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Das Verfahren wird ausgesetzt.
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 dahingehend auszulegen, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in dem zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU–Grundrechtecharta mit sich bringen, wenn dieser Mitgliedstaat aufgrund staatlich angeordneter Aussetzung der Annahme von Überstellungen die (Wieder-)Aufnahme von Asylantragstellern für einen unbestimmten Zeitraum grundsätzlich verweigert?
2. Falls Frage1 zu verneinen ist: Ist Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 dahingehend auszulegen, dass die unionsrechtlichen Vorgaben an die Sachverhaltsaufklärung, die die Feststellung objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben zum Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen zu überstellender Antragsteller erfordern, eine Einschränkung erfahren, wenn das erkennende Gericht diese Angaben nicht erhalten kann, sondern nur einen hypothetischen Sachverhalt ermitteln könnte, weil der in den Blick zu nehmende Mitgliedstaat grundsätzlich die (Wieder-)Aufnahme von Asylantragstellern aufgrund staatlich angeordneter Aussetzung der Annahme von Überstellungen für einen unbestimmten Zeitraum grundsätzlich verweigert?
G r ü n d e :
2I.
3Der im Jahr 1996 geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben Mitte Dezember 2021 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 30. Dezember 2021 einen Asylantrag. Eine Eurodac-Abfrage ergab für den Kläger einen Treffer der Kategorie 2 in Bezug auf Italien. Danach wurden ihm am 5. Dezember 2021 in Triest Fingerabdrücke abgenommen. Italien reagierte auf das Aufnahmegesuch des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 6. Januar 2022 nicht.
4Mit Bescheid vom 31. März 2022 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1.), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2.), und ordnete die Abschiebung nach Italien an (Ziffer 3.). Es ordnete das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG an und befristete dieses auf 15 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4.).
5Auf den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und die gegen diesen Bescheid erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf die aufschiebende Wirkung der Klage mit Beschluss vom 25. April 2022 angeordnet und den Bescheid vom 31. März 2022 mit Urteil vom 11. Mai 2022 aufgehoben. Der vorlegende Senat hat auf Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 27. Juli 2022 die Berufung gegen dieses Urteil zugelassen.
6Während des laufenden Berufungsverfahrens führte die italienische Dublin-Unit mit an alle Dublin-Units gerichtetem Rundschreiben vom 5. Dezember 2022 aus:
7„This is to inform you that due to suddenly appeared technical reasons related to unavailability of reception facilities Member States are requested to temporarily suspend transfers to Italy from tomorrow, with the exception of cases of family reunification of unaccompanied minors.
8Further and more detailed information regarding the duration of the suspension will follow.“
9Mit weiterem Rundschreiben vom 7. Dezember 2022 führte die italienische Dublin-Unit aus:
10„I write following the previous communication on 5th December, concerning the suspension of transfers, with the exception of cases of family reunification of minors, due to the unavailability of reception facilities.
11At this regard, considering the high number of arrivals both at sea and land borders, this is to inform you about the need for a re-scheduling of the reception activities for third countries nationals, also taking into account the lack of available reception places.“
12Bislang ist keine weitere Erklärung der italienische Dublin-Unit bekanntgegeben worden.
13Mit Beschluss vom 21. Juni 2023 hat der vorlegende Senat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamts sei rechtswidrig, weil die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 3 Abs. 2 UAbs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 für das Asylverfahren des Klägers zuständig geworden sei. Denn es könne keine Überstellung gemäß diesem Absatz an den aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat vorgenommen werden. Die sich aus Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 ergebende Zuständigkeit Italiens sei gemäß Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 entfallen, weil die italienischen Behörden Rückkehrern, die nach Maßgaben dieser Verordnung nach Italien überstellt werden sollen (im Folgenden: Dublin-Rückkehrer) den Zugang zum Asylverfahren und die Aufnahme insgesamt verweigerten.
14Das Bundesverwaltungsgericht hat den Beschluss des Senats vom 21. Juni 2023 aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das vorlegende Gericht zurückverwiesen.
