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In einem Eilverfahren gegen eine Überstellung nach der Dublin III-VO vermag eine unionsrechtlich noch ungeklärte Frage ein überwiegendes Suspensivinteresses des Antragstellers nur dann zu begründen, wenn besondere, in der Person des Antragstellers liegende Gründe die Rücküberstellung nach Italien unzumutbar erscheinen lassen. Solche Gründe liegen - auch unter indizieller Berücksichtigung der durch die italienische Regierung ausgesprochenen Aufnahmeverweigerung - im Falle einer erwachsenen, gesunden asylsuchende Person nicht vor.
Die aufschiebende Wirkung der Klage - 22 K 1453/24.A - wird insoweit angeordnet, als sich diese gegen die Abschiebungsanordnung und die Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots (Ziffern 3 und 4 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 14. Februar 2024) richtet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die Beteiligten je zur Hälfte.
Gründe:
2Das Gericht entscheidet auf Grund von § 76 Abs. 5 AsyIG als Kammer, da der Berichterstatter Richter auf Probe in den ersten sechs Monaten nach seiner Ernennung ist und der kammerinterne Geschäftsverteilungsplan keine Vertretungsregel für diesen Fall vorsieht.
3Vgl. Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, AsyIG § 76 Rn. 27 m.w.N.
4Der am 29. Februar 2024 gestellte Antrag,
5die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. Februar 2024, Gesch.-Zeichen 10312690 - 439, zugestellt am 22. Februar 2024, anzuordnen,
6sowie der wörtlich gestellte Hilfsantrag
7der Beklagten im Wege der Einstweiligen Anordnung aufzugeben, von Maßnahmen zur Abschiebung des Klägers nach Italien bis zu einer unanfechtbaren Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzusehen,
8haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
9A. Die Kammer geht gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO davon aus, dass der (Haupt‑)Eilantrag – seinem Wortlaut entsprechend – darauf gerichtet ist, die aufschiebende Wirkung der Klage in Bezug auf alle Regelungen des streitgegenständlichen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) anzuordnen, also auch insoweit, als sich die Klage gegen die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides richtet. Die Kammer hat ihre Rechtsprechung im Jahr 2023 mit Rücksicht auf neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs,
10zuletzt: EuGH, Urteil vom 12. Januar 2023, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid C-323/21 u.a., EU:C:2023:4,
11dahingehend geändert, dass (auch) im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO beim Streitgegenstand zwischen den Regelungen in den einzelnen Ziffern des streitgegenständlichen Dublin-Bescheids zu differenzieren ist. An der früheren Rechtsprechung, wonach Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen einen Dublin-Bescheid dahingehend ausgelegt wurden, dass diese sich nur gegen die Abschiebungsanordnung richten und die Überprüfung der Unzulässigkeitsentscheidung inzidenter im Rahmen der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung zu prüfen war, wird seither nicht mehr festgehalten.
12Ist der Eilantrag – wie hier (Bl. 3 und Bl. 6 f. GA) – auch darauf gestützt, dass der Antragsteller davon ausgeht, dass ihm als Schutzsuchender in Italien eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 3 EMRK droht, entspricht es grundsätzlich einer möglichst rechtsschutzintensiven Antragsauslegung zugunsten des Antragstellers, den Antrag auch auf die Unzulässigkeitsentscheidung zu beziehen.
13Vgl. nur VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 4. Mai 2023 - 22 L 1042/23.A -, juris, Rn. 8, vom 29. Dezember 2023 ‑ 22 L 3014/23.A ‑, juris, Rn. 8, und vom 24. Januar 2024 - 22 L 3411/23.A -, juris, Rn. 5 ff.
14Der so verstandene Antrag ist vollumfänglich zulässig, aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
15I. Der Antrag ist zulässig.
16Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO, § 75 Abs. 1 AsylG statthaft.
17Ferner ist die in §§ 34a Abs. 2 Satz 1 und 3, 74 Abs. 1 AsylG für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsanordnung sowie gegen die Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots bestimmte Antragsfrist von einer Woche nach Zustellung des streitgegenständlichen Bescheids gewahrt. Die Zustellung erfolgte gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 VwZG durch die Post mittels Einschreibens an den bereits im Verwaltungsverfahren bevollmächtigten Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 22. Februar 2024 (Beiakte Bl. 173 f., GA Bl. 9). Die einwöchige Frist war bei Stellung des Antrages am 29. Februar 2024 noch nicht abgelaufen.
