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Gem. § 14 b Abs. 1 Satz 1 FamFG müssen Behörden seit dem 01.01.2022 bei Gericht schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument übermitteln.
Ist dies aus vorübergehenden Gründen nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, § 14 b Abs. 1 Satz 2 FamFG.
Corona Bonuszahlungen sind als erhöhtes Kindergeld einzustufen, das auch steuerrechtlich so behandelt wird und auf das § 1612 b Abs. 1 BGB unmittelbar anzuwenden ist mit der Folge, dass der Kindergeldbonus wie das Kindergeld hälftig zugunsten des unterhaltspflichtigen Elternteils zu berücksichtigen ist. Dies gilt auch dann, wenn übergeleitete Ansprüche nach dem Unterhaltsvorschussgesetz geltend gemacht und der Corona Bonus im Rahmen der Unterhaltsberechnung nicht berücksichtigt worden ist.
Ein Unterhaltsschuldner ist, wenn er nicht im Einzelfall die Unzumutbarkeit darlegt, grundsätzlich verpflichtet, zur Deckung des Unterhaltsbedarfs minderjähriger Kinder ein Verbraucherinsolvenzverfahren einzuleiten.
Vorteile und Nachteile des Insolvenzverfahrens sind dabei im jeweiligen Einzelfall insgesamt gegeneinander abzuwägen.
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Wetter vom 18.08.2022, Az.: 5 F 231/21, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, ab dem 01.01.2024 an das antragstellende Land monatlichen Unterhalt in Höhe von 187,24 € aus gemäß § 7 Abs. 1 UVG übergegangenem Recht wegen laufender Unterhaltsleistungen nach dem UVG für das Kind B. M., geboren am 00.00.2010, wohnhaft in X., zu zahlen.
2.
Der Antraggegner wird verpflichtet, ab dem 01.01.2024 an das antragstellende Land monatlichen Unterhalt in Höhe von 187,24 € aus gemäß § 7 Abs. 1 UVG übergegangenem Recht wegen laufender Unterhaltsleistungen nach dem UVG für das Kind A. M., geboren am 00.00.2013, wohnhaft in X., zu zahlen.
3.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller für den Zeitraum vom 01.01.2020 bis zum 31.12.2023 einen Betrag in Höhe von 1.903,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 10.06.2021 für das Kind B. M., geboren am 00.00.2010, aus gemäß § 7 Abs. 1 UVG übergegangenem Recht wegen schon erbrachter Leistungen nach dem UVG zu zahlen.
4.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller für den Zeitraum vom 01.01.2020 bis zum 31.12.2023 einen Betrag in Höhe von 1.903,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 10.06.2021 für das Kind A. M., geboren am 00.00.2013, aus gemäß § 7 Abs. 1 UVG übergegangenem Recht wegen schon erbrachter Leistungen nach dem UVG zu zahlen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt das antragstellende Land zu 80 % und der Antragsgegner zu 20 %.
Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.
Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis 20.000,- € festgesetzt.
Gründe
2I.
3Der Antragsgegner ist der Vater der ehelich geborenen Kinder B. M., geb. am 00.00.2010, und A. M., geb. am 00.00.2013. Die Kindeseltern trennten sich am 00.00.2019. Die Kinder verblieben nach der Trennung im Haushalt der Kindesmutter und werden dort von dieser versorgt.
4Der Antragsgegner zahlt keinen Unterhalt für die Kinder, die seit Dezember 2019 Leistungen nach dem UVG erhalten entsprechend der Bewilligungsbescheide vom 20.10.2020. Unter dem 24.01.2020 erstattete die Unterhaltsvorschusskasse Rechtswahrungsanzeige, die dem Antragsgegner am 27.01.2020 zuging.
5Im Zeitraum Dezember 2019 bis 17.04.2020 arbeitete der Antragsgegner bei der Firma T., bei der Firma S. und bei der Firma O., bei letzterer im Rahmen eines Minijobs. Nach der Kündigung zum 17.04.2020 aus wirtschaftlichen Gründen durch die Firma T. stockte der Antragsgegner seinen Arbeitsplatz bei S. zum 01.05.2020 auf eine Vollzeitstelle (40 Stunden monatlich) auf. Den Minijob bei O. übt er weiterhin alle zwei Wochen an den umgangsfreien Wochenenden aus.
6Mit seiner Ehefrau als Mitdarlehensnehmerin schloss der Antragsgegner im April 2018 einen Darlehensvertrag mit der R.-Bank über einen Nettodarlehensbetrag iHv 42.365,40 €. Das Darlehen soll in 115 monatlichen Zins- und Tilgungsraten in Höhe von jeweils 450,- € und einer Schlussrate iHv 428,16 € getilgt werden, beginnend ab dem 30.04.2018. Weiterhin schloss der Antragsgegner am 02.05.2019 gemeinsam mit seiner Ehefrau als Mitdarlehensnehmerin einen J.bank Privatkredit ab über einen Nettodarlehensbetrag von 13.539,19 €. Dieser soll in 83 monatlichen Raten zu je 208,- € und einer Schlussrate iHv 178,77 € zurückgeführt werden ab dem 30.06.2019. Zudem verfügt der Antragsgegner über eine Kreditkarte bei der L., die jedenfalls am 20.10.2020 einen Sollsaldo iHv 1.913,84 € aufwies. Der Antragsgegner führte diesen mit monatlichen Zahlungen iHv 90,- € bis zum Februar 2023 zurück.
