinen an die Beklagte sicherungsübereignet.
6Auf die Darlehen leistete die Schuldnerin zwischen dem 16.02.2018 und dem 18.06.2018 zehn Teilzahlungen zu je 1.500,00 €. Am 28.12.2018 zahlte sie an die Beklagte einen weiteren Teilbetrag von 6.000,00 € mit der Folge, dass aus den genannten Darlehen dann noch 30.911,31 € bzw. 57.556,96 € zur Tilgung offenstanden. Diese Rückstände meldete die Beklagte mit Schreiben vom 11.10.2019 zur Insolvenztabelle an.
7Unter dem gleichen Datum machte sie an den finanzierten und an sie sicherungsübereigneten Produktionsmaschinen ein Recht zur Absonderung geltend, woraufhin der Kläger sie unter dem 17.10.2019 dazu aufforderte, zu den angemeldeten Forderungen Nachweise vorzulegen.
8Nachdem er mit E-Mail vom 18.10.2019 die Zahlungsverläufe für das Jahr 2018 erhalten hatte, teilte der Kläger der Beklagten unter dem 28.01.2020 bzw. 25.02.2020 zu den Produktionsmaschinen die ihm vorliegenden Kaufangebote über 50.000,00 € und 110.000,00 € mit. Zugleich kündigte er an, dass mit den Verkaufserlösen die Absonderungsrechte der Beklagten abgegolten werden sollten. Mit E-Mail vom 29.04.2020 setzte der Kläger die Beklagte sodann davon in Kenntnis, dass die beiden Maschinen verwertet worden seien. Auf eine entsprechende Aufforderung teilte die Beklagte dem Kläger unter dem 30.04.2020 die aktuellen Ablösebeträge unter Beifügung der entsprechenden Berechnung mit 59.267,13 € bzw. 31.829,76 € mit. Diese Beträge wurden vom Kläger an die Beklagte überwiesen.
9Der Kläger hat behauptet, die Schuldnerin sei seit dem Jahreswechsel 2017/2018 zahlungsunfähig gewesen. Im Lichte dessen habe die Beklagte die von der Schuldnerin zwischen dem 16.02.2018 und dem 18.06.2018 sowie am 28.12.2018 an sie geleisteten Teilzahlungen an ihn herauszugeben.
10Die Klageabweisung beantragende Beklagte hat behauptet, von einem – bestrittenen – Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nichts gewusst zu haben. Sie ist der Ansicht gewesen, der Kläger habe mit der Ablösung ihrer Absonderungsrechte auf ein ihm zustehendes Anfechtungsrecht verzichtet, zumal sich die hier angefochtenen Zahlungen mindernd auf die Ablösebeträge ausgewirkt hätten. Jedenfalls handele der Kläger treuwidrig. Die Parteien hätten bei der Berechnung der Ablösebeträge ersichtlich an die Darlehensverträge angeknüpft. Die Ablösebeträge setzten sich aus den noch offenstehenden Restforderungen unter Berücksichtigung der von der Schuldnerin geleisteten Zahlungen zusammen. Der Kläger habe in diesem Zusammenhang zu keinem Zeitpunkt auf etwaige Anfechtungsansprüche hingewiesen. Sie, die Beklagte, habe daher auf den Bestand der Zahlungen vertraut, als sie ihre Absonderungsrechte gegen Zahlung der Ablösebeträge aufgegeben habe.
11Das Landgericht – Einzelrichter – hat die Klage mit Urteil vom 19.05.2023 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, mit seiner Entscheidung, die der Beklagten an den finanzierten Produktionsmaschinen aufgrund ihres Sicherungseigentums zustehenden Absonderungsrechte (§§ 50, 51 Nr. 1 InsO) abzulösen, habe der Kläger auf ein Recht, die hier in Rede stehenden Zahlungen gemäß den §§ 129, 133 InsO anzufechten, verzichtet. Der auch hier einschlägigen Betrachtung des Senats mit Urteil vom 24.09.2015 – I-12 U 68/14, eingestellt bei juris, schließe es sich mit der Folge an, dass die Klage abzuweisen sei.
12Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er ist der Ansicht, das Landgericht habe seine auf die §§ 143, 133 InsO gestützte Anfechtungsklage aufgrund fehlerhafter Rechtsanwendung abgewiesen. Hierbei habe es rechtsfehlerhaft angenommen, der Kläger hätte mit der Ablösung des Sicherungseigentums der Beklagten auf das Anfechtungsrecht hinsichtlich der streitgegenständlichen Zahlungen verzichtet. Der vorliegende Sachverhalt sei nicht vergleichbar mit dem Sachverhalt, welcher dem vom Senat mit Urteil vom 24.09.2015 entschiedenen Fall zugrunde liege. Zunächst habe der Beklagten hier lediglich ein Recht auf abgesonderte Befriedigung in Höhe ihrer gesicherten Forderung und nicht – wie im zitierten Urteil – auf Aussonderung zugestanden. Darüber hinaus habe sie ohne Weiteres erkennen können, dass hinsichtlich der von ihr aus dem Vermögen der Schuldnerin erlangten Zahlungen die Voraussetzungen der Anfechtbarkeit vorlägen. Durch einen entsprechenden Vorbehalt oder Hinweis auf die Möglichkeit, dass sich die durch das Absonderungsrecht gesicherte Forderung infolge der für die Beklagte erwartbaren Insolvenzanfechtung noch erhöhe, hätte die Beklagte jederzeit ein betragsmäßig höheres Absonderungsrecht und damit einen höheren Anteil aus dem Verwertungserlös für sich in Anspruch nehmen können, wovon sie jedoch keinen Gebrauch gemacht habe. Mit der Auszahlung auf das Absonderungsrecht in der von der Beklagten geltend gemachten Höhe habe er, der Kläger, nicht auf die Insolvenzanfechtung verzichtet, sondern nur das von der Beklagten beanspruchte Absonderungsrecht in der von ihr mitgeteilten Höhe anerkannt. Auch fehle es an jedweder auf einen Verzicht gerichtete Einigung zwischen den Parteien. Ferner habe er, der Kläger, auch keinen Vertrauenstatbestand gesetzt, wonach die Beklagte habe annehmen können, dass keine Insolvenzanfechtung hinsichtlich der streitgegenständlichen Zahlungen erfolgen werde. Schließlich habe das Landgericht sich über verschiedene Indizien für den Nachweis der weiteren – hier vorliegenden – Anfechtungsvoraussetzungen hinweggesetzt.
13Der Kläger beantragt,
14das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 19.05.2023 (10 O 413/22) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 21.000,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 13.09.2022 zu zahlen.
15Die Beklagte betragt,
16die Berufung zurückzuweisen.
17Sie verteidigt das angefochtene Urteil in der Sache unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die angefochtene Entscheidung sowie die zwischen den Parteien in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
19II.
20Die zulässige Berufung des Klägers war gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Sie hat, worauf der Kläger mit Beschluss vom 07.12.2023 hingewiesen worden ist, nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Rechtsverletzung i.S.v. § 546 ZPO und die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Sachentscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO. Darüber hinaus hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats auf Grund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist.
21Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweisbeschluss des Senats vom 07.12.2023 Bezug genommen, an dem der Senat auch nach erneuter Beratung umfassend festhält. Die Stellungnahme des Klägers mit Schriftsatz vom 28.12.2023 führt nicht zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage.
22Vielmehr hat das Landgericht im Ergebnis rechtsfehlerfrei – wenn auch ohne auf den konkreten Fall bezogene Ausführungen zu machen – entschieden, dass sich der geltend gemachte Anspruch nicht aus den §§ 143 Abs. 1, 129 Abs. 1, 133 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 InsO i.V.m. § 818 BGB ergibt.
231. Es kann dahinstehen, ob ein Anfechtungsrecht überhaupt besteht. Denn jedenfalls ist der Kläger aufgrund seines Verhaltens an dessen Ausübung nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB gehindert. Eine Anfechtung ist ausgeschlossen, nachdem der Kläger im Rahmen der getroffenen Ablösevereinbarung den auf die Restforderung aus den beiden Darlehen vom 09.03.2011 und 24.03.2011 unter Anrechnung der bis dahin geleisteten, insbesondere der hier streitgegenständlichen Zahlungen an die Beklagte ausgezahlt hat.
