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Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Köln (24 O 272/21) vom 4. August 2022 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
2I.
31. Die Parteien streiten um Ansprüche der Klägerin aus abgetretenem Recht ihres vormaligen Geschäftsführers, des Zeugen H., aus einem O.-Versicherungsvertrag, den die Klägerin bei der R. GmbH abgeschlossen hat. Die R. GmbH ist eine Versicherungsgemeinschaft, an der die Beklagte als „führende Versicherung“ i.S.d. Versicherungsvertrags (vgl. Versicherungsschein, Anlage K 1, Bl. 45 ff. eA-LG) mit 7,25 % beteiligt ist. Dem Versicherungsvertrag liegen die Versicherungsbedingungen (R.-L+N 2019, Anlage K 2, Bl. 53 ff eA-LG) zugrunde. Nach § 15 Ziffer 3 AVB (R.-L+N 2019) ist für deckungsrechtliche Streitigkeiten ausschließlich die führende Versicherung Prozesspartei und prozessführungsbefugt. Ein gegen die führende Versicherung erstrittenes Urteil erkennen die anderen Versicherer jeweils für sich und ihren Anteil am Versicherungsvertrag verbindlich an.
4Bei der R. O.-Versicherung handelt es sich um eine auf dem Claims-Made-Prinzip (Anspruchserhebungsprinzip) basierende Versicherung. In den Allgemeinen Bedingungen zur R.-L+N 2019 (Anlage K 2, Bl. 53 ff eA-LG) heißt es einleitend:
5„Dies bedeutet, dass Versicherungsschutz nur für solche Ansprüche gewährt wird, die erstmals während der Dauer des Versicherungsvertrags oder, soweit vereinbart, während der Nachmeldefrist aufgrund einer vor dem Ende des Versicherungsvertrags begangenen Pflichtverletzung in Textform gegen eine versicherte Person geltend gemacht werden. (…)
6§ 1 Versichertes Risiko
7(…)
8Versicherungsfall ist nicht die Pflichtverletzung, sondern die erstmalige Inanspruchnahme auf Ersatz eines Vermögensschadens in Textform. Der erstmaligen Inanspruchnahme stehen, soweit sie erstmalig und in Textform erfolgen, gleich:
9(…)
10Nach § 3 Ziffer 6.1 der R.-L+N 2019 erstreckt sich der Versicherungsschutz nicht auf Versicherungsfälle, die auf einer wissentlichen Pflichtverletzung beruhen. Gemäß § 12 Ziffer 2 der R.-L+N 2019 haben versicherte Person und Unternehmen bei der Schadensminderung mitzuwirken, und sind verpflichtet, der R. gegenüber vollständig, wahrheitsgemäß und unverzüglich Auskunft über die Pflichtverletzung zu erteilen. Folge einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung ist gemäß § 12 Ziffer 4 R.-L+N 2019 der Verlust des Versicherungsschutzes. Gemäß § 15 Ziffer 2 R.-L+N 2019 kann der Leistungsanspruch gegen die R. ohne schriftliche Zustimmung der R. nur an den Geschädigten abgetreten werden.
12Der Zeuge H. war von 2013 bis zum 00.00.0000 einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Klägerin und als solcher versicherte Person im Sinne von Ziffer 5.1 des Versicherungsvertrags zwischen den Parteien. In der Zeit vom 00.00.0000 bis 00.00.0000 war weiterer Geschäftsführer der Klägerin der Zeuge C.. Dieser war zugleich Alleingesellschafter und –geschäftsführer der T. GmbH, die wiederum die alleinige Gesellschafterin der Klägerin war.
13Die Klägerin produzierte hoch brennbares Abdichtungsmaterial. Sie unterhielt bei der N. eine Firmen Plus-Sachversicherung mit Betriebsunterbrechung (Nachtrag zum Versicherungsschein vom 00.00.0000, Anlage K 6, Bl. 100 eA-LG, Allgemeine Bedingungen für die verbundene Firmenversicherung Anlage K 15, Bl. 149 ff. eA-LG). Der Versicherungsschutz erstreckte sich auf Betriebsgebäude und –einrichtung am Versicherungsort Y. u.a. für Schäden in Folge der Gefahr Feuer, wobei das Betriebsinventar mit einer Versicherungssumme i.H.v. 917.000,- € versichert war. Die Haftzeit im Falle eines Ertragsausfallschadens betrug 12 Monate.
14Am 00.00.0000 und 00.00.0000 fanden zwischen dem Geschäftsführer H. und Mitarbeitern der Versicherungsmaklerin U. GmbH & Co KG (i.d.F. U.), den Zeugen G. und V., Beratungsgespräche über die betriebliche Versicherung statt. Dabei wies der Zeuge G. den Zeugen H. darauf hin, dass die Versicherungssumme zu niedrig bemessen und die Haftzeit von nur 12 Monaten im Rahmen der Versicherung gegen Betriebsunterbrechung nicht ausreichend sei.
15Im Beratungsprotokoll vom 00.00.0000 (Anlage K 7, Bl. 104 eA-LG) heißt es unter Ziffer 3.3.:
16„Die Versicherungssumme zur Betriebsunterbrechung ist mit 917.000 € deutlich zu knapp bemessen. Der Versicherungsschutz sollte bei etwa 2 Mio € liegen. Für eine passende Ermittlung wird U. einen Fragebogen an den Kunden senden.“
17Im Beratungsprotokoll vom 00.00.0000 (Anlage K 8, Bl. 106 eA-LG) heißt es unter Ziffer 3.2. „Inventar“:
18„Der Vertrag soll unverändert fortgeführt werden. Die aktuellen Versicherungssummen sind gemäß Aussage von Herrn H. zutreffend.
19Der Sachverhalt zur Betriebsunterbrechung wurde intensiv diskutiert. Mit der aktuellen Versicherungssumme von 917.000 € wären kleinere Schäden abgesichert. Einen angenommenen Totalschaden durch Feuer würde das Unternehmen nicht verkraften, weil der Wiederaufbau mindestens 12 Monate in Anspruch nehmen würde und die Abnehmer sich bis dahin längst anderweitig versorgt hätten und eine Kundenrückgewinnung kaum vorstellbar wäre.
20Eine Ausweitung der Haftzeit und Erhöhung der Versicherungssumme wurde entgegen der ausdrücklichen Empfehlung nicht gewünscht. In dem neuen Objekt wird eine Löschanlage installiert, die im Falle eines Feuers den Totalschaden verhindern soll.“
21Am 00.00.0000 kam es in der Produktionsstätte der Klägerin in K., I.-straße 4, zu einem Großbrand, bei dem erheblicher Sachschaden an der Fertigungshalle und der Betriebseinrichtung entstand. In der Folge kam es zu einer Betriebsunterbrechung. Die Schadenshöhe ist streitig. Der Sachversicherer, die E. N. Versicherung AG, regulierte aufgrund der Unterversicherung in der abgeschlossenen Feuer- und Betriebsunterbrechungsversicherung den Schaden nur teilweise.
22Nachdem der Zeuge H. nach Beendigung des Arbeits- und Geschäftsführervertrags Ende 2019 Ansprüche wegen ausstehender Vergütungsansprüche i.H.v. rund 11.000,- € erhoben hatte, teilte die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 00.00.0000 (Anlage K 19, Bl. 210 eA-LG) mit, sie habe nach eingehender Prüfung festgestellt, dass sie Schadensersatzansprüche i.H.v. 1.350.195,- € gegen den Zeugen H. habe, weil dieser sie nur unzureichend gegen Feuerschäden versichert habe. Zugleich erklärte sie die Aufrechnung mit dessen offenen Arbeitslohnforderungen i.H.v. 10.464,52 € und 1.358,86 €. Zu einem späteren Zeitpunkt beglich die Klägerin die Lohnforderungen.
23Mit anwaltlichem Schreiben vom 00.00.0000 (Anlage B 8, Bl. 314 eA-LG) wies der Zeuge H. die Vorwürfe zurück und berief sich darauf, er habe auf Weisung des Zeugen C. gehandelt. Mit einem weiteren anwaltlichen Schreiben vom 00.00.0000 (Anlage B 6, Bl. 301 eA-LG) überreichte die Klägerin dem anwaltlichen Vertreter des Zeugen H. einen Klageentwurf und forderte ihn unter Fristsetzung zur Abgabe einer schriftlichen Bestätigung auf, dass er den Schaden ausgleichen werde.
24Mit Schreiben vom 00.00.0000 (Anlage B 5, Bl. 299 eA-LG) zeigte der Zeuge H. der Beklagten seine Inanspruchnahme durch die Klägerin an und bat um Prüfung der Eintrittspflicht, wobei er die Korrespondenz mit der Klägerin vorlegte. Auf Nachfrage der Beklagten übersandte der anwaltliche Vertreter des Zeugen H. der Beklagten eine vom Zeugen H. verfasste E-Mail vom 00.00.0000 (Anlage B 9, Bl. 317 eA-LG), in der dieser erneut mitteilte, dass Herr C. sich Entscheidungen zu versicherungstechnischen Belangen vorbehalten habe. Mit E-Mail vom 00.00.0000 (Anlage B 17, Bl. 467 eA-LG) und erneut mit Schreiben vom 00.00., 00.00. und 00.00.0000 (Anlagen B 13 – B 14, Bl. 328 ff. eA-LG) forderte die Beklagte den Zeugen H. auf, die Darstellung, Herr C. habe entschieden, dass der Versicherungsschutz nicht erweitert werden solle, zu konkretisieren bzw. entsprechende Korrespondenz vorzulegen. Mit Schreiben vom 00.00.0000 übersandte der anwaltlichen Vertreter des Zeugen H. dessen als Anlage B 4 (Bl. 297 eA-LG) vorgelegte Stellungnahme.
25Unter dem 00.00.0000/00.00.0000 schlossen der Zeuge H. und die Klägerin zwei Vereinbarungen: Eine schriftliche Abtretungsvereinbarung, in der der Zeuge H. seinen Freistellungsanspruch aus der O.-Versicherung gegen die in der Präambel der O.-Police aufgeführten Risikoträger an die Klägerin abtrat (Anlage K 20, Bl. 215 eA-LG). In einer weiteren Vereinbarung erklärte die Klägerin, keine Vollstreckungsmaßnahmen aus einem möglichen rechtskräftigen Zahlungstitel gegen den Geschäftsführer durchzuführen (Anlage R 6, Bl. 449 eA-LG). Auszugsweise hat die Vereinbarung folgenden Wortlaut:
26„§ 1 Rechte und Pflichten von Herrn H.