7Gegen den Antragsgegner erging unter dem 16.10.2019 ein Bußgeldbescheid über insgesamt 606,13 € wegen Führens eines Kfz unter dem Einfluss berauschender Mittel (Cannabis) und Schädigung anderer Verkehrsteilnehmer beim Ein- und Aussteigen. Diese Summe zahlte der Antragsgegner in monatlichen Raten iHv 50,- € seit Dezember 2019, so dass die Schuld im Februar 2021 getilgt war.
8Das antragstellende Land hat erstinstanzlich behauptet, der Antragsgegner erziele ein monatliches Nettoeinkommen iHv 2.541,04 € und sei leistungsfähig jedenfalls in geltend gemachter Höhe. Es hat zudem die Ansicht vertreten, die Darlehensverbindlichkeiten des Antragsgegners und seine Zahlungen auf einen Bußgeldbescheid seien nicht berücksichtigungsfähig. Im Übrigen obliege es dem Unterhaltsschuldner, zur Sicherung des Mindestkindesunterhalts ggf. ein Insolvenzverfahren einzuleiten. Dass dies unzumutbar sei, habe der Antragsgegner weder dargelegt noch nachgewiesen. Fahrtkosten könne der Antragsgegner in angegebener Höhe nicht geltend machen, vielmehr sei er auf öffentliche Verkehrsmittel zu verweisen.
9Der Antragsgegner ist dem erstinstanzlich entgegengetreten. Die Antragsschrift sei nicht den Vorschriften der §§ 130 a – d ZPO entsprechend zur Akte gelangt und daher unzulässig. Weiterhin erziele er lediglich ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von durchschnittlich 1.850,74 €. Die Darlehensverbindlichkeiten seien – da ehebedingt und damit den Lebensstandard der Kinder prägend – vollumfänglich in Abzug zu bringen. Fahrtkosten in Höhe von 120,- € seien ebenso wie die monatlichen Bußgeldzahlungen in Höhe von 50,- € bei der Berechnung des unterhaltsrelevanten Einkommens zu berücksichtigen.
10Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich der erstinstanzlich gestellten Anträge wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht vom 18.08.2022 und den Tatbestand des amtsgerichtlichen Beschlusses.
11Das Amtsgericht hat den Antragsgegner wie folgt dem Antrag des Landes entsprechend zur Zahlung verpflichtet:
121.
13Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller Unterhalt i.H.v. 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle abzüglich des Kindergeldes für ein erstes Kind für die Zeit ab dem 01.05.2022 aus gemäß § 7 Abs. 1 UVG übergegangenem Recht wegen laufender Unterhaltsleistungen nach dem UVG für das Kind B. M., geboren am 00.00.2010, wohnhaft in X. zu zahlen.
142.
15Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller Unterhalt i.H.v. 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle abzüglich des Kindergeldes für ein erstes Kind für die Zeit ab dem 01.05.2022 aus gemäß § 7 Abs. 1 UVG übergegangenem Recht wegen laufender Unterhaltsleistungen nach UVG für das Kind A. M., geboren am 00.00.2013, wohnhaft in X. zu zahlen.
163.
17Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller für den Zeitraum vom 01.01.2020 bis zum 30.04.2022 einen Betrag in Höhe von 6.368,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 10.06.2021 für das Kind B. M., geboren am 00.00.2010, aus gemäß § 7 Abs. 1 UVG übergegangenem Recht wegen schon erbrachter Leistungen nach dem UVG zu zahlen.
184.
19Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller für den Zeitraum vom 01.01.2020 bis zum 30.04.2022 einen Betrag i.H.v. 6.368,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 10.06.2021 für das Kind A. M., geboren am 00.00.2013 aus gemäß § 7 Abs. 1 UVG übergegangenem Recht wegen schon erbrachter Leistungen nach dem UVG zu zahlen.
205.
21Der Antrag des Antragsgegners, den Unterhalt für den streitgegenständlichen Zeitraum auf Null festzusetzen, wird zurückgewiesen.
22Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, der Antragsteller habe einen Zahlungsanspruch aus übergegangenem Recht nach § 7 Abs. 1 UVG. Der entsprechende Antrag sei auch wirksam gestellt gem. § 130 a Abs. 3, IV, Nr. 1 ZPO. Soweit der Antragsgegner die Leistungserbringung pauschal bestreite, sei dies unerheblich. Ob der Antragsgegner über den unstreitigen Betrag hinaus Einkommen erziele, sei ebenfalls nicht erheblich, da er ohnehin leistungsfähig sei. Denn die Darlehensverbindlichkeiten seien – da anderenfalls der Mindestkindesunterhalt gefährdet sei - nicht in Abzug zu bringen. Auch habe der Antragsgegner nicht vorgetragen, nur unter Inkaufnahme weiter anwachsender Verschuldung den Mindestunterhalt leisten zu können. Dies gelte auch hinsichtlich der Bußgeldzahlungen, die im Übrigen seit 2021 erfüllt sein müssten. Ob Fahrtkosten in angegebener Höhe zu berücksichtigen seien könne dahinstehen, da auch nach Abzug des von dem Antragsgegner mit 120,- € angegebenen Betrages jedenfalls die von dem Antragsteller monatlich geforderten 550,- € gezahlt werden könnten. Dies gelte auch hinsichtlich des Anspruches auf Erstattung rückständiger Unterhaltsbeträge.
23Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit der Beschwerde, zu deren Begründung er ausführt, das antragstellende Land habe fortlaufend gegen die Anforderungen der §§ 130 a – d ZPO iVm ERVV verstoßen, da nicht sämtliche übersandten Dateien in PDF-Dokumente hätten gewandelt werden können, qualifizierte Signaturen nach ERVB nicht vorlägen und daher die Dateien mit den Kennungen EGVP, xjustiz, de-mail.eml, de-mail.txt und DE_Mail vom Antragsgegner nicht hätten gelesen werden können. Die Schriftsätze des Antragstellers seien daher nicht verwertbar und unbeachtlich.
24Weiterhin sei das antragstellende Land im Hinblick auf das Bestreiten der Leistungsvornahme nach wie vor beweisfällig geblieben. Die Corona-Boni zum Kindergeld für September und Oktober 2020 und Februar 2021 seien bei der Berechnung des Unterhaltsbetrags nicht beachtet worden.
25Die ehebedingten Verbindlichkeiten seien auch bei Unterschreiten der Mindestkindesunterhaltssätze nicht unbeachtlich, denn die Lebensstellung der Kinder leite sich von ihren Eltern ab. Der Antragsgegner habe keine Möglichkeit, die Tilgung zu strecken oder Umzuschulden. Im Übrigen sei eine Tilgungsstreckung schon deshalb nicht möglich, da bereits eine nur geringfügige Tilgung vereinbart worden sei. Zudem arbeite der Antragsgegner vollschichtig und trage die Schulden allein ab, obwohl die Kindesmutter Mitdarlehensnehmerin sei.
26Die Beantragung der Privatinsolvenz führe vorliegend nicht weiter, da hierdurch die Kindesmutter als Mitschuldnerin in Haftung genommen würde und ihrerseits ebenfalls Privatinsolvenz anmelden müsse. Etwaige Unterhaltsbeträge müsse sie sodann zur Schuldentilgung nutzen, was sich wirtschaftlich direkt auf die Kinder auswirke.
27Der Antragsgegner beantragt,
28den Beschluss des AG Wetter vom 18.08.2022 aufzuheben und die Anträge des Antragstellers zurückzuweisen.
29Das antragstellende Land beantragt,
30die Beschwerde zurückzuweisen.
31Es verteidigt die amtsgerichtliche Entscheidung. Zur Begründung verweist es auf die Nutzung des zulässigen DE-Mail-Verfahrens und seinen erstinstanzlichen Vortrag sowie die nunmehr vorgelegten Bewilligungsbescheide nebst aktueller Rückstandsberechnung.
32II.
33Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden gem. §§ 113 Abs. 1 FamFG, 567 ff. ZPO. In der Sache ist sie – jedenfalls teilweise - auch begründet.
341.
35Der Rüge des Antragsgegners, das antragstellende Land habe durch Nutzung des DE-Mail-Verfahrens gegen die §§ 130 a – d ZPO verstoßen, bleibt der Erfolg versagt.
36Gem. § 14 b Abs. 1 Satz 1 FamFG müssen Behörden bei Gericht schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument übermitteln. Diese Pflicht gilt seit dem 01.01.2022 (vgl. Sternal, FamFG, 21. Aufl. 2023, § 14 b Rn 8). Nur wenn dies aus vorübergehenden Gründen nicht möglich ist, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, § 14 b Abs. 1 Satz 2 FamFG. Die formalen Anforderungen an Erstellung sowie Übermittlung des elektronischen Dokuments richten sich nach § 14 Abs. 2 Satz 2 FamFG iVm § 130 ZPO sowie die dazu erlassene Elektronische-Rechtsverkehr-VO (ERVV). Danach muss ein elektronisches Dokument entweder mit einer qualifizierten Signatur versehen oder von der verantwortenden Person signiert und unter Nutzung eines sicheren Übertragungsweges versendet werden. Wird die gesetzlich vorgeschriebene Form nicht eingehalten, fehlt es an einem wirksamen Antrag oder einer wirksamen Erklärung und etwaige Fristen werden nicht gewahrt (vgl. Sternal, FamFG, 21. Aufl. 2023, § 14 b, Rn. 15).