15Mit Schriftsatz vom 8. Februar 2024 hat das Bundesamt mitgeteilt, dass im Jahr 2023 elf Überstellungen im Rahmen des Dublin-Verfahrens aus Deutschland in den Mitgliedstaat Italien erfolgt seien. Ausweislich der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage vom 17. Januar 2023 vom 28. Februar 2023 (Bundestagsdrucksache 20/5868) stellte Deutschland im Jahr 2022 14.439 Übernahmeersuchen an Italien und zum Stichtag 31. Dezember 2022 hielten sich in der Bundesrepublik 8.932 Personen auf, für deren Asylverfahren Italien zuständig war. Im Jahr 2022 wurden 362 Personen von Deutschland nach Italien überstellt.
16II.
17Der Rechtsstreit wird in entsprechender Anwendung des § 94 VwGO ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: EuGH) gemäß Art. 267 AEUV vorgelegt zur Beantwortung der im Tenor wiedergegebenen Fragen zu Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180, S. 31, sog. Dublin III-VO, im Folgenden: Verordnung (EU) Nr. 604/2013). Die vorgelegten Fragen zur Auslegung des Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 sind entscheidungserheblich und bedürfen einer Klärung durch den EuGH.
181. Die nationale Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
19Die rechtliche Beurteilung der angefochtenen Entscheidung des Bundesamts richtet sich im nationalen Recht nach dem Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 19. Dezember 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 382).
20Die einschlägigen Normen lauten:
21§ 1 AsylG (Geltungsbereich)
22(1) Dieses Gesetz gilt für Ausländer, die Folgendes beantragen:
23[…]
242. internationalen Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 [...]; der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU umfasst den Schutz vor Verfolgung nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) und den subsidiären Schutz im Sinne der Richtlinie; [...]
25§ 13 AsylG (Asylantrag)
26[...]
27(2) Mit jedem Asylantrag wird die Anerkennung als Asylberechtigter sowie internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 beantragt. Der Ausländer kann den Asylantrag auf die Zuerkennung internationalen Schutzes beschränken. [...]
28§ 29 AsylG (Unzulässige Anträge)
29(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn
301. ein anderer Staat
31a) nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013
32[…]
33für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist […].
342. Die vorgelegten Fragen zur Auslegung von Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 sind im vorliegenden Verfahren entscheidungserheblich.
35a) Die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG liegen vor, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig ist. Nach Art. 13 Abs. 1, Art. 22 Abs. 7 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 ist der Mitgliedstaat Italien für das Asylverfahren des Klägers zuständig, es sei denn, die Zuständigkeit ist nach Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 und 3 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen.
36Der EuGH hat die rechtlichen Grenzen für Überstellungen nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 dahingehend gezogen, dass systemische Schwachstellen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 im zuständigen Mitgliedstaat „nur dann“ Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK unterfallen, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen Umständen des Falls abhängt und die dann erreicht wäre, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Diese Schwelle ist daher selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern diese nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren die betreffende Person sich in einer solch schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann.
37EuGH, Urteile vom 19. März 2019 - C-297/17 u. a. [ECLI:EU:C:2019:219], „Ibrahim“ -, Rn. 89 bis 91, und - C-163/17 [ECLI:EU:C:2019:218], „Jawo“ -, Rn. 93; Beschluss vom 13. November 2019 - C-540/17 u. a. [ECLI:EU:C:2019:964], „Omar“ u. a. -, Rn. 39.