27Herrn H. stehen sämtliche vertraglichen und gesetzlichen Rechte und gegebenenfalls Pflichten zu, sich gegen die Inanspruchnahme der F. zu verteidigen.
28§ 2 Recht der F.
29F. stehen nach ihrer Wahl die folgende Rechte zu („Einräumung von Rechten“):
302.1 F. und Herr H. schlossen eine Abtretungsvereinbarung, unter der Herr H. die Abtretung von Freistellungsansprüchen unter und im Zusammenhang mit der O.-Police an F. im Hinblick auf vorstehenden Sachverhalt erklärte und F. die Abtretung annahm („Abtretung“).
312.2 Herr H. wird F. im Rahmen eines in Ansehung der Abtretung eingeleiteten gerichtlichen bzw. schiedsrichterlichen Verfahrens von F. gegen die L. Versicherungs-AG (führender Versicherer) – soweit gesetzlich und unter der O.-Police zulässig – unter anderem durch Auskunftserteilung unterstützen.
322.3 F. kann die ihr nach der Abtretung unter der O.-Police zustehenden Direktansprüche auf Versicherungsleistungen geltend machen. Auch in diesem Fall gilt die unter 2.2. beschriebene Mitwirkungspflicht von Herrn H..
33§ 3 Vollstreckungsschutz für Herrn H.
34Als Gegenleistung für die Einräumung von Rechten nach § 2 dieser Vereinbarung verpflichtet sich F. gegenüber Herrn H., keinerlei Vollstreckungsmaßnahmen gegen Herrn H. aus einem möglichen rechtskräftigen Zahlungstitel wegen des in der Präambel geschilderten Sachverhaltes im Hinblick auf mögliche Pflichtverletzungen von Herrn H. durchzuführen („pactum de non petendo“). Die Parteien stellen klar, dass durch das pactum de non petendo der Bestand der zuvor abgetretenen Forderung nicht beeinträchtigt wird. …“
35Mit anwaltlichem Schreiben vom 00.00.0000 erhob die Klägerin Ansprüche gegen die Beklagte bzw. die R. GmbH (Anlage K 22, Bl. 239 eA-LG).
36Die Klägerin nimmt die Beklagte entsprechend ihrer Beteiligung an der Versicherungsgemeinschaft mit einer Haftungsquote von 7,25 % des behaupteten Gesamtschadens von 1.000.000,- € in Anspruch.
37Die Klägerin wirft ihrem vormaligen Geschäftsführer, dem Zeugen H., vor, trotz Hinweis auf die Unterdeckung und nicht ausreichende Bemessung der Haftzeit fahrlässig keine ausreichende Betriebsunterbrechungsversicherung für Feuerschäden hinsichtlich der Versicherungssumme und Haftzeit bei Betriebsunterbrechungsschäden abgeschlossen zu haben und nicht dafür Sorge getragen zu haben, im Rahmen der Feuerversicherung eine hinreichende Versicherungssumme für Betriebsinventar bei Feuerschäden vereinbart zu haben.
38Dazu hat sie behauptet, die Verantwortung für den Abschluss von Versicherungsverträgen habe beim Zeugen H. gelegen. Selbst wenn es keine interne Ressortverteilung gegeben hätte, wäre der Zeuge H. für die Geschäftsführung im Ganzen verantwortlich gewesen und könne sich nicht auf eine mangelnde Ressortverantwortung berufen.
39Sie hat behauptet, ihr sei ein – von der Sachversicherung nicht gedeckter Schaden in Höhe von 1.240.213,50 € (Betriebsinventarschaden i.H.v. 145.596,50 €, Betriebsunterbrechungsschaden v. 00.00.00 bis 00.00.0000 i.H.v. 387.345,- €, Schadensminderungskosten durch Zukauf von Halbfertigungsware i.H.v. 82.251,- €, Betriebsunterbrechungsschaden von November 00 bis September 0000 i.H.v. 1.316.638,- €, daraus werden 625.021,- € geltend gemacht) entstanden (Bl. 17, 366 f. eA-LG). Bei einer dem Rat des Versicherungsmaklers entsprechenden Erhöhung der Versicherungssumme auf 2 Mio € wäre der Betriebsunterbrechungsschaden selbst bei fortbestehender Haftzeit von 12 Monaten vollständig abgedeckt worden.
40Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der Zeuge H. habe mit dem Hinweis im Rahmen der Schadensmeldung, die Entscheidung über die Erhöhung des Versicherungsschutzes habe nicht in seiner Verantwortung gelegen, keine falsche Auskunft gegeben, sondern nur eine – wenn auch unzutreffende - Rechtsmeinung geäußert. Die Haftung der Beklagten wegen einer vermeintlichen Auskunftsobliegenheitsverletzung des Zeugen H. sei nicht ausgeschlossen, da die Beklagte selbst ihre Nachfrage- sowie Rückfrageobliegenheit verletzt habe. Überdies sei eine Leistungsfreiheit der Beklagten angesichts der erheblichen wirtschaftlichen Folgen für den Zeugen H. nicht zwingende Folge der vermeintlichen Obliegenheitsverletzung. Die Berufung darauf stelle sich als unzulässige Rechtsausübung dar. Schließlich habe die Beklagte den Deckungsschutz gegenüber der versicherten Person faktisch abgelehnt, indem sie nicht einmal vorläufigen Deckungsschutz gewährt habe. Dadurch seien etwaige Mitwirkungs- und Obliegenheitspflichten der versicherten Person erloschen.
41Die Klägerin hat weiter die Ansicht vertreten, eine Leistungsfreiheit ergebe sich auch nicht aus einer wissentlichen Verletzung der Geschäftsführerpflichten durch den Zeugen H.. Diesem sei insbesondere kein vorsätzliches Handeln vorzuwerfen. Vielmehr habe der Zeuge H. im Rahmen des ihm zustehenden unternehmerischen Handlungsspielraums eine falsche Abwägung zwischen dem Risiko für die Gesellschaft durch einen etwaigen Totalschaden durch Feuer und der Wahrung der Vermögensinteressen (Prämienerhöhung) getroffen.
42Die Klägerin hat weiter unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 13.04.2016 – IV ZR 304/13 – und - IV ZR 51/14 - ) die Ansicht vertreten, das Bestehen des Haftungsanspruchs werde durch die Abtretung und den Abschluss des pactum de non petendo, das keinen dauerhaften Verzicht auf die Inanspruchnahme des Zeugen H. beinhalte, sondern nur ein vorübergehendes Prozesshindernis begründe, nicht beeinträchtigt. Die wirksame Abtretung habe zur Folge, dass sie ihre Ansprüche aus dem Haftpflicht- und Deckungsverhältnis unmittelbar gegenüber dem Versicherer als Zahlungsanspruch geltend machen könne. Eine ernstliche Inanspruchnahme der versicherten Person sei – nach der Rechtsprechung des BGH - keine Voraussetzung für den Eintritt des Versicherungsfalls. Selbst wenn die Abtretung nicht erfüllungshalber, sondern an Erfüllungs statt abgetreten worden sei, wirke sich dies nicht auf den Direktanspruch des Zessionars aus.
43Die Klägerin hat beantragt,
44die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 72.500,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20. März 2021 zu zahlen.
45Die Beklagte hat beantragt,
46die Klage abzuweisen.
47Die Beklagte hat behauptet, es habe keine Ressortaufteilung zwischen den Geschäftsführern gegeben, nach der der Zeuge H. für den Abschluss von Versicherungsverträgen zuständig gewesen sei. Der Zeuge H. habe nur die Aufgabe gehabt, versicherungstechnische Entscheidungen vorzubereiten und nach den Vorgaben des Zeugen C. umzusetzen, der sich die Entscheidungen zu versicherungsrechtlichen Themen vorbehalten habe. Die Entscheidung gegen die Erhöhung der Versicherungssumme und Haftzeit sei auf Anweisung des Zeugen C. getroffen worden.
48Selbst wenn der Zeuge H. sich ohne Weisung des Zeugen C. gegen eine Ausdehnung der Haftzeit entschieden habe, sei dies nicht kausal für die Umsatzeinbußen von November 2019 bis September 2020, weil ausweislich des Protokolls nach Einschätzung der Klägerin das Unternehmen einen Totalschaden wegen Feuers ohnehin nicht verkraftet hätte, da der Wiederaufbau mindestens 12 Monate in Anspruch nehmen würde.
49Die Beklagte hat die Schadensdarlegung als unschlüssig gerügt.
50Weiter hat die Beklagte behauptet, der Zeuge H. habe ihr gegenüber vorgerichtlich angegeben (Anlagen B 4, Bl. 297 ff eA-LG), er habe auf Weisung des Zeugen C. die Versicherungssumme nicht entsprechend der Empfehlung der Versicherungsmakler geändert. Sie ist der Ansicht, dass sie – sollte sich diese Darstellung als unzutreffend erweisen – von der Haftung befreit sei. Denn einerseits hätte der Zeuge H. in diesem Fall ihr gegenüber seine Auskunftsobliegenheitsverpflichtung nach § 12 Ziffer 2 R.-L+N 2019 arglistig verletzt. Andererseits hätte er dann die ihm vorgeworfene Pflichtverletzung wissentlich begangen, weshalb der Versicherungsschutz gem. § 3 Ziffer 6.1 R.-L+N 2019 ausgeschlossen wäre.
51Das Landgericht hat am 02.05.2022 einen Hinweisbeschluss erlassen (Bl. 501 eA- LG).
52Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils, in der durch Beschluss vom 15.09.2022 (Bl. 613 eA-LG) berichtigten Fassung, Bezug genommen.
532. Das Landgericht hat die Klage mit dem am 04.08.2022 verkündeten Urteil abgewiesen und zur Begründung folgendes ausgeführt: Mit Abschluss der Vereinbarungen vom 00.00.0000/00.00.0000 liege kein bedingungsgemäßer Versicherungsfall mehr vor. Dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag liege das Claims-Made-Prinzip zugrunde, wonach Versicherungsfall nicht der Eintritt des Schadensereignisses in versicherter Zeit, sondern die erstmalige Inanspruchnahme auf Ersatz eines Vermögensschadens sei. Die Abtretung sei nicht erfüllungshalber, sondern an Erfüllungs statt erfolgt; damit liege eine ernsthafte Inanspruchnahme des Geschäftsführers H. nicht mehr vor, mit der Folge, dass es an einem bedingungsmäßen Versicherungsfall fehle. Aufgrund des sachlich und zeitlich unbeschränkten Verzichts der Klägerin auf Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihren ehemaligen Geschäftsführer habe die Vereinbarung vom 00.00./00.00.0000 die Wirkung eines vertraglichen Verzichts auf den Haftungsanspruch.
