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Auch dem Entgeltbegriff des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 ist eine Erheblichkeitsschwelle immanent. Dies folgt aus dem systematischen Zusammenhang der glücksspielrechtlichen Regelung mit § 33h Nr. 3 GewO, der seinerseits auf § 284 StGB Bezug nimmt. Der Landesgesetzgeber darf den ordnungsrechtlichen Begriff des Glücksspiels bei „anderen“ Spielen mit Gewinnmöglichkeit nicht weiter fassen als den Glücksspielbegriff des § 284 StGB, für den nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Einsatz geleistet werden muss, der nicht ganz unbeträchtlich ist.
„Andere“ Spiele im Sinne des § 33d GewO sind nicht nur sogenannte Geschicklichkeitsspiele, sondern u. a. auch Glücksspiele unterhalb der Erheblichkeitsschwelle des Entgelts, die nicht als solche im Sinne des § 284 StGB einzuordnen sind. Dabei erfasst § 33d GewO nicht nur terrestrische Spiele, sondern auch Online-Spiele.
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 31. August 2022 geändert.
Die aufschiebende Wirkung der durch die Antragstellerin in der Hauptsache vor dem Verwaltungsgericht Köln erhobenen Klage (24 K 3859/22) gegen den Bescheid des Landesverwaltungsamtes B. vom 15. Juni 2022 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert wird für beide Instanzen auf jeweils 50.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Die Antragstellerin wendet sich gegen eine glücksspielrechtliche Untersagungsverfügung. Sie ist eine Tochterfirma der G. GmbH und betreibt die Internetseite https://www.Q..de, auf der sie nach eigenen Angaben seit Januar 2016 diverse Gewinnspiele der Fernsehsender N. und O. anbietet. Die Gewinnspiele tragen die Namen der dazu gehörigen Fernsehsendungen wie z. B. „C.“ oder „U.“. Soweit die Teilnahme an einem Gewinnspiel seinerzeit kostenpflichtig war, fielen für die Einzelteilnahme an einem Gewinnspiel 0,50 Euro an. Daneben wurden ein Monatsabonnement mit monatlichen Kosten von 4,99 Euro sowie ein Jahrespaket zu einem Preis von 49,90 Euro, die jeweils zu einer einmaligen Teilnahme an allen dort angebotenen Gewinnspielen berechtigten, angeboten. Im Übrigen setzt die Spielteilnahme lediglich eine Registrierung unter Angabe von Benutzerdaten sowie die Eingabe eines vom Anbieter offen gelegten Kennworts voraus. Als Gewinne werden Geld- sowie Sachpreise angepriesen.
4Unter dem 1. März 2022 hörte die Funktionsvorgängerin der Antragsgegnerin, das Landesverwaltungsamt B., die Antragstellerin zu der beabsichtigten Untersagung der Veranstaltung, der Vermittlung und der Unterstützung öffentlichen Glücksspiels im Internet sowie der Werbung hierfür an. Die Antragstellerin veranstalte und vermittle auf der Internetseite https://www.Q..de öffentliche Glückspiele im Internet, ohne Inhaberin der nach § 4 Abs. 1 und 4 des Glückspielstaatsvertrages 2021 (GlüStV 2021) erforderlichen Erlaubnis zu sein.
5Die Antragstellerin trug im Rahmen ihrer Anhörung im Wesentlichen vor, dass es sich bei den unter https://www.Q..de vorgehaltenen Angeboten nicht um Glücksspiele, sondern um Gewinnspiele handele, die nicht den Vorgaben des Glückspielstaatsvertrages 2021 unterfielen. Soweit für die Teilnahme an den Spielen Kosten anfielen – sei es durch die Zahlung für eine einzelne Teilnahme von 0,50 Euro oder eines Abonnementpreises –, liege darin der Höhe nach kein „erhebliches“ und damit kein glücksspielrechtlich relevantes Entgelt vor. Daneben stellten die gegenständlichen Angebote Gewinnspiele im Rundfunk bzw. in Telemedien dar, für die die Regelungen des Glücksspielstaatvertrages keine Geltung entfalten würden.
6Das unter dem 30. Mai 2022 beteiligte Glücksspielkollegium der Länder (nachfolgend: Glücksspielkollegium) erteilte im Umlaufverfahren einstimmig die Zustimmung zu der beabsichtigten Untersagungsverfügung.
7Mit Bescheid vom 15. Juni 2022 untersagte das Landesverwaltungsamt B. gegenüber der Antragstellerin, selbst, durch Dritte oder durch verbundene Unternehmen – insbesondere durch Tochterunternehmen oder deren Tochterunternehmen – im Internet, insbesondere auf der Internetseite https://www.Q..de, unerlaubtes öffentliches Glücksspiel in Deutschland zu veranstalten, zu vermitteln, zu unterstützen oder zu bewerben (Nr. 1). Die Anordnung zu Nr. 1 sei innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe dieses Bescheids zu erfüllen; die Umsetzung sei dem Landesverwaltungsamt zeitgleich schriftlich mitzuteilen (fristwahrend ggfs. vorab per E-Mail) (Nr. 2). Für den Fall einer Zuwiderhandlung gegen die Anordnung nach Nr. 1 nach Ablauf der Frist gemäß Nr. 2 wurde der Antragstellerin ein Zwangsgeld in Höhe von 30.000,00 Euro angedroht (Nr. 3). Ferner wurde eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 2.120,50 Euro erhoben (Nr. 4).
8Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin bei dem Verwaltungsgericht Köln am 28. Juni 2022 Klage erhoben (24 K 3859/22) und um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Außerdem hat sie beantragt, die Vollziehung bis zu einer Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren auszusetzen und dem Antragsgegner aufzugeben, von Vollziehungsmaßnahmen bis zu einer Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren abzusehen.
9Mit Hängebeschluss vom 1. Juli 2022 hat das Verwaltungsgericht dem Antragsgegner vorläufig, allerdings nur bis einschließlich zum 17. Juli 2022, untersagt, aus der Ordnungsverfügung vom 15. Juni 2022 zu vollstrecken. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin vom 15. Juli 2022 hat der Senat mit Beschluss vom 18. August 2022 zurückgewiesen. Die Antragstellerin hat die Ordnungsverfügung seit Juli 2022 insoweit umgesetzt, als dass sie auf der Website https://www.Q..de einstweilen nur noch kostenlose Spiele anbietet.
10Mit Beschluss vom 31. August 2022 hat das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Untersagungsverfügung nach summarischer Prüfung rechtmäßig sei. Das Landesverwaltungsamt B. sei bis zum 30. Juni 2022 und damit auch im Erlasszeitpunkt der Untersagungsverfügung funktionell zuständig gewesen. Auch habe das Glücksspielkollegium der Untersagung einstimmig zugestimmt. Ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Glücksspielkollegiums bestünden nicht. Weiterhin dürften auch in materieller Hinsicht die in Rede stehenden Regelungen in dem angefochtenen Bescheid rechtmäßig sein. Bei den von der Antragstellerin auf der Internetseite https://www.Q..de gegen Zahlung eines Geldbetrags angebotenen „TV-Gewinnspiele“ handele es sich um öffentliche Glücksspiele im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages. Nach § 3 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GlüStV 2021 liege ein Glücksspiel vor, wenn – wie hier – im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt werde und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhänge. Die Gewinnspieleigenschaft entfalle auch nicht deshalb, weil der Einsatz für eine Einzelteilnahme maximal 0,50 Euro pro Spiel betrage. Dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 lasse sich keine „Bagatellgrenze“ bzw. „Erheblichkeitsschwelle“ entnehmen. Etwas anderes gelte auch nicht deshalb, weil ein Glücksspiel im Sinne des § 284 StGB nur dann vorliege, wenn der Spieler, um an der Gewinnchance teilzuhaben, als „Einsatz“ ein „nicht ganz unerhebliches“ Vermögensopfer erbringe. Dass der Straftatbestand im Hinblick auf das Entgelt eine Erheblichkeitsschwelle enthalte und somit höhere Anforderungen stelle als das ordnungsrechtliche Verbot im Rahmen des Glücksspielstaatsvertrages, sei kein Systembruch, sondern die Folge des ordnungsrechtlichen Charakters des Glücksspielstaatsvertrages und dessen in § 1 GlüStV 2021 festgelegter Zielsetzung. Gleichfalls folge aus dem systematischen Zusammenhang mit § 33h GewO nichts anderes. Auch sonst sei weder nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Erheblichkeitsschwelle zu fordern noch sprächen Sinn und Zweck des Glücksspielstaatsvertrages dafür, Kleinstbeträge von dessen Anwendung auszunehmen. Die Anwendbarkeit des Glücksspielstaatsvertrages werde auch nicht durch die Regelung in § 11 des Medienstaatsvertrages (MStV) ausgeschlossen. Die von der Antragstellerin auf der Internetseite https://www.Q..de angebotenen Spiele stellten keine Gewinnspiele im Rundfunk im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 MStV dar. Es handele sich nicht deshalb um Gewinnspiele „im Rundfunk“, weil die Antragstellerin auf ihrer Internetseite die Teilnahme an kostenpflichtigen Gewinnspielen anbiete, die ihrer Ausgestaltung nach an das TV-Format anknüpften. Das Angebot auf der Internetseite sei insofern losgelöst von der TV-Sendung, als diese nicht einmal eingeschaltet werden müsse. Das Internetangebot der Antragstellerin stelle unerlaubtes Glücksspiel dar, weil die Antragstellerin nicht über die nach § 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 GlüStV 2021 erforderliche Erlaubnis verfüge. Schließlich lägen Ermessensfehler nach summarischer Prüfung nicht vor. Zudem sei die Untersagungsverfügung hinreichend bestimmt. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung habe auch hinsichtlich des angedrohten Zwangsgeldes keinen Erfolg. Ebenfalls bestehe das besondere Vollzugsinteresse, das bereits durch die in § 9 Abs. 2 Satz 1 GlüStV 2021 gesetzlich angeordnete sofortige Vollziehung indiziert sei.
11Dagegen hat die Antragstellerin am 14. September 2022 Beschwerde erhoben, die sie am 4. Oktober 2022 sowie vertiefend mit Schriftsatz vom 12. Mai 2023 begründet hat.
12II.