37Ein sicherer Übertragungsweg im obigen Sinne ist gem. § 130 a Abs. 4 Satz 1 ZPO die Übermittlung per De-Mail. Gem. § 1 Abs. 1 De-Mail-Gesetz sind De-Mail-Dienste solche auf einer elektronischen Kommunikationsplattform, die einen sicheren, vertraulichen und nachweisbaren Geschäftsverkehr für Jedermann im Internet sicherstellen sollen. Die Übersendung per De-Mail erfordert die Bestätigung der sicheren Anmeldung gem. § 5 Abs. 5 De-Mail-Gesetz. Die Absenderauthentifizierung muss sich grundsätzlich aus dem Prüf- oder Transfervermerk des Gerichts ergeben, § 5 Abs. 5 Satz 5 De-Mail-Gesetz.
38Mit der Übersendung der Schriftsätze mittels De-Mail-Verfahren ab dem Jahr 2022 hat das antragstellende Land den formalen Anforderungen im obigen Sinne Genüge getan. So ergibt sich aus den diesen Schriftsätzen in der Papierakte vorangehefteten ausgedruckten Prüfvermerken, dass es sich um die Nutzung eines sicheren Übermittlungsweges per absenderbestätigter De-Mail handelt. Aus dem nachgehefteten Prüfprotokoll ergibt sich, dass der Absender der De-Mail bei Versand der Nachricht sicher im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 des De-Mail-Gesetzes angemeldet war. Mit diesen Voraussetzungen genügt sodann die einfache Signatur, § 14 Abs. 2 Satz 2 FamFG iVm 130 a Abs. 3 Satz 1 ZPO (s.o.), mit der die Schriftsätze jeweils versehen sind (vgl. Bl. 128 ff., 240 ff., 265 ff., 299 ff. der Akte).
39Warum nach Ansicht des Antragsgegners die per De-Mail übersandten Dokumente in eine PDF-Datei umgewandelt werden müssen, ergibt sich aus den insoweit einschlägigen Vorschriften nicht und wird auch von dem Antragsgegner nicht begründet. Lesbar waren sie für ihn offenbar, sonst hätte er nicht wie geschehen dazu Stellung nehmen können.
402.
41Der Anspruch des Landes besteht in tenorierter Höhe gem. § 7 Abs. 1 UVG.
42a)
43Das antragstellende Land hat mit Datum vom 18.04.2023 zuletzt die bis dahin aufgelaufenen Unterhaltsrückstände dargestellt (Bl. 302 f. der Akte). Zutreffend ist dabei der für Dezember 2019 ausgezahlte Betrag aufgeführt, jedoch in die Berechnung des Rückforderungsanspruches nicht eingeflossen, da der zahlungspflichtige Elternteil nur für den Zeitraum in Regress genommen werden kann, in dem er Kenntnis über den Antrag auf Unterhaltsvorschuss hatte, § 7 Abs. 2 Nr. 2 UVG. Die weiteren Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 UVG liegen unstreitig vor, so dass grundsätzlich die Regressmöglichkeit für die ab Januar 2020 geleisteten Unterhaltszahlungen besteht.
44b)
45Der Antragsgegner hat hinsichtlich der Rückstandsberechnung keinen Berechnungsfehler geltend gemacht, jedoch ausgeführt, der Corona-Bonus für die Jahre 2020 und 2021 sei fälschlicherweise nicht berücksichtigt worden. Dies trifft nicht zu.
46Die UVG-Leistungen umfassen den Mindestunterhalt nach der jeweiligen Altersstufe abzüglich des gesamten Kindergeldes. In 2020 sind 300,- € Corona-Bonus pro Kind ausgezahlt worden, in 2021 waren es 150,- € pro Kind. Aus der Aufstellung des antragstellenden Landes geht hervor, dass diese Beträge nicht berücksichtigt worden seien. Dies ist allerdings auch richtig so, denn beim Unterhaltsvorschuss wird der Kindergeldbonus aus sozialpolitischen Erwägungen nicht angerechnet. Dementsprechend ist der Kindergeldbonus auch bei Regressansprüchen gegenüber dem säumigen Unterhaltsschuldner nicht anzurechnen. Denn der Bonus sollte dazu dienen, die besonderen Belastungen, denen Familien in der Corona-Zeit ausgesetzt waren, abzufedern und nicht, eine Entlastung des Unterhaltsschuldners herbeizuführen.