54Die Vereinbarung habe auch nicht nur deklaratorischen Charakter. Vielmehr stünden beide Vereinbarungen in einem Gegenseitigkeitsverhältnis in dem Sinne, dass die eine nicht ohne die andere geschlossen worden wäre.
55§ 106 S. 2 VVG stehe dem unter Berücksichtigung der Besonderheiten der O.- Versicherung nicht entgegen. Denn diese Vorschrift greife erst ein, wenn ein Versicherungsfall vorliege, was anhand des Versicherungsvertrags und der einbezogenen Versicherungsbedingungen zu beurteilen sei. Da in der O.- Versicherung nach dem Claims-Made-Prinzip die Anspruchserhebung selbst den Versicherungsfall darstelle, liege kein Versicherungsfall mehr vor, wenn auf die Anspruchsdurchsetzung gegenüber dem Schädiger verzichtet werde.
56Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
573. Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 04.08.2022 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 18.08.2022 beim Oberlandesgericht eingegangenen Berufung, die sie form- und fristgerecht begründet hat. Sie rügt, das erstinstanzliche Urteil gehe fehlerhaft davon aus, dass aufgrund der Vereinbarung vom 14./00.00.0000 ein Versicherungsfall nicht mehr vorliege. Der Versicherungsfall sei mit der Erhebung ihrer Ansprüche gegenüber der versicherten Person eingetreten – das claims-made-Prinzip bestimme nur den Entstehungszeitpunkt - und habe nicht nachträglich entfallen können. Eine dauerhafte Inanspruchnahme sei keine weitere Anspruchsvoraussetzung. Die Abtretung des Freistellungsanspruchs nach Anspruchsentstehung an Erfüllungs statt führe nicht zum Untergang des Anspruchs gegen die Versicherung. Durch die Abtretung sei nach § 106 S. 2 VVG analog ein Zahlungsanspruch in den Händen des Geschädigten entstanden. Die Abtretung des Freistellungsanspruchs aus der O.-Versicherung auch ausschließlich zu dem Zweck, den Haftpflichtversicherer in Anspruch zu nehmen, sei zulässig, selbst wenn eine weitere Inanspruchnahme des Schädigers nicht geplant sei. Entgegen der Ansicht des Landgerichts gelte die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Zulässigkeit der Abtretung nicht allein für die Abtretung erfüllungshalber. Das Landgericht schränke den Anwendungsbereich des § 106 VVG für die O.-Versicherung unzulässig ein. Hilfsweise beruft sich die Klägerin darauf, Herr H. habe seinen Freistellungsanspruch gegen die Beklagte erfüllungshalber abgetreten.
58Die Klägerin beantragt nunmehr unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Köln vom 4. August 2022,
59die Beklagte zu verurteilen, an sie 72.500,00 € nebst fünf Prozent Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.03.2021 zu zahlen.
60Die Beklagte beantragt,
61die Berufung zurückzuweisen.
62Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Sie meint, für die O.-Versicherung sei maßgeblich, ob im Zeitpunkt der Entscheidung über die Freistellung ein Versicherungsfall vorliege; verzichte der Geschädigte zuvor gegenüber dem Schädiger dauerhaft auf die Durchsetzung des behaupteten Anspruchs, liege ein Versicherungsfall nicht mehr vor.
63Im Übrigen wiederholt sie ihren Vortrag zur Leistungsfreiheit wegen wissentlicher Verletzung der Geschäftsführerpflichten und arglistiger Verletzung von Auskunftspflichten durch vermeintliche Falschangaben zum Handeln auf Weisung und Verletzung von Obliegenheitspflichten durch Abschluss des pactum de non petendo durch Herrn H..
64Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen H., C., G. und V. zur Frage, ob der Zeuge H. die Entscheidung über den Abschluss bzw. die Erneuerung der Versicherungsverträge in eigener Verantwortung getroffen habe oder nur vorbereitend tätig gewesen sei und der Zeuge C. entschieden habe, den Feuerversicherungsschutz nicht zu erhöhen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 19.09.2023 (Bl. 284 ff. eA-OLG) Bezug genommen.
65II.
661. Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Klägerin kann die Beklagte nicht aus abgetretenem Recht des Zeugen H. auf Leistung aus dem zwischen ihr und der R. GmbH abgeschlossenen O. Versicherungsvertrag i.V.m. § 1 Satz 1 VVG in Höhe der Beteiligungsquote der Beklagten an der R. GmbH in Anspruch nehmen. Zwar ist dem Landgericht nicht darin zu folgen, dass es aufgrund des Abschlusses der Vereinbarungen zwischen der Klägerin und dem Zeugen H. vom 00.00.0000/00.00.0000 (Anlage K 20, Bl. 215 f. eA-LG und Anlage R 6, B. 449 ff. eA-LG) an einem bedingungsgemäßen Versicherungsfall fehlt. Allerdings steht der Klägerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein Schadensersatzanspruch gegen ihren ehemaligen Geschäftsführer, den Zeugen H., wegen Verletzung der ihr gegenüber bestehenden Pflichten nicht zu. Dies hat zur Folge, dass die Beklagte für einen Schaden, der der Klägerin entstanden sein soll, weil der Versicherungsschutz der Firmen Plus-Sachversicherung mit Betriebsunterbrechung entgegen der Empfehlung des Zeugen G. hinsichtlich Haftzeit und Versicherungssumme nicht erhöht worden ist, nicht eintrittspflichtig ist.
672. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist der Deckungsanspruch nicht entfallen, weil es an einem bedingungsgemäßen Versicherungsfall fehlt.
68a) Der Versicherungsfall ist durch die schriftliche Inanspruchnahme des Zeugen H. durch die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 00.00.0000 (Anlage K 19, Bl. 210 f. eA-LG) eingetreten.
69Nach der Regelung des § 1 Ziffer 1 R.-L+N 2019 bietet der Versicherer Versicherungsschutz für den Fall, dass versicherte Personen wegen einer bei der versicherten Tätigkeit begangenen Pflichtverletzung auf Ersatz eines Vermögensschadens in Anspruch genommen werden, wobei der Versicherungsfall nicht die Pflichtverletzung, sondern die erstmalige Inanspruchnahme auf Ersatz eines Vermögensschadens in Textform ist (Anspruchserhebungsprinzip oder Claims-Made-Prinzip).
70aa) Der Zeuge H. war als vormaliger Fremdgeschäftsführer der Klägerin (angestelltes Organmitglied) versicherte Person i.S.v. § 5 Ziffer 1 R.-L+N 2019. Der Versicherungsschutz wird durch die Beendigung der Geschäftsführertätigkeit nicht berührt, § 5 Ziffer 7 R.-L+N 2019.
71bb) Die Entscheidung über die Erhöhung des Versicherungsschutzes der Betriebsunterbrechungs- und Inventarversicherung steht grundsätzlich in Zusammenhang mit den Aufgaben eines Geschäftsführers, so dass es sich bei der behaupteten Pflichtverletzung auch um eine versicherte Tätigkeit gemäß § 6 Ziffer 1 R.-L+N 2019 handelt.
72b) Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist der bedingungsgemäße Versicherungsfall durch die Abtretung und die Vereinbarung eines „pactum de non petendo“ nicht entfallen. Das Landgericht verkennt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 13.04.2016 - IV ZR 304/23 – juris Rn. 28 ff.) die direkte Inanspruchnahme des Versicherers durch den Geschädigten nach Abtretung des Freistellungsanspruchs gem. § 108 Abs. 2 VVG auch im Fall der O.-Versicherung keinen Vorsatz des Geschädigten voraussetzt, den Schädiger ernstlich persönlich in Anspruch nehmen zu wollen. Anlass von dieser Rechtsprechung abzuweichen, hat der Senat nicht. Anders als das Landgericht offenbar annimmt, ist insbesondere der Haftungsanspruch durch die Abtretung nicht erloschen und zwar unabhängig davon, ob die Abtretung erfüllungshalber oder – wie das Landgericht meint – an Erfüllungs statt erfolgt ist.
73aa) Die bloße Abtretung des Freistellungsanspruchs gegen den Haftpflichtversicherer – die in der Regel erfüllungshalber erfolgt (vgl. BGH, Urt. vom 13.04.2016, - IV ZR 51/14 -, juris Rn. 34; Harzenetter NZG 2016, 728, 731; Glimpel, Die Abtretung von Deckungsansprüchen nach § 108 Abs. 2 VVG, 2022, S. 101 mw.Nw. in Fn. 369) – vom Versicherungsnehmer an den geschädigten Dritten lässt dessen Haftpflichtanspruch gegen den Versicherungsnehmer bzw. die versicherte Person unberührt. Die Umwandlung des Freistellungsanspruchs in einen Zahlungsanspruch in der Person des geschädigten Dritten ist dogmatisch nicht als Verschmelzung von Deckungs- und Haftpflichtanspruch zu deuten, vielmehr ist der Haftpflichtgläubiger nunmehr Inhaber beider Ansprüche (BGH, Urt. v. 12.03.1975, - IV ZR 102/74 -, juris Rn. 14; BGH, Urt. v. 20.04.2016, - IV ZR 531/14 – NJW 2016, 3453, Rn. 18; Retter in Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers, Praxiskommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, 4. Aufl. 2021, § 108 VVG Rn. 27), denn Versicherungsnehmer und geschädigter Dritter haben keine Befugnis, die Versicherung ohne ihre Zustimmung zum Schuldner des Haftpflichtanspruchs zu machen (Wandt in Langheid/Wandt, MüKo zum VVG, 2. Auf. 2017, § 108 VVG, Rn. 119). Der Zahlungsanspruch des geschädigten Dritten tritt an die Stelle des abgetretenen Freistellungsanspruchs des Versicherungsnehmers und ist wie ursprünglich der Freistellungsanspruch von der Haftpflichtforderung des Dritten gegen den Versicherungsnehmer zu unterscheiden (Wandt, aaO, Rn. 120).