13Die nach § 146 Abs. 1 und 4 VwGO zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg.
14Die zur Begründung der Beschwerde fristgemäß dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach Maßgabe von § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, gebieten es, die aufschiebende Wirkung der von der Antragstellerin in der Hauptsache erhobenen Klage anzuordnen. Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Interessenabwägung fällt zugunsten der Antragstellerin aus. Die auf § 9 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Nr. 3 GlüStV 2021 gestützte Untersagungsverfügung erweist sich voraussichtlich mangels Vorliegen eines Glücksspiels im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz GlüStV 2021 als materiell rechtswidrig. Entsprechend kann voraussichtlich auch die Zwangsgeldandrohung keinen Bestand haben.
151. Das Beschwerdevorbringen zeigt zunächst keine Fehler auf, die zu einer formellen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids führen. Insbesondere dringt die Antragstellerin nicht mit ihrer Rüge durch, die Untersagungsverfügung der Funktionsvorgängerin der Antragsgegnerin leide deshalb an einem Fehler, weil die Einrichtung des beteiligten Glücksspielkollegiums gegen die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes verstoße und es dem Glücksspielkollegium an der verfassungsrechtlich demokratischen Legitimation fehle.
16Das – im Verwaltungsverfahren beteiligte – Glücksspielkollegium besteht nämlich zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nach der Regelung des § 27p Abs. 6 Satz 1 GlüStV 2021 nicht mehr. Die Beteiligung des Glücksspielkollegiums war gemäß der vorstehend genannten Regelung ausdrücklich bis zum 31. Dezember 2022 befristet; sie ist seit der ab dem 1. Januar 2023 geltenden Rechtslage nicht mehr vorgesehen. Stattdessen ist nunmehr die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder, also die Antragsgegnerin, gemäß § 27f Abs. 2 i. V. m. § 9a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GlüStV 2021 zuständig für Maßnahmen der Glücksspielaufsicht wegen unerlaubten öffentlichen Glücksspiels und der Werbung hierfür, welches im Internet in mehr als einem Land angeboten wird, ohne an das Glücksspielkollegium gebunden zu sein. Die Antragsgegnerin hat die ausgesprochene Untersagungsverfügung im gerichtlichen Verfahren weiter aufrechterhalten und verteidigt.
17Vor diesem Hintergrund kann sich die Antragstellerin auf einen etwaigen Verstoß gegen die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes oder auf eine fehlende verfassungsrechtlich demokratische Legitimation aufgrund der Beteiligung des Glücksspielkollegiums nicht mehr berufen. Die gegenständliche Untersagungsverfügung ist nur noch nach der aktuellen Sach- und Rechtslage zu prüfen.
18Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 - 8 C 46.12 -, juris, Rn. 33.
19Denn glücksspielrechtliche Untersagungsverfügungen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV 2021 sind als Verwaltungsakte mit Dauerwirkung auf langfristige Geltung angelegt. Ein Dauerverwaltungsakt wird sich häufig bei fortschreitender Zeit für die jeweils vergangenen Zeiträume – gewissermaßen fortlaufend – erledigen, auch wenn für die Annahme seiner Erledigung der bloße Zeitablauf nicht genügt, sondern vielmehr erforderlich ist, dass von ihm auch für die Vergangenheit keine für den Adressaten nachteiligen Rechtswirkungen mehr ausgehen.
20Vgl. BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2013 - 8 C 14.12 -, juris, Rn. 33, und vom 1. Juni 2011 - 8 C 2.10 -, juris, Rn. 19, m. w. N., sowie Beschluss vom 5. Januar 2012 - 8 B 62.11 -, juris, Rn. 13 f.
21Vorliegend ist eine fortdauernde Beschwer für die vergangenen Zeiträume der Geltung der streitgegenständlichen Untersagungsverfügung weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, da insbesondere keine Vollzugshandlungen erfolgt sind, die rückgängig zu machen wären. Vielmehr wird die Untersagungsverfügung von der Antragstellerin bereits seit Juli 2022 insoweit umgesetzt, als dass sie auf der Website https://www.Q..de einstweilen nur noch kostenlose Spiele anbietet.
222. Die Untersagungsverfügung ist jedoch voraussichtlich materiell rechtswidrig.
23a) Allerdings ist sie nicht deshalb rechtswidrig, weil – nach Ansicht der Antragstellerin – die angebotenen Gewinnspiele der Bereichsausnahme des § 2 Abs. 11 GlüStV 2021 i. V. m. § 11 Abs. 1 Satz 6 MStV und aus diesem Grund nicht dem Regelungsbereich des Glücksspielstaatsvertrages 2021 unterfallen würden. Weder stellen die angebotenen Spiele „Gewinnspiele im Rundfunk“ im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 MStV dar noch ist sonst der Regelungsbereich des § 11 Abs. 1 Satz 5 MStV eröffnet, der vorsieht, dass für die Teilnahme von Gewinnspielsendungen und Gewinnspielen im Rundfunk (nur) ein Entgelt von bis zu 0,50 Euro verlangt werden darf.