24a) Die Generalklausel des § 242 BGB verbietet widersprüchliches Verhalten, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand entstanden ist oder wenn besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (BGH, Urt. v. 16.07.2014 – IV ZR 88/13, NJW 2014, 3030 Rn. 25). Der Kernbereich dieser Fallgruppe des treuwidrigen Verhaltens sind die Fälle des venire contra factum proprium. Auch ein früheres Verhalten, das für sich nicht zu missbilligen ist, kann die spätere Rechtsausübung unzulässig machen, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick darauf als vorrangig schutzwürdig erscheinen (BGH, Urt. v. 10.01.2019 – IX ZR 89/18, NJW 2019, 1147 Rn. 25; v. 16.07.2014, a.a.O.; v. 15.11.2012 – IX ZR 103/11, NJW-RR 2013, 757 Rn. 12). Für die Bewertung des Verhaltens als nach seinem Gesamtbild objektiv widersprüchlich können die sachliche Unvereinbarkeit des früheren mit dem späteren Verhalten oder ein beim Gegner geschaffener Vertrauenstatbestand maßgeblich sein (BGH, Urt. v. 11.09.2019 – IV ZR 20/18, NJW-RR 2019, 1369 Rn. 20; v. 10.01.2019, a.a.O.; v. 16.07.2014, a.a.O.; MüKoBGB/Schubert, 9. Aufl. 2022, § 242 Rn. 364). Eine unzulässige Rechtsausübung setzt hierbei voraus, dass der Rechtsinhaber ein Vertrauen darauf erweckt hat, dass er seine Rechte nicht ausüben werde und sich die Gegenseite darauf eingerichtet hat. Das gilt insbesondere für das Nichtausüben von Gestaltungsrechten (vgl. MüKoBGB/Schubert, a.a.O., § 242 Rn. 377).
25b) Die Voraussetzungen dieses engen Ausnahmetatbestandes sind im vorliegenden Fall gegeben. Der Kläger hat durch sein Verhalten als Insolvenzverwalter bei der Abwicklung der noch offenen Ansprüche zwischen der Schuldnerin und der Beklagten im Zusammenhang mit der Aufgabe der Sicherheiten durch die Beklagte einen Vertrauenstatbestand gesetzt, welcher im Folgenden die Anfechtung der streitgegenständlichen Zahlungen an die Beklagte ausschließt (vgl. BGH, Beschl. v. 09.02.2012 – IX ZR 147/09, BeckRS 2012, 5307 Rn. 2; Urt. v. 15.12.2005 – IX ZR 156/04, NJW 2006, 1134; v. 09.12.2004 – IX ZR 108/04, NJW 2005, 1118).
26Entscheidend ist für den Vertrauenstatbestand, worauf die Beklagte vertrauen darf, wenn sie im Rahmen der Begleichung offener Forderungen Sicherheiten aufgibt, die ursprünglich der Sicherung ihrer gesamten Forderung dienten und in einem Insolvenzverfahren von einem Absonderungsrecht erfasst gewesen wären (vgl. OLG Celle, Urt. v. 30.08.2012 – 13 U 17/12, BeckRS 2012, 112580 Rn. 20, beck-online). Dem liegt der Rechtsgedanke zu Grunde, dass derjenige, der rechtsgeschäftlich etwas hergibt, darauf vertrauen darf, dass ihm danach Zustehende behalten zu dürfen (vgl. OLG Celle, Urt. v. 30.08.2012, a.a.O.).
27Ursprünglich war die Beklagte mit ihrem Darlehensrückzahlungsanspruch durch die Sicherungsübereignung der finanzierten Maschinen umfassend und insolvenzfest i.S.d. §§ 51 Nr. 1, 50 InsO derart abgesichert, dass sie nach Maßgabe der §§ 166 ff. InsO zur abgesonderten Befriedigung berechtigt war. Hierbei hätte der Wert der Maschinen zur Befriedigung sämtlicher rückständiger Darlehensraten samt Zinsen und damit auch der angefochtenen Zahlungen ausgereicht. Auf diese Sicherungsrechte hat die Beklagte mit der mit dem Kläger getroffenen Ablösevereinbarung verzichtet. Aufgrund der zwischen den Parteien geführten Korrespondenz, insbesondere der E-Mail der Beklagten vom 18.10.2019 mit den als Anlage B 3 beigefügten Aufstellungen sowie der auf ausdrückliche Anfrage vom 29.04.2020 mit E-Mail vom 30.04.2020 auf dieser Grundlage mitgeteilten aktuellen Ablösebeträge, durfte die Beklagte hierbei darauf vertrauen, dass Anfechtungsansprüche in Bezug auf die in Ansatz gebrachten Zahlungen später nicht geltend gemacht würden. Denn aus diesem Schriftwechsel ergibt sich eindeutig, dass sie die sicherungsübereigneten Maschinen nur unter Einbeziehung der explizit in diese Berechnung eingeflossenen, zuvor erhaltenen Zahlungen freigab. Darauf aufbauend hat der Kläger die bis zum Zeitpunkt der Verwertung der sicherungsübereigneten