74Allerdings hat die Abtretung des Freistellungsanspruchs erfüllungshalber für den Versicherungsnehmer bzw. – hier – die versicherte Person den Nachteil, dass der Geschädigte ihn (erneut) auf Schadensersatz in Anspruch nehmen kann, wenn dieser erfolglos gerichtlich gegen die Versicherung vorgegangen ist (Wandt in Langheid/Wandt MüKo zum VVG, 2. Aufl. 2017, § 108 Rn. 135). Die Annahme einer Leistung erfüllungshalber führt nicht zur Erfüllung und dem anschließenden Erlöschen eines Anspruchs, sondern hat lediglich die Stundung der ursprünglichen Forderung zur Folge, die entweder durch Erfüllung oder dadurch endet, dass der Versuch der anderweitigen Befriedigung misslingt (Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 364 Rn. 8). Verliert der Geschädigte den Direktprozess gegen den Versicherer, entfaltet das Urteil aus prozessrechtlicher Sicht keine Wirkung im Verhältnis zwischen Geschädigtem und Zedent (Armbrüster in Bruck/Möller, VVG, 10. Aufl., A-9 Abtretung des Versicherungsanspruchs Rn. 27; Lücke in Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl. 2021, § 108 Rn. 28; Wandt in Langheid/Wandt MüKo zum VVG, 2. Aufl. 2017, § 108 Rn. 136). Demgegenüber hätte das klageabweisende Urteil im Verhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer/versicherter Person gem. § 325 ZPO für den Fall Wirkung, dass der Geschädigte den Freistellungsanspruch an den Versicherungsnehmer/die versicherte Person zurückabtreten würde. Damit könnte, wenn im Ausgangsprozess die Haftung des Versicherers aus deckungsrechtlichen Gründen verneint worden wäre, der Versicherungsnehmer bzw. die versicherte Person die Versicherung nicht mehr auf Deckung in Anspruch nehmen (vgl. Lücke in Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl. 2021, § 108 Rn. 29; Wandt in Langheid/Wandt, MüKo zum VVG, 2. Aufl. 2017, § 108 Rn. 137; Brinkmann, ZIP 2017, 301, 305; Hoffmann-Becking, ZHR 2017, 737, 742 f.).
75Um das Risiko des Versicherungsnehmers bzw. der versicherten Person auszuschließen, von dem Zessionar gleichzeitig mit der Versicherung oder nach verlorenem Rechtsstreit gegen die Versicherung in Anspruch genommen zu werden, wird angenommen, dass die Abtretung dahin ausgelegt werden soll, dass sie ein Stillhalteabkommen (pactum de non petendo) enthält, nach dem der Geschädigte solange auf ein weiteres Vorgehen gegen den Schädiger verzichtet, wie die Möglichkeit besteht, vom Versicherer Schadensersatz zu erhalten (Lücke in Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl. 2021, § 108 Rn. 27; Wandt in Langheidt/Wandt, MüKo zum VVG, 2. Aufl. 2017, § 108 Rn. 119; Brinkmann, ZIP 2017, 301, 303; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 364 Rn. 8). Um Streitigkeiten zu vermeiden, wird der Abschluss einer schriftlichen Stillhaltevereinbarung empfohlen (Schumacher, NZG 2016, 969, 973; Harzenetter, NZG 2016, 728, 730). Diese Stillhaltevereinbarung schränkt das Recht des Geschädigten, den Haftungsanspruch gegen den Versicherungsnehmer/die versicherte Person geltend zu machen oder aus einem diesbezüglich erwirkten Titel zu vollstrecken, ein.
76bb) Tritt hingegen der Versicherungsnehmer bzw. die versicherte Person den Freistellungsanspruch an Erfüllungs statt an den Geschädigten ab, erlischt mit der Abtretung der Haftungsanspruch (Koch in Bruck/Möller, VVG, 10. Auf. 2022, § 108 Rn. 39; Retter in Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers, Praxiskommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, § 108 Rn. 21; Unmuth, AG 2020, 890, 892, Rn. 14; Brinkmann, ZIP 2017, 301, 303; Harzenetter, NZG 2016, 728, 730). Allerdings hat dies nicht das Erlöschen des Deckungsanspruchs und die Leistungsfreiheit des Versicherers zur Folge (so aber Hoffmann-Becking, ZHR 2017, 737, 743; Cyrus, NZG 2018, 7, 11; Unmuth, AG 2020, 890, 893 Rn. 15). Dies folgt mittelbar aus § 105 VVG, demzufolge eine Vereinbarung unwirksam ist, nach welcher der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet ist, wenn ohne seine Einwilligung der Versicherungsnehmer bzw. die versicherte Person den Dritten befriedigt oder dessen Anspruch anerkennt. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass der Versicherer zur Leistung verpflichtet bleibt, wenn der Versicherungsnehmer den Haftpflichtanspruch durch Abtretung an Erfüllungs statt befriedigt, wobei der Versicherer seine Leistung infolge der Befriedigung nunmehr nur noch in Form der Zahlung an die Gesellschaft erbringen kann (R. Koch, VersR 2023, 283, 285). Der abgetretene Freistellungsanspruch wandelt sich also endgültig in einen Zahlungsanspruch in der Person des geschädigten Zessionars um (R. Koch in Bruck/Möller, VVG, 10. Aufl. 2022, § 108 Rn. 39; vgl. auch Dreher/Thomas ZGR 2009, 31, 46 die dem Versicherungsnehmer ausdrücklich die Abtretung an Erfüllungs statt empfehlen, ebenso Harzenetter, NZG 2016, 728, 730).
77cc) Obgleich danach dahingestellt bleiben könnte, ob die Abtretung des Deckungsanspruchs vom Zeugen H. an die Klägerin an Erfüllungs statt oder erfüllungshalber erfolgt ist, ergibt die Auslegung der streitgegenständlichen Abtretung, die vor dem Hintergrund des zeitgleich vereinbarten pactum de non petendo zu erfolgen hat, jedoch, dass die Abtretung erfüllungshalber erfolgt ist.
78Ob eine Leistung erfüllungshalber oder an Erfüllungs statt erfolgt ist, muss, wenn eindeutige Parteiabreden fehlen, durch interessensgerechte Auslegung ermittelt werden (BGH, NJW 2018, 3018 Rn. 13 ff.). Vorliegend ist zur Ermittlung des Parteiwillens maßgeblich auf die Stillhaltevereinbarung vom 00.00./00.00.0000 (Anlage R 6, Bl. 449 eA-LG) abzustellen.
79Deren Auslegung ergibt, dass die Parteien eine Abtretung erfüllungshalber vereinbaren wollten. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Umstand, dass die Parteien im letzten Satz der Vollstreckungsschutzklausel § 3 klargestellt haben „…dass durch das pactum de non petendo der Bestand der zuvor abgetretenen Forderungen nicht beeinträchtigt wird.“. Dies zielt offenbar auf die Möglichkeit, dass der Deckungsanspruch in seinem Bestand von dem Fortbestand eines Haftungsanspruchs im Verhältnis der versicherten Person und der Klägerin abhängig sein und durch eine Abtretung an Erfüllungs statt erlöschen könnte. Auch der Umstand, dass dem Zeugen H. gemäß § 1 der Vereinbarung „sämtliche vertraglichen und gesetzlichen Rechte und gegebenenfalls Pflichten zu(stehen), sich gegen die Inanspruchnahme der F. zu verteidigen“, spricht gegen die Annahme, dass der Haftungsanspruch durch die Abtretung des Deckungsanspruchs erfüllt werden sollte. Schließlich spricht die in § 3 vereinbarte Verpflichtung der Klägerin, nicht aus einem rechtskräftigen Titel gegen den Zeugen H. zu vollstrecken, gegen die Annahme einer Abtretung an Erfüllungs statt, denn einen vollstreckungsfähigen Titel gegen den Zeugen H. hätte die Klägerin nur im Rahmen eines gegen diesen geführten Haftungsprozesses erwirken können. Ein Obsiegen in einem solchen Rechtsstreit setzt aber das Bestehen eines Haftungsanspruchs voraus.
80Danach bleibt der Haftungsanspruch unbeschadet des Umstands bestehen, dass § 3 nicht nur ein befristetes „pactum de non petendo“ vorsieht, sondern der Haftungsanspruch der Klägerin aufgrund der Stillhaltevereinbarung dauerhaft nicht mehr durchsetzbar ist (so auch Unmuth, AG 2020, 890, 893 Rn. 17 f.).
81c) Die Beklagte wendet sich auch im Übrigen ohne Erfolg gegen ihre Inanspruchnahme aus dem Versicherungsvertrag.
82aa) Die Beklagte macht erfolglos geltend, der erste Hinweis auf den nicht ausreichenden Versicherungsschutz sei schon im Beratungsgespräch vom 00.00.0000 erfolgt und mithin vor Versicherungsbeginn am 00.00.0000. Insoweit hat das Landgericht zurecht darauf hingewiesen (vgl. Hinweisbeschluss vom 02.05.2022, Bl. 502 eA-LG), dass nicht ersichtlich ist, dass schon am 00.00.0000 die Entscheidung getroffen worden ist, den Versicherungsschutz nicht zu erhöhen, vielmehr sollte zunächst noch ein Fragebogen für die „passende Ermittlung“ übersandt werden, wie sich aus dem Beratungsprotokoll (Anlage K 7, Bl. 104 eA-LG) ergibt. Die Entscheidung, die Versicherungssumme nicht zu erhöhen, ist daher in der Folge gefallen, mithin nach Versicherungsbeginn.
83bb) Die Beklagte beruft sich weiter ohne Erfolg auf einen Ausschluss wegen einer wissentlichen Pflichtverletzung des Zeugen H.. Nach § 3 Ziffer 6.1 R.-L+N 2019 erstreckt sich der Versicherungsschutz nicht auf Versicherungsfälle, die auf einer wissentlichen Pflichtverletzung beruhen, es sei denn, die verletzte Pflicht ergibt sich ausschließlich aus unternehmensinternem Recht (z.B. Satzung, Geschäftsordnung, Gesellschafter- oder Aufsichtsratsbeschluss oder arbeitgeberseitigen Weisung) und die pflichtwidrig handelnde versicherte Person durfte vernünftigerweise annehmen, auf der Grundlage ausreichender Information zum Wohle des Unternehmens zu handeln.