24aa) Vorliegend findet die Bereichsausnahme des § 2 Abs. 11 GlüStV 2021, wonach für Gewinnspiele im Rundfunk (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 MStV) nur § 11 MStV gilt, keine Anwendung. Bei den kostenpflichtigen Angeboten der Antragstellerin handelt es sich nicht um „Gewinnspiele im Rundfunk“. Es fehlt bei dem Angebot auf der Internetseite der Antragstellerin bereits an der gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 MStV für die Einordnung als Rundfunkangebot erforderlichen Linearität. Diese zeichnet sich durch eine bestimmte Reihenfolge der Ausstrahlung aus, die ein Sendeplan entsprechend einer redaktionellen Konzeption in einem Programm festlegt. Die Rezipienten empfangen diese Ausstrahlung gleichzeitig. Bei nicht-linearen Angeboten hat es hingegen der Nutzer in der Hand, wann und wo er sich die Darbietung anschaut.
25Vgl. Martini in Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, 41. Edition, Stand: 01.02.2021, § 2 MStV Rn. 5.
26Hier kann eine Teilnahme an den auf der Website https://www.Q..de angebotenen Gewinnspielen zeitlich vollständig unabhängig von der Ausstrahlung und auch nicht nur in einem mit der Sendungsdauer vergleichbaren Rahmen stattfinden. Insbesondere ist eine Teilnahme schon wenige Tage vor Ausstrahlung der TV-Sendung möglich. Die Teilnehmer haben es maßgeblich selbst in der Hand, wann sie die Online-Teilnahme am Spieleangebot nutzen. Der Verweis auf die reine Eröffnung eines weiteren, gleichartigen „dritten“ Teilnahmewegs neben Kurznachricht und Anruf verfängt schon wegen der bestehenden Teilnahmemöglichkeit per Internet deutlich vor Sendungsbeginn und losgelöst von jedem Erfordernis einer Auseinandersetzung mit dem konkreten Sendungsinhalt nicht.
27bb) Unabhängig davon würde es sich bei den angebotenen Spielen ohnehin nicht um ein nach § 11 Abs. 1 Satz 1 MStV zulässiges Gewinnspiel handeln. Insoweit darf für die Teilnahme nur ein Entgelt bis zu 0,50 Euro verlangt werden, § 11 Abs. 1 Satz 6 MStV. Jedenfalls Gewinnspielformate, deren Teilnahmeentgelt isoliert diese Grenze überschreitet, unterfallen nicht der Erlaubnisfreistellung des § 11 Abs. 1 MStV.
28Dietlein in Dietlein/Ruttig, Glücksspielrecht, 3. Aufl. 2022, § 2 Rn. 49; vgl. zudem zur Vorgängerregelung des § 8a RStV: Gebhardt/Postel, ZfWG 2012, 1, 10; Liesching, ZfWG 2009, 320, 324; Hüsken, ZfWG 2009, 153, 157.
29Diese strenge Grenze hält das Angebot der Antragstellerin nicht ein. Zunächst beschränkt sich das Angebot zur Teilnahme an den angebotenen Gewinnspielen nicht lediglich auf einen Betrag von 0,50 Euro. Denn die Antragstellerin bietet neben der Möglichkeit zur Einzelteilnahme, für die ein Entgelt von 0,50 Euro verlangt wird, nach wie vor ein Monatsabonnement an, für das Kosten von 4,99 Euro anfallen. Unerheblich ist insoweit, dass der Monatsbeitrag von 4,99 Euro die Möglichkeit einer einmaligen Teilnahme an allen auf der Website der Antragstellerin verfügbaren Gewinnspielen eröffnet, also sich nicht lediglich auf die einmalige Teilnahme an einem Spiel bezieht. Denn der Teilnehmer ist im Fall des Abschlusses eines Monatsabonnements verpflichtet, bereits für das erste Spiel einen Betrag von 4,99 Euro aufzuwenden und damit deutlich mehr als das in § 11 Abs. 1 Satz 6 MStV genannte Maximalentgelt „für die Teilnahme“ von 0,50 Euro. Erst soweit sich der Teilnehmer entschließen sollte, im Anschluss daran innerhalb des laufenden Monats an (mindestens) neun weiteren – jeweils anderen – Gewinnspielen auf der Internetseite der Antragstellerin teilzunehmen, würden „im Mittel“ Teilnahmekosten von dann weniger als 0,50 Euro pro Spiel entstehen. Auf diesen „Mittelwert“ bezieht sich jedoch die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 6 MStV nicht. Vielmehr sollte bereits die Vorgängerregelung des § 8a RStV die sogenannten Call-in-Gewinnspiele in Rundfunk und Fernsehen für den Fall legalisieren, dass nur ein Entgelt von maximal 0,50 Euro pro Teilnahme verlangt wird.
30Vgl. Bolay, MMR 2009, 669, 671; Lober/Neumüller, MMR 2010, 295, 296.
31Dieses Erfordernis ist im Fall des Abschlusses eines Monatsabonnements für 4,99 Euro und der sodann erfolgenden Spielaufnahme gerade nicht erfüllt.