18Es kann bei dieser Sachlage offen bleiben, ob die Antragsfrist nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG auch insoweit gilt, als der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die übrigen Regelungen des streitgegenständlichen Bescheids betrifft. Im Übrigen dürfte es auf diese Frage regelmäßig nicht ankommen, da ein isoliert gegen eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG gerichteter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage bei gleichzeitiger Vollziehbarkeit der im gleichen Bescheid erlassenen Abschiebungsanordnung ungeachtet einer Antragsfrist unzulässig sein dürfte. Für einen solchen Antrag dürfte es an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse fehlen, weil die Unzulässigkeitsentscheidung als solche nicht vollziehbar ist.
19Wird – wie hier – der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf alle Regelungen des Bescheids bezogen, ist das erforderliche Rechtsschutzinteresse gegeben. Dies gilt insbesondere auch in Bezug auf die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 des Bescheids und die Negativfeststellung zu Abschiebungsverboten in Ziffer 2 des Bescheids. Insoweit gewährleistet der Antrag den gerichtlichen Rechtsschutz, dass die dort getroffenen Feststellungen im Falle einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung der hiergegen gerichteten Klage einstweilen keine Rechtswirkungen gegenüber dem Antragsteller entfalten.
20II. Der Antrag ist nur bzgl. der Abschiebungsanordnung und der Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots (Ziffer 3 und 4 des Bundesamtsbescheides) begründet.
21Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht auf Antrag im Rahmen einer eigenen Ermessensentscheidung die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn das Interesse des Antragstellers an der beantragten Aussetzung der Vollziehung das durch § 75 Abs. 1 AsylG gesetzlich angeordnete öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt.
22Diese Interessenabwägung geht zu Lasten des Antragstellers aus, soweit sich der Antrag auf die Unzulässigkeitsentscheidung und die Negativfeststellung von Abschiebungsverboten (Ziffer 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheids) bezieht. Im Übrigen, nämlich soweit der Antrag auf die Abschiebungsanordnung und die Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots bezogen ist (Ziffer 3 und 4 des streitgegenständlichen Bescheids), geht die Interessenabwägung zu Gunsten des Antragstellers aus. Denn Ziffer 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheids stellen sich nach Maßgabe der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig dar (1.), während Ziffer 3 und 4 des Bescheids durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen (2.).
231. Bezüglich der Regelungen in Ziffer 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheids überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.
24a. Das Bundesamt hat den Asylantrag mit Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids zu Recht als unzulässig abgelehnt. Die Unzulässigkeitsentscheidung findet ihre Rechtsgrundlage in § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
25Vorliegend ist Italien nach den Bestimmungen der Dublin III‑VO für den Asylantrag des Antragstellers zuständig.
26aa. Die Zuständigkeit Italiens ist begründet worden. Dies richtet sich vorliegend nach den Regelungen über das Aufnahmeverfahren gemäß Art. 21, 22 Dublin III-VO. Im Aufnahmeverfahren wird der für die Prüfung des Antrages zuständige Staat grundsätzlich nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO bestimmt,
27vgl. EuGH, Urteil vom 2. April 2019, C-582/17 und C-583/17, H., EU:C:2019:280, Rn. 55 - 57,
28wobei gemäß Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO grundsätzlich von der Situation auszugehen ist, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
29Nach Art. 12 Abs. 2 1. Halbsatz der Dublin III‑VO ist Italien für die Prüfung des Asylantrages des Antragstellers zuständig. Nach dieser Vorschrift ist in den Fällen, in denen der Antragsteller ein gültiges Visum besitzt, der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig, der das Visum erteilt hat. Der Antragsteller war zum maßgeblichen Zeitpunkt der erstmaligen Beantragung internationalen Schutzes in einem Mitgliedstaat (vgl. Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO) im Besitz eines gültigen Visums, das von der italienischen Auslandsvertretung in Teheran ausgestellt wurde. Das Visum war ausweislich des vom Bundesamt eingeholten Auszugs aus dem Visainformationssystem (VIS) gültig vom 15. August 2023 bis zum 11. September 2023 (Beiakte Bl. 38 f.). Der erste Asylantrag des Antragstellers in einem Mitgliedstaat erfolgte in Deutschland, und zwar nach den Maßstäben des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO am 1. September 2023, als sich der Antragsteller als Asylsuchender in der Landeserstaufnahmeeinrichtung meldete (Ankunftsnachweis Beiakte Bl. 59 f.). Zudem war das Visum im Zeitpunkt der förmlichen Antragstellung beim Bundesamt (mithin am 11. September 2023, vgl. Beiakte Bl. 33 ff.) ebenfalls noch nicht abgelaufen.