Maschinen seitens der Schuldnerin bereits geleisteten Zahlungen für die Berechnung der offenen Restforderung und damit für die Ablösevereinbarung zur Grundlage gemacht. Die Beklagte, auf deren Sicht als Erklärungsempfängerin es maßgeblich ankommt, konnte vor diesem Hintergrund erwarten, dass der Kläger vor Abschluss der Ablösevereinbarung pflichtgemäß prüft, ob die Anfechtungsvoraussetzungen in Bezug auf die bisherigen Zahlungen der Schuldnerin vorlagen, da für ihn erkennbar war, dass sich der von ihr – der Beklagten – genannte Ablösebetrag auf der Basis sämtlicher bis dahin erlangter Leistungen errechnete. Durch sein Verhalten gegenüber der Beklagten hat der Kläger offensichtlich erkennbar dargetan, dass er sowohl deren Absonderungsrechte aufgrund der Sicherungsübereignungen, als auch die bislang erfolgten Zahlungen der Schuldnerin als rechtswirksam erachtet. Selbst wenn die Beklagte eine Anfechtungsmöglichkeit in Bezug auf diese Zahlungen zu diesem Zeitpunkt noch nicht in ihr aktuelles Bewusstsein aufgenommen haben sollte, ging sie doch – aufgrund der mitgeteilten Zusammensetzung der Restforderung im Einzelnen auch für den Kläger ersichtlich – davon aus und durfte auch davon ausgehen, diese Zahlungen der Schuldnerin im Fall des Zustandekommens der Vereinbarung behalten zu dürfen. Mithin hat der Kläger einen entsprechenden Vertrauenstatbestand gegenüber der Beklagten geschaffen und bei ihr zurechenbar den Anschein und das schutzwürdige Vertrauen begründet, die bisherigen Zahlungen würden als rechtswirksam anerkannt und von ihm nicht angefochten. Dies gilt – worauf die Beklagte zu Recht hinweist – umso mehr, als der Sachverhalt überschaubar war und die Zahlungen im Einzelnen in den Aufstellungen gemäß Anlage B 3 aufgelistet waren. Darauf, dass aufgrund der Überschaubarkeit des Sachverhalts ggf. auch für die Beklagte anhand ihrer eigenen Unterlagen ersichtlich gewesen sein könnte, ob die Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung hinsichtlich der nunmehr klagegegenständlichen Zahlungen vorliegen, kann sich der Kläger vor diesem Hintergrund nicht berufen. Denn auch in diesem Fall konnte sich die Beklagte angesichts des Verhaltens des Klägers darauf verlassen, dass ihr der mit den angefochtenen Zahlungen zugeflossene Vermögensvorteil dauerhaft verbleibt.
28Hinzu kommt, dass zwischen der Übermittlung der Anlage B 3 an den Kläger am 18.10.2019 und den von ihm geleisteten Ablösezahlungen vom 07.05.2020 sodann noch einmal mehr als sechs Monate, die der Kläger anscheinend nicht zur Prüfung etwaiger Anfechtungsrechte verwendet hat. Die Beklagte konnte bei dieser Sachlage darauf vertrauen, dass auf Grund der Einigung mit dem Kläger und dessen daraufhin erfolgten Zahlung der Ablösebeträge zur Abgeltung ihrer bestehenden Absonder ungsrechte natürlich auch die ursprünglichen Zahlungen der Schuldnerin Bestand haben sollten. Wollte der Kläger dies nicht, hätte er die Abrede und die damit verbundene Sicherheitenfreigabe nicht vereinbaren dürfen. Mit Blick auf die gleichwohl getroffene Vereinbarung muss er sich nun an dem Vertrauenstatbestand festhalten lassen (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 07.07.2009 – 27 U 59/08, BeckRS 2012, 5343). Dass er – wie der Kläger nunmehr mit Schriftsatz vom 28.12.2023 vorträgt – als Insolvenzverwalter nur auf die bei der Schuldnerin vorgefundenen, dort sehr lückenhaft geführten Unterlagen und deren Bankbelege habe zugreifen können und die Auskünfte des im Jahr 1939 geborenen und in Marbella, Spanien, wohnhaften Geschäftsführer sowohl schwierig zu erlangen, als auch in der Sache selbst wenig brauchbar gewesen seien, betrifft ausschließlich seine Sphäre und führt – nicht zuletzt mangels Kenntnis der Beklagten von diesem Umständen – nicht zu einer Einschränkung des geschaffenen Vertrauenstatbestands. Nichts anderes ergibt sich aus dem klägerischen Einwand, die Prüfung der Sach- und Rechtslage sei für ihn mit deutlich größeren Erschwernissen verbunden, als dies für die Beklagte der Fall gewesen sei.