84Wenngleich aufgrund des an anderer Stelle noch zu erörternden Ergebnisses der Beweisaufnahme offen bleiben kann, ob die Ausschlussklausel greift, vermag der Senat nicht zu erkennen, dass der Zeuge H. wissentlich seine Pflichten als Geschäftsführer der Klägerin verletzt hat. Dies beruht auf folgenden Überlegungen:
85Wissentlichkeit i.S.d. Versicherungsbedingungen erfordert direkten Vorsatz, also das sichere Wissen, dass das eigene Handeln pflichtwidrig ist. Bedingter Vorsatz, bei dem der Handelnde die in Rede stehende Verpflichtung nur für möglich hält, reicht dafür ebenso wenig aus, wie fahrlässige Unkenntnis. Es muss vielmehr feststehen, dass der Versicherte die Pflichten zutreffend gesehen hat und das Bewusstsein hatte, pflichtwidrig zu handeln (BGH, Urt. v. 17.12.2014 - IV ZR 90/13 -, VersR 2015, 259 ff., juris Rn. 13 m.w.N.; Senat, Urt. v. 09.01.2018 - 9 U 33/17 -, DStR 2019, 1486, juris Rn. 94). Darlegungs- und beweispflichtig für die Verwirklichung der subjektiven Tatbestandsmerkmale des Risikoausschlusses ist der Versicherer (BGH, aaO, juris Rn. 16; Senat, aaO). Demgegenüber obliegt es dem Versicherten, Umstände aufzuzeigen, warum die vom Versicherer vorgetragenen Indizien den Schluss auf eine wissentliche Pflichtverletzung nicht zulassen (BGH, aaO., Rn. 21; Senat, aaO.).
86Nach diesem Maßstab ist eine vorsätzliche Pflichtverletzung des Zeugen H. – unbeschadet der streitigen Frage, ob er die Entscheidung tatsächlich getroffen hat - bereits deshalb zu verneinen, weil im Beratungsprotokoll vom 00.00.0000 (Anlage K 8, Bl. 106 eA-LG) als Grund für die Entscheidung, den Versicherungsschutz nicht zu erhöhen, ausgeführt ist, dass er davon ausgehe, die Klägerin werde einen Totalschaden ohnehin wirtschaftlich nicht überstehen. Unabhängig davon, ob diese Einschätzung zutreffend oder eine Fehleinschätzung war, würde letzteres nur dazu führen, dass dem Zeugen eine fahrlässige Fehleinschätzung vorzuwerfen wäre.
87cc) Eine Leistungsfreiheit der Beklagten ergibt sich auch nicht aus § 12 Ziffer 2, 4 R.-L+N 2019. Denn der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge seine Auskunftsobliegenheit vorsätzlich verletzt hat.
883. Die Beklagte ist jedoch nicht eintrittspflichtig, weil der Klägerin kein Schadensersatzanspruch gegen ihren ehemaligen Geschäftsführer H. zusteht.
89a) Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Zeugen H. ergibt sich nicht aus § 43 Abs. 2 GmbHG. Hiernach haften Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, der Gesellschaft für den entstandenen Schaden. Die Haftung des Zeugen H. scheitert nicht daran, dass die Klägerin keinen förmlichen Beschluss der Gesellschafterversammlung gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG vorgelegt hat, dessen Gegenstand die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen ihren ehemaligen Geschäftsführer ist. Vorliegend ist alleinige Gesellschafterin der Klägerin die T. GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Zeuge C. ist. Dessen Wille, gegen den vormaligen Geschäftsführer H. Ersatzansprüche geltend zu machen, ist durch die vorgerichtliche Korrespondenz deutlich zum Ausdruck gekommen, ohne dass es einer förmlichen Beschlussfassung bedurfte. Die zusätzliche Dokumentation eines Gesellschafterbeschlusses gemäß § 48 Abs. 3 GmbHG ist entbehrlich, wenn sämtliche Gesellschaftsanteile – wie hier - in einer Hand sind und der Alleingesellschafter unmissverständlich zu erkennen gegeben hat, dass er gegen den Geschäftsführer Schadensersatzansprüche geltend machen will (BGH, Urt. v. 09.12.1996 – II ZR 240/95 -, NJW 1997, 741, 742; Kleindieck in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 21. Aufl. 2023, § 43 GmbHG Rn. 52). Der entsprechende Wille des Alleingesellschafters wird durch eine Klageerhebung (BGH, Urt. v. 21.06.1990 – II ZR 47/98 -, juris Rn. 7 für eine formlose Absprache, Klage zu erheben zwischen mehreren Gesellschaftern) oder eine schriftliche, außergerichtliche Inanspruchnahme des Geschäftsführers hinreichend deutlich erkennbar (BGH, Urt. v. 09.02.1996 – II ZR 240/95 – NJW 1997, 741, 742; Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl. 2023, § 46 Rn. 89). Danach bedurfte es der Fassung eines förmlichen Gesellschafterbeschlusses über die Inanspruchnahme des Zeugen H. nicht. Der Wille des Zeugen P. als vertretungsberechtigtes Organ der Alleingesellschafterin der Klägerin ist in der außergerichtlichen Korrespondenz zwischen der Klägerin und dem Zeugen H. ausreichend deutlich zum Ausdruck gekommen.
90b) Grundsätzlich hat ein Geschäftsführer in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden, § 43 Abs. 1 GmbHG. Er haftet bei Verletzung seiner Obliegenheiten der Gesellschaft für den entstandenen Schaden, § 43 Abs. 2 GmbHG. Der Geschäftsführer ist verpflichtet, die Interessen der Gesellschaft wahrzunehmen, ihr Vermögen zu betreuen und sie vor Schaden zu bewahren. Risiken muss er erkennen und bewerten, wobei ihm grundsätzlich ein unternehmerischer Ermessensspielraum zukommt. In diesem Rahmen hat er – unter Abwägung der Risiken und der Vermögensinteressen der Gesellschaft - zum Schutz des Gesellschaftsvermögens für ausreichenden Versicherungsschutz zu sorgen (vgl. Koch in Bruck/Möller, VVG, 10. Aufl. 2021, Vorb. zu §§ 100-112, N Rn. 134; Armbrüster in Bruck/Möller, VVG, 10. Aufl. 2021, A-1 Rn. 85).
91Ein Geschäftsführer ist demgegenüber grundsätzlich haftungsfrei, wenn er in Befolgung eines wirksamen, zulässigen Beschlusses der Gesellschafterversammlung oder - im Fall einer Einmann-GmbH – der Weisung des Alleingesellschafters handelt, die ihn zu einem bestimmten Verhalten anweist (sog. Folgepflicht: BGH NJW 1969, 285, 289; BGH, Urt. v. 21.06.1999 – II ZR 47/98 -, juris Rn. 11; Pöschke in BeckOK GmbHG, 57. Ed. Stand 01.08.2023, § 43 Rn. 79, 82; Henzler in Bruck/Möller, VVG, 10. Aufl. 2021, Anhang zu A-1 Rn. 44). Gleiches gilt auch, wenn die Gesellschafter das Verhalten des Geschäftsführers kennen und billigen (BGH, Urt. v. 9.12.2014 – II ZR 360/13 -, ZIP 2015, 322 Rn.15; BGH, Beschluss v. 08.02.2022 – II ZR 118/21-, juris Rn. 16; Kleindieck in Lutter/Hommelhof, GmbH-Gesetz, 21. Aufl. 2023, § 43 GmbHG Rn. 41; Haas/Wiegand in Krieger/Schneider, Handbuch der Managerhaftung, 3. Aufl. 2017, Rn. 20.45; Henzler in Bruck/Möller, VVG, 10. Aufl. 2021, Anhang zu A-1 Rn. 47). Will sich der Geschäftsführer gegenüber Schadensersatzforderungen der Gesellschaft darauf berufen, er habe auf Weisung der Gesellschafter gehandelt, trifft ihn die Beweislast (BGH, Urt. v. 28.04.2008 – II ZR 264/06 -, GmbHR 2008, 805, 810; MüKoGmbHG/Fleischer, GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 43 Rn. 338; Pöschke in BeckOK GmbHG 57. Ed. Stand 01.08.2023, § 43 Rn. 318.7).
92c) Streitig ist die Verteilung der Darlegung- und Beweislast bzgl. der Pflichtverletzung im Direktprozess der Gesellschaft gegen den O.-Versicherer nach Abtretung des Deckungsanspruchs. In Abweichung von dem Grundsatz der Beweislast des Anspruchstellers für sämtliche anspruchsbegründenden Umstände obliegt der Gesellschaft, die einen (ehemaligen) Geschäftsleiter aus Organhaftung in Anspruch nimmt, lediglich die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass und inwieweit ihr durch ein Verhalten des Geschäftsführers in dessen Pflichtenkreis ein Schaden erwachsen ist, wobei der Gesellschaft die Erleichterung des § 287 ZPO zu gute kommt. Hingegen hat der Geschäftsführer darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass er seinen Sorgfaltspflichten gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG nachgekommen ist oder ihn kein Verschulden trifft, oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßen Alternativverhalten eingetreten wäre. Diese ursprünglich nach § 93 Abs. 2 S. 2 AktG nur für Organmitglieder der Aktiengesellschaft geltende Verteilung der Darlegungs- und Beweislast gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch für die Innenhaftung eines GmbH-Geschäftsführers i.R.d. § 43 Abs. 2 GmbHG (vgl. nur BGH, Urt. v. 04.11.2002 – II ZR 224/00 – juris Rn. 6).
93Streitig ist, ob diese Verteilung der Darlegungs- und Beweislast auch für den Rechtsstreit gilt, den die Gesellschaft aus abgetretenem Deckungsanspruch gegen den Versicherer führt (Glimpel, Die Abtretung von Deckungsansprüchen nach § 108 Abs. 2 VVG, 2022, S. 241 ff.; Armbrüster in Bruck/Möller, VVG, 10 Aufl., 2021, A-9 Abtretung des Versicherungsschutzes Rn. 32 ff.; R. Koch in Bruck/Möller, § 108 Rn. 63; J. Koch, AktG, 17. Aufl. 2023, § 93 Rn. 129).