47c)
48Der Antragsgegner ist nicht in dem vom antragstellenden Land behaupteten Umfang leistungsfähig. Das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen des Antragsgegners ergibt sich aus der folgenden Tabelle:
49Einkommen Antragsgegner |
2020 |
2021 |
2022 |
2023 |
||||
Januar |
T. |
1.565,57 € |
0,00 € |
0,00 € |
0,00 € |
|||
S. |
699,95 € |
1.481,58 € |
1.488,83 € |
1.518,98 € |
||||
O. |
463,96 € |
503,61 € |
489,65 € |
457,42 € |
||||
Februar |
T. |
1.565,57 € |
0,00 € |
0,00 € |
0,00 € |
|||
S. |
699,95 € |
1.481,58 € |
1.488,83 € |
1.518,98 € |
||||
O. |
463,96 € |
484,85 € |
454,55 € |
459,69 € |
||||
März |
T. |
1.565,57 € |
0,00 € |
0,00 € |
0,00 € |
|||
S. |
699,95 € |
1.481,58 € |
1.488,83 € |
1.518,98 € |
||||
O. |
463,96 € |
470,75 € |
462,65 € |
459,69 € |
||||
April |
T. |
1.565,57 € |
0,00 € |
0,00 € |
0,00 € |
|||
S. |
699,95 € |
1.481,58 € |
1.488,83 € |
1.518,98 € |
||||
O. |
463,96 € |
470,75 € |
446,45 € |
459,69 € |
||||
Mai |
S. |
1.475,25 € |
1.481,58 € |
1.488,83 € |
1.518,98 € |
|||
O. |
463,96 € |
481,55 € |
462,65 € |
459,69 € |
||||
Juni |
S. |
1.475,25 € |
1.481,58 € |
1.553,33 € |
1.518,98 € |
|||
O. |
463,96 € |
503,15 € |
486,95 € |
459,69 € |
||||
Juli |
S. |
1.475,25 € |
1.481,58 € |
1.499,58 € |
1.518,98 € |
|||
O. |
463,96 € |
484,85 € |
480,30 € |
459,69 € |
||||
August |
S. |
1.475,25 € |
1.481,58 € |
1.499,58 € |
1.518,98 € |
|||
O. |
463,96 € |
484,85 € |
440,94 € |
459,69 € |
||||
September |
S. |
1.475,25 € |
1.481,58 € |
1.714,56 € |
1.518,98 € |
|||
O. |
459,01 € |
484,85 € |
440,94 € |
459,69 € |
||||
Oktober |
S. |
1.475,25 € |
1.481,58 € |
1.499,58 € |
1.518,98 € |
|||
O. |
463,96 € |
484,85 € |
494,77 € |
459,69 € |
||||
November |
S. |
1.475,25 € |
1.481,58 € |
1.499,58 € |
1.518,98 € |
|||
O. |
479,97 € |
484,85 € |
408,80 € |
459,69 € |
||||
Dezember |
S. |
1.475,25 € |
1.481,58 € |
1.499,58 € |
1.518,98 € |
|||
O. |
440,67 € |
478,85 € |
447,67 € |
459,69 € |
||||
Gesamt |
26.419,37 € |
23.596,72 € |
23.726,26 € |
23.741,77 € |
||||
Monatsdurchschnitt |
2.201,61 € |
1.966,39 € |
1.977,19 € |
1.978,48 € |
||||
(Legende: fettgedruckt = belegt bzw. unstreitig; kursiv = beruhend auf den Angaben aus Dezember 2019; unterstrichen = beruhend auf Belegen für das jeweilige Jahr; kursiv + unterstrichen = aus dem Durchschnitt der belegten Monate) |
||||||||
Der Antragsgegner hat sein monatliches Nettoeinkommen zu niedrig angegeben, da er die Bruttoeinkünfte addiert und sodann die auf den Gesamtbetrag entfallende Steuer nach der entsprechenden Steuertabelle in Abzug gebracht hat. Dies ist jedoch nicht korrekt, da Haupteinkünfte und Minijob unterschiedlich besteuert werden.
51Eine fiktive Zurechnung weiteren Einkommens kommt hier nicht in Betracht, denn der Antragsgegner übt seine Tätigkeit als Haustechniker bei der Firma S. vollschichtig aus und arbeitet zudem im Rahmen eines Minijobs bei O., so dass er seine Arbeitskraft hinreichend ausschöpft im Sinne des § 1603 Abs. 2 BGB. Den Minijob übt er unwidersprochen an den umgangsfreien Wochenenden aus, so dass die übrigen Wochenenden schon aufgrund des schützenswerten Umgangs mit den Kindern für Arbeitsleistungen nicht zur Verfügung stehen. Zudem hat der Antragsgegner ein Attest vom 06.10.2023 eingereicht, aus dem hervorgeht, dass er aufgrund diverser chronischer Erkrankungen nicht in der Lage ist, noch mehr zu arbeiten. Er wird nach Steuerklasse I versteuert und hat einen Kinderfreibetrag eintragen lassen, günstigere Gestaltungsmöglichkeiten stehen ihm insoweit nicht zur Verfügung.
52c)
53Der Antragsgegner macht diverse Abzugspositionen von seinem Einkommen geltend.
54aa)
55Dem Antragsgegner ist gegenüber seinen beiden minderjährigen Kindern gemäß den Hammer Leitlinien 21.2 der notwendige Selbstbehalt eines Berufstätigen zu belassen. Für die Jahre 2020 bis 2022 sind dies monatlich 1.160,- €, für das Jahr 2023 steigt der Betrag auf 1.370,- € und ab dem Jahr 2024 ist ein Betrag in Höhe von 1.450,- € in Abzug zu bringen.