32cc) Ungeachtet dessen dringt die Antragstellerin auch nicht mit ihrem Vorbringen durch, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass bezüglich des Umfangs der sachlichen Anwendbarkeit des § 11 MStV die Regelungen des § 22 Abs. 3 MStV (Gewinnspiele in Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten) und § 74 Satz 1 MStV (Gewinnspiele in rundfunkähnlichen Telemedien) und nicht des § 2 Abs. 11 GlüStV 2021 maßgeblich seien und als spezielle Regelungen den Anwendungsbereich des Glücksspielstaatsvertrages 2021 für Gewinnspiele in bestimmten Telemedien sperrten.
33(1) Bei dem Online-Angebot der Antragstellerin handelt es sich nicht um ein Telemedium mit journalistisch-redaktionell gestaltetem Angebot i. S. d. § 19 Abs. 1 Satz 1 MStV. Der Verweis des § 22 Abs. 3 MStV auf § 19 Abs. 1 Satz 1 MStV impliziert, dass es sich dabei um Angebote für die Allgemeinheit handeln muss, die über ein Mindestmaß an redaktionellen Inhalten verfügen und zumindest partiell redaktionell ausgestaltet sind. Darunter fallen etwa Online-Presse-Portale.
34Vgl. Hüsken, GewArch 2010, 336, 337; Bolay, ZfWG 2010, 88, 89.
35Nicht von dem Verweis umfasst sind solche Internetportale, auf denen neben der Veranstaltung von Gewinnspielen keinerlei redaktionelle Inhalte dargeboten werden, die mithin nur der Gewinnspielveranstaltung an sich dienen.
36Vgl. Dietlein in Dietlein/Ruttig, Glücksspielrecht, 3. Aufl. 2022, § 2 GlüStV Rn. 45; Bolay, MMR 2009, 669, 672.
37So liegt es hier. Das Online-Angebot der Antragstellerin beschränkt sich auf die Durchführung der dort angebotenen Gewinnspiele bzw. die Werbung dafür. Auf die in den beigezogenen Verwaltungsvorgängen dokumentierten Ausdrucke des Online-Angebots der Antragstellerin wird Bezug genommen. Im alleinigen Fokus der Darstellung steht dabei das Anpreisen der Gewinnspiele. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist eine journalistisch-redaktionelle Ausgestaltung der Website auch nicht deshalb gegeben, weil dort inhaltlich verschiedene Spiele journalistisch-redaktionell zusammengestellt worden seien und dies in der Regel mit eigenen Bildern, Texten und Konzepten geschehen sei, was auch durch ein einheitliches Farbkonzept verdeutlicht werde. Diese Umstände mögen allenfalls eine redaktionell relevante Form der Gestaltung begründen. Es fehlt dem Angebot jedoch eine Loslösung von der reinen Anpreisung der Gewinnspiele und damit inhaltlich an der journalistischen Komponente. Die Antragstellerin führt insoweit selbst aus, dass dort „vorwiegend über die zur Verfügung stehenden Gewinnspiele informiert“ werde.
38(2) Dem Beschwerdevorbringen lässt sich keine Begründung dafür entnehmen, dass das gegenständliche Angebot als rundfunkähnliches Telemedium im Sinne des § 74 Satz 1 MStV zu qualifizieren sein soll. Eine solche Einordnung ist auch angesichts der in § 2 Nr. 13 MStV gegebenen Definition des rundfunkähnlichen Telemediums als ein solches mit Inhalten, die nach Form und Gestaltung hörfunk- oder fernsehähnlich sind und die aus einem von einem Anbieter festgelegten Katalog zum individuellen Abruf zu einem vom Nutzer gewählten Zeitpunkt bereitgestellt werden (Audio- und audiovisuelle Mediendienste auf Abruf), nicht erkennbar. Insbesondere unterfällt das Angebot der Antragstellerin nicht den in § 2 Nr. 13 Halbsatz 2 MStV genannten Inhalten wie Hörspiele, Spielfilme, Serien, Reportagen, Dokumentationen, Unterhaltungs-, Informations- oder Kindersendungen.
39b) Die auf die Bestimmung des § 9 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Nr. 3 GlüStV 2021 gestützte Untersagungsverfügung ist jedoch aller Voraussicht nach rechtswidrig, weil es sich bei den von der Antragstellerin angebotenen Gewinnspielen nicht um Glücksspiele im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 handelt. Denn die von den Teilnehmern zu leistenden Spieleinsätze überschreiten nicht die auch dem Entgeltbegriff des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 immanente Erheblichkeitsschwelle.
40aa) Zwar lässt sich dem Wortlaut des § 3 GlüStV 2021 nicht unmittelbar eine Bagatellgrenze bzw. Erheblichkeitsschwelle eines Entgelts entnehmen. Nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 liegt ein Glücksspiel vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. § 3 Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 stellt klar, dass die Entscheidung über den Gewinn in jedem Fall vom Zufall abhängt, wenn dafür der ungewisse Eintritt oder Ausgang zukünftiger Ereignisse maßgeblich ist. (Weitere) Bestimmungen zur Höhe des Entgelts treffen weder § 3 GlüStV 2021 noch die sonstigen Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages. § 6j GlüStV 2021 enthält lediglich Regelungen betreffend unentgeltliche Unterhaltungsangebote, für die kein Entgelt zu entrichten ist und bei denen ein Geldgewinn fehlt.
