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Erfolglose Beschwerde eines Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr, der sich gegen seine Beurlaubung wendet.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
2Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Beschlusses.
3Es kann auf sich beruhen, ob die vorzunehmende Interessenabwägung schon deshalb zu Lasten des Antragstellers ausfällt, weil eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu der Annahme führt, dass die unter Ziff. 2. des streitgegenständlichen Bescheides vom 4. August 2020 verfügte Beurlaubung des Antragstellers vom Dienst in der Einsatzabteilung der Freiwilligen Feuerwehr der Antragsgegnerin rechtmäßig ist und die sich daran anschließende Interessenabwägung zu seinen Lasten ausfällt. Denn das Verwaltungsgericht hat selbstständig tragend angenommen, selbst wenn davon ausgegangen werde, dass die Erfolgsaussichten der Klage als offen zu bewerten seien, falle eine Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus. Es verbleibe dabei, dass das Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin gegenüber dem Interesse des Antragstellers, von der vorläufigen Beurlaubung vom Einsatzdienst der Freiwilligen Feuerwehr verschont zu bleiben, in Anbetracht der zu schützenden hochrangigen Rechtsgüter wie Leib und Leben des Antragstellers und Dritter überwiege. Diese selbstständig tragende Annahme wird mit der Beschwerde schon nicht angegriffen, so dass sich weitere Ausführungen hierzu erübrigen. Sie ist im Übrigen auch keinen Rechtsbedenken ausgesetzt.
4Nur angemerkt sei daher, dass auch die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur Rechtmäßigkeit der Regelung in Ziff. 2 des Bescheides vom 4. August 2020 überzeugend erscheinen und das dagegen gerichtete Beschwerdevorbringen des Antragstellers nicht durchgreift. Dabei kann hier unerörtert bleiben, ob die streitgegenständliche Verfügung ihre Rechtsgrundlage auf der Grundlage eines Schlusses a maiore ad minus in § 9 Abs. 1 VOFF NRW bzw. in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn findet. Jedenfalls ist es sowohl im Interesse des Antragstellers als auch im Interesse der von der Feuerwehr zu schützenden hoch- und höchstrangigen Rechtsgüter ersichtlich unvertretbar, einen Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr in der Einsatzabteilung der Feuerwehr Dienst verrichten zu lassen, dessen hinreichende psychische Stabilität - wie das Verwaltungsgericht nachvollziehbar dargestellt hat - in Zweifel steht.
5Dem hält die Beschwerde erfolglos entgegen, dem Dienstherrn obliege gegenüber einem Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr keine Fürsorgepflicht. Es entspricht vielmehr der Rechtsprechung, dass auch zwischen Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr und der Gemeinde eine öffentlich-rechtliche Sonderverbindung besteht, die eine Fürsorgepflicht der Gemeinde begründet.
6Vgl. BGH, Urteil vom 6. Mai 1993 - III ZR 126/92 -, juris Rn. 24 f. m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 26. März 2004 - 21 B 2399/03 -, juris Rn. 41.
7Hiervon ausgehend hat das beschließende Gericht bereits festgestellt, die dem Leiter der Feuerwehr obliegende Fürsorgepflicht gebiete es, einen Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr, bei dem fraglich ist, ob er im Vollbesitz seiner Kräfte ist, selbst vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu schützen, die eintreten können, wenn er am Einsatzdienst teilnimmt. Zum anderen erfordert es aber auch die Fürsorgepflicht gegenüber den übrigen Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr, den Betroffenen bis zur Klärung der Zweifel an seiner gesundheitlichen Eignung vom Einsatzdienst freizustellen, da im Einsatz befindliche Feuerwehrangehörige möglicherweise ihrerseits Gefahren ausgesetzt werden, wenn sie im Vertrauen auf die volle Einsatzbereitschaft des Kameraden mit diesem an Einsätzen teilnehmen.
8OVG NRW, Beschluss vom 26. März 2004 - 21 B 2399/03 -, a. a. O. Rn. 41.
9Soweit der Antragsteller geltend macht, gestützt auf die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht seien nur Maßnahmen zum Schutz des Beamten zulässig, ist ihm entgegen zu halten, dass die streitgegenständliche Maßnahme zumindest auch zu seinem Schutz ergangen ist.