30Zudem hat Italien auf das am 1. Dezember 2023 dort eingegangene Aufnahmeersuchen des Bundesamtes vom 30. November 2023 nicht reagiert. Damit ist gemäß Art. 22 Abs. 1, Abs. 7 der Dublin III-VO seit Ablauf des 1. Februar 2024 davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung Italiens zur Aufnahme des Antragstellers begründet.
31bb. Die damit nach Art. 12 Abs. 2 1. Halbsatz i.V.m. Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO für Italien anzunehmende Zuständigkeit ist auch nicht nachträglich entfallen
32Insbesondere hat das Bundesamt mit dem am 1. Dezember 2023 bei der italienischen Dublin-Behörde eingegangenen Aufenahmeersuchen fristgerecht (am letzten Tag der in Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1 Dublin III-VO genannten und durch das Asylgesuch vom 1. September 2023 ausgelösten Drei-Monats-Frist, vgl. Art. 42 Dublin III-VO) ein Aufnahmegesuch an Italien gerichtet.
33Ferner ist die Zuständigkeit nicht gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO wegen Ablaufs der Überstellungsfrist auf die Antragsgegnerin übergegangen. Die (fingierte) Annahme des Aufnahmegesuchs durch Italien (mit Ablauf des 1. Februar 2024) liegt weniger als sechs Monate zurück. Im Übrigen wurde die Überstellungsfrist dadurch unterbrochen, dass der Antragsteller fristgerecht einen gerichtlichen Eilantrag (auch) in Bezug auf die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 des Bescheids des Bundesamtes gestellt hat.
34Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Januar 2024 - 22 L 3411/23.A -, juris, Rn. 30; allgemein zur Unterbrechung der Überstellungsfrist durch einen Eilantrag vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2016 ‑ 1 C 15.15 ‑, juris, Rn. 11.
35cc. Darüber hinaus ist die Antragsgegnerin auch nicht nach Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO gehindert, den Antragsteller nach Italien zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufwiesen, die für den Antragsteller eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GRCh) bzw. Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) mit sich brächte. Die Voraussetzungen, unter denen dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs,
36vgl. EuGH, Urteile vom 19. März 2019, Jawo, C-163/17, EU:C:2019:218, Rn. 76 ff. und vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 u.a. -, N.S. u.a., EU:C:2011:865, Rn. 81 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011, M.S.S./Belgien und Griechenland, CE:ECHR:2011:0121JUD003069609,
37der Fall wäre, liegen hier nicht vor.
38Zwar bezieht sich Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO nur auf die Situation, in der sich die tatsächliche Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GRCh aus systemischen Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Personen, die internationalen Schutz beantragen, in dem Mitgliedstaat ergibt, der nach dieser Verordnung als für die Prüfung des Antrags zuständig bestimmt ist. Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sowie aus dem allgemeinen und absoluten Charakter des Verbots in Art. 4 EU-GRCh geht jedoch hervor, dass die Überstellung eines Antragstellers in diesen Mitgliedstaat in all jenen Situationen ausgeschlossen ist, in denen ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme vorliegen, dass der Antragsteller bei seiner Überstellung oder infolge seiner Überstellung eine solche Gefahr laufen wird.
39Vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019, Jawo, C-163/17, EU:C:2019:218, Rn. 87.
40Dabei ist für die Anwendung von Art. 4 EU-GRCh gleichgültig, ob es zum Zeitpunkt der Überstellung, während des Asylverfahrens oder nach dessen Abschluss, das heißt im Falle der Gewährung internationalen Schutzes, dazu kommt, dass die betreffende Person aufgrund ihrer Überstellung an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin III-VO einem ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren.
41Vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019, Jawo, C-163/17, EU:C:2019:218, Rn. 88.
42Insoweit ist das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung befasste Gericht in dem Fall, dass es über Angaben verfügt, die die betreffende Person zum Nachweis des Vorliegens eines solchen Risikos vorgelegt hat, verpflichtet, auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen.
43Vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019, Jawo, C-163/17, EU:C:2019:218, Rn. 90, unter Bezugnahme auf Urteil vom 5. April 2016, Aranyosi und Căldăraru, C‑404/15 und C‑659/15 PPU, EU:C:2016:198, Rn. 89.