41bb) Indes folgt eine solche Erheblichkeitsschwelle auch für den glücksspielrechtlichen Entgeltbegriff aus dem systematischen Zusammenhang der glücksspielrechtlichen Regelung mit § 33h Nr. 3 GewO, der seinerseits auf § 284 StGB Bezug nimmt.
42§ 33h GewO normiert das Verhältnis der gewerberechtlichen Vorschriften, die Gewinnspiele betreffen, zu den landesrechtlichen, ordnungsrechtlichen Glücksspielregelungen. Im Rahmen seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das Recht der Wirtschaft gemäß Art. 74 Nr. 11 GG hat der Bundesgesetzgeber das gewerbliche Aufstellen von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit (§ 33c GewO) sowie das gewerbliche Veranstalten anderer Spiele mit Gewinnmöglichkeit (§ 33d GewO) unter Erlaubnisvorbehalt gestellt und in §§ 33c ff. GewO näher geregelt. § 33g Nr. 2 GewO normiert einen Vorbehalt, die Erlaubnispflicht auf bestimmte nicht gewerbsmäßig betriebene Gewinnspiele auszudehnen. §§ 33c bis 33g GewO sind nach § 33h Nr. 1 und 2 GewO jedoch nicht auf die dort aufgeführten Spielbanken, Lotterien und Ausspielungen anzuwenden. Nach § 33h Nr. 3 GewO gelten sie auch nicht für diejenigen „anderen“ Spiele im Sinne des § 33d Abs. 1 Satz 1 GewO, die Glücksspiele im Sinne des § 284 StGB sind. Diese – und nur diese – „anderen“ Spiele bleiben der Regelung durch den Landesgesetzgeber im Rahmen seiner Kompetenz für das Ordnungsrecht überlassen. Die Übrigen, die nicht unter § 284 StGB fallen, sind in § 33d Abs. 1 Satz 1 GewO detailliert und abschließend geregelt. Diese Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Gewerbeordnung vollzieht die Abgrenzung zwischen der Bundesgesetzgebungskompetenz für das Wirtschaftsrecht und der Landesgesetzgebungskompetenz für das Ordnungsrecht nach.
43BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2013 - 8 C 21.12 -, juris, Rn. 24, m. w. N.
44Sie steht nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers. Er darf den ordnungsrechtlichen Begriff des Glücksspiels bei „anderen“ Spielen mit Gewinnmöglichkeit nicht weiter fassen als den Glücksspielbegriff des § 284 StGB. Das Tatbestandsmerkmal des für den Erwerb einer Gewinnchance verlangten Entgelts im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV darf deshalb nicht weiter ausgelegt werden als der Begriff des Einsatzes, der Bestandteil der Definition des Glücksspiels im Sinne des § 284 StGB ist.
45BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2013 - 8 C 21.12 -, juris, Rn. 24; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2014 - 8 C 26.12 -, juris, Rn. 11.
46Einsatz im Sinne des § 284 StGB ist jede Vermögensleistung, die in der Hoffnung auf Gewinn und mit dem Risiko des Verlustes an den Gegenspieler oder Veranstalter erbracht wird, wobei es sich wegen der notwendigen Abgrenzung zum bloßen Unterhaltungsspiel um einen Einsatz handeln muss, der nicht ganz unbeträchtlich ist.
47BGH, Urteil vom 8. August 2017 - 1 StR 519/16 -, juris, Rn. 12, und Beschluss vom 29. September 1986 - 4 StR 148/86 ‑, juris, Rn. 15; dies aufgreifend BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2013 - 8 C 21.12 -, juris, Rn. 25; vgl. zudem Fischer, StGB, 70. Aufl. 2023, Rn. 5; Heine/Hecker in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 284 Rn. 8; Hollering in BeckOK StGB, 59. Edition, Stand: 01.11.2023, § 284 Rn. 15; Krehl/Börner in Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Aufl. 2023, § 284 Rn. 12.
48Ob im Rahmen des § 284 StGB ein Einsatz als nicht ganz unbeträchtlich einzuordnen ist, bestimmt sich jedenfalls bei jedermann offenstehenden Glücksspielen nach den gesellschaftlichen Anschauungen. Dabei kann das Kriterium des erforderlichen Aufwands für eine anderweitige unterhaltende Veranstaltung zur Orientierung herangezogen werden.
49BGH, Urteil vom 8. August 2017 - 1 StR 519/16 -, juris, Rn. 13, unter Bezugnahme auf Reichsgericht, Urteil vom 28. Mai 1889 - Rep. 1039/89 -, RGSt 19, 253 f., und OLG Köln, Urteil vom 19. Februar 1957 ‑ Ss 417/56 -, NJW 1957, 721; vgl. ferner Heine/Hecker in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, a. a. O.; Hohmann/Schreiner in Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl. 2022, § 284 Rn. 12; Krehl/Börner in Leipziger Kommentar zum StGB, a. a. O.
50Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs dürfte derzeit ein möglicher Verlust von mehr als zehn Euro in der Stunde auf ein Glücksspiel im Sinne des § 284 StGB hindeuten.
51So BGH, Urteil vom 8. August 2017 - 1 StR 519/16 -, juris, Rn. 13.
52Einhergehend mit der klarstellenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat sich auch die jüngere Literatur (überwiegend) der Ansicht angeschlossen, dass in einheitlicher Auslegung des Glücksspielbegriffs im StGB und GlüStV das gezahlte Entgelt nicht unerheblich niedrig sein darf.
53So etwa Ahlhaus/Schmidt, MMR 2014, 443, 445; Dietlein in Dietlein/Ruttig, Glücksspielrecht, 3. Aufl. 2022, § 2 GlüStV Rn. 41; zur (gegenteiligen) Ansicht in der Vorauflage siehe Dietlein/Hüsken in Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, 2. Aufl. 2013, § 2 GlüStV Rn. 26; Jaschinski, ZfWG 2014, 160, 162; Liesching, ZfWG 2014, 180, 181; vgl. ferner Nickel/Feuerhake/Schelinski, MMR 2018, 586; bereits zuvor für einen Gleichlauf und das Bestehen einer Erheblichkeitsschwelle Bolay/Pfütze in Streinz/Liesching/Hambach, Glücks- und Gewinnspielrecht in den Medien, 2014, § 3 GlüStV Rn. 5 ff.; einschränkend wohl Nolte in Becker/Hilf/Nolte/Uwer, Glücksspielregulierung: Glücksspielstaatsvertrag und Nebengesetze, 2016, § 3 GlüStV Rn. 14.
54Allein schon wegen der unterschiedlichen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes bzw. der Länder, deren „trennscharfer“ Abgrenzung die Bestimmung des § 33h GewO dienen soll,
55dazu Ennuschat in Pielow, BeckOK GewO, 59. Edition, Stand: 01.06.2023, § 33h Rn. 42,
56kann nicht darauf abgestellt werden, dass die jeweiligen Regelungszwecke des Straf- bzw. Ordnungsrechts einen Gleichlauf des Entgelt- bzw. Einsatzbegriffs nicht erfordern würden,
57dazu etwa Nolte in Becker/Hilf/Nolte/Uwer, Glücksspielregulierung: Glücksspielstaatsvertrag und Nebengesetze, 2016, § 3 GlüStV Rn. 14,
58bzw. darüber hinausgehend die Landesgesetzgeber einen eigenständigen Glücksspielbegriff normiert hätten, der sich vom bundesstrafrechtlichen in richterlicher Rechtsfortbildung entwickelten Glücksspielbegriff des § 284 StGB deutlich unterscheide und keine Geringfügigkeitsgrenze kenne.
59So noch Hüsken, ZfWG 2009, 153, 155; ähnlich Dünchheim in Frankfurter Kommentar zum Glücksspielrecht, 2022, § 2 GlüStV Rn. 55, u. a. mit Verweis auf die (überholte) Kommentierung von Dietlein/Hüsken in Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, 2. Aufl. 2012, § 2 GlüStV Rn. 26.
60cc) Nach den oben stehenden Grundsätzen ist bei dem Angebot der Antragstellerin die Erheblichkeitsschwelle unter den derzeitigen Spielbedingungen nicht überschritten. Der Senat sieht als maßgeblich hinsichtlich der relevanten Entgelthöhe die durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs definierte Verlustschwelle von (derzeit) zehn Euro in der Stunde an.
61Hier liegt die für die Teilnehmer der Online-Gewinnspiele der Antragstellerin zu leistende maximale Einmalzahlung mit 4,99 Euro für ein Monatsabo unterhalb dieser Erheblichkeitsschwelle. Auch bei einer Aufsummierung mit den nach Abschluss eines Monatsabos weiter in einem Zug durchspielbaren maximal zehn Spielen pro Tag à 0,50 Euro fallen insgesamt höchstens 9,99 Euro an, die die Zehn-Euro-Grenze (auch in einer Stunde) nicht übersteigen. Das Jahrespaket für einen Betrag von 49,90 Euro bietet die Antragstellerin bereits seit Juni 2022 nicht mehr an.
62dd) Mangels Überschreiten der Erheblichkeitsschwelle liegt kein „Entgelt“ im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 und damit auch kein Glücksspiel vor. Die Antragsgegnerin konnte damit die gegenständliche Untersagungsverfügung nicht auf die Bestimmungen des § 9 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Nr. 3 GlüStV 2021 stützen, die das Vorliegen eines öffentlichen Glücksspiels im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021 voraussetzen.
63c) Der Beschluss des Verwaltungsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig. Insbesondere würde ein Verstoß des Spieleangebots der Antragstellerin gegen die Vorschriften der Gewerbeordnung keine Rechtmäßigkeit der angefochtenen Ordnungsverfügung begründen.
64aa) Zwar führt vorliegend der Umstand, dass es sich bei den gegenständlichen Spielen der Antragstellerin mangels Erheblichkeit des Einsatzes nicht um Glücksspiele „im Sinne des § 284 StGB“ handelt (vgl. § 33h Nr. 3 GewO), zu einer Einordnung als „andere“ Spiele im Sinne des § 33d Abs. 1 GewO. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei den gegenständlichen Spielen um zufallsabhängige Gewinnspiele (= „Glücksspiele“ im weiteren Sinne) handelt, die zudem nur „online“ angeboten werden. Von den „anderen“ Spielen im Sinne des § 33d GewO sind nicht nur die sogenannten Geschicklichkeitsspiele erfasst, sondern u. a. auch „Glücksspiele“ unterhalb der Erheblichkeitsschwelle des Entgelts, die nicht als solche im Sinne des § 284 StGB einzuordnen sind.