10Ebenfalls nicht zu folgen ist der Beschwerde in dem Vorbringen, im Hinblick auf die Berücksichtigung des Protokolls des Rettungsdiensteinsatzes vom 22. Februar 2020 bzw. der WhatsApp-Nachricht des Antragstellers an Herrn S. vom 23. Februar 2020 ("Geht so. Bin nur gestern per RTW in die Klinik gekommen, weil ich mich umbringen wollte, sonst ist alles OK. Aber ich bin noch hier! Also wieder zu Hause.") bestehe ein (Beweis-)Verwertungsverbot. Die Beschwerde lässt insoweit außer Acht, dass die strafverfahrensrechtlichen Maßstäbe über die Rechtsfolgen von Mängeln der Beweiserhebung nicht ohne Weiteres auf den Bereich des Verwaltungs- und insbesondere des hier auch betroffenen Gefahrenabwehrrechts übertragen werden können, da dieses andere Zielsetzungen verfolgt und abweichenden Verfahrensbestimmungen unterliegt. Während Beweisverwertungsverbote im vorrangig repressiven Zwecken dienenden Strafprozess dem Spannungsverhältnis zwischen dem staatlichen Strafverfolgungsanspruch einerseits und dem Grundrechtsschutz des Betroffenen andererseits Rechnung tragen, können im rein präventiven, nicht auf Sanktionierung gerichteten Gefahrenabwehrrecht mit erheblichem Gewicht auch Rechtsgüter Dritter zu beachten sein. Ob rechtswidrig gewonnene Erkenntnisse verwertbar sind, ist danach eine Frage des Einzelfalls.
11Vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 13. März 2018 - 16 A 906/11 -, juris Rn. 78 u. a. unter Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 19. März 1996 - 11 B 14.96 -, DÖV 1996, 879 = juris Rn. 3; OVG NRW, Urteil vom 25. Oktober 2016 - 16 A 1237/14 -, NJW 2017, 903 = juris Rn. 47 ff.; OVG Saarland, Beschluss vom 9. Dezember 2016 - 2 A 85/16 -, juris Rn. 12; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 3. August 2011 - 1 S 1391/11 -, NVwZ-RR 2011, 815 = juris Rn. 7; Bay. VGH, Beschlüsse vom 22. Februar 2010 - 21 CS 09.2767 -, BayVBl 2010, 472 = juris Rn. 3, und vom 10. November 2010 - 21 ZB 10.1387 -, juris Rn. 7.
12Geht es um die Abwehr hochrangiger Gefahren namentlich für die in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG genannten Rechtsgüter im Interesse der Allgemeinheit, lässt dies eine "Ungefährlichkeitsvermutung" bzw. den Verzicht auf eine Gefahrenabwehr "im Zweifelsfall" regelmäßig nicht zu. Mit der dem Staat hier obliegenden Schutzpflicht wäre es vielmehr unvereinbar, wenn die Behörde oder auch das Gericht an der Berücksichtigung (eventuell) rechtsfehlerhaft gewonnener Erkenntnisse insoweit generell gehindert wäre und sehenden Auges gravierende Gefahren für die Allgemeinheit hinzunehmen hätte.
13Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Oktober 2016 - 16 A 1237/14 -, a. a. O. Rn. 49; OVG Saarland, Beschluss vom 9. Dezember 2016 - 2 A 85/16 -, a. a. O. Rn. 12; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 3. August 2011 - 1 S 1391/11 -, a. a. O. Rn. 7.
14Das von der Beschwerde zitierte Urteil des BAG betrifft eine abweichend gelagerte (rein) prozessrechtliche Konstellation und gibt schon deshalb keinen Anlass, von den genannten Maßgaben abzuweichen. Das Verwaltungsgericht hat überzeugend dargetan, dass aufgrund der drohenden oder jedenfalls nicht auszuschließenden Beeinträchtigungen von Rechtsgütern von überragend wichtiger Bedeutung - hier Leben und Gesundheit des Antragstellers und Dritter - im Streitfall ein Verwertungsverbot nicht anzunehmen ist.
15Die Bemerkung der Beschwerde zur fehlenden Bestandskraft des Bescheides vom 1. Mai 2020 geht ins Leere. Dem angegriffenen Beschluss ist nicht zu entnehmen, dass das Verwaltungsgericht Feststellungen des genannten Bescheides als mit materieller Bindungswirkung feststehend behandelt hätte. Soweit in dem Beschluss erwähnt ist, die Verfügung vom 1. Mai 2020 sei bestandskräftig, ist das ohne Relevanz für das Entscheidungsergebnis. Die Bemerkung steht allein im Zusammenhang mit der Feststellung, bei dem Bescheid vom 4. August 2020 handele es sich um einen eine neue Sachprüfung eröffnenden Zweitbescheid. Diese neue Sachprüfung hat das Verwaltungsgericht in der Folge auch vorgenommen.
16Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, Abs. 2 GKG i. V. m. Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
17Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).