56bb)
57Der Antragsgegner macht den Abzug von Fahrtkosten geltend. Hier sind für die Jahre 2020 und 2021 monatlich 110,- € und ab dem Jahr 2022 154,- € monatlich zu berücksichtigen. Die Wegstrecke zu dem Arbeitgeber S. beträgt 10 km. Der Arbeitgeber O. befindet sich fußläufig vom Wohnort des Antragsgegners. Für die Firma T. hat der Antragsgegner – neben seinen Tätigkeiten für S. und O. - im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nur von Januar 2020 bis zum 17.04.2020 gearbeitet. Die Fahrtstrecke war mit 7,8 km nur unwesentlich kürzer als die Fahrtstrecke zu S., so dass insoweit aufgrund Geringfügigkeit von einer gesonderten Berechnung abgesehen wurde.
58Es berechnen sich damit die Fahrtkosten nach den Hammer Leitlinien 10.2.2 mit der folgenden Formel für 2020 und 2021: 10 km x 2 x 0,30 € x 220 Arbeitstage :12 Monate. Ab 2022 steigt der Betrag pro km auf 0,42 €, so dass der Abzugsbetrag für die Fahrtkosten entsprechend steigt.
59Der Antragsgegner ist vorliegend nicht auf öffentliche Verkehrsmittel zu verweisen, da es trotz der relativ kurzen Distanz keine zumutbaren Verbindungen vom Wohnort zum Arbeitsplatz gibt. Nach den Recherchen des Senats ergibt sich eine Fahrtzeit von 54 Minuten bis zu 1 Stunde und 30 Minuten für den Weg vom Wohnort zur Firma S.. Die Fahrtzeit mit dem PKW beträgt dagegen nur 17 Minuten. Selbiges gilt für die Strecke zur Firma T., die mit öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen 1 Stunde und 1 Stunde und 17 Minuten in Anspruch nimmt, die Fahrt mit dem PKW benötigt dagegen lediglich 10 Minuten. Unter Berücksichtigung der aufgrund der Nebentätigkeit des Antragsgegners bereits auf 44 Wochenstunden aufgestockten Arbeitszeit und des regelmäßigen Umgangskontakts mit seinen Kindern erachtet der Senat es daher im vorliegenden Einzelfall für unzumutbar, dem Antragsgegner mit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel mehr als das Dreifache der Fahrtzeit mit dem PKW abzuverlangen.
60cc)
61Der Antragsgegner möchte die Raten zur Abgeltung des Bußgeldbetrages, die Raten für die Begleichung des Rückstandes seiner Kreditkarte von der L. Bank sowie die Raten für die Darlehen bei der J.bank und bei der R.-Bank abgezogen wissen. Grundsätzlich gilt für den Abzug finanzieller Belastungen das Folgende:
62Verbindlichkeiten können zwar die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten mindern, davon geht das Gesetz in §§ 1603 Abs. 1, 1581 Satz 1 BGB aus. Es sind allerdings nicht ausnahmslos alle Schulden zu berücksichtigen, sondern die Interessen der Berechtigten, den Unterhalt ungekürzt zu erhalten und diejenigen des Pflichtigen an zeitnaher Tilgung und unterhaltsrechtlicher Berücksichtigung sind durch den Tatrichter gegeneinander abzuwägen. Im Rahmen dieser Abwägung sind der Zweck der Verbindlichkeiten, der Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung, die Dringlichkeit der beiderseitigen Bedürfnisse, die Kenntnis des Unterhaltsschuldners von Grund und Höhe seiner Unterhaltsverpflichtungen und seine Möglichkeiten, seine Leistungsfähigkeit ganz oder teilweise wiederherzustellen, von Bedeutung (vgl. Niepmann/ Kerscher, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 15. Aufl. 2023, Rn. 1039).
63Beim Kindesunterhalt gilt ein strengerer Maßstab als beim Ehegattenunterhalt, denn Kinder können auch bei äußerster Anstrengung ihren notwendigen Lebensbedarf nicht selbst decken. Dennoch ist auch hier grundsätzlich eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen, bei der darauf abzustellen ist, dass Kinder die Lebensstellung ihrer Eltern teilen, so dass Verbindlichkeiten, die Eltern eingehen zur Sicherung des gemeinsamen Lebensbedarfs und die deshalb auch bei Fortbestand der Ehe den Familienunterhalt geschmälert hätten, abzugsfähig sind (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.1995, XII ZR 247/94, juris Rn. 17 ff.). Insbesondere wenn der Mindestkindesunterhalt nicht gedeckt ist, gibt die Rechtsprechung dem Schuldner allerdings nur einen Anspruch darauf, dass seine Verschuldung nicht wächst, so dass Tilgungsraten teilweise nicht berücksichtigt werden. Zudem muss sich der Schuldner intensiv um eine Tilgungsstreckung bemühen, wobei dies – wie auch hier – in den seltensten Fällen erfolgreich ist (vgl. Niepmann/ Kerscher, aaO, Rn. 1043; BGH, Beschluss vom 09.03.2022, XII ZB 233/21, juris Rn. 20, wobei es in diesem Fall um die Finanzierungsraten für eine Immobilie ging).