65Vgl. Dietlein in Dietlein/Ruttig, Glücksspielrecht, 3. Aufl. 2022, § 33d GewO Rn. 5; Ennuschat in Wank/Winkler/Ennuschat, GewO, 9. Aufl. 2020, § 33d Rn. 3, m. w. N.
66Die in § 33d GewO genannten „anderen“ Spiele beziehen sich zudem nicht nur auf die sogenannten „stationären“ Spiele. Genauso wie die von § 33h Nr. 3 GewO in Bezug genommenen „anderen“ Spiele im Sinne des § 33d Abs. 1 Satz 1, die Glücksspiele im Sinne des § 284 StGB sind, auch Online-Spiele sein können, wie bereits die Regelungen des Glückspielstaatsvertrages 2021 über öffentliche Glücksspiele im Internet (§ 4 Abs. 4 GlüStV 2021) verdeutlichen,
67vgl. Ennuschat in Wank/Winkler/Ennuschat, GewO, 9. Aufl. 2020, § 33h Rn. 57,
68erfasst auch § 33d GewO selbst nicht nur terrestrische Spiele, sondern auch Online-Spiele. Schon seinem Wortlaut nach ist § 33d GewO – anders als im Falle von § 33c und § 33i GewO – offen genug gefasst, um Online-Spiele einzuschließen.
69Vgl. die Anwendbarkeit des abschließenden § 33d GewO auf das dort streitgegenständliche Online-Spiel ohne Weiteres annehmend: BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 2013 ‑ 8 C 21.12 -, juris, Rn. 2, 24, 27; siehe ferner Ennuschat in Wank/Winkler/Ennuschat, GewO, 9. Aufl. 2020, § 33d Rn. 13 ff., m. w. N. auch zur Gegenansicht.
70Allerdings dürften sodann in systematischer Hinsicht die Regelungen der Spielverordnung (SpielV) zu einer mangelnden Erlaubnisfähigkeit von Online-Gewinnspielen führen, da diese allein auf das terrestrische Spiel ausgerichtet sind. Denn nach § 4 SpielV darf die Erlaubnis für die Veranstaltung eines anderen Spieles im Sinne des § 33d Abs. 1 Satz 1 GewO, bei dem der Gewinn in Geld besteht, nur erteilt werden, wenn das Spiel in Spielhallen oder ähnlichen Unternehmen veranstaltet werden soll. Nach § 5 SpielV darf die Erlaubnis für die Veranstaltung eines anderen Spieles, bei dem der Gewinn in Waren besteht, nur erteilt werden, wenn das Spiel auf Volksfesten, Schützenfesten oder ähnlichen Veranstaltungen, Jahrmärkten oder Spezialmärkten oder in Schank- oder Speisewirtschaften oder Beherbergungsbetrieben mit Ausnahme der in § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 genannten Betriebe veranstaltet werden soll. Diese dort benannten zulässigen Veranstaltungsorte schließen ein zulässiges Veranstalten von „anderen“ Spielen im Sinne des § 33d GewO im Internet – de lega lata – wohl aus.
71Vgl. Dietlein in Dietlein/Ruttig, Glücksspielrecht, 3. Aufl. 2022, § 33d GewO, Rn. 6, m. w. N.; Ennuschat in Wank/Winkler/Ennuschat, GewO, 9. Aufl. 2020, § 33d Rn. 14 f.
72bb) Die Antragsgegnerin kann der Antragstellerin indes eine mangelnde Erlaubnisfähigkeit ihres Online-Spieleangebots nach der Gewerbeordnung nicht vorhalten. Denn sie ist weder für die Erteilung einer gewerberechtlichen Erlaubnis bzw. für deren Versagung noch für eine gewerberechtliche Untersagungsverfügung zuständig, was schon aus der Bestimmung des § 27f GlüStV 2021 folgt.
73Ungeachtet dessen hat die Antragsgegnerin ihre Untersagungsverfügung auch nicht auf einen Verstoß gegen gewerberechtliche Vorschriften, insbesondere nicht auf den Umstand einer fehlenden Erlaubnis nach § 33d GewO, gestützt. Die Funktionsvorgängerin der Antragsgegnerin hat sich bei der Ausübung ihres Untersagungsermessens allein davon leiten lassen, ein nach § 3 Abs. 1 GlüStV 2021 verbotenes Glücksspiel zu unterbinden. Insoweit könnte die angefochtene Untersagungsverfügung auch nicht bei einem (etwaigen) Verstoß des Angebots der Antragstellerin gegen gewerberechtliche Vorschriften als rechtmäßig erachtet werden.
74Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2014 - 8 C 26.12 -, juris, Rn. 20.
75d) Da die Untersagungsverfügung als Grundverfügung voraussichtlich rechtswidrig und in der Hauptsache aufzuheben ist, ist zugleich dem Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung stattzugeben.
763. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
77Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und berücksichtigt die Angaben der Antragstellerin zu ihrem wirtschaftlichen Interesse.
78Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 und 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).