44Schwachstellen fallen nur dann unter Art. 4 EU-GRCh, der Art. 3 EMRK entspricht und nach Art. 52 Abs. 3 EU-GRCh die gleiche Bedeutung und Tragweite hat, wie sie ihm in der EMRK verliehen wird, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen, die von sämtlichen Umständen des Falles abhängt.
45Vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011, M.S.S./Belgien und Griechenland, CE:ECHR:2011:0121JUD003069609, § 254.
46Denn im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und insbesondere der Dublin III-VO, die auf dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens beruht und durch eine Rationalisierung der Anträge auf internationalen Schutz deren Bearbeitung im Interesse sowohl der Antragsteller als auch der teilnehmenden Staaten beschleunigen soll, gilt die Vermutung, dass die Behandlung dieser Antragsteller in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der EU-GRCh, der GFK und der EMRK steht.
47Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011, N. S. u. a., C-411/10 und C-493/10, EU:C:2011:865, Rn. 78 bis 80.
48Diese besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit wäre erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Diese Schwelle ist daher selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund derer sich diese Person in einer solch schwerwiegenden Lage befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann.
49Vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019, Jawo, C-163/17, EU:C:2019:218, Rn. 89 ff.; unter Bezugnahme auf EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011, M.S.S./Belgien und Griechenland, CE:ECHR:2011:0121JUD003069609, §§ 252 bis 263.
50Unter Anwendung dieser Maßstäbe fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in Italien mit systemischen Mängeln behaftet wären, die für eine auf Grundlage der Dublin III‑VO überstellte Person in der Lage des Antragstellers die beachtliche Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GRCh bzw. Art. 3 EMRK zum Zeitpunkt der Überstellung, während des Asylverfahrens oder nach dessen Abschluss nach sich ziehen könnten.
51Es kann angesichts der dem Gericht vorliegenden Erkenntnisse nicht festgestellt werden, dass die Verhältnisse für eine erwachsene, gesunde asylsuchende Person in Italien mit Art. 4 EU-GRCh bzw. Art. 3 EMRK unvereinbar sind.
52Zunächst kann die Aufnahmeverweigerung Italiens für auf Grundlage der Dublin III-VO zu überstellende Personen durch Rundschreiben vom 5. Dezember 2022 bzw. 7. Dezember 2022 allein nicht als Gefahr eines solchen Verstoßes angesehen werden, sondern allenfalls als Indiz gewertet werden.
53Vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Oktober 2023 - 1 B 22.23 -, juris, Rn. 15; VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Januar 2024 - 22 L 3411/23.A -, juris, Rn. 50; VG Lüneburg, Beschluss vom 8.Februar 2024 - 5 B 11/24 ‑, juris; VG Würzburg, Gerichtsbescheid vom 31. Januar 2024 ‑ W 1 K 24.50011 ‑, juris; VG Trier, Beschluss vom 19. Januar 2024 ‑ 2 L 4844/23.TR ‑, juris; a.A. OVG NRW, Beschlüsse vom vom 7. Juni 2023 - 11 A 2343/19.A -, juris, Rn. 47 ff., vom 13. Juni 2023 - 11 A 1168/22.A -, juris, Rn. 46 ff. und vom 14. Februar 2024 - 11 A 1255/22.A -, juris, Rn. 37; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 22. Februar 2024 - 1a K 3331/23.A -, juris, Rn. 34 ff.; Raad van State - Afdeling bestuursrechtspraak - Urteile vom 26. April 2023, ECLI:NL:RVS:2023:1654 und ECLI:NL:RVS:2023:1655, abrufbar unter https://www.raadvanstate.nl/talen/artikel/english-version/state-secretary-blocked-from-returning/; CAA Nantes, Nr. 23NT01470 v. 23. September 2023; systemische Mängel verneinend auch: Bundesverwaltungsgericht der Republik Österreich, Erkenntnis vom 22. Februar 2024 - W144 2286959-1 - und in Bezug auf einen subsidiär Schutzberechtigten: Erkenntnis vom 2. Oktober 2023 - W2322273511-1/14E -, beide abrufbar unter https://www.ris.bka.gv.at.
54Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 2. August 2023 - 2 BvR 593/23 ‑. Darin hebt das Bundesverfassungsgericht zwar hervor, dass die Frage der Aufnahmeverweigerung einen entscheidungserheblichen Umstand im Rahmen der Anwendung von Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO darstellt, der im Rahmen der Amtsermittlung über die aktuelle Aufnahmesituation in Italien zu berücksichtigen ist.
55Vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. August 2023 - 2 BvR 593/23 -, juris, Rn. 12.
56Dass darüber hinaus allein die Aufnahmeverweigerung dazu führte, dass davon auszugehen ist, dass die Aufnahmebedingungen in Italien mit systemischen Mängeln behaftet wären, die für eine auf Grundlage der Dublin III‑VO überstellte Person in der Lage des Antragstellers die beachtliche Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GRCh bzw. Art. 3 EMRK zum Zeitpunkt der Überstellung, während des Asylverfahrens oder nach dessen Abschluss nach sich ziehen, ergibt sich aus der Entscheidung allerdings nicht.
57Auch der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) vom 14. Februar 2024 - 11 A 1255/22.A - führt im vorliegenden Eilverfahren nicht zu einer anderen Bewertung. Mit diesem Beschluss hat das OVG NRW dem Europäischen Gerichtshof die nach seiner Auffassung unionsrechtlich bislang nicht geklärte Frage vorgelegt, ob Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO dahingehend auszulegen ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in dem zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. Art. 4 EU-GRCh mit sich bringen, wenn dieser Mitgliedstaat aufgrund staatlich angeordneter Aussetzung der Annahme von Überstellungen die (Wieder-)Aufnahme von Asylantragstellern für einen unbestimmten Zeitraum grundsätzlich verweigert.
58Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. Februar 2024 - 11 A 1255/22.A -, juris.
59Selbst wenn diese Frage und die weitere für den Fall der Verneinung dieser Frage dem Europäischen Gerichtshof mit dem vorgenannten Beschluss des OVG NRW vorgelegte Frage im vorliegenden Fall für die Erfolgsaussicht der Klage entscheidungserheblich sein sollten, so vermag eine noch mangelnde unionsrechtliche Klärung nur dann ein Überwiegen des Suspensivinteresses des Antragstellers zu begründen, wenn besondere, in der Person des Antragstellers liegende Gründe die Rücküberstellung nach Italien mit der Folge, dass das Hauptsacheverfahren in Deutschland von dort aus betrieben werden muss, unzumutbar erscheinen lassen,
60Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2017 - 2 BvR 2013/16 -, juris, Rn. 19; vgl. auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Februar 2019 - 22 L 349/19.A -, juris, Rn. 4; Beschluss vom 13. August 2020 - 22 L 1466/20.A -, juris, Rn. 16 ff.; VG Aachen, Beschluss vom 7. Mai 2018 - 6 L 202/18.A -, juris, Rn. 61; VG Augsburg, Beschluss vom 5. Februar 2018 - 7 S 17.35640 -, juris, Rn. 37; VG Berlin, Beschluss vom 28. März 2019 - 23 L 103.19.A -, juris, Rn. 6; VG Bremen, Beschluss vom 18.12.2019 - 5 V 2644/19 -, juris, Rn. 41 f.; VG Cottbus, Beschluss vom 6. Juni 2018 - 5 L 212/18.A -, juris, Rn. 22; VG Freiburg, Beschluss vom 24. November 2017 - 2 K 7807/17 -, juris, Rn. 43; VG Leipzig, Beschluss vom 7. April 2017 - 6 L 287/17.A -, juris, Rn. 18; VG Minden, Beschluss vom 13. August 2018 - 10 L 715/18.A -, juris, Rn. 61; VG Oldenburg, Beschluss vom 21. August 2023 - 7 B 2315/23 -, juris, Rn. 17; VG Wiesbaden, Urteil vom 11. Oktober 2018 - 7 K 184/18.WI.A -, juris, Rn. 92.
61Denn im Anwendungsbereich der Dublin III-VO ist die Wertung des europäischen Rechts zu beachten, dass grundsätzlich in jedem Mitgliedstaat angemessene, durch das Unionsrecht vereinheitlichte Aufnahmebedingungen herrschen, die Mindeststandards festlegen.
62Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2017 - 2 BvR 2013/16 -, Rn. 19, juris; auch BVerfG, Beschluss vom 14.Dezember 2017 - 2 BvR 1872/17 -, juris, Rn. 18 f.; EuGH, Urteil vom 7. Juni 2016 - C-63/15 - Ghezelbash -, EU:C:2016:409, Rn. 60.