64Nach diesen Maßstäben sind die Zahlungen auf die Darlehen bei der J.bank und der R.-Bank grundsätzlich berücksichtigungsfähig. Den Darlehensvertrag mit der R.-Bank haben die Eheleute im April 2018 und den Darlehensvertrag mit der J.bank im Mai 2019 abgeschlossen. Unstreitig ist die Darlehensaufnahme zur Finanzierung des Lebensunterhalts während zeitweiser Arbeitslosigkeit des Antragsgegners erforderlich geworden und hat die finanzielle Situation der Kinder während noch bestehender Ehe geprägt. Da das J.bank-Darlehen noch bis Mai 2026 und das R.-Darlehen noch bis November 2027 läuft, hätten die Ratenzahlungen die Lebensverhältnisse der Kinder auch bei Fortbestehen der Ehe noch langfristig geprägt. Auch hat sich der Antragsgegner an beide Banken bezüglich einer Tilgungsaussetzung oder –streckung gewandt, was allerdings erfolglos blieb.
65Die Raten zur Begleichung des Rückstandes auf dem Kreditkartenkonto sind dagegen nicht zu berücksichtigen, denn der Antragsgegner hat schon nicht dargelegt, sich bezüglich einer Ratenzahlungsaussetzung oder Tilgungsstreckung an die L.-Bank gewandt zu haben. Das Konto lief nur auf seinen Namen, so dass nicht ohne weiteres ersichtlich ist, ob ausschließlich Ausgaben zur Lebensführung der Familie damit bezahlt wurden. Nicht bekannt ist, ab wann der Rückstand bestand und die Ratenzahlung aufgenommen wurde, inwieweit also diese Ratenzahlung die Lebensverhältnisse der Kinder während bestehender Ehe überhaupt geprägt hat. Überdies ist die Ratenhöhe von 90,- € monatlich nicht derart hoch, dass eine spürbare Prägung der Lebensverhältnisse der Kinder dadurch zu erwarten gewesen wäre.
66Auch die Raten für das Bußgeld sind nicht in Abzug zu bringen. Der entsprechende Bescheid ist am 16.10.2019 ergangen und damit kurz vor der Trennung der Eheleute am 00.00.2019. Eine Prägung der Lebensverhältnisse der Kinder kann daher durch die Ratenzahlung noch gar nicht stattgefunden haben. Überdies ist das Bußgeld mit Zahlung der letzten Rate im Februar 2021 bereits getilgt worden. Der Antragsgegner kann zudem dem Mindestunterhaltsanspruch seiner minderjährigen Kinder nicht die Folgen eigenen Fehlverhaltens in Form eines Bußgeldes entgegenhalten.
67Bei Berücksichtigung der Darlehensraten für die J.bank und die R.-Bank ergibt sich eine Leistungsfähigkeit des Antragsgegners wie folgt:
68Abzüge vom Einkommen Antragsgegner |
2020 |
2021 |
2022 |
2023 |
||
notwendiger Sebstbehalt |
1.160,00 € |
1.160,00 € |
1.160,00 € |
1.370,00 € |
||
Darlehen R.-Bank |
450,00 € |
450,00 € |
450,00 € |
450,00 € |
||
Darlehen J.bank |
208,00 € |
208,00 € |
208,00 € |
208,00 € |
||
Fahrtkosten |
110,00 € |
110,00 € |
154,00 € |
154,00 € |
||
Unterhaltsrelevantes Einkommen |
273,61 € |
38,39 € |
5,19 € |
-203,52 € |
||
Rückstand |
3.283,37 € |
460,72 € |
62,26 € |
-2.442,23 € |
||
Gesamt |
3.806,35 € |
dd)
70Der Antragsgegner ist mangels Leistungsfähigkeit bei Berücksichtigung der Darlehensraten dazu verpflichtet, einen Privatinsolvenzantrag zu stellen.
71Ein Unterhaltsschuldner ist, wenn er nicht im Einzelfall die Unzumutbarkeit darlegt, grundsätzlich verpflichtet, zur Deckung des Unterhaltsbedarfs minderjähriger Kinder ein Verbraucherinsolvenzverfahren einzuleiten. Er ist gehalten, Zahlungen an Drittgläubiger bis zur Höhe der Pfändungsfreigrenzen einzustellen, um den unterhaltsberechtigten Kindern die Möglichkeit der erweiterten Pfändung bis zum Selbstbehalt nach § 850 d ZPO zu eröffnen.
72Vorteile und Nachteile des Insolvenzverfahrens sind dabei im jeweiligen Einzelfall insgesamt gegeneinander abzuwägen. Ein Insolvenzverfahren muss der Unterhaltspflichtige nur dann einleiten, wenn die Vorteile des Verfahrens die Nachteile deutlich überwiegen (vgl. Niepmann/ Kerscher, aaO Rn. 122). Von Unzumutbarkeit wäre etwa auszugehen, wenn dem Unterhaltsschuldner der Verlust seines Arbeitsplatzes drohen würde (vgl. OLG Oldenburg, FamRZ 2006, 1223).