94(aa) Von einem Teil der versicherungs- und gesellschaftsrechtlichen Literatur wird vertreten, dass die Darlegungs- und Beweislast sich infolge der Abtretung zu Lasten der Gesellschaft ändert (Armbrüster in Bruck/Möller, VVG, 10. Aufl. 2021, A-9 Abtretung des Versicherungsschutzes Rn. 34; Brinkmann, ZIP 2017, 301, 306 ff.; Dreher/Thomas, ZGR 2009, 31, 43 ff.). Begründet wird dies mit dem Hinweis, dass Grund für die Umkehr der Beweislast in § 93 Abs. 2 S. 2 AktG die besondere Sach- und Beweisnähe des Organs im Vergleich zur Gesellschaft sei. Weil das Organ im Zweifel den besseren Zugang zu Beweismittel hat, die geeignet sind, die Frage der Pflichtwidrigkeit aufzuklären, soll es auch das Risiko der Nichterweislichkeit tragen. Diese Sach- und Beweisnähe habe im Verhältnis Versicherung/Gesellschaft aber eher letztere, was dafür spreche, der Gesellschaft die Darlegungs- und Beweislast aufzuerlegen, denn die Versicherung habe weder aus eigener Anschauung Kenntnis über die fraglichen Vorgänge noch habe sie unmittelbaren Zugang zu den entsprechenden Unterlagen oder - anders als das (ausgeschiedene) Organ im Haftungsprozess – einen Anspruch auf Herausgabe dieser Unterlagen (Brinkmann, ZIP 2017, 301, 307). Dieser strukturelle Nachteil des Versicherers im Direktprozess im Vergleich zum Organ im Haftungsprozess werde auch durch die sich aus dem Versicherungsvertrag ergebenden Auskunftsrechte des Versicherers nicht ausgeglichen. Zwar versetze die Auskunftsobliegenheit den Versicherer theoretisch einerseits in die Lage, sich einen umfassenden Einblick in das zu beurteilende Geschehen zu verschaffen und führe bei einer Verletzung zur Leistungsfreiheit. Gleichwohl trage der Versicherer das Risiko, nicht beweisen zu können, dass das Organ die Auskunftsobliegenheit verletzt habe. Selbst wenn ihm der Beweis gelänge, sei er mit dem Insolvenzrisiko der Gesellschaft belastet, für den Fall, dass er bereits geleistet habe (Brinkmann, ZIP 2017, 301, 208). Überdies wäre eine analoge Anwendung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG im Direktprozess nur gerechtfertigt, wenn die Rechtsposition der Versicherung besser als die der Gesellschaft sei, was im Hinblick auf die – nachvertraglichen – Auskunftsrechte der Gesellschaft gegenüber dem Organ, das sie zudem als Zeugen benennen könne, nicht zuträfe (Brinkmann, ZIP 2017, 301, 308). Schließlich fehle es an einer planwidrigen Lücke als Voraussetzung für die analoge Anwendung des § 93 Abs. 2 S. 1 AktG, denn – unbeschadet des Umstandes, dass der BGH eine teleologische Reduktion des § 108 Abs. 2 VVG im Hinblick auf die O.-Versicherung abgelehnt habe – habe der Gesetzgeber die O.-Versicherung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens nicht im Blick gehabt (Brinkmann, ZIP 2017, 301, 308).
95(bb) Demgegenüber wird die (analoge) Anwendung der Beweislastumkehr gem. § 93 Abs. 2 S. 2 AktG unter Hinweis darauf befürwortet, dass sich durch die Abtretung die Rechtsstellung des Schuldners nicht verändere (Voit in Prölss/Martin, VVG, AVB O. A-9 Rn. 2; Harzenetter, NZG 2016, 728, 732; R. Koch in Bruck/Möller, VVG, § 108 Rn. 64 ff.; U. Schmidt, FS Heidel 2021, 733, 745 ff.; Born in Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung, 3. Auf. 2017, Rn. 14.25; Baur/Holle AG 2017, 141, 143; Glimpel, Die Abtretung von Deckungsansprüchen nach § 108 Abs. 2 VVG, 2022, S. 245 ff.). Der Deckungsanspruch könne nur bei Bestehen des Haftungsanspruchs Erfolg haben, der sich (im Fall der Haftung des AG-Vorstands) wiederum nach § 93 Abs. 2 AktG richte, weshalb auch die dort angeordnete Verteilung der Darlegungs- und Beweislast unmittelbar, nicht analog, gelte (U.Schmidt, FS Heidel 2021, S. 733, 747; ebenso R. Koch in Bruck/Möller, VVG, 10. Aufl. 2021, § 108 Rn. 66). Dementsprechend stünde die Änderung der Beweisregel in Widerspruch zum allgemeinen Grundsatz bei Inzidenzprozessen, demzufolge das angerufene Gericht selbständig zu prüfen hat, wie eine für den Ausgang der Klage erhebliche Vorfrage richtigerweise entschieden worden wäre (R. Koch in Bruck/Möller, VVG, 10. Aufl. 2021, § 108 Rn. 66). Überdies trage die Gegenmeinung dem Schutzzweck des § 108 Abs. 2 VVG nicht genügend Rechnung, der nach der Intention des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 16/3945 S. 87) nicht nur den Interessen des Versicherungsnehmers, sondern auch denen des Geschädigten Rechnung tragen sollte (R. Koch in Bruck/Möller, VVG, 10. Aufl. 2021, § 108 Rn. 64; Baur/Holle, AG 2017, 141, 146; Glimpel, Die Abtretung von Deckungsansprüchen nach § 108 ABs. 2 VVG, 2020, S. 250). Die Nichtanwendung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG im Direktprozess der Gesellschaft gegen die Versicherung führe jedoch zu einer erheblichen Schlechterstellung der Gesellschaft, wohingegen sich das versicherte Risiko zu Gunsten der Versicherung verlagere. Denn die Versicherung nehme bei Abschluss des Versicherungsvertrags bewusst in Kauf, an die Ergebnisse eines Haftungsprozesses, in dem die in § 93 Abs. 2 S. 2 AktG angeordnete Beweislastverteilung gelte, im Deckungsprozess gebunden zu sein (R. Koch in Bruck/Möller, VVG, 10. Aufl. 2021, § 108 Rn. 65; Baur/Holle, AG 2017, 141, 147). Auch der Umstand, dass das Organ der Versicherung nach § 31 Abs. 1 VVG zur Auskunft und Mitwirkung im Rechtsstreit gegen die Gesellschaft verpflichtet sei, spreche gegen eine teleologische Reduktion des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG im Direktprozess. Tatsächlich sei die Stellung des Versicherers besser, da er – anders als im Deckungsprozess – das Organ als Zeuge benennen könne (Baur/Holle, AG 2017, 141, 145).
96(cc) Der Senat hält die zweite Ansicht, die eine Anwendung der Beweislastumkehr nach § 93 Abs. 2 S. 2 AktG auch im Direktprozess zwischen der Gesellschaft und der Versicherung annimmt, für zutreffend. Denn die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage des Haftungsanspruchs, der inzident im Rahmen des Deckungsprozesses zu prüfen ist, ändern sich – wie grundsätzlich bei jeder Abtretung einer Forderung (vgl. Rohe in BeckOK BGB, 67. Ed. Stand: 01.08.2023, § 398 Rn. 59) - durch die Abtretung nicht: lediglich der Gläubiger wird ausgewechselt bei ansonsten unverändert fortbestehendem Schuldverhältnis. Dementsprechend gilt – im Falle der Pflichtverletzung durch ein Organ der AG - auch die sich aus dem Gesetz, § 93 Abs. 2 S. 2 AktG, ergebende Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Da nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die geänderte Beweislastverteilung auch für den GmbH-Geschäftsführer gilt, ist auch über die Haftung des Geschäftsführers im Rahmen des Inzidenzprozesses nach diesen Grundsätzen zu entscheiden. Eine Differenzierung nach Gesellschaftsformen vorzunehmen, ist nicht gerechtfertigt. Tatsächlich ist die Versicherung im Direktprozess nicht schlechter gestellt als im vergleichbaren Fall, in dem zunächst die Gesellschaft den Haftungsprozess durchführt und anschließend das verurteilte Organ die Versicherung im Deckungsprozess in Anspruch nimmt. Bei getrennter Führung der Prozesse wäre die Versicherung an das Ergebnis des Haftungsprozesses gebunden, ohne dass sie an dem Rechtsstreit beteiligt ist. Demgegenüber kann sie im Direktprozess schon auf die Haftungsfrage Einfluss nehmen; ihr steht das Organ, das vertraglich Auskunft und Mitwirkung schuldet, als Zeuge zur Verfügung. Im Übrigen führt dies auch zu einem Gleichlauf der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bei den Fragen der Pflichtverletzung im Rahmen des Haftungstatbestandes und der Wissentlichkeit der Pflichtverletzung im Rahmen des Deckungstatbestandes.
97d) Der Beklagten ist der ihr danach obliegende Beweis gelungen, dass die Entscheidung, den Versicherungsschutz entgegen der Empfehlung des Versicherungsmaklers nicht zu erhöhen, nicht auf einer Pflichtverletzung des Zeugen H. beruht. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur sicheren Überzeugung des Senats fest, dass die Entscheidung, den Versicherungsschutz nicht anzupassen, auf Weisung des Zeugen C. getroffen worden ist. Auf den vorstehend dargestellten Streit, ob die Beweislastumkehr gem. § 93 Abs. 2 S. 2 AktG analog auch im Direktprozess der geschädigten Gesellschaft gegen die O.-Versicherung gilt, kommt es daher im Ergebnis nicht an.
98aa) Im Ausgangspunkt teilt der Senat die Auffassung der Klägerin, dass ein sorgfältig handelnder, die Interessen der Gesellschaft wahrender Geschäftsführer für einen ausreichenden Versicherungsschutz gegen einen Betriebsausfall wegen Feuers zu sorgen hat. Dass gerade im Betätigungsfeld der Klägerin der Abschluss einer den voraussichtlichen Betriebsausfallschaden abdeckenden Feuerversicherung ein Gebot der wirtschaftlichen Vernunft war, liegt auf der Hand. Denn die Klägerin arbeitete mit hoch brennbarem Material. Zwischen den Parteien ist auch nicht streitig, dass die Versicherungssumme und Haftzeit nicht ausreichend waren, um im Fall eines Großbrandes den entstehenden Schaden aufzufangen und abzudecken.