38Nach der Einschätzung des vorlegenden Senats ist Italien zur (Wieder-)Aufnahme des Klägers wie auch anderer Dublin-Rückkehrer mit Ausnahme weniger und nicht ins Gewicht fallender Einzelfälle für einen unbestimmten Zeitraum nicht bereit. Dies zeigt sich zum einen daran, dass im Jahr 2023 lediglich elf Überstellungen nach Italien stattgefunden haben, obwohl – unter Beachtung der Statistiken betreffend das Jahr 2022 – die Anzahl der Asylsuchenden, für deren Asylverfahren Italien zuständig ist, um ein Vielfaches höher ist als die tatsächlich durchgeführten Überstellungen. Bei den elf Überstellungen mag es sich um Rückführungen unbegleiteter Minderjähriger zur Familienzusammenführung gehandelt haben, die nach dem Schreiben vom 5. Dezember 2022 weiter ermöglicht werden sollten. Zum anderen benennen die angeführten Rundschreiben der italienischen Dublin-Unit weder ein Enddatum für die Aussetzung der Überstellungen noch einen auch nur ungefähren oder voraussichtlichen Zeitrahmen. Seit mehr als 14 Monaten ist – trotz Ankündigung im Rundschreiben vom 5. Dezember 2022 – keine weitere Information zur Dauer der Aussetzung der Überstellungen erfolgt. Auch die Beklagte hat dem Senat weder in diesem noch in einem anderen Verfahren neue Informationen mitgeteilt.
39Ob schon die Anordnung eines Mitgliedstaats, ab sofort und für einen nicht näher bestimmten bzw. begrenzten Zeitraum keine Überstellungen mehr zu akzeptieren, systemische Schwachstellen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 begründet, ist nicht geklärt. Der EuGH hat diese Frage noch nicht entschieden.
40Der Senat ist der Ansicht, dass der mit Rundschreiben der italienischen Dublin-Unit vom 5. und 7. Dezember 2022 verfügte Aufnahmestopp systemische Schwachstellen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 begründet. Nach den Rundschreiben und der diesen entsprechenden Praxis der italienischen Dublin-Unit ist offenkundig, dass Italien sein Handeln bewusst nicht dem Regelungsgefüge der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 unterwirft und Antragstellern im Falle ihrer Überstellung bereits den Zugang zum Asylverfahren und die Aufnahme verweigert.
41Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Juli 2023 - 11 A 1722/22.A -, juris, Rn. 46 ff., m. w. N.; in diesem Sinne wohl auch: BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 2. August 2023 - 2 BvR 593/23 -, juris, Rn. 12; vgl. auch: VG Stuttgart, Gerichtsbescheid vom 21. Dezember 2023 - A 4 K 414/23 -, Rn. 25 ff.; VG Dresden, Beschluss vom 19. Oktober 2023 - 2 L 706/23.A -, juris, Rn. 8 ff.; VG Köln, Gerichtsbescheid vom 6. Oktober 2023 - 22 K 4280/23.A -, juris, Rn. 18; VG Bremen, Beschluss vom 10. August 2023 - 6 V 1704/23 -, juris, Rn. 18 ff.; VG Arnsberg, Urteil vom 24. Januar 2023 - 2 K 2991/22.A -, juris Rn. 36, 55 ff.; anderer Ansicht VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Januar 2024 - 22 L 3411/23.A -, Rn. 47 ff.; VG München, Urteil vom 20. Dezember 2023 - M 19 K 23.50253 -, juris, Rn. 35 ff.; VG Gießen, Beschluss vom 13. Dezember 2023 - 2 L 1714/23.GI.A -, juris, S. 19 f.; Hess. VGH, Beschluss vom 27. Juli 2023 - 2 A 377/23.Z.A -, juris, S. 5.
42Grund für die grundsätzlich mangelnde Durchführung von Überstellungen nach Italien sind dementsprechend nicht tatsächliche oder national-rechtliche Überstellungshindernisse oder die praktische Unmöglichkeit, eine Überstellungsentscheidung durchzuführen,
43vgl. dazu EuGH, Urteil vom 12. Januar 2023 - C-323/21 u. a. [ECLI:EU:C:2023:4] -, Rn. 69 f.,
44die die Annahme systemischer Schwachstellen ausschließen könnten.
45Im Übrigen ging der Senat bis zu der nunmehr manifestierten Aufnahmeverweigerung Italiens davon aus, dass das italienische Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen grundsätzlich keine systemischen Schwachstellen aufweisen, wenn der Kläger – wie hier – in Italien noch keinen Asylantrag gestellt hat.
46Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 26. Juli 2022 - 11 A 1497/21.A -, juris, Rn. 64 ff.
47Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013, die (ausschließlich) auf die Situation im zuständigen Mitgliedstaat abstellten, nicht schon ohne Weiteres dadurch erfüllt, dass dieser Mitgliedstaat die Aufnahme der betreffenden Personen von vorneherein ablehne. Allein die fehlende Aufnahmebereitschaft reiche nicht für die Schlussfolgerung, es lägen systemische Mängel im Sinne des Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vor. Die Erklärung Italiens könne lediglich ein Indiz begründen; es bedürfe jedoch einer weiteren Darlegung, welche Lebensumstände den Asylantragsteller im Falle einer – unterstellten – Überstellung nach Italien erwarteten.
48Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. November 2023 ‑ 1 B 29.23 -, juris, Rn. 10, 15.
49Das Bundesverfassungsgericht hat betreffend den von Italien verfügten Aufnahmestopp hingegen in einem eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung annehmenden Beschluss festgestellt, das Verwaltungsgericht habe die ihm obliegende Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung verletzt, weil es sich nicht hinreichend mit den Hinweisen der Beschwerdeführerin auf die systemischen Schwachstellen des italienischen Asylsystems auseinandergesetzt und es vor allem unterlassen habe, sich im Rahmen der Amtsermittlung über die aktuelle Aufnahmesituation in Italien zu informieren und die Mitteilungen hinsichtlich des Aufnahmestopps zu berücksichtigen.
50Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 2. August 2023 - 2 BvR 593/23 -, juris, Rn. 12.
51b) Frage 2 wird für den Fall der Verneinung von Frage 1 gestellt.
52Vor der Bejahung einer Gefahr im Sinne des Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK ist das Gericht verpflichtet, auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob im Asylverfahren und aufgrund der Aufnahmebedingungen entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne dieser Bestimmung ausgesetzt zu werden.
53Vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-163/17 [ECLI:EU:C:2019:218], „Jawo“ -, Rn. 85, 90 ff.; Beschluss vom 13. November 2019 - C-540/17 u. a. [ECLI:EU:C:2019:964], „Hamed u. a.“ -, Rn. 38 f., m. w. N.
54Objektive, zuverlässige, genaue und gebührend aktualisierte Angaben über das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für zurückkehrende Antragsteller sind aber nicht zu erhalten, wenn der in den Blick zu nehmende Mitgliedstaat – wie hier Italien – die (Wieder-)Aufnahme von Antragstellern verweigert. Wie es Antragstellern, die nach Italien zurückgeführt werden sollen, aktuell erginge, ist nicht festzustellen. Zu ermitteln wären hypothetische Umstände. Dies würde Spekulationen erfordern, die sich von objektiven, zuverlässigen und genauen Angaben unterscheiden würden.
55c) Die Fragen sind auch entscheidungserheblich, weil der auf Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamts in dem Bescheid vom 31. März 2022 gerichteten Klage nur dann stattzugeben ist, wenn der Ansicht des vorlegenden Gerichts zu folgen ist. Anderenfalls wäre die Klage auf Grundlage des nationalen Rechts insoweit abzuweisen. Sonstige Gründe, die eine Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland begründen, sind nicht gegeben. Insbesondere geht das Gericht davon aus, dass nicht aus anderen Gründen systemischen Schwachstellen in Italien bestehen.
56Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 26. Juli 2022 - 11 A 1497/21.A -, juris, Rn. 64 ff., betreffend Dublin-Rückkehrer, die – wie der Kläger – zuvor in Italien noch keinen Asylantrag gestellt haben.
573. Der Senat beantragt die Durchführung eines beschleunigten Verfahrens gemäß Art. 105 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs. Mit Blick auf die große Zahl der in Deutschland aufhältigen Flüchtlinge, die in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben, dessen Prüfung jedoch an sich einem anderen Mitgliedstaat nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 obliegt, ist eine rasche Klärung erforderlich.
58Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass der EuGH auch in dem Verfahren 11 A 1080/22.A um Vorabentscheidung ersucht wurde.
59Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).