73Der Antragsgegner hat zu der seitens des Landes aufgeworfenen Frage der Einleitung des Insolvenzverfahrens vorgebracht, dass in diesem Falle die Verbindlichkeiten auf seine Ehefrau als Gesamtschuldnerin übergehen würden mit der Folge der Verschuldung der Ehefrau und der minderjährigen Kinder. Die etwaigen Unterhaltsbeträge müssten dann genutzt werden zur Tilgung der Darlehensverbindlichkeiten. Dies würde dazu führen, dass auch die Ehefrau Privatinsolvenz anmelden müsste mit direkten wirtschaftlichen Folgen für die Kinder.
74Das ist unzutreffend. Richtig ist sicherlich, dass sich die darlehensgebenden Banken nach der Einleitung des Privatinsolvenzverfahrens durch den Antragsgegner an die Mitdarlehensnehmerin wenden würden. Richtig ist weiterhin, dass auch diese mangels eigenen Einkommens u.U. gezwungen wäre, Privatinsolvenz anzumelden. Aber dies führt weder zu einer Verschuldung der Kinder noch hätte dies sonstige direkte wirtschaftliche Auswirkungen auf die Kinder. Denn die Unterhaltszahlungen würden auf Ansprüche der Kinder geleistet und nicht auf etwaige Ansprüche der Ehefrau des Antragsgegners und somit auch nicht von einem Insolvenzverfahren der Ehefrau erfasst.
75Die laufenden Unterhaltsansprüche der Kinder sind bevorrechtigt gem. § 850 d ZPO. Gem. § 850 c Abs. 1 Nr. 1 ZPO (in der Fassung ab dem 07.05.2021) sind sodann unpfändbar 1.178,59 € für den Antragsgegner selbst, gem. § 850 c Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 sind es 443,57 € für die erste Person, der Unterhalt gewährt wird und gem. § 850 c Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 ZPO noch 247,12 € für die zweite Person, der Unterhalt gewährt wird. Insgesamt wären vom Einkommen des Antragsgegners 1.869,28 € unpfändbar und damit auch im Insolvenzverfahren zugunsten der unterhaltsberechtigten Kinder vor dem Zugriff des Insolvenzverwalters geschützt.
76Entgegen der Ansicht des Landes ist allerdings nicht davon auszugehen, dass der Antragsgegner diesen Antrag schon im Jahr 2020 mit dem ersten Hinweis des Landes auf die – dessen Auffassung nach bestehende - Pflicht zur Insolvenzantragstellung tatsächlich hätte stellen müssen. Vielmehr ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass der anwaltlich gegenteilig beratene Antragsgegner bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat davon ausgehen durfte, dass er keiner entsprechenden Verpflichtung unterliegt. Zudem hat, wie oben bereits ausgeführt, in jedem Einzelfall eine Gesamtabwägung der Vorteile des Insolvenzverfahrens mit dessen Nachteilen stattzufinden. Nur wenn die Vorteile überwiegen besteht eine Antragspflicht. Die entsprechenden Überlegungen sind durchaus komplex, so dass von dem Antragsgegner hier nicht verlangt werden konnte, sich gegen den anwaltlichen Rat auf ein Privatinsolvenzverfahren einzulassen.
77Der Senat hat dem Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung allerdings seine Rechtsansicht erläutert, dass in seinem Fall die Insolvenzantragstellung erforderlich sei, zumal der Antragsgegner keinen konkreten Nachteil des Verfahrens zu benennen wusste. Mithin geht der Senat davon aus, dass der Antragsgegner ab Januar 2024 die Ratenzahlung an die Banken einstellt und die Durchführung des Privatinsolvenzverfahrens beantragt. Dementsprechend ist der Antragsgegner ab Januar 2024 verpflichtet, laufenden Unterhalt entsprechend seiner Leistungsfähigkeit wie folgt zu zahlen:
78Einkommen: 1.978,48 €
79Abzgl. notw. Selbstbehalt 1.450,00 €
80Abzgl. Darlehen 0,00 €
81Abzgl. Fahrtkosten 154,00 €
82Leistungsfähigkeit 374,48 €
83Da beide Kinder in der 2. Altersstufe sind, entfällt auf jedes Kind ein Betrag i.H.v. 187,24 €.
84Für den rückständigen Unterhalt ergibt sich aus der Excel-Tabelle unter cc) ein Betrag i.H.v. 3.806,35 € für beide Kinder, je Kind also ein Betrag i.H.v. 1.903,18 €.
85Der Anspruch auf Verzugszinsen auf den rückständigen Unterhalt ergibt sich aus den §§ 286, 288 BGB.
86III.
87Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 113 Abs. 1 FamFG, 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur sofortigen Wirksamkeit ergibt sich aus § 116 Abs. 3 Satz 3 FamFG.
88Rechtsbehelfsbelehrung:
89Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
90Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert (§ 70 Abs. 2 FamFG).