99Soweit sich die Beklagte darauf beruft, die Entscheidung, den Versicherungsschutz nicht anzupassen, weil das Unternehmen einen Totalschaden durch Feuer ohnehin nicht überleben würde, sei vom unternehmerischen Ermessen gedeckt, fehlt eine Darlegung, auf der Grundlage welcher Informationen diese Prognose getroffen worden ist. Im Ergebnis kann indes offen bleiben, ob sich die Entscheidung in den Grenzen verantwortungsbewussten unternehmerischen Handelns gehalten hat, denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme geht der Senat davon aus, dass die Entscheidung nicht vom Zeugen H., sondern vom Alleingesellschafter und –geschäftsführer der Muttergesellschaft der Klägerin, dem Zeugen P., getroffen worden ist und daher eine Haftung des Zeugen H. nicht begründet.
100bb) Die Beweisaufnahme hat bereits die Behauptung der Klägerin widerlegt, es habe eine Ressortaufteilung zwischen den beiden Geschäftsführern der Klägerin gegeben, die Verantwortung für den Bereich Versicherungen sei in das Ressort des Zeugen H. gefallen, dieser habe die Entscheidung über die Ausweitung des Versicherungsschutzes selbständig in eigener Verantwortung getroffen.
101Der Alleingesellschafter und -geschäftsführer der Muttergesellschaft der Klägerin, der Zeuge C., hat in der mündlichen Verhandlung vom 19.09.2023 als Zeuge befragt erklärt, Belange des Versicherungsschutzes seien in der J.-Unternehmensgruppe als zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäfte qualifiziert, über die die Geschäftsführer der Tochtergesellschaften des J.-Konzerns nicht in eigener Verantwortung entscheiden dürften. Der Zeuge hat dazu bekundet, nach entsprechender Information durch die Geschäftsführer über eine anstehende Entscheidung im Bereich Versicherungen entscheide er als Leitung des Konzerns. Diese Schilderung entspricht aber eben der außergerichtlichen Darstellung der Kompetenzverteilung in Versicherungsfragen durch den Zeugen H.. Dieser hat auch seinerseits anlässlich seiner Vernehmung durch den Senat bekundet, dass er über versicherungsrechtliche Fragestellungen, namentlich über eine Anpassung des Versicherungsschutzes, nicht ohne Rücksprache mit dem Zeugen C. hätte entscheiden dürfen.
102cc) Der Beklagten ist zudem der ihr obliegende Beweis gelungen, dass der Zeuge H. den Alleingesellschafter der Muttergesellschaft der Klägerin über die Empfehlung des Versicherungsmaklers, die Versicherungssumme zu erhöhen, informiert und von diesem die Weisung erhalten hat, den Versicherungsvertrag nicht anzupassen.
103Der Zeuge H. hat dazu bekundet, er habe seit Übernahme der Geschäftsführertätigkeit bei der Beklagten nahezu alle Fragen der Geschäftsführung, insbesondere auch anstehende Entscheidungen über die Anpassung des Versicherungsschutzes nur nach vorheriger Rücksprache und nur im Einvernehmen mit dem Zeugen C. getroffen. Die Empfehlung des Versicherungsmaklers, des Zeugen G., im Hinblick auf die zu knapp bemessene Versicherungssumme den Versicherungsschutz anzupassen, habe er mehrfach und auch im Vorfeld des Beratungsgesprächs vom 00.00.0000 gegenüber dem Zeugen C. angesprochen. Herr P. habe eine Anpassung des Versicherungsschutzes abgelehnt, ohne Gründe dafür zu nennen. Auf sein erneutes Aufgreifen dieses Themas habe der Zeuge P. sehr emotional reagiert, weshalb ihm, dem Zeugen H., das Gespräch in seiner Erinnerung noch sehr präsent sei: Der Zeuge P. habe ihm entgegnet, er solle sich nicht so sehr um Versicherungsfragen, sondern um die Umsätze des Unternehmens kümmern. Dieser Vorhalt habe darauf gezielt, so die Erläuterung des Zeugen H., dass die Klägerin seit dem Jahr 2017 sinkende Umsätze verzeichnete. Ihm selbst sei es nur darum gegangen, den Empfehlungen der Versicherungsfachleute Geltung zu verschaffen. Über Erfahrungen auf dem Gebiet der Versicherungen habe er nicht verfügt. In dem Gespräch mit dem Versicherungsmakler G. habe er - entsprechend den Vorgaben des Zeugen C. - die Anpassung des Versicherungsschutzes abgelehnt.
104Der Senat hat keine Zweifel daran, dass der Zeuge H. die Wahrheit bekundet hat. Zur Erläuterung seiner Aussage hat der Zeuge H. ausgeführt, die Geschäftsführertätigkeit bei der Klägerin sei seine erste derartige Betrauung mit der Führung eines Unternehmens gewesen. Nach seiner Ausbildung zum Holztechniker habe er sich während seiner Tätigkeit in den Unternehmen der Fa. P. auf den Bereich der Fassadenabdichtung spezialisiert. Der Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit – die er überwiegend in den Unternehmen der Familie P. verbracht habe – habe bis zur Übernahme der Geschäftsführung der Klägerin im Jahr 2012 im Bereich des Vertriebs und der Anwendungstechnik gelegen. Auch im Rahmen seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin habe er sich vorrangig um die Belange der Technik und des Vertriebs gekümmert. Mit dem Zeugen P., der nahe X. lebte, habe er nahezu täglich, auch am Wochenende, telefonisch oder per Email kommuniziert und alle Belange des Unternehmens und anstehende Entscheidungen besprochen. Er habe für jede zu treffende Entscheidung das „Okay“ des Zeugen P. benötigt. Diese Einbindung in jede anstehende Entscheidungsfindung habe der Zeuge P., der auch eine starke emotionale Verbundenheit zu dem Unternehmen gehabt habe, offensiv eingefordert. Er – so der Zeuge H. - hätte sich niemals getraut, eine wesentliche Entscheidung, wie etwa über die Anschaffung einer Maschine, alleine zu treffen. Andererseits sei diese enge Abstimmung mit dem Zeugen P. auch in seinem Interesse gewesen; gerade im Bereich der Versicherungen habe er keine Vorkenntnisse gehabt und es daher recht komfortabel gefunden, dass er die Entscheidung über die Erhöhung des Versicherungsschutzes nicht selbst habe treffen müssen.
105Die Aussage des Zeugen H. ist stringent und schlüssig. Der Zeuge hat seine Position im Unternehmen und sein Verhältnis zum Zeugen C. anschaulich und lebensnah beschrieben. Insbesondere konnte er nachvollziehbar angeben, warum er an das Gespräch mit dem Zeugen P. über die Anpassung des Versicherungsschutzes noch eine konkrete Erinnerung hatte. Schließlich hat er auch nicht verschwiegen, dass er sich von der Klägerin im Frühjahr 2019 im Streit getrennt hat: der Zeuge P. habe ihm vorgeworfen, eine Entscheidung hinter seinem Rücken getroffen zu haben.
106Zweifel an der Richtigkeit der Aussage des Zeugen H., die auch auf dem persönlichen Eindruck des Senats von der Glaubwürdigkeit des Zeugen beruht, vermag die Aussage des Zeugen C. nicht zu begründen. Der Zeuge C. hat in jedem Punkt, sowohl in Bezug auf nebensächliche Details als auch im Hinblick auf maßgebliche Aspekte der Entscheidungsfindung in der Geschäftsführung der Klägerin, die Darstellung des Zeugen H. bestätigt. Allein in der Frage, ob die Entscheidung, den Versicherungsschutz der Betriebsausfallversicherung zu erhöhen, zwischen den Zeugen besprochen worden ist, weicht die Aussage des Zeuge P. von der des Zeugen H. ab. In der Gesamtwürdigung der Aussagen der Zeugen H. und P. hält der Senat die Darstellung des Zeugen P. in diesem Punkt jedoch nicht für glaubhaft.
107Der Zeuge P. hat zunächst in Übereinstimmung mit dem Zeugen H. erklärt, dass er ein besonderes persönliches Interesse an der Klägerin gehabt habe, weil diese schon in der Vergangenheit zum Unternehmensverbund der Familie P. gehört habe. Er habe den Zeugen H. als Spezialisten für das Fachgebiet, auf dem die Klägerin tätig ist, als Geschäftsführer ins Unternehmen geholt, weil klar gewesen sei, dass er das nicht alleine habe machen können. Im Weiteren hat der Zeuge P. das Bild als eigentlicher Entscheidungsträger für die Geschäftsführung der Klägerin, das der Zeuge H. von ihm gezeichnet hat, bestätigt. Zwar hat er einleitend seiner Aussage auffällig betont, der J.-Konzern könne aufgrund der verschiedenen Standorte und der Diversität der zu bedienenden Märkte und Produkte nur dezentral geführt werden, was eine Eigenständigkeit des lokalen Managements erfordere. Auf die Nachfrage des Prozessbevollmächtigten der Klägerin hat er zudem erklärt, mit dem Tagesgeschäft der Klägerin habe er nichts zu tun gehabt. Seine frei formulierte Aussage verdeutlicht jedoch, dass er gleichsam das Heft bei der Klägerin in der Hand hatte. So hat der Zeuge P. ausgeführt, obgleich er keine spezielle Funktion bei der Klägerin inne gehabt habe, hätten er und der Zeuge H. sehr intensiv zusammengearbeitet und seien im ständigen, täglichen, telefonischen Austausch gewesen, was der Zeuge P. mit der Bemerkung begründet hat, schließlich sei er der Eigentümer des Unternehmens. Ferner hat der Zeuge P. die Selbsteinschätzung des Zeugen H. bestätigt, dieser kenne sich im Bereich der Versicherungen sowie insgesamt im Bereich der Betriebswirtschaft nicht so recht aus. Als Grund für seinen Eintritt als Geschäftsführer in das Unternehmen im Dezember 2017 hat der Zeuge P. neben dem Umsatzrückgang im Jahr 2017 den Umstand benannt, dass der Zeuge H. Ende des Jahres 2017 eine Zahlungsvereinbarung zu einer aus einem Markenrechtsstreit resultierenden Zahlungsverpflichtung mit Konditionen abgeschlossen habe, die nicht mit ihm abgesprochen gewesen seien.