29Entgegen der klägerischen Ansicht oblag es hierbei schließlich nicht der Beklagten, einen „Vorbehalt der Nichtanfechtbarkeit“ oder der „Erhöhung der Forderung im Fall einer Anfechtbarkeit“ einzufordern. Mangels erklärter Anfechtung im Zeitpunkt des Abschlusses der Ablösevereinbarung bestand ein Anspruch auf weiteren Erlös aus der Verwertung der Maschinen gerade (noch) nicht.
302. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob im Streitfall zudem die objektive Gläubigerbenachteiligung i.S.d. § 129 Abs. 1 InsO zu verneinen ist, weil die Beklagte in Höhe ihrer Ansprüche ohnehin gleichwertige, unanfechtbare Absonderungsrechte innehielt (ebenso offen gelassen von BGH, Beschl. v. 09.02.2012, a.a.O.), auch wenn hierfür nach der Ansicht des Senats die folgenden Erwägungen sprechen dürften:
31Für eine objektive Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO reicht grundsätzlich eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung in dem Sinne aus, dass sich die Insolvenzmasse zu Lasten auch noch nach den angefochtenen Rechtshandlungen hinzutretender Gläubiger verringert. Zwar weist der Kläger zurecht darauf hin, dass die Summen der angefochtenen Zahlungen anderen Gläubigern der Schuldnerin nicht zur Verfügung stehen. Allein hieraus kann vorliegend aber nicht auf eine objektive Gläubigerbenachteiligung geschlossen werden, da zu berücksichtigen ist, dass die Darlehensrückzahlungen auch der Ablösung der von der Schuldnerin geleisteten Sicherheit in Gestalt der sicherungsübereigneten Maschinen dienten. Selbst wenn die Tilgung der Darlehensschulden anfechtbar wäre, käme dies den Insolvenzgläubigern im Ergebnis nicht zugute, da die Beklagte dann die von ihr nach Erfüllung der Schuld als erledigt aufgegebene Sicherheit nach Maßgabe des § 144 Abs. 1 InsO zurückfordern könnte. Gemäß § 144 Abs. 1 InsO lebt die Forderung des Gläubigers nach Gewährung der angefochtenen Leistung wieder auf. Damit treten auch alle mit der Forderung verbundenen Sicherungsrechte wieder in Kraft (vgl. OLG Braunschweig, Urt. v. 27.04.2022 – 9 U 40/21, Rn. 42; OLG Celle, Urt. v. 30.08.2012, a.a.O., Rn. 16; OLG München, Urt. v. 19.06.2008 – 24 U 737/07, Rn. 12; OLG Frankfurt, Urt. v. 25.11.2003 – 9 U 127/04, Rn. 8 ff.; OLG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 19.03.2003 – 2 U 142/08, Rn. 40, jeweils zitiert nach juris). Zwar kann vorliegend die Sicherheit der Darlehensforderung in Form der Sicherungsübereignung nicht mehr zurückgegeben werden, weil die Maschinen zwischenzeitlich verwertet worden sind. In diesem Fall stünde der Beklagten jedoch ein Wertersatzanspruch gemäß § 144 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. InsO in Verbindung mit § 818 Abs. 2 BGB als Masseanspruch nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO zu (vgl. Uhlenbruck/Hirte/Borries, InsO, 15. Aufl. 2019, § 144 Rn. 7). Das heißt, der Kläger hätte der Beklagten als Massegläubigerin im Sinne des § 53 InsO Zahlungen in Höhe der angefochtenen Beträge zu leisten, und die angefochtenen Zahlungen würden damit der Insolvenzmasse nicht zur Verfügung stehen (OLG Braunschweig, Urt. v. 27.04.2022, a.a.O., Rn. 45; OLG Celle, Urt. v. 30.08.2012, a.a.O.).
32III.
33Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10 Satz 2, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.