63Vorliegend fehlt es an hinreichenden Gründen, die eine (Rück‑)Überstellung des Antragstellers nach Italien mit der Folge, dass er das Hauptsacheverfahren in Deutschland von dort aus betreiben muss, unzumutbar erscheinen lassen. Eine solche Unzumutbarkeit wäre insbesondere dann gegeben, wenn konkrete Indizien und Erkenntnisse dazu vorlägen, dass dem Antragsteller nach seiner Überstellung in Italien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.d. Art. 4 EU-GRCh mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Das ist hier – auch unter indizieller Berücksichtigung der durch die italienische Regierung ausgesprochenen Aufnahmeverweigerung – nicht der Fall.
64Damit einhergehend geht auch das OVG NRW aktuell davon aus, dass – abgesehen von der Aufnahmeverweigerung Italiens – keine systemischen Schwachstellen in Italien bestehen, die die beachtliche Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. Art. 4 EU-GRCh begründen.
65Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. Februar 2024 - 11 A 1255/22.A -, juris, Rn. 52; ebenso: OVG Rh.-Pf., Urteil vom 27. März 2023 - 13 A 10948/22.OVG -, juris, Rn. 48 ff.; für anerkannte Schutzberechtigte Bay. VGH, Beschluss vom 11. Oktober 2023 - 24 B 23.30525 -, juris, Rn. 24 ff.; VG Ansbach, Beschluss vom 21. Dezember 2023 - AN 14 S 23.50870 - juris; VG Bayreuth, Beschluss vom 21. Dezember 2023 - B3 S 23.50348 -, juris; VG München, Urteil vom 20. Dezember 2023 - M 19 K 23.50253 - juris, Rn. 27 ff.; a.A. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 22. Februar 2024 – 1a K 3331/23.A -, juris, Rn. 40 ff.
66Der Umstand, dass die italienische Regierung am 11. April 2023 angesichts der zu verzeichnenden Zunahme ungeplanter Migrationsströme den nationalen Notstand ausgerufen hat,
67vgl. hierzu Tagesschau, Italien ruft den Notstand aus, Stand: 12. April 2023, abrufbar unter https://www.tagesschau.de/ausland/italien-notstand-migranten-101.html; sowie Zeit Online, Italien verhängt Notstand wegen hoher Migrationszahlen, Stand: 11. April 2023, abrufbar unter https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-04/mittelmeerroute-italien-notstand-gefluechtete,
68kann ebenfalls keine voraussichtlich menschenunwürdige Behandlung belegen. Die Ausrufung des Notstandes ist nach dem Inhalt der Auskünfte insbesondere aus administrativen und finanziellen Gründen erfolgt und war eine der verschiedenen Maßnahmen die der italienische Staat zur Wiedererlangung der staatlichen Kontrolle über die Situation der ankommenden Schutzsuchenden und Verbesserung der allgemeinen Situation in Bezug auf ankommende Flüchtlinge ergriffen hat.
69Vgl. auch den Bericht des Deutschlandfunks vom 7. November 2023 „Italien will in Albanien Aufnahmezentren für Migranten einrichten“ https://www.deutschlandfunk.de/italien-will-in-albanien-aufnahmezentren-fuer-migranten-einrichten-100.html; auch https://www.politico.eu/article/italy-and-albania-strike-rwanda-style-migrant-deal/.
70Die dem Gericht vorliegenden Erkenntnisse über die Lebens- und insbesondere Unterkunftssituation von gesunden arbeitsfähigen Asylsuchenden in Italien begründen ebenfalls keine beachtliche Gefahr eines Verstoßes gegen Art. 4 EU-GRCh im Falle einer (Rück-)Überstellung nach Italien, die (wie noch auszuführen sein wird) derzeit wegen der Aufnahmeverweigerung Italiens nicht stattfinden kann.
71Zwar muss damit gerechnet werden, dass dem Antragsteller bei seiner Überstellung nach Italien – zumindest in der Anfangszeit – eine Obdachlosigkeit droht.
72Die Situation auf dem Wohnungsmarkt in Italien ist nicht einfach. Erst als anerkannt Schutzberechtigter besteht Zugang zu Sozialwohnungen zu den gleichen Bedingungen wie für italienische Staatsangehörige. Teilweise ist der Zugang an eine bestimmte ununterbrochene Mindestmeldezeit gebunden. Wartezeiten von mehreren Jahren auf eine Wohnung sind die Regel. Privater Wohnraum ist knapp und Mieten im Allgemeinen und vor allem in den großen Städten sehr hoch.