108Vor dem Hintergrund dieser Schilderung hat der Senat keinen Zweifel daran, dass die Stellung des Zeugen H. als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer bloß eine formale war und er tatsächlich Entscheidungen nur mit vorheriger Zustimmung des Zeuge C. treffen konnte. Die Bestellung des Zeugen C. als zweiter Geschäftsführer im Dezember 2017 war eine unmittelbare Reaktion des Zeugen P. auf die – vermeintlich – unabgesprochene Vereinbarung von Zahlungsmodalitäten einer bereits bestehenden Zahlungsverpflichtung durch den Zeugen H.. Diese unmittelbare Sanktionierung einer eigenständigen Entscheidung des Zeugen H., der er zuvor nicht zugestimmt hatte, durch den Zeugen C. und der auch in seinem Auftreten in der mündlichen Verhandlung deutlich zu Tage tretende Habitus als Eigentümer der Klägerin, lassen auch die Aussage des Zeugen H. uneingeschränkt glaubhaft erscheinen, er habe jede Entscheidung mit dem Zeugen P. abgesprochen und sich gar nicht getraut, Entscheidungen allein zu treffen. Soweit die Klägerin in ihrer Stellungnahme zur Beweisaufnahme die Auffassung vertritt, es sei völlig unglaubhaft, dass der Zeuge H. die Gründe für die Entscheidung des Zeugen P. nicht hinterfragt habe, teilt der Senat diese Wertung nicht. Die Hinnahme der Entscheidung des Zeugen P. erklärt sich für den Senat schlüssig vor dem Hintergrund der nur untergeordneten Stellung des Zeugen H. im Verhältnis zum Zeugen P., die letzterer durch seine Reaktion auf eine eigenständig getroffene Entscheidung des Zeugen H. untermauert hat. Dass der Zeuge H. die Entscheidung des Zeugen P. – wozu er, wie die Klägerin meint, schon aus eigenem Interesse gehalten gewesen wäre - nicht in einem schriftlichen Vermerk festgehalten hat, spricht ebenfalls aus Sicht des Senats nicht gegen die Glaubhaftigkeit seiner Aussage. Dass der Zeuge H. die Anweisungen des Zeugen P. in anderen Fällen schriftlich dokumentiert hätte, ist nicht ersichtlich. Auch der Umstand, dass der Zeuge H. nicht gegenüber dem Zeugen G. offenbart hat, dass nicht er, sondern der Alleingesellschafter der Klägerin, entschieden hat, den Versicherungsschutz nicht zu erhöhen, vermag die Überzeugung des Senats von der Richtigkeit der Darstellung des Zeugen H. nicht zu schwächen. Ein Anlass zur Offenlegung der internen Entscheidungszuständigkeiten der Klägerin gegenüber dem außenstehenden Zeugen G. bestand für den Zeugen H. nicht und hätte möglicherweise gegen seine in § 9 des Geschäftsführeranstellungsvertrags (Anlage K 4, Bl. 93 eA-LG) niedergelegte Verschwiegenheitspflicht verstoßen. Schließlich hat der Senat auch nicht den Eindruck gewonnen, die Aussage des Zeugen H. sei von dem Bestreben getragen, persönliche Nachteile für sich vermeiden zu wollen. Die Aussage des Zeugen H. war durch eine nüchterne Wortwahl und das Bemühen um Sachlichkeit geprägt. Dass der Zeuge nach Abschluss des „pactum de non petendo“ noch Sorge haben musste, durch seine Aussage persönliche Nachteile gewärtigen zu müssen, erkennt der Senat nicht.
109Die Bekundung des Zeugen P., der Zeuge H. habe ihn nicht über die Empfehlung des Versicherungsmaklers informiert, er sei überhaupt über die Einzelheiten der Betriebsunterbrechungsversicherung der Klägerin nicht im Bilde gewesen, ist auch vor dem Hintergrund nicht nachvollziehbar, dass der Zeuge P. in seiner Aussage ausdrücklich und mehrfach die große Bedeutung des Brandschutzes und des ausreichenden Versicherungsschutzes im Fall eines Brandes für die Filialunternehmen des J.-Konzerns hervorgehoben hat. Der Versicherungsschutz sei – so der Zeuge - ein „Kernthema“ gewesen und ihm besonders wichtig: Im Jahr 2012 sei das Werk der französischen Tochtergesellschaft abgebrannt und nur dank der guten Versicherung habe ein größerer Schaden aufgefangen werden können. Wegen der großen Bedeutung der Versicherung gegen Brandschäden seien Versicherungsangelegenheiten im J.-Konzern auch als zustimmungsbedürftige Geschäfte qualifiziert. Grundsätzlich sei ihm daran gelegen gewesen, einen globalen Versicherungsschutz für alle Tochtergesellschaften zu erwirken. Dies sei ihm leider nicht gelungen, so dass der Versicherungsschutz lokal geregelt gewesen sei. Wenn das Management vor Ort ihm gesagt habe, der Versicherungsschutz sei ausreichend, habe er darauf vertraut.
110Eingedenk der Wichtigkeit, die der Zeuge P. in seiner Aussage dem ausreichenden Versicherungsschutz gegen Brandschäden zugewiesen hat, vermag der Senat der weiteren Angabe des Zeugen, er habe sich um die Einzelheiten des Versicherungsschutzes der Klägerin nicht weiter gekümmert, keinen Glauben zu schenken, zumal die Klägerin etwa in dem Zeitraum – 2012/2013 - in den J.-Konzern aufgenommen worden ist, in dem das Werk der Tochtergesellschaft in Frankreich bei einem Brand zerstört worden ist und die Bedeutung eines ausreichenden Versicherungsschutzes nach eigener Darstellung des Zeugen P. ihm als Konzernleitung besonders bewusst war. Bedenkt man zudem, dass der Zeuge H., was dem Zeugen P. bekannt war, vor der Übernahme der Geschäftsführung der Klägerin mit Angelegenheiten der Unternehmensführung im Allgemeinen und Versicherungsfragen im Besonderen nicht betraut war, erscheint es nicht nachvollziehbar, dass der Zeuge P. ausgerechnet das „Kernthema“ Versicherungsschutz der Klägerin komplett dem Zeugen H. überlassen haben sollte, wohingegen er sich in allen anderen Belangen Unternehmensführung „täglich“ und „intensiv“ mit den Geschäften der Klägerin befasste.
111Demgegenüber fügt sich die detaillierte Schilderung des Zeugen H. zur Anweisung des Zeugen P., den Versicherungsschutz nicht zu erhöhen, schlüssig in das Gesamtbild ein, das aufgrund der Aussage beider Zeugen von den Umständen der Entscheidungsfindung bei der Klägerin entstanden ist. Der Zeuge H. hat, zum Versicherungsschutz der Klägerin befragt, bekundet, zunächst habe man die bestehenden Versicherungsverträge der Rechtsvorgängerin der Klägerin bei der N. fortgeführt. Der Versicherungsschutz sei entsprechend der Empfehlung der N. regelmäßig erhöht worden, was nach Rücksprache zwischen ihm und dem Zeugen P. geschehen sei. Im Konzern sei die Idee diskutiert worden, einen globalen Versicherungsschutz zu erwirken; in diese Diskussion sei er allerdings nicht eingebunden gewesen. Die Überlegung, eine Gruppenversicherung zu erwirken, habe auch eine G. bei der Beauftragung des Versicherungsmaklers U. gespielt, von dem man sich Erfahrung auf diesem Gebiet erhofft habe. Aufgrund der Empfehlung der Versicherungsmakler U. sei es zum Abschluss der O.-Versicherung im Jahr 2017 gekommen; dies habe er mit dem Zeugen P. zuvor abgesprochen.
112Die Aussage des Zeugen H. steht in Einklang mit der Aussage des Zeugen G., was den Zeitpunkt der Beauftragung der Versicherungsmakler angeht. Der Zeuge G. hat ausgesagt, die U. Versicherungsmakler hätten das Mandat im März 2017 erhalten. Soweit der Zeuge G. im Übrigen bekundet hat, der Zeuge H. habe nicht einmal nachgefragt, wie hoch die Prämien für den empfohlenen Versicherungsschutz seien, erklärt sich dies aus Sicht des Senats mit dem – dem Zeugen G. nicht bekannten – bereits intern gefassten Beschluss des Zeugen P..
113Bei der Würdigung der widerstreitenden Aussagen der Zeugen P. und H. hat der Senat schließlich auch bedacht, dass die Klägerin Ansprüche gegen den Zeugen P. nicht unmittelbar nach dem Brandereignis im Jahr 2018 erhoben hat, sondern erstmals im Dezember 2019 mit Schadensersatzansprüchen an den Zeugen H. herangetreten ist, nachdem er ausstehende Vergütungsansprüche mit Hilfe eines Rechtsanwalts eingefordert hatte. Diese zeitliche Verzögerung ist angesichts der Aussage des Zeugen P., er sei nach dem Brand vom Zeugen G. darauf hingewiesen worden, dass der Zeuge H. entgegen der Empfehlung des Versicherungsmaklers eine Erhöhung des Versicherungsschutzes abgelehnt habe und er sei „aus allen Wolken gefallen“, als er erfahren habe, dass die Klägerin nicht so gut versichert sei, wie die französische Tochtergesellschaft, nicht nachvollziehbar. Dass der Vorwurf der Pflichtverletzung und daraus resultierende Ansprüche in diesem Zusammenhang bereits zuvor thematisiert worden waren, behauptet die Klägerin nicht. Der schon außergerichtlich geltend gemachte und auch in seiner Vernehmung erhobene Einwand des Zeugen H., die Entscheidung, den Versicherungsschutz nicht zu erhöhen, habe der Zeugen P. getroffen, bietet aus Sicht des Senats eine nachvollziehbare Erklärung für die anfängliche Zurückhaltung der Klägerin bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Zeugen H..
1142. Andere Anspruchsgrundlagen, auf die die Klägerin ihren Anspruch gegen den Zeugen H. stützen könnte, kommen nicht in Betracht. Da kein Anspruch der Klägerin gegen den Zeugen H. besteht, ist die Beklagte aus der O.-Versicherung nicht eintrittspflichtig.
115III.
1161. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.
1172. Die Revision wird nicht zugelassen. Da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erwiesen ist, dass der Zeuge H. auf Weisung des Alleingesellschafters und –geschäftsführers der Alleingesellschafterin der Klägerin gehandelt hat, kommt es auf die Frage, ob die Beweislastumkehr in Entsprechung des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG auch im Rechtsstreit gilt, den die Gesellschaft aus abgetretenem Recht gegen den O.-Versicherer führt, nicht entscheidend an.
1183. Der Gegenstandwert für das Berufungsverfahren wird auf 72.500,00 € festgesetzt.