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Notwendig ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren nur dann, wenn es der Partei nach ihren persönlichen Verhältnissen und wegen der Schwierigkeiten der Sache nicht zuzumuten war, das Vorverfahren selbst zu führen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1.10.2009 – 6 B 14.09 –).
Das Verfahren wird eingestellt.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 12.12.2018 ist wirkungslos.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Der Streitwert wird auch für das Antragsverfahren auf 5.575,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
2Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung der §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 87a Abs. 1 und 3, 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Das angefochtene Urteil ist für wirkungslos zu erklären (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO in entsprechender Anwendung).
3Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO und folgt der Kostenübernahmeerklärung der Beklagten.
4Der Antrag, die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, hat Erfolg. Die Erstattungsfähigkeit von Kosten eines Bevollmächtigten im Vorverfahren ist je nach Lage des Einzelfalls nur unter der Voraussetzung der konkreten Notwendigkeit anzuerkennen. Maßgebend ist, ob sich ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sachlage eines Rechtsanwalts oder sonstigen Bevollmächtigten bedient hätte. Notwendig ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nur dann, wenn es der Partei nach ihren persönlichen Verhältnissen und wegen der Schwierigkeiten der Sache nicht zuzumuten war, das Vorverfahren selbst zu führen.
5Vgl. BVerwG, Beschluss vom 1.10.2009 – 6 B 14.09 –, juris, Rn. 5, m. w. N.
6Nach diesen Maßstäben war die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren im Falle der Klägerin im Sinne des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO notwendig. Die Rechtslage war schwierig. Sowohl im Widerspruchsverfahren als auch im Klageverfahren haben sich die Beteiligten mit der Frage befasst, wann die geförderte Maßnahme als vollständig durchgeführt gelte, insbesondere ob hierzu auch die Bezahlung oder Abrechnung gehöre. Besondere Schwierigkeiten bereitete bereits die letztlich entscheidungserhebliche Frage, bis zu welchem Zeitpunkt der Bewilligungszeitraum konkret reichte. Der Berichterstatter hat in seiner Hinweisverfügung vom 31.7.2023 unter Berücksichtigung allgemeiner Rechtsgrundsätze zur Fristberechnung dargelegt, warum die Klägerin die Rechnungen zu den mit Verwendungsnachweis vom 30.9.2016 abgerechneten allgemeinen Weiterbildungsmaßnahmen am 26.9.2016 noch während des im Zuwendungsbescheid bestimmten Bewilligungszeitraums bezahlt haben dürfte. Er hat im Einzelnen ausgeführt:
7„[D]as Verwaltungsgericht [hat] in dem angegriffenen Urteil den sinngemäß gestellten Antrag, die Beklagte unter Aufhebung des Endabrechnungsbescheids vom 17.10.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.2.2017 zu verpflichten, eine Zuwendung i. H. v. 5.575,00 Euro endgültig festzusetzen, abgewiesen. Der Endabrechnungsbescheid vom 17.10.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.2.2017 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf endgültige Festsetzung einer Zuwendung in Höhe von 5.575,00 Euro für die mit Verwendungsnachweis vom 30.9.2016 abgerechneten allgemeinen Weiterbildungsmaßnahmen. Alleinige Anspruchsgrundlage für die endgültige Festsetzung der begehrten Zuwendung sei der Zuwendungsbescheid vom 22.6.2016; dieser sei jedoch hinsichtlich sämtlicher abgerechneter allgemeiner Weiterbildungsmaßnahmen infolge des Eintritts einer auflösenden Bedingung unwirksam geworden. Nach Ziffer III., 2.3, 4. Punkt des Zuwendungsbescheids vom 22.6.2016 erfolgten die Bewilligung und Auszahlung der Zuwendung unter der Bedingung, dass die nachgewiesenen Maßnahmen auch tatsächlich innerhalb des Bewilligungszeitraums durchgeführt würden. Die Klägerin habe die im Verwendungsnachweis vom 30.9.2016 abgerechneten allgemeinen Weiterbildungsmaßnahmen nicht innerhalb des im Zuwendungsbescheid festgesetzten Bewilligungszeitraums durchgeführt. Eine Maßnahme gelte nach der Verwaltungspraxis der Beklagten erst dann als durchgeführt, wenn sie erfolgreich abgeschlossen und die Rechnung vollständig bezahlt sei. Die Klägerin habe die Rechnungen zu den mit Verwendungsnachweis vom 30.9.2016 abgerechneten allgemeinen Weiterbildungsmaßnahmen erst am 26.9.2016 und damit nach Ende des Bewilligungszeitraums bezahlt.
8Diese Einschätzung dürfte Bedenken begegnen. Insbesondere dürfte im Ergebnis der Einwand der Klägerin durchgreifen, wonach die hier zu beurteilende Verwaltungspraxis – wenn auch aus anderen als von der Klägerin genannten Gründen – den rechtlichen Anforderungen nicht entspricht. Die Auslegung eines Bewilligungsbescheids bestimmt sich nach den gemäß den §§ 133, 157 BGB auch im öffentlichen Recht für die Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen geltenden Maßstäben nach seinem objektiven Erklärungswert. Maßgebend ist der geäußerte Wille des Erklärenden, wie er aus der Erklärung und sonstigen Umständen für den Erklärungsempfänger nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben erkennbar wird. Zu den ohne Weiteres erkennbaren Begleitumständen gehören insbesondere die einer Bewilligung vorausgehenden Anträge und die zugrundeliegenden Rechtsvorschriften. Förderrichtlinien, die Grundlage der Bewilligung gewesen sind, sind bei der Auslegung ebenfalls zu berücksichtigen. Der Erklärungsempfänger hat in den Blick zu nehmen, welchen Zweck der Erklärende verfolgt. Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde. Auf eine bei Erlass des Bewilligungsbescheids nicht nach außen erkennbare Verwaltungspraxis kommt es danach nicht an (Vgl. OVG NRW, Urteile vom 17.3.2023 – 4 A 1986/22 –, juris, Rn. 140 ff., und vom 14.12.2020 – 4 A 1992/16 –, juris, Rn. 37 f., jeweils m. w. N.). Für die Berechnung von Fristen im Rahmen von Verwaltungsverfahren bestimmt § 31 Abs. 3 Satz 1 VwVfG, dass dann, wenn das Ende einer Frist unter anderem auf einen Sonntag fällt, die Frist mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktags endet. Dies gilt nach Satz 2 nur dann nicht, wenn dem Betroffenen unter Hinweis auf diese Vorschrift ein bestimmter Tag als Ende der Frist mitgeteilt worden ist.
9Nach Ziffer III., 2.3., 4. Punkt des Zuwendungsbescheids vom 22.6.2016 erfolgen die Bewilligung und Auszahlung der Zuwendung unter anderem unter der Bedingung, dass die nachgewiesenen Maßnahmen auch tatsächlich innerhalb des Bewilligungszeitraums durchgeführt werden. Die Beklagte hat auf den Seiten 5 und 6 des Zuwendungsbescheids für einen objektiven Empfänger deutlich erkennbar klargestellt, dass die Durchführung bewilligter Maßnahmen innerhalb des Bewilligungszeitraums zu erfolgen habe und eine Maßnahme als vollständig durchgeführt gelte, wenn diese erfolgreich abgeschlossen sowie die Rechnung für diese Maßnahme vollständig gezahlt worden sei. Der Bewilligungszeitraum war auf die Zeit vom 4.5.2016 bis zum 25.9.2016, einem Sonntag, befristet, ohne dass dem Betroffenen dabei der 25.9.2016 unter Hinweis auf § 31 Abs. 3 Satz 2 VwVfG als Ende der Frist mitgeteilt worden war. Damit dürfte der im Bewilligungsbescheid befristete Bewilligungszeitraum gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 VwVfG mit dem Ablauf des 26.9.2016 als dem nächsten Werktag geendet haben. Innerhalb dieses Zeitraums war die Durchführung der bewilligten Maßnahmen einschließlich ihrer vollständigen Bezahlung abgeschlossen, so dass der Einwand der Klägerin unerheblich sein dürfte, die Bezahlung oder Abrechnung gehöre nicht mehr zur Durchführung der Maßnahme.
10Diese Bestimmung des Bewilligungszeitraums dürfte im Einklang mit der objektiv erkennbaren Regelungsabsicht der Beklagten gestanden haben. Denn das datumsmäßig im Zuwendungsbescheid bestimmte Ende des Bewilligungszeitraums (25.9.2016) fiel ebenso auf einen Sonntag wie der in Nr. 4.3 der Richtlinie über die Förderung der Weiterbildung in Unternehmen des Güterkraftverkehrs mit schweren Nutzfahrzeugen vom 16.3.2016 (BAnz AT 24.3.2016 B2) – Förderrichtlinie – bestimmte Förderzeitraum von drei Monaten nach Zugang des Zuwendungsbescheids, auf den der Widerspruchsbescheid vom 3.2.2017 ergänzend abstellt. Insoweit war die Beklagte mit der Bestimmung des 25.9.2016 als Ende des Bewilligungszeitraums der Vorgabe aus der Förderrichtlinie gefolgt. Unter Beachtung dieser Vorgabe sowie unter Berücksichtigung von § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG, wonach ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt, hat die Beklagte in dem Bescheid vom 22.6.2016 als Ende des Bewilligungszeitraums den 25.9.2016 angegeben. Auch die damit erkennbar erfolgte Bestimmung des Bewilligungszeitraums nach den Vorgaben der Förderrichtlinie (drei Monate nach Zugang des Zuwendungsbescheids) legte die beabsichtigte Fristberechnung nach § 31 Abs. 1 und 3 Satz 1 VwVfG i. V. m. den §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 193 BGB nahe. Dabei sprach nichts für eine etwaige Absicht, die Frist zur Durchführung der Maßnahmen, die mit einer Banküberweisung enden sollte, an einem Sonntag enden zu lassen. An diesem konnten Überweisungen nicht bewirkt werden, weil es sich nicht um einen Geschäftstag für Zahlungsdienstleister im Sinne von § 675n Abs. 1 BGB handelte. Ausgehend davon dürfte die Begleichung der Rechnungen für die Weiterbildungsmaßnahmen am 26.9.2016 sowohl nach § 31 Abs. 3 Satz 1 VwVfG als auch nach der erkennbaren Regelungsabsicht aus Sicht eines objektiven Empfängers noch rechtzeitig gewesen sein. Für ein derartiges die Wochenendruhe berücksichtigendes Verständnis dürfte schließlich noch sprechen, dass unter Nr. 6.1.3.1, Satz 2, der Förderrichtlinie für die Antragstellung ausdrücklich bestimmt ist, dass, wenn der Beginn oder das Ende der Antragsfrist nach Satz 1 auf einen Samstag, Sonntag oder staatlich allgemein anerkannten Feiertag fällt, an die Stelle dieses Tages der nächste Werktag tritt. Es ist nicht ersichtlich, dass für das Ende des Bewilligungszeitraums abweichend von der gesetzlichen Regel in § 31 Abs. 3 Satz 1 VwVfG etwas anderes hätte gelten sollen.“
11Die darin erfolgte Bewältigung verwaltungs- und subventionsrechtlicher Problemstellungen war der Klägerin unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Verhältnisse als im Güterkraftverkehr tätiges Unternehmen ohne juristisch ausreichend vorgebildete Mitarbeiter nicht zuzumuten.
12Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 GKG.
13Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.