73AIDA, Country Report: Italy, Stand: 31. Dezember 2022, S. 238 ff.; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, 27. Juli 2023, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Italien, S. 15; vgl. auch OVG Rh-Pf, Urteil vom 27. März 2023 - 13 A 10948/22.OVG -, juris, Rn. 57; Bay. VGH, Beschluss vom 11. Oktober 2023 - 24 B 23.30525 -, juris Rn. 30; Raphaelswerk, Oktober 2022, Italien: Information für Geflüchtete, die nach Italien rücküberstellt werden, S. 14.
74Dies allein führt jedoch – mangels besonderer Vulnerabilität des Antragstellers – nicht zu einer Notsituation im Sinne des Art. 4 EU-GRCh.
75So auch Bay. VGH, Beschluss vom 11. Oktober 2023 - 24 B 23.30525 -, juris Rn. 31 für anerkannt Schutzberechtigte; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 27. März 2023 - 13 A 10948/22.OVG -, juris, Rn. 59 ff. mit Verweis auf VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 8. November 2021 - A 4 S 2850/21 -, juris, Rn. 9; VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Januar 2024 - 22 L 3411/23.A -, juris, Rn. 71; anders noch OVG NRW, Urteil vom 20. Juli 2021 - 11 A 1674/20.A -, juris, Rn. 37 ff. und VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27. Januar 2022 - A 4 S 2443/21 -, juris, Rn. 21 ff.; nunmehr auch VG Gelsenkirchen, Urteil vom 22. Februar 2024 - 1a K 331/23.A -, juris, Rn. 43 ff.
76Denn es ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen, dass der Antragsteller im Falle der (Rück‑)Überstellung – wie andere (noch) nicht in Asylunterkünften untergebrachte Schutzsuchende – in privaten Notunterkünften seine elementarsten Grundbedürfnisse decken und auf ein umfangreiches Netzwerk privater Einrichtungen zur Aufnahme von Asylbewerbern, die von kirchlichen und Nichtregierungsorganisationen getragen werden, zurückgreifen kann. Neben den staatlichen Unterstützungsleistungen sind auch die – alleinigen oder ergänzenden – dauerhaften Unterstützungs- oder Hilfeleistungen von vor Ort tätigen nichtstaatlichen Institutionen und Organisationen zu berücksichtigen.
77Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. September 2021 - 1 C 3.21 -, juris, Rn. 22.
78Deshalb kann etwa der Umstand, dass der betreffenden Person bezogen auf die Unterkunft ein Schlafplatz in einer von Kirchen, Nichtregierungsorganisationen oder Privatpersonen gestellten Notunterkunft oder in einer staatlich geduldeten „informellen Siedlung“ zur Verfügung steht, genügen, sofern die zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten zumindest zeitweilig Schutz vor den Unbilden des Wetters bieten und Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse lassen.
79Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2022 - 1 B 93.21 -, juris, Rn. 14; Beschluss vom 17. Januar 2022 - 1 B 66.21 -, juris, Rn. 20; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 8. November 2021 - A 4 S 2850/21 -, juris, Rn. 10; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 7. September 2021 - 1 C 3.21 -, juris, Rn. 22.
80Eine Unterkunft in einem verlassenen Gebäude, in einer informellen Siedlung, bei Bekannten oder in einer Notunterkunft unterschreitet die Anforderungen an eine Unterkunft, die die elementarsten Bedürfnisse befriedigt, nicht notwendig.
81Ständige Kammerrechtsprechung z.B. Beschluss vom 24. Januar 2024 - 22 L 3411/23.A -, juris, Rn. 73; in diesem Sinne auch Bay. VGH, Beschluss vom 11. Oktober 2023 - 24 B 23.30525 -, juris Rn. 31 f.; OVG Rh-Pf, Urteil vom 27. März 2023 - 13 A 10948/22.OVG -, juris, Rn. 70; a.A. OVG NRW, Urteil vom 20. Juli 2021 - 11 A 1674/20.A -, juris, Rn. 37 ff.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 22. Februar 2024 - 1a K 3331/23.A -, juris, Rn. 61.
82Auch der Europäische Gerichthof für Menschenrechte stellt in Bezug auf eine mit Art. 3 EMRK vereinbare Unterkunft keine qualifizierten Anforderungen.
83Vgl. etwa EGMR, Entscheidung vom 2. Juni 2020, S.A. ./. Niederlande ‑ 49773/15 ‑, CE:ECHR:2020:0602JUD004977315: Keine Verletzung von Art. 3 EMRK durch die Rückführung eines Angehörigen einer ethnischen Minderheit in den Sudan, obwohl die Angehörigen dieser Minderheit üblicherweise in Barackensiedlungen („shanty towns“) leben ohne Grundversorgung und mit der Gefahr, aus der Unterkunft vertrieben zu werden.
84Zudem können von einer (Rück-)Überstellung nach Italien auf Grundlage der Dublin III-VO Betroffene in privaten Notunterkünften ihre elementarsten Grundbedürfnisse decken und auf ein umfangreiches Netzwerk privater Einrichtungen zur Aufnahme von Asylbewerbern, die von kirchlichen und Nichtregierungsorganisationen getragen werden, zurückgreifen. Insbesondere die Kirchen bieten in Italien für Asylbewerber, international Schutzberechtigte und andere Bedürftige ein breites Spektrum an Hilfsleistungen an. Dieses umfasst insbesondere (Not‑)Unterkünfte, Kleidung und Nahrung.
85Vgl. AIDA, Country Report: Italy, Stand: 31. Dezember 2022, S. 152 f.; Bay. VGH, Beschluss vom 11. Oktober 2023 - 24 B 23.30525 -, juris, Rn. 31; vgl. auch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vom 27. Juli 2023, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Italien, S. 11; a.A. insoweit VG Gelsenkirchen, Urteil vom 22. Februar 2024 - 1a K 3331/23.A -, juris, Rn. 63 ff.
86Weiter ist auch davon auszugehen, dass es dem erwachsenen, erwerbsfähigen und alleinstehenden Antragsteller bei seiner Überstellung nach Italien möglich sein wird, den eigenen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit auf einem Mindestniveau zu sichern.
87Insoweit ist es einem von einer Überstellung nach Italien auf Grundlage der Dublin III-VO Betroffenen auch zumutbar, eine wenig attraktive und seiner Vorbildung nicht entsprechende Arbeit auszuüben, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entspricht und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise während der Touristensaison, ausgeübt werden kann.
88Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 2022 - 1 B 66.21 -, juris, Rn. 29.
89Sollte ein von einer (Rück-)Überstellung nach Italien auf Grundlage der Dublin III-VO Betroffener oder später ein Schutzberechtigter nicht ohne weiteres eine Arbeit finden, reicht auch der Umstand, dass die betreffende Person in dem Mitgliedstaat keine existenzsichernden Leistungen erhält, ohne jedoch anders als die Angehörigen dieses Mitgliedsstaats behandelt zu werden, regelmäßig nicht für das Erreichen der Erheblichkeitsschwelle.
90Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. Januar 2022 - 1 B 93.21 -, juris, Rn. 13 und vom 17. Januar 2022 - 1 B 66.21 -, juris, Rn. 19.
9160 Tage nach Antragstellung dürfen Asylbewerber arbeiten. In der Praxis bestehen wegen Verzögerungen beim Erhalt von „residence permits“ sowie der hohen Arbeitslosigkeit Schwierigkeiten, Arbeit zu finden. Schwarzarbeit ist weit verbreitet. Dies führt teils zu prekären, ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen.
92Vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, 27. Juli 2023, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Italien, S. 9; AIDA, Country Report: Italien, Stand: 31. Dezember 2022, S. 159; Raphaelswerk, Oktober 2022, Italien: Information für Geflüchtete, die nach Italien rücküberstellt werden, S. 16; HRW – Human Rights Watch, Jahresbericht zur Menschenrechtssituation im Jahr 2022; abrufbar unter: https://www.ecoi.net/de/dokument/2085464.html; diesbezüglich ergeben sich keine neuen Erkenntnisse aus dem Jahresbericht zur Menschenrechtssituation im Jahr 2023, abrufbar unter https://www.ecoi.net/de/dokument/2103162.html.
93Die Beschäftigungsrate von Ausländern in Italien ist dennoch sehr hoch, sie liegt über der Beschäftigungsrate von Inländern. Der italienische Arbeitsmarkt ist aus demografischen Gründen auf Migration angewiesen. Es handelt sich jedoch zu einem großen Teil um geringqualifizierte und informelle Arbeit.
94Vgl. RESPOND, 1. Juni 2020, Integration, Policies, Practices and Experiences. