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1. Von § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) und c) WaffG werden auch Parteien erfasst, die nicht verboten sind.2. Die Einstufung einer Partei als Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfassungsschutz indiziert, dass zugleich die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG erfüllt sind, da die Norm ebenfalls - allein - voraussetzt, dass ein tatsachenbegründeter Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen vorliegt. Es muss hingegen nicht bereits erwiesen sein, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt werden. Dieses Normverständnis verstößt nicht gegen Verfassungsrecht, insbesondere Art. 21 GG.3. Für Mitglieder der AfD im Landesverband NRW stellt die rechtmäßige Aufnahme der Bundespartei der AfD als Verdachtsfall im Verfassungsschutzbericht ein Indiz dafür dar, dass in der Regel die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) WaffG vorliegen.
Die Zwangsgeldandrohung in Ziffer IV. des Bescheides des Beklagten vom 26. Juni 2023 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
2Der im Jahr 0000 geborenen Klägerin wurden die Waffenbesitzkarte Nr. N01 als Sammlerin sowie die Standard-Waffenbesitzkarte Nr. N02/01, die Sportschützen-Waffenbesitzkarte N03/01 mit Erlaubnis zum Erwerb und Besitz von Munition sowie der Munitionserwerbsschein Nr. N01 erteilt. In die Waffenbesitzkarten waren im Juni 0000 insgesamt 27 Waffen eingetragen.
3Die Klägerin ist Mitglied der Partei „Alternative für Deutschland“ (weiterhin AfD) und wurde am 00.00.0000 stellvertretende Sprecherin des AfD Gemeindeverbands N.. Aktuell wird sie als Beisitzerin des Vorstandes der AfD im J. geführt (www.https://afd [….]). Nach eigenen Angaben ist sie zudem Geschäftsführerin der AfD J..
4Am 00.00. und 00.00.0000 beantragte die Klägerin zudem die Eintragung einer Einzelladerbüchse des Herstellers Z. und einer Repetierbüchse des Herstellers L. beim Beklagten.
5Der Beklagte erhielt aus öffentlichen Quellen Kenntnis von der Mitgliedschaft der Klägerin in der AfD und ihrer Tätigkeit als stellvertretende Sprecherin des AfD Gemeindeverbandes N.. Er leitete daraufhin unter Bezugnahme auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 7. März 2023 - 22 K 7087/20 – ein Widerrufsverfahren ein und gab der Klägerin mit Schreiben vom 11. Mai 2023 Gelegenheit, zu dem beabsichtigten Widerruf der ihr erteilen Waffenbesitzkarten Stellung zu nehmen. Zur Begründung stützte er sich auf § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG und ihre Mitgliedschaft in der AfD.
6Die Klägerin führte daraufhin aus, aus einer Mitgliedschaft bei der AfD könne keine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Waffengesetz hergeleitet werden. Sie nahm auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln - 13 K 326/21 – und die dort angegriffene Einstufung der AfD als Verdachtsfall Bezug. Nicht die AfD in ihrer Gesamtheit verfolge danach verfassungsfeindliche Bestrebungen, es gebe einen Richtungsstreit zwischen unterschiedlichen Strömungen. Jeder Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis müsse daher individuell betrachtet werden. Weiterhin verwies sie auf die zu dieser Frage ergangene Rechtsprechung, u.a. auf die des Oberverwaltungsgerichts für das Land Sachsen- Anhalt vom 24. April 2023 – 3 M 13/23 –. Sie sei Mitglied der AfD und gehöre nicht dem Flügel an. Sie übe die ihr von der Partei übertragenen Ämter nicht so aus, dass sie Anlass zu der Annahme ihrer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit geben würde. In ihrer Person lägen keine Umstände vor, die ihre Verfassungstreue in Frage stellen könnten. Sie bekenne sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland. Auch aus dem Akteninhalt ergebe sich nichts Gegenteiliges.
7Mit Ordnungsverfügung vom 26. Juni 2023 widerrief der Beklagte (unter Nennung der Nummern der Erlaubnisse) sämtliche der Klägerin erteilte Waffenbesitzkarten sowie die darin eingetragenen Erlaubnisse zum Erwerb und Besitz von Munition und den Munitionserwerbsschein Nr. N01 (Ziffer I.) und lehnte unter Ziffer II. die Anträge auf Eintragung weiterer Schusswaffen ab. Zudem ordnete er in Ziffer III. der Ordnungsverfügung – unter Anordnung der sofortigen Vollziehung (vgl. Ziffer V.) – unter Verweis auf das beigefügte Stammblatt an, die darin eingetragenen Schusswaffen sowie eine näher bezeichnete Einzelladerbüchse des Herstellers Z. und die Repetierbüchse des Herstellers L. sowie die in ihrem Besitz befindliche erlaubnispflichtige Munition innerhalb von einem Monat ab Zustellung einer berechtigten Person zu überlassen und die Durchführung dieser Anordnung unter Vorlage der schriftlichen Überlassungsanzeige nachzuweisen oder die Waffen ersatzweise unbrauchbar zu machen. Weiterhin heißt es: „Die Erlaubnisdokumente sind mir gemäß § 46 Abs. 1 WaffG innerhalb der genannten Frist zurückzugeben“. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die unter Ziffer III. aufgeführte Verpflichtung, die Erlaubnisdokumente zurückzugeben, drohte er ein Zwangsgeld von 250,- Euro an (Ziffer IV.). Schließlich setzte sie eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 592,50 Euro fest (Ziffer VI.). Zur Begründung führte er aus, dass die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) und c) WaffG vorliege. Dies folge aus der Mitgliedschaft der Klägerin in der AfD und der Tätigkeit als stellvertretende Sprecherin des AfD Gemeindeverbandes N.. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stufe die AfD als Verdachtsfall ein. Dies erfülle die Voraussetzungen. Es lägen auch keine atypischen Umstände vor.
8Die Klägerin hat am 12. Juli 2023 Klage erhoben. Den gleichzeitig erhobenen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat das Gericht durch Beschluss vom 21. August 2023 - 22 L1822/23 - ganz überwiegend abgelehnt. Die dagegen erhobene Beschwerde der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) durch Beschluss vom 22. März 2024 – 20 B 968/23 – zurückgewiesen.
9Die Klägerin macht vor allem geltend, die Entscheidung des Verwaltungsgericht Düsseldorf, die der Beklagte zur Begründung der Einleitung eines Widerrufsverfahrens herangezogen habe, verkenne, dass § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG unterschiedliche Ebenen in Bezug auf den Begriff „bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen“ enthalte. Es werde verkannt, dass in § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) WaffG der Begriff „Tatsachen die Annahme rechtfertigen“ sich nur auf den Begriff „Mitglied in einer Vereinigung waren“ in lit a) beziehe. Dies missachte die Wertung des Gesetzgebers, der formuliere, dass der Nachweis des Verfolgens von verfassungswidrigen Bestrebungen erbracht sein müsse. Dies ergebe sich auch aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 25. April 2019 – AN 16 K 17.01038 – und dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 24. April 2023 – 3 M 13/23 –, wonach sich der tatsachenbegründete Verdacht allein auf die Mitgliedschaft in einer Vereinigung und nicht darauf beziehe, dass diese Bestrebungen im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 a) aa) bis cc) WaffG verfolge oder verfolgt habe. Dies ergebe auch die Auslegung nach der Gesetzeshistorie und dem gesetzgeberischen Ziel. Die Auslegung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf überdehne die Vorschrift. Dies bestätige auch die weitere von ihr zitierte Rechtsprechung. Es liege kein gesicherter Nachweis vor, dass die AfD solche Bestrebungen verfolge. Die Beobachtung durch den Verfassungsschutz genüge nicht. Weiter verweist sie auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gera vom 10. August 2023 – 1 E 564/23 GE –.
10Es gebe keine verfassungsfeindlichen Betätigungen in ihrer Person. Sie übe über die Tätigkeit als Geschäftsführerin der Fraktion der AfD im Gemeinderat der Stadt T. hinaus, keine Funktionen in der Bundespartei AfD aus. Sie habe keine persönlichen Ausführungen oder Äußerungen gemacht, die eine Rückschluss auf eine verfassungsfeindliche Gesinnung rechtfertigen würden. Sie distanziere sich ausdrücklich von derartigen Bestrebungen, auch in der AfD. Jedes Mitglied in einer politischen Partei könne die Erfahrung machen, dass innerhalb dieser Partei Bestrebungen vorlägen, die mit der eigenen politischen Auffassung nicht in Einklang zu bringen seien. Sie lehne ausdrücklich verfassungsfeindliche Bestrebungen jeglicher Art ab. Sie bekenne sich zudem zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland.
11Sie hält die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung für gegeben.
12Die Klägerin beantragt schriftsätzlich wörtlich,
131.1. Der Bescheid des Landrats des T. als Kreispolizeibehörde vom 26.06.2023 Az. N04, zugestellt am 5.7.2023, wird aufgehoben.
141.2. Der Landrat des T. als Kreispolizeibehörde wird verpflichtet - hilfsweise unter Beachtung der Rechtsauffassung - des Gerichts, die unter der Nummer II auf der Seite 6 des Bescheids vom 26.06.2023 aufgeführten Schusswaffen, zu deren Erwerb die Klägerin mit Blick auf die ihr erteilte Waffenbesitzkarte für Sportschützen mit der Nr. N03/01 waffenrechtlich berechtigt war und deren Erwerb sie entsprechend § 37 a Abs. 1 Nr. 2 Waffengesetz am 00.00.0000 und am 00.00.0000 gegenüber dem Landrat des T. als Kreispolizeibehörde angezeigt hatte, in die dieser bereits erteilten Waffenbesitzkarte für Sportschützen einzutragen.
15Der Beklagter beantragt schriftsätzlich,
16die Klage abzuweisen.
17Er verweist zur Begründung auf seinen Bescheid.
18Mit Schriftsätzen vom 4. bzw. 15. April 2024 haben die Beteiligten einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung zugestimmt
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe:
21Die Kammer entscheidet gemäß § 101 Abs. 2 VwGO durch Urteil ohne mündliche Verhandlung, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben.
22Die Klage hat ganz überwiegend keinen Erfolg.
23A. Die erhobene Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO ist bereits unstatthaft, soweit sie sich gegen die Formulierung in Ziffer III. der Ordnungsverfügung wendet, „Die Erlaubnisdokumente sind gemäß § 46 Abs. 1 WaffG innerhalb der genannten Frist an mich zurückzugeben“. Mangels anfechtbaren belastenden Verwaltungsakts im Sinn des § 35 S. 1 VwVfG NRW scheidet die Anfechtungsklage aus. Der Beklagte hat hier nach dem Gesamtzusammenhang auf die Vorlagepflicht bzgl. der Erlaubnisdokumente hingewiesen, die sich bereits aus dem Gesetz ergibt und keine eigene Regelung erlassen.
24Die Klage im Übrigen ist ganz überwiegend unbegründet.
25I. Der Widerruf der der Klägerin erteilten waffenrechtlichen Erlaubnisse in Ziffer I. des streitgegenständlichen Bescheids vom 26. Juni 2023 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
26Er findet seine Rechtgrundlage in § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Danach ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Die formellen und materiellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen liegen vor.
27Formelle Mängel sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Insbesondere ist die Klägerin nach § 28 Abs. 1 VwVfG NRW angehört worden.
28Der Widerruf ist auch materiell rechtmäßig.
29Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
30Eine waffenrechtliche Erlaubnis setzt gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG jedenfalls voraus, dass der Antragssteller die erforderliche Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG) besitzt. Die waffenrechtliche Zuverlässigkeit hatte die Klägerin aber im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids
31vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 - 6 C 24.06 -, juris
32verloren.
33Aus § 5 WaffG ergibt sich, wann eine Person als unzuverlässig anzusehen ist. Während § 5 Abs. 1 WaffG die sogenannten absoluten Unzuverlässigkeitsgründe normiert, bei deren Vorliegen eine Person ohne die Möglichkeit einer Widerlegung als unzuverlässig anzusehen ist, beinhaltet § 5 Abs. 2 WaffG die sogenannte Regelunzuverlässigkeit, welche zwar grds. die Unzuverlässigkeit des Betroffenen indiziert, diese aber nicht zwingend zur Folge hat (widerlegbare Vermutung).
34Vgl. Gade, in: Gade, WaffG, 3. Auflage 2022, § 5 Rn. 1.
35Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG – in der hier anzuwendenden Fassung vom 17. Februar 2020 – besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren Bestrebungen einzeln verfolgt haben (a), die unter anderem gegen die verfassungsmäßige Ordnung (aa) oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (bb), gerichtet sind, Mitglied in einer Vereinigung waren, die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat (b), oder eine solche Vereinigung unterstützt haben (c).
36Danach ist die Klägerin unzuverlässig, weil die Voraussetzungen der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) und c) WaffG erfüllt sind (1.), ohne dass Gründe vorliegen, die eine abweichende Beurteilung von der Vermutung der Unzuverlässigkeit zulassen (2.).
37Dabei ist die Anwendung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG nicht durch die Regelung des § 5 Abs. 2 Nr. 2 b) WaffG ausgeschlossen, die die waffenrechtliche Regelunzuverlässigkeit an die Mitgliedschaft (innerhalb der letzten zehn Jahre) in einer Partei anknüpft, deren Verfassungsmäßigkeit das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat.
38So zur Vorgängerfassung BVerwG, Urteile vom 30. September 2009 - BVerwG 6 C 29/08 -, juris, Rn. 13 und vom 19. Juni 2019 - BVerwG 6 C 9/18 -, juris, Rn. 14; zur aktuellen Fassung VG Berlin, Urteil vom 22. November 2023 - 31 K 33/22 -, juris, Rn. 33.
391. Hier rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass die Klägerin in den letzten fünf Jahren Mitglied einer Vereinigung gewesen ist, die verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt bzw. verfolgt hat und sie diese auch unterstützt hat. Der Tatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) und c) WaffG ist aufgrund der Mitgliedschaft der Klägerin in der Bundespartei AfD und ihrer Unterstützungsbeiträge zu Gunsten der Partei erfüllt. Die Klägerin gehörte der Bundespartei AfD in dem fünfjährigen Bezugszeitraum an und hat sie zudem auch unterstützt (dazu unter a)). Bei der Bundepartei AfD handelt es sich um eine Vereinigung (dazu unter b)), bei der der tatsachenbegründete Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen besteht (dazu unter c)).
40a) Die Klägerin war im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt des Widerrufserlasses Mitglied der Bundespartei AfD und hat die Partei zudem auch unterstützt.
41aa) Die Klägerin war und ist unstreitig Mitglied der AfD in Nordrhein-Westfalen und nimmt für diese Partei Ämter wahr. Aus der Mitgliedschaft der Klägerin in der AfD Nordrhein-Westfalen folgt nach deren Statuten und Organisation automatisch die Mitgliedschaft in der Bundes-AfD (weiterhin: AfD).
42Vgl. etwa hierzu den Mitgliedsantrag: https://afd.nrw/mitwirken/mitglied-werden/gl; § 1 und § 9 https://www.afd.de/satzung/.
43Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) WaffG in der Fassung vom 20. Februar 2020 begründet bereits die bloße Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung bzw. der entsprechende tatsachenbegründete Verdacht die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit. Anders als nach der Vorgängerregelung bedarf es nach der aktuellen Gesetzeslage über die Mitgliedschaft hinaus keiner nachweislichen Erkenntnisse mehr über eine darüberhinausgehende individuelle verfassungsfeindliche Betätigung der Betroffenen. Ein aktiver Förderungsbeitrag in der Vereinigung ist nicht mehr nötig; es genügt bereits die (passive) Mitgliedschaft in einer entsprechenden Vereinigung, da sie eine persönliche Bindung und Identifizierung des Mitglieds mit der Vereinigung ausdrückt.
44Vgl. VG Köln, Urteil vom 8. September 2022 - 20 K 3080/21 -, juris, Rn. 170 m. w. N.
45Der Gesetzgeber führt in der Gesetzesbegründung aus, dass dies auch sachgerecht sei, weil die Mitgliedschaft in einer solchen Vereinigung typischerweise einschließe, dass diese Person nachhaltig die verfassungsfeindlichen Ziele der Vereinigung teile, also die Ablehnung der Grundsätze der Verfassungsordnung zum Ausdruck bringe. Die mitgliedschaftliche Einbindung in die Vereinigung sei dazu sogar eher gewichtiger aussagekräftig als eine bloße Unterstützung von außen und daher zumindest ebenso geeignet, Zweifel daran zu begründen, dass eine Person mit Waffen verantwortungsvoll umgehe.
46Vgl. BT-Drs. 19/15875, S. 36.
47bb) Zudem hat die Klägerin die AfD auch i. S. d. § 5 Abs. 2 Nr. 3 c) WaffG unterstützt, indem sie für sie diverse Funktionen wahrnimmt und wahrgenommen hat.
48Sie wurde bei der Vorstandswahl am 00.00.0000 zur stellvertretenden Sprecherin der AfD N. gewählt (Bl. 5 eBA), und ist als Beisitzerin Mitglied des Vorstandes des AfD Kreisverbandes im J..
49Zu ihren Tätigkeiten vgl. Bl. 1 bis Bl. 13 eBA; ebenfalls www://afd- […..]
50Sie selbst gibt an, Geschäftsführerin der Fraktion der AfD im Gemeinderat der Stadt T. zu sein.
51b) Bei der AfD handelt es sich um eine Vereinigung im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) und c) WaffG.
52Der Begriff der Vereinigung im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) und c) WaffG erfasst nach dem Willen des Gesetzgebers als Oberbegriff sowohl Vereine im Sinne des Vereinsgesetzes als auch Parteien im Sinne des Parteiengesetzes.
53Vgl. BT-Drs. 19/15875, S. 36.
54Die AfD stellt als eine Partei im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 PartG eine Vereinigung dar.
55Anlass zu einer abweichenden Beurteilung bietet auch nicht, dass die AfD nicht vom Bundesverfassungsgericht verboten worden ist. Anders als in § 5 Abs. 2 Nr. 2 WaffG werden von § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) und c) WaffG auch solche Vereinigungen erfasst, die (noch) nicht verboten sind. Hierunter fallen nach dem Willen des Gesetzgebers sämtliche Parteien und Vereine, die nicht verboten sind.
56Vgl. VG Köln, Urteile vom 8. September 2022 - 20 K 3080/21 -, juris, Rn. 65 unter Bezugnahme auf BT-Drs. 19/15875, S. 36 und Urteil vom 11. August 2022 - 20 K 2177/21 -, juris, Rn. 34; VG Dresden, Beschluss vom 14. Oktober 2022 - 6 L 658/22 -, juris, Rn. 14; Gade, in: Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 5 Rn. 29c.
57c) Es besteht der zur Erfüllung des Tatbestandes des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG ausreichende tatsachenbegründete Verdacht für verfassungsfeindliche Bestrebungen der AfD.
58Bei dem Tatbestandsmerkmal der Bestrebungen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten, handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung und Anwendung der uneingeschränkten Prüfung durch die Verwaltungsgerichte unterliegt.
59Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juni 2019 - 6 C 9.18 -, juris, Rn. 23; VG Köln, Urteil vom 8. September 2022 - 20 K 3080/21 -, juris, Rn. 70.
60Für die Auslegung kann auf die Rechtsprechung zu Art. 9 Abs. 2 GG zurückgegriffen werden, nach dessen zweiter Tatbestandsvariante solche Vereinigungen verboten sind, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten.
61Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juni 2019 - 6 C 9.18 -, juris, Rn. 23; VG Köln, Urteil vom 8. September 2022 - 20 K 3080/21 -, juris, Rn. 72 m. w. N.
62Das Schutzgut der verfassungsmäßigen Ordnung umfasst die freiheitliche demokratische Grundordnung in Art. 21 Abs. 2 GG, die elementaren Grundsätze der Verfassung, namentlich die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG, das Demokratieprinzip und den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit.
63Vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 - 1 BvR 1474/12 -, juris, Rn. 107; BVerwG, Urteil vom 19. Juni 2019 - 6 C 9.18 -, juris Rn. 23; VG Köln, Urteil vom 8. September 2022 - 20 K 3080/21 -, juris, Rn. 74.
64Bestrebungen gehen über bloße politische Meinungen hinaus. Kritik an der Verfassung und ihren wesentlichen Elementen ist zwar erlaubt, ebenso wie die Forderung, tragende Bestandteile der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu ändern. Es ist jedoch staatlichen Behörden nicht verwehrt, aus Meinungsäußerungen Schlüsse zu ziehen und gegebenenfalls sicherheitsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen. Wenn Äußerungen Bestrebungen zur Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erkennen lassen, dürfen Sicherheitsbehörden das zum Anlass nehmen, Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
65Vgl. VG Ansbach, Urteil vom 25. April 2019 - AN 16 K 17.01038 -, juris, Rn. 35 unter Verweis auf die Rspr. des BVerfG.
66Weiter müssen die Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung „gerichtet sein“. Hierfür reicht es nicht aus, dass die Vereinigung sich kritisch oder ablehnend gegen diese Grundsätze wendet oder für eine andere Ordnung eintritt. Anders als bei Art. 21 Abs. 2 GG, der fordert, dass eine Partei „darauf ausgeht“, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen, muss im Rahmen des Tatbestandes des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG nicht bereits eine konkrete Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung eingetreten sein. Entscheidend ist, ob die Vereinigung als solche nach außen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber den elementaren Grundsätzen der Verfassung einnimmt. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will. Sie muss ihre Ziele hingegen nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen.
67Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juni 2019 - 6 C 9.18 -, juris, Rn. 23.
68Wer das Ziel verfolgt, die Geltung des Grundsatzes der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG für Teile der Bevölkerung außer Kraft zu setzen sowie elementare Bestandteile des Demokratieprinzips zu beseitigen, und zur Erreichung dieses Ziels auf unterschiedlichen Ebenen Aktivitäten entfaltet, die neben der Teilnahme am regulären politischen Meinungskampf auch Diffamierungen und Agitation umfassen, nimmt nach außen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber den elementaren Grundsätzen der Verfassung ein. Ein kämpferisch-aggressives Vorgehen gegen die verfassungsmäßige Ordnung setzt keine Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen voraus
69Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juni 2019 - 6 C 9.18 -, juris, Rn. 26.
70Dies ist bei der AfD der Fall.
71Verneinend für den thür. Landesverband der AfD Thür. OVG, Beschluss vom 19. Februar 2024 - 3 EO 453/24 -, juris, Rn. 35.
72Für die Beurteilung der Frage, ob verfassungsfeindliche Bestrebungen im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG vorliegen, kann auch auf die Einschätzung der Verfassungsschutzämter abgestellt werden.
73Vgl. BT-Drs. 19/15875, S. 36; VG Düsseldorf, Urteil vom 7. März 2023 - 22 K 7087/20 -, juris, Rn. 62; VG Köln, Urteil vom 11. August 2022 - 20 K 2177/21 -, juris, Rn. 47, wonach die Berichterstattung in den Verfassungsschutzberichten des Bundes eine hinreichende Tatsachengrundlage im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG darstellt, VG Ansbach, Urteil vom 25. April 2019 - AN 16 K 17.01038 -, juris, Rn. 30 m.w.N.; Papsthart, in: Steindorf, Waffenrecht, 11. Aufl. 2022, § 5 WaffG, Rn. 54; v. Grotthuss/Soens, in: Lehmann, Aktuelles Waffenrecht, Stand: 167. Aktualisierung, Oktober 2022, § 5, Rn. 156.
74Die vom Gesetzgeber hier vorgesehen Relevanz folgt schon aus der Aufnahme des neuen § 5 Abs. 5 Nr. 4 WaffG in die Regelung. Danach haben die Waffenbehörden für die Zuverlässigkeitsprüfung Auskunft bei der für den Wohnsitz der betroffenen Person zuständigen Verfassungsschutzbehörde einzuholen bzgl. der Frage, ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit nach Absatz 2 Nummer 2 und 3 begründen.
75Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen hinreichende Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen der AfD vor. Sie folgen aus der Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (aa), die rechtlich nicht zu beanstandenden ist (bb). Auch unabhängig davon bestehen hinreichende Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen der AfD (cc).
76aa) Die Einstufung der AfD als Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfassungsschutz vom 25. Februar 2021,
77vgl. OVG NRW, Pressemitteilung zu den Urteilen vom 13. Mai 2024 - 5 A 1216/22 -, -5 A 1217/22 -, - 5 A 1218/22 -, https://www.ovg.nrw.de/behoerde/presse/pressemitteilungen/23_240513/index.php; VG Köln, Urteil vom 8. März 2022 - 13 K 326/21 -, juris, Rn. 107; https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/verfassungsschutz-erklaert-afd-zum-rechtsextremistischen-verdachtsfall –
78indiziert, dass zugleich die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG erfüllt sind.
79A.A. Bay. VGH, Beschluss vom 16. November 2023- 24 Cs 23.1695 -, juris, Rn. 22; zur besonderen Beurteilungskompetenz der Verfassungsschutzämter Thür. OVG, Beschluss vom 19. Februar 2024 - 3 EO 453/24 -, juris, Rn. 29.
80Voraussetzung für die – auf §§ 8 Abs. 1, 16 Abs. 1 BVerfSchG i. V. m. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 c) BVerfSchG gestützte – Einstufung einer Partei als Verdachtsfall ist, dass tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen vorliegen. Liegen Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vor, besteht ein Verdacht solcher Bestrebungen. Die Anhaltspunkte müssen mithin geeignet sein, einen Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen zu begründen. Die dann einsetzende Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz dient (erst) der Klärung des Verdachts.
81Wie hier VG Köln, Urteil vom 8. März 2022 - 13 K 326/21 -, juris, Rn. 181 m. w. N.; unentschieden OVG NRW, Beschluss vom 22. März 2024 - 20 B 969/23 -, juris, Rn. 33.
82Die unterschiedlichen Schutzzwecke der Normen und die abweichenden Formulierungen der Tatbestände, sprechen nicht gegen diese indizielle Heranziehung der Einschätzung des Bundesamts für Verfassungsschutz.
83So aber Bay. VGH, Beschluss vom 16. November 2023 - 24 CS 23.1695 -, juris, Rn. 22,
84Die materielle Schlussfolgerung, dass die in § 16 Abs. 1 BVerfSchG geforderten „hinreichend gewichtigen tatsächlichen Anhaltspunkte“ inhaltlich „Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen“ entsprechen, ist damit nicht in Frage gestellt.
85Vgl. etwa zum Streitstand BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 19. Juni 2019 - 2 BvR 2299/15 -, juris, Rn. 27 zur Auslegung des Begriffs „verfassungsmäßige Ordnung“ in § 5 Abs. 2 Nr. 3 a) WaffG a.F. im Verhältnis zu § 4 Abs. 1 Satz 1 c), Abs. 2 BVerfSchG m.w.N.; vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 22. März 2024 - 20 B 969/23 -, juris, Rn. 37.
86§ 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG setzt ebenfalls – allein – voraus, dass ein tatsachenbegründeter Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen durch die in Rede stehende Vereinigung vorliegt. Es muss hingegen nicht bereits erwiesen sein, dass von der Vereinigung verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt werden.
87So auch VG Düsseldorf, Urteil vom 7. März 2023 - 22 K 7087/20 -, juris, Rn. 65 ff; VG Köln, Urteile vom 8. September 2022 - 20 K 3080/21 -, juris, Rn. 88 und vom 11. August 2022 - 20 K 2177/21 -, juris, Rn. 47; VG Ansbach, Urteil vom 25. April 2019 - AN 16 K 17.01038 -, juris, Rn. 30; a.A. Bay. VGH, Beschluss vom 16. November 2023 - 24 CS 23.1695 -, juris Rn 18; OVG S-A, Beschluss vom 24. April 2023 - 3 M 13/23 -, juris, Rn.10; VG Magdeburg, Beschluss vom 28. Februar 2023 - 1 B 212/22 MD -, juris, Rn. 19; VG Gera, Beschluss vom 10.8.2023 - 1 E 564/23 Ge -, juris, Rn. 24 ff.; VG Cottbus, Beschluss. vom 4.8.2023 - 3 L 98/23 -, juris, Rn. 13 ff.; VG Dresden, Beschluss vom 14.10.2022 - 6 L 658/22 -, juris Rn. 13; VG Regensburg, Beschluss vom 7. März 2022 - RO 4 S 22.28 -, juris, Rn. 37; zweifelnd OVG NRW, Beschluss vom 22. März 2024 - 20 B 969/23 -, juris, Rn. 25; offen lassend für die JA OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 23. Oktober 2023 - OVG 6 S 44/23 - juris, Rn. 3; Thür OVG, Beschluss vom 19. Februar 2024 - 3 EO 453/24 -, juris, Rn. 26.
88Diese Auslegung ergibt sich insbesondere aus Wortlaut und Systematik der Norm.
89Der Wortlaut des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG regelt – wie auch schon i. R. d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG vor die Klammer gezogen –, dass „Tatsachen die Annahme rechtfertigen“ müssen, dass Personen Mitglied in einer Vereinigung waren, die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat, oder eine solche Vereinigung unterstützt haben.
90Wie hier VG Köln, Urteile vom 8. September 2022 - 20 K 3080/21 -, juris, Rn. 69, 84 ff., und vom 11. August 2022 - 20 K 2177/21, juris, Rn. 47 ff.; VG München, Beschluss vom 30. August 2023 - M 7 S 23.1519 -, juris, Rn. 32 ff., allerdings zweitinstanzlich aufgehoben bzw. abgeändert; VG Ansbach, Urteil vom 25. April 2019 - AN 16 K 17.01038 -, juris, Rn. 30, Wiegand, NVwZ 2023, 1211 (1215 f.), a.A. OVG S-A, Beschluss vom 24. April 2023 - 3 M13/23 -, juris, Rn. 10; VG Regensburg, Beschluss vom 7. März 2022 - RO 4 S 22.28 -, juris, Rn. 37; Nitschke, NVwZ 2023, 814 (814), wonach sich die Einleitung nur auf die Mitgliedschaft in der Vereinigung beziehen soll.
91Aus der Verwendung des „solche“ in Buchstaben b) und c) kann kein anderes Maß an erforderlicher Überzeugung abgeleitet werden.
92So aber Bay. VGH, Beschluss vom 16. November 2023 - 24 CS 23.1695 -, juris, Rn. 18 ff., OVG S.-A., Beschluss vom 24. April 2023 - 3 M 13/23 - juris, Rn. 10 ff., m. w. N.
93Die Eigenschaft der Bestrebungen, auf die mit dem „solchen“ Bezug genommen wird, die in Buchstaben a) definiert werden, befinden nämlich bereits in der Klammer, die durch den einleitenden Halbsatz nach Stellung und Grammatik für sämtliche nachfolgenden Tatbestandsvoraussetzungen geschaffen wird. Insoweit sieht der Wortlaut die kritisierte „Überformung“,
94vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 16. November 2023 - 24 CS 23.1695 -, juris, Rn. 21,
95durch den ersten Relativsatz gerade vor. Die teilweise angenommene Beschränkung des Bezugs des einleitenden Halbsatzes allein auf die Verfolgung eigener Bestrebungen, Mitgliedschaft oder Unterstützungshandlung lässt sich am Wortlaut damit nicht festmachen.
96Auch die Systematik von § 5 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 WaffG spricht für die hiesige Auslegung. Während § 5 Abs. 2 Nr. 2 b) WaffG verlangt, dass der Betroffene in den letzten zehn Jahren Mitglied einer Partei war, deren Verfassungswidrigkeit durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt wurde, lässt die hiesige Auslegung bei § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG bereits die tatsachengestützte Annahme ausreichen und berücksichtigt einen 5-Jahres-Zeitraum. In Bezug auf § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG in der bis zum 5. Juli 2017 geltenden Fassung wurde noch davon ausgegangen, dass der eigenständige Bedeutungsgehalt des § 5 Abs. 2 Nr. 2 WaffG im Wesentlichen darauf beschränkt war, dass die Mitgliedschaft in der verbotenen Partei mehr als fünf, aber weniger als zehn Jahre zurücklag.
97Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juni 2019 - 6 C 9/18 -, juris, Rn. 13, 15; vgl. auch Beaucamp DÖV 2018, 709 (710).
98Durch die hier gewählte Auslegung wird der eigenständige Regelungsgehalt beider Vorschriften vergrößert und deutlicher abgegrenzt. Der Bedeutungsgehalt liegt dann nicht nur in der Länge der „Wohlverhaltensfrist“, sondern auch in der eigenständigen Bedeutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG für nicht verbotene Parteien, die verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen oder in dem durch Tatsachen begründeten Verdacht stehen, dies zu tun.
99Damit einhergehend entspricht es auch dem Willen des Gesetzgebers, dass der Tatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) und c) WaffG bereits dann erfüllt ist, wenn Tatsachen die Annahme verfassungsfeindlicher Bestrebungen rechtfertigen.
100Der Gesetzgeber hat § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG im Zweiten Gesetz zur Änderung des Waffengesetzes und weiterer Vorschriften vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2133) dahingehend erweitert, dass er die Wörter „bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen“ eingefügt hat. In der Gesetzesbegründung hat er erläutert, dass bislang der Nachweis erforderlich gewesen sei, dass die betroffene Person derartige Bestrebungen tatsächlich verfolgt oder unterstützt bzw. in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt habe. Dies werde dem Schutzzweck der Regelung nicht gerecht, Risiken des Waffenbesitzes möglichst weitgehend auszuschließen. Künftig solle deshalb mit einem risikointoleranteren Ansatz ein verbesserter Schutz der Allgemeinheit gewährleistet werden, indem – wie in anderen Zuverlässigkeitsüberprüfungsverfahren – bereits Zuverlässigkeitszweifel weitergehend „erlaubnisschädlich“ seien (vgl. etwa § 7 Absatz 6 des Luftsicherheitsgesetzes oder § 5 Absatz 1 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes). Lasse sich ein Sachverhalt nicht abschließend klären, bestehe aber ein tatsachengegründeter Verdacht, dass ein Regelunzuverlässigkeitstatbestand vorliege, dann wiege das damit verbleibende Risiko eines unzuverlässigen Umgangs mit tödlichen Waffen und den daraus resultierenden Folgen für Leib und Leben Dritter höher als die Freiheit, solche Waffen besitzen zu dürfen. Es sei daher geboten, die Anforderungen an die Annahme der Unzuverlässigkeit entsprechend abzusenken. Anhaltspunkte, die im Verdachtsgehalt vage blieben und nicht auf Tatsachen beruhten, genügten allerdings nicht.
101Vgl. BT-Drs. 18/12397, S. 13; vgl. auch Brunner, in Adolph/Brunner/Bannach, Waffenrecht, Stand 01/2020, § 5 WaffG Rn. 77 zu der Vorgängervorschrift.
102Durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Waffengesetzes und weiterer Vorschriften vom 17. Februar 2020 (BGBl I S. 166) sollte eine Regelungslücke im geltenden Recht geschlossen werden, indem künftig auch die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit begründe. In der Gesetzesbegründung heißt es weiter:
103„Auch zu ihrem Nachweis soll daher, wie bisher schon bei der Verfolgung der aufgezählten Bestrebungen, ausreichend sein, dass Tatsachen die entsprechende Annahme rechtfertigen, d.h. schon der tatsachengegründete Verdacht ist versagungsbegründend (bereits risikovermeidender Ansatz).“
104Vgl. BT-Drs. 19/15875, S. 36; a.A. OVG S-A, Beschluss vom 24. April 2023 - 3 M 13/23 -, juris Rn. 31, wonach die davor benutzte Formulierung „verfassungsfeindliche Vereinigung“ belegen soll, dass die Verfassungsfeindlichkeit der Vereinigung feststehen muss und dies gerade auch aus der Auslegung der Vorgängernorm abzuleiten sein soll; vgl. auch OVG Thür. Beschluss vom 19. Februar 2024 - 3 EO 453/24 -, juris Rn. 24.
105Da hier die Nachweisproblematik angesprochen ist, spricht dies dagegen, dass hier lückenschließend nur die bloße Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen, aber (noch) nicht verbotenen bzw. für verfassungswidrig erklärten Vereinigung aufgenommen werden sollte.
106A.A. OVG S-A, Beschluss vom 24. April 2023 - 3 M 13/23 -, juris, Rn. 26 ff; vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 22. März 2024 - 20 B 969/23 -, juris, Rn. 29.
107Schließlich spricht der Sinn und Zweck der Norm dafür, dass ein tatsachenbegründeter Verdacht (auch) bezogen auf die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der Vereinigung ausreichend ist.
108Zentrales Anliegen des Waffengesetzes ist es, den Schutz der Allgemeinheit vor unzuverlässigen Waffenbesitzern zu verstärken, d.h. das mit jedem Waffenbesitz verbundene Risiko zu minimieren und nur bei Personen hinzunehmen, die das Vertrauen verdienen, in jeder Hinsicht ordnungsgemäß und verantwortungsbewusst mit der Waffe umzugehen. Schutzlücken, die dem Regelungszweck des Gesetzes widersprächen, Risiken des Waffenbesitzes auf ein Mindestmaß zu beschränken, sind zu vermeiden.
109Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juni 2019 - 6 C 9.18 -, juris, Rn. 16 m.w.N.
110Eine derartige Schutzlücke, die der Gesetzgeber – wie soeben ausgeführt – gerade hat schließen wollen, entstünde jedoch dann, wenn bereits feststehen müsste, dass eine Vereinigung verfassungsfeindliche Belange verfolgt. Bis zu einer solchen – oftmals mehrere Jahre dauernden – Feststellung müssten das Risiko eines unzuverlässigen Umgangs mit tödlichen Waffen und die daraus resultierenden Folgen für Leib und Leben Dritter hingenommen werden, da insbesondere § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG diese Schutzlücke nicht hinreichend schließen kann.
111Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 4. Juli 2022 - 6 S 988/22 -, juris, Rn. 12 ff., wonach (selbst) der Umstand, dass jemand vom Landesamt für Verfassungsschutz als Rechtsextremist eingestuft wird, allein keine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG begründet; so auch OVG LSA, Beschluss vom 6. Oktober 2022 - 6 B 240/22 -, juris, Rn 21.
112Diese Auslegung ist auch verfassungskonform.
113Sie verstößt insbesondere nicht gegen die verfassungsrechtlichen Schutzmechanismen in Bezug auf nicht verbotene Parteien. Das Entscheidungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts aus Art. 21 Abs. 2, 4 GG schließt ein administratives Einschreiten gegen den Bestand einer politischen Partei schlechthin aus, mag sie sich gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung noch so feindlich verhalten. Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann deshalb niemand die Verfassungswidrigkeit einer Partei rechtlich geltend machen; das heißt, gegen die Partei, ihre Funktionäre, Mitglieder und Anhänger dürfen wegen ihrer mit allgemein erlaubten Mitteln arbeitenden parteioffiziellen Tätigkeiten keine rechtlichen Sanktionen angedroht oder verhängt werden.
114BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1975 - 2 BvE 1/75 -, BVerfGE 40, 287-294, juris Rn. 16.
115Die Annahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit eines Parteimitglieds stellt jedoch kein administratives Einschreiten gegen den Bestand der AfD in diesem Sinne dar. Vielmehr handelt es sich um eine einzelfallbezogene Anwendung der Voraussetzung, die für die Erlaubnis zum Umgang mit Waffen, und damit zur Verfolgung einer privaten Freizeitbetätigung, vorliegen muss.
116Im Ergebnis wie hier Sächs. OVG, Beschluss vom 19. Oktober 2022 - 6 B 171/22 -, juris, Rn. 13 f.
117Soweit vertreten wird, die mittelbar-faktische Beeinträchtigung löse verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsbedarf aus, ist dieser im verfassungsrechtlich gebotenen Umfang gegeben. Die Beeinträchtigungswirkung fällt dabei umso intensiver aus, je niedriger oder unbestimmter die Anforderungen an ein Unzuverlässigkeitsurteil sind. Es wird insoweit davon ausgegangen, dass die Aussicht auf Nichterteilung oder Widerruf bzw. Rücknahme einer waffenrechtlichen Erlaubnis bei einem Teil der Anhänger einer betroffenen Partei dazu führen kann, von Aktivitäten für diese Partei abzusehen.
118Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 16. November 2023 - 24 CS 23.1695 -, juris, Rn. 23.
119Diese Beeinträchtigung hält sich im verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen. Auch wenn vertreten wird, Art. 21 Abs. 2, 4 GG sei abwägungsfest, so führt dies nicht zu einer grenzenlosen Geltung. Kollidierende Verfassungsgüter können diesen einschränken. Allein Art. 1 und Art. 79 GG haben eine unantastbare Stellung im Grundgesetz inne.
120Vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 23. Januar 2024 – 2 BvB 1/19 –, juris Leitsatz 2.
121Eine Verfassungsvorschrift darf nicht isoliert gesehen werden, sondern muss vielmehr aus dem Gesamtgefüge der Verfassung heraus, also in Rücksicht auf das Prinzip der Einheit der Verfassung ausgelegt werden.
122Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juni 2019 - 6 C 9.18 -,juris, Rn 18; unter Verweis auf BVerfG, Urteil vom 10. Dezember 1980 - 2 BvF 3/77 -, BVerfGE 55, 274 (300) m.w.N.
123Ungeachtet dessen, ob in Bezug auf die Regulierung des Besitzes von Waffen überhaupt im Hinblick auf die erforderliche Gewaltfreiheit von einer Tangierung der Parteienfreiheit ausgegangen werden kann,
124zur nur insoweit geschützten Parteitätigkeit, Wiegand, NVwZ 2023 1211 (1216); vgl. aber Bay. VGH, Beschluss vom 16. November 2023 - 24 CS 23.1695 -, juris, Rn. 23;
125greift eine etwaige mittelbar-faktische Beeinträchtigung der Partei durch Entscheidungen gegenüber Parteimitgliedern im Rahmen des § 5 Abs. 3 Nr. 2 b) und c) WaffG jedenfalls nicht unverhältnismäßig in das Parteienprivileg ein.
126Für die alte Rechtslage BVerwG, Urteile vom 30. September 2009 - BVerwG 6 C 29/08 -, juris, Rn. 18 ff. und vom 19. Juni 2019 - BVerwG 6 C 9/18 -, juris, Rn. 17; zur aktuellen Bay, VGH, Beschluss vom 20. September 2023 - 24 CS 23.650 -, juris, Rn. 16; VG Berlin, Urteil vom 22. November 2023 - 31 K 33/22 -, juris, Rn. 35.
127Es ist ein aus verfassungsrechtlicher Sicht legitimes Ziel des Gesetzgebers, nicht nur die Verbreitung von Waffen generell zu limitieren, sondern einer Verbreitung von Waffen gerade auch dann entgegenzutreten, wenn die Befürchtung besteht, diese könne auf den Prozess der politischen Willensbildung übergreifen und diesen durch Einsatz von Waffengewalt derart umgestalten, dass seine Freiheit und Offenheit selbst gefährdet wären. Damit ist es legitim, dass der Gesetzgeber für entsprechende waffenrechtliche Maßnahmen gerade nicht bis zu einem Parteiverbot durch das BVerfG wartet, sondern bereits im Vorfeld bei Vorliegen entsprechender tatsachenbegründeter Verdachtsmomente den Prozess politischer Willensbildung so weit wie möglich von jeder potenziellen Gewalt abschirmt.
128Vgl. Wiegand, NVwZ 2023, 1211 (1216).
129Es ist darüber hinaus anerkannt, dass sich aus der Pflichtenstellung als Beamter (aus Art. 33 Abs. 5 GG) oder Soldat (aus § 8 SG) Beschränkungen einer parteipolitischen Tätigkeit für eine als nicht verfassungswidrig erklärte Partei ergeben können. Die Treuepflichten werden auch nicht durch Art. 21 GG eingeschränkt.
130Vgl. etwa die Grundsatzentscheidung für Beamte BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 -, juris, Rn. 55 ff.; für Entlassung eines Mitglieds und Kreisvorsitzenden der NPD aus dem Grundwehrdienst vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2004 - 6 C 17.03 -, juris, Rn. 49; die diesbzgl. Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen Beschluss vom 21.01.2005 - 2 BvR 1841/04 -, n.v., dazu EGMR, v. 1. Juli 2008 Nr. 16912/05 https://hudoc.echr.coe.int/eng#{%22itemid%22:[%22001-88269%22]};
131Vielmehr steht der Umstand, dass die dem Bundesverfassungsgericht vorbehaltene Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit einer politischen Partei bisher nicht ergangen ist, einer in anderem Zusammenhang zu treffenden rechtlichen Bewertung, ob die von dieser Partei verfolgten Ziele verfassungsfeindlich sind, gerade nicht entgegen. Soweit daraus für eine Partei faktische Nachteile (bei der Gewinnung von Mitgliedern oder Anhängern) entstehen, ist sie dagegen nicht durch Art. 21 GG geschützt.
132BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 -, juris, Rn. 62; in Bezug auf das Nichtausreichen bei Verdachtsfällen aber Nitschke, NVwZ 2023, 814 (816).
133Ist nach alledem eine etwaige mittelbar-faktische Beeinträchtigung einer nicht verbotenen Partei durch Entscheidungen gegenüber Parteimitgliedern, die deren durch Art. 12 GG geschützte Berufswahlfreiheit einschränken, verfassungsrechtlich gerechtfertigt, ist dies erst Recht für den allein durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten privaten Waffenbesitz von Mitgliedern solcher Parteien anzunehmen.
134Die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG herzuleitende allgemeine staatliche Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit, berechtigt den Gesetzgeber, Gründe für eine regelmäßig anzunehmende waffenrechtliche Unzuverlässigkeit auch im Verhältnis zu Mitgliedern und Anhängern politischer Parteien, für die der tatsachenbegründete Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen besteht, aufzustellen und auszugestalten. Wegen der extremen Gefährlichkeit des Umgangs mit Waffen ist der Staat verfassungsrechtlich gehalten, die Allgemeinheit vor unzuverlässigen Waffenbesitzern wirksam zu schützen.
135Daher wurde bereits bei § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. davon ausgegangen, dass es sich um eine verfassungsmäßige Vorschrift handelt, die – vergleichbar mit den allgemeinen, d.h. kein Sonderrecht gegen die Parteien enthaltenden Strafgesetzen – dem Schutz fundamentaler Rechtsgüter der Allgemeinheit dient und die daher – wiederum ähnlich den allgemeinen Strafgesetzen – für die Mitglieder und Anhänger der Parteien ebenso Geltung beansprucht wie für alle anderen Bürger.
136Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. September 2009 – 6 C 29/08 –, juris Rn. 21; vgl. Wiegand, NVwZ 2023, 1211 unter Verweis auf BVerfGE 39, 334 (357 f.) = NJW 1975, 1641; vgl. auch Sächs. OVG, Beschluss vom 19. Oktober 2022 - 6 B 171/22 -, juris, Rn. 14.
137Auch Art. 3 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 GG ist durch die Auslegung nicht verletzt.
138Hierin liegt keine unzulässige Benachteiligung wegen der politischen Anschauung (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG). Es handelt sich nicht um eine staatliche Sanktion wegen einer bestimmten politischen Einstellung, sondern um ein allgemeines Gesetz zum Schutz fundamentaler Rechtsgüter der Allgemeinheit, denn der Widerruf knüpft nicht unmittelbar an das Merkmal der politischen Anschauung an. Im Übrigen kommt dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Regelungen zur Umsetzung seiner aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgenden Schutzpflicht ein weiter Einschätzungs- und Prognosespielraum zu. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber im Falle von § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG diesen Beurteilungsspielraum überschritten hat, indem seine Erwägungen so fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für derartige Maßnahmen abgeben können.
139OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 16. Januar 2024 - OVG 6 N 5/24 -, juris, Rn. 4; VG Berlin, Urteil vom 22. November 2023 - 31 K 33/22 -, juris, Rn. 38 unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 19. Juni 2019 - BVerwG 6 C 9.18 -, juris, Rn. 21, 19 zu § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG a.F. und BVerfG, Urteil vom 16. März 2004 - 1 BvR 1778/01 -, juris, Rn. 66; Sächs. OVG, Beschluss vom 19. Oktober 2022 - 6 B 171/22 -, juris, Rn. 14; vgl. aber Bay. VGH, Beschluss vom 13. November 2019 - 21 CS 18.1290 -, juris Rn. 20 m.w.N.
140Der Gesetzgeber knüpft vielmehr mit seinem Regelungssystem mit unterschiedlichen Wertungen an unterschiedliche Gefährdungen an.
141OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 16. Januar 2024 - OVG 6 N 5/24 -, juris, Rn. 10.
142bb) Die Einstufung der AfD als Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfassungsschutz begegnet auch keinen rechtlichen Bedenken.
143Das Verwaltungsgericht Köln hat die auf Unterlassung der Hochstufung der AfD zum Verdachtsfall gerichtete Klage mit – noch nicht rechtskräftigem – Urteil vom 8. März 2022 abgewiesen. Zur Begründung hat es darauf abgestellt, dass bei den der Partei zuzuordnenden Teilorganisationen JA und „der Flügel“, der sich zwar formal aufgelöst hat, dessen Anhänger aber als Parteimitglieder verblieben sind, jeweils tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen von hinreichendem Gewicht vorliegen und diese Gruppierungen innerhalb der Partei einen Einfluss von nennenswertem Gewicht besitzen.
144Vgl. VG Köln, Urteil vom 8. März 2022 - 13 K 326/21 -, juris, Rn. 205 ff.
145Den ausführlichen und überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Köln, denen die Klägerin nicht weiter entgegengetreten ist, schließt sich die Kammer an.
146Die Rechtmäßigkeit dieser Einstufung hat das OVG NRW in den Urteilen vom 13. Mai 2024 bestätigt.
147Pressemitteilung zu den Urteilen - 5 A 1216/22 -, -5 A 1217/22 -, - 5 A 1218/22 -, https://www.ovg.nrw.de/behoerde/presse/pressemitteilungen/23_240513/index.php.
148cc) Auch unabhängig von einer Indizwirkung der Einstufung als Verdachtsfall im Sinne von §§ 8 Abs. 1, 16 Abs. 1 BVerfSchG i. V. m. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 c) BVerfSchG liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) und c) WaffG vor.
149Es lagen im Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides und es liegen hinreichende Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen, dass die AfD verfassungsfeindliche Bestrebungen im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG verfolgt.
150Durch § 5 Abs. 5 Nr. 4 WaffG geregelt und unumstritten ist, dass Behörden und Gerichte sich für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG auf Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden stützen können.
151Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. März 2024 - 20 B 969/23 -, juris, Rn. 35; auch Bay. VGH, Beschluss vom 16. November 2023 - 24 CS 23.1695 -, juris, Rn. 22.
152Die Einstufung einer Partei als Verdachtsfall im vorstehenden Sinne unterliegt bei summarischer Prüfung zumindest weitgehend vergleichbaren Voraussetzungen wie die für die Bejahung von § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG erforderliche Feststellung, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, eine Partei verfolge Bestrebungen, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind.
153Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. März 2024 - 20 B 969/23 -, juris, Rn. 37.
154Davon ist auch im Hauptsacheverfahren unter Berücksichtigung der hier geltenden Maßstäbe auszugehen. Dass diese Tatsachen hier gegeben sind, entspricht der obergerichtlichen Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt.
155„Nach Überzeugung des Senats liegen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass die AfD Bestrebungen verfolgt, die gegen die Menschenwürde bestimmter Personengruppen sowie gegen das Demokratieprinzip gerichtet sind. Es besteht der begründete Verdacht, dass es den politischen Zielsetzungen jedenfalls eines maßgeblichen Teils der AfD entspricht, deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund nur einen rechtlich abgewerteten Status zuzuerkennen. Dies stellt eine nach dem Grundgesetz unzulässige Diskriminierung aufgrund der Abstammung dar, die mit der Menschenwürdegarantie nicht zu vereinbaren ist. Verfassungswidrig und mit der Menschenwürde unvereinbar ist nicht die deskriptive Verwendung eines „ethnisch-kulturellen Volksbegriffs“, aber dessen Verknüpfung mit einer politischen Zielsetzung, mit der die rechtliche Gleichheit aller Staatsangehörigen in Frage gestellt wird. Hier bestehen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für derartige diskriminierende Zielsetzungen. Dem Senat liegt eine große Anzahl von gegen Migranten gerichteten Äußerungen vor, mit denen diese auch unabhängig vom Ausmaß ihrer Integration in die deutsche Gesellschaft systematisch ausgegrenzt werden und trotz ihrer deutschen Staatsangehörigkeit ihre vollwertige Zugehörigkeit zum deutschen Volk in Frage gestellt wird. Daneben bestehen hinreichende Anhaltspunkte für den Verdacht, dass die AfD Bestrebungen verfolgt, die mit einer Missachtung der Menschenwürde von Ausländern und Muslimen verbunden sind. In der AfD werden in großem Umfang herabwürdigende Begriffe gegenüber Flüchtlingen und Muslimen verwendet, zum Teil in Verbindung mit konkreten, gegen die gleichberechtigte Religionsausübung von Muslimen gerichteten Forderungen. Nach Auffassung des Senats liegen bei der AfD darüber hinaus Anhaltspunkte für demokratiefeindliche Bestrebungen vor, wenn auch nicht in der Häufigkeit und Dichte wie vom Bundesamt angenommen.“
156OVG NRW, Pressemitteilung zu den Urteilen vom 13. Mai 2024 - 5 A 1216/22 -, -5 A 1217/22 -, - 5 A 1218/22 -, https://www.ovg.nrw.de/behoerde/presse/pressemitteilungen/23_240513/index.php.
1572. Gründe, die eine abweichende Beurteilung von der Vermutung der Unzuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) oder c) WaffG zuließen, sind nicht erkennbar.
158Strafrechtlich und waffenrechtlich beanstandungsfreies Verhalten in der Vergangenheit genügt zur Widerlegung der Vermutung der Unzuverlässigkeit allein nicht.
159Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.06.2019 - 6 C 9.18 -, juris, Rn. 34 zu § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a) WaffG in der Fassung vom 11. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3970, 4592; 2003 I S. 1957), zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154) - WaffG a.F. -.
160Maßgeblich ist vielmehr, ob im Einzelfall der vom Gesetzgeber typisierend vorausgesetzte Zusammenhang zwischen der relevanten Mitgliedschaft in oder Unterstützung der betreffenden Vereinigung und dem Schutzzweck des Waffengesetzes ausnahmsweise fehlt, also ob die generalisierende Annahme eines waffenrechtlich relevanten Sicherheitsrisikos, die an die legale Unterstützung der betreffenden Vereinigung anknüpft, im konkreten Fall tatsächlich tragfähig ist.
161Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juni 2019 - 6 C 9.18 - juris, Rn. 34 in Bezug auf § 5 Abs. 2 Nr. 3 a) WaffG a.F.
162Ist jemand Mitglied oder Unterstützer einer Vereinigung im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) und c) WaffG oder liegen Tatsachen vor, die eine entsprechende Annahme rechtfertigen, dürfte zwar regelmäßig auch die Prognose gerechtfertigt sein, dass der ordnungsgemäße und verantwortungsbewusste Umgang mit Waffen nicht in der erforderlichen Weise gewährleistet ist. Gleichwohl gibt es atypische Fallgestaltungen, in denen die vom Gesetzgeber typisierend vorausgesetzte Verbindung zwischen der Mitgliedschaft in Vereinigungen im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 b) und c) WaffG oder deren Unterstützung einerseits und dem Schutzgut des Waffenrechts andererseits ausnahmsweise fehlt. In solchen Einzelfällen kann die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG herzuleitende allgemeine staatliche Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit die ausschließliche Anknüpfung an die Mitgliedschaft in der betreffenden Partei oder deren Unterstützung die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nicht rechtfertigen.
163Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. März 2024 - 20 B 969/23 -, juris, Rn. 47.
164Atypische Umstände, die bei einer Mitgliedschaft in einer Vereinigung, die Bestrebungen gegen die verfassungsgemäße Ordnung verfolgt, geeignet sind, die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG zu widerlegen, sind daher bei den in Rede stehenden Personen grundsätzlich nur dann anzunehmen, wenn – neben einem in waffenrechtlicher Hinsicht beanstandungsfreien Verhalten – feststeht, dass sie sich von hetzenden Äußerungen sowie gewaltgeneigten, bedrohenden oder einschüchternden Verhaltensweisen von Mitgliedern und Anhängern der Vereinigung unmissverständlich und beharrlich distanziert haben. Wer sich zur Widerlegung der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG auf derartige in seiner Sphäre liegende Umstände beruft, dem obliegt im Verfahren vor der Waffenbehörde oder dem Verwaltungsgericht zudem eine besondere Darlegungspflicht.
165Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juni 2019 - 6 C 9.18 -, juris, Rn. 36 in Bezug auf § 5 Abs. 2 Nr. 3 a WaffG a.F.; OVG NRW, Beschluss vom 11. März 2022 - 20 B 1184/21 -, S. 5 BA, n. v; vgl. auch Thür. OVG, Beschluss vom 19. Februar 2024 - 3 EO 453/24 -, juris, Rn. 41.
166Es sind daher konkrete Belege für die aktive Bekämpfung verfassungsfeindlicher Tendenzen in der Partei und ihrem unmittelbaren Umfeld zu fordern, damit die durch die Mitgliedschaft oder Unterstützung der Partei begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition als entkräftet angesehen werden können.
167Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. März 2024 - 20 B 969/23 -, juris, Rn. 51.
168Ausgehend von diesen rechtlichen Maßstäben hat die Klägerin die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG nicht widerlegt.
169Die Klägerin hat im Übrigen zu ihrem persönlichen oder beruflichen Hintergrund nichts vorgetragen. Sie hat sich nicht von der AfD distanziert. Sie hat lediglich deutlich gemacht, sich von verfassungsfeindlichen Bestrebungen – auch – innerhalb der AfD zu distanzieren. Es fehlt insoweit bereits ein Vortrag darüber, nicht Mitglied des Flügels zu sein. Keinesfalls hat sie sich aber von hetzenden Äußerungen oder einschüchternden Verhaltensweisen von Mitgliedern und Anhängern der Vereinigung unmissverständlich und beharrlich distanziert.
170Aus ihrer Einlassung, sie bekenne sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und lehne verfassungswidrige Bestrebungen ab, folgt im Ergebnis nichts anderes. Offensichtlich ergibt sich für sie kein Konflikt aus diesem Bekenntnis und einer (weiterbestehenden aktiven) Mitgliedschaft in der AfD und deren Unterstützung durch die Ausübung von Funktionen, obwohl tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen in der Partei vorliegen und die Klägerin diese - jedenfalls bezogen auf Teile der Partei - einräumt.
171Da die Klägerin nicht nur Mitglied der AfD ist, sondern in dieser Partei diverse Funktionen ausgeübt hat und ausübt, fehlt es jedenfalls mangels hinreichender Erkennbarkeit nach außen auch an einer hier zu berücksichtigenden Distanzierung.
172II. Die Anfechtungsklage ist auch unbegründet, soweit sie sich auf die Anordnungen in Ziffer III. des Bescheides bezieht. Die Regelungen sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
173Die Ermächtigung für die Anordnungen in Ziffer III., innerhalb von einem Monat nach Zustellung des Bescheides die in ihrem Besitz befindlichen Schusswaffen einem Berechtigten zu überlassen oder dauerhaft unbrauchbar zu machen und dies der Behörde nachzuweisen, folgt aus § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG.
174Bei dem in § 46 Abs. 2 WaffG eingeräumten Ermessen handelt es sich um ein sogenanntes intendiertes Ermessen. Wenn – wie hier – ein vom Regelfall abweichender Sonderfall nicht vorliegt, versteht sich das Ergebnis der Abwägung zugunsten der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit von selbst und bedarf keiner weiteren Begründung.
175So bereits Urteile der Kammer vom 11. Juli 2008 - 22 K 3109/07 - und vom 30. Juni 2009 - 22 K 1301/08 -; vgl. zur Rechtslage bis zum 31. März 2003 auch BVerwG, Beschluss vom 15. April 1998 - 1 B 230/97 -, Buchholz 402.5 WaffG Nr. 80.
176Der Klägerin wurde mit einem Monat ab Zustellung auch eine ausreichende Frist zur Befolgung eingeräumt.
177III. Bezüglich der Zwangsgeldandrohung in Ziffer IV. hat die Anfechtungsklage dagegen Erfolg. Die Anordnung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
178Die Voraussetzungen für den Erlass einer Zwangsgeldandrohung für die zwangsweise Durchsetzung der Vorlagepflicht bzgl. der Erlaubnisdokumente sind nicht gegeben.
179Die Voraussetzungen der §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60 und 63 VwVG NRW für den Erlass einer Zwangsgeldandrohung liegen nicht vor. Hier fehlt es entsprechend der Ausführungen zur Zulässigkeit der Anfechtungsklage an einem vollziehbaren Verwaltungsakt im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG NRW. Der Bescheid enthält nur einen Hinweis auf die gesetzliche Vorlagepflicht, die ohne Erlass eines konkretisierenden Verwaltungsaktes (mit Ermessenserwägungen und Begründung) nicht durch eine Zwangsgeldandrohung vollstreckt werden kann.
180IV. Hinsichtlich der Gebührenforderung in Ziffer VI. der Ordnungsverfügung ist die Klage unbegründet. Rechtsgrundlage für die Erhebung von Gebühren für den Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis ist §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 Abs. 1 und 2 GebG NRW i. V m § 1 Abs. 1 AVerwGebO NRW in der bis zum 12. August 2023 geltenden Fassung und den Tarifstellen 26.36 und 26.32 Buchst. f). Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der Gebührenentscheidung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere hatte der Beklagte keine Gebühren für die Zwangsgeldandrohung erhoben.
181B. Auch die Verpflichtungsklage bleibt ohne Erfolg. Da die Klägerin nach den vorstehenden Ausführungen als waffenrechtlich unzuverlässig anzusehen ist, hat sie keinen Anspruch auf die Verpflichtung des Beklagten für sie weitere waffenrechtliche Erlaubnisse zu erteilen, weil gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG eine wesentliche Erteilungsvoraussetzung fehlt, vgl. § 113 Abs. 5 VwGO.
182Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Das Unterliegen des Beklagten ist so gering, dass es kostenmäßig nicht erfasst wird. Eine Vollstreckungsandrohung wirkt nicht streitwerterhöhend, da die Androhung neben einer Grundverfügung erfolgt ist (vgl. Nr. 1.7.2 des Streitwertkatalogs 2013).
183Die Berufung ist gemäß §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung des Normverständnisses der hier streitentscheidenden Regelung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG zuzulassen.
184Vgl. zum Meinungsstand: OVG NRW, Beschluss vom 22. März 2024 - 20 B 969/23 -, juris (Eilverfahren zum hiesigen Hauptsacheverfahren).
185Rechtsmittelbelehrung:
186Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich Berufung eingelegt werden. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
187Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
188Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen.
189Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe).
190Im Berufungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die das Verfahren eingeleitet wird. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –). Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen unter den dort genannten Voraussetzungen als Bevollmächtigte zugelassen.
191Die Berufungsschrift und die Berufungsbegründungsschrift sollen möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
192Beschluss:
193Der Streitwert wird auf 25.592,50 Euro festgesetzt.
194Gründe:
195Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus §§ 52 Abs. 1, 3, 39 GKG.
196Nach der ständigen Streitwertpraxis des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen ist in Fällen, in denen um die Erlaubnis zum Erwerb bzw. Besitz von Waffen gestritten wird, das Besitzinteresse in Anlehnung an Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai / 1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen (Streitwertkatalog 2013) im Ausgangspunkt mit dem Auffangwert von 5.000,00 Euro aus § 52 Abs. 2 GKG zu bewerten, und zwar unabhängig davon, in wie vielen Waffenbesitzkarten die streitigen Waffen eingetragen sind oder eingetragen werden sollen. Dieser Wert ist im Ansatz um 750,00 Euro für jede weitere Waffe, um die in demselben Verfahren gestritten wird, zu erhöhen. In Fällen, in denen eine besonders große Anzahl von Waffen in Rede steht, hält das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen eine angemessene Begrenzung für angezeigt, die im Regelfall bei dem fünffachen Betrag des Auffangwertes liegt oder erreicht ist.
197Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16. Juli 2009 ‑ 20 E 923/09 ‑, vom 23. Juni 2010 ‑ 20 B 45/10 ‑, juris Rn. 27, und vom 26. Juni 2019 - 20 E 6/18 -.
198Die mit dem Widerruf verbundene Anordnung, die Waffen dauerhaft unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen, und die Anordnung, alle Ausfertigungen der Erlaubnisurkunde zurückzugeben, wirken nicht streitwerterhöhend, da diese zur Vollstreckung erforderlichen Nebenentscheidungen im Zusammenhang mit dem Widerruf waffenrechtlicher Genehmigungen regelmäßig einhergehen.
199Vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 25. Februar 2002 - 21 B 00.370 -, juris Rn. 47; OVG NRW, Beschluss vom 18. Dezember 2007 - 20 A 4157/06 -.
200Ebenso wirkt die Zwangsgeldandrohung nicht streitwerterhöhend, da die Androhung neben einer Grundverfügung erfolgt ist und die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes nicht höher als der für die Grundverfügung selbst zu bemessende Streitwert ist (vgl. Nr. 1.7.2 des Streitwertkatalogs 2013).
201Die Gebührenforderung von 592,50 Euro ist hinzuzurechnen.
202Danach sind aufgrund der großen Zahl der in die Waffenbesitzkarten der Klägerin eingetragenen Waffen 25.000,- Euro zzgl. 592,50 Euro anzusetzen.
203Rechtsmittelbelehrung:
204Gegen den Streitwertbeschluss kann schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls ihr nicht abgeholfen wird. § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
205Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
206Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
207Die Beschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,-- Euro nicht übersteigt.
208Die Beschwerdeschrift soll möglichst zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.
209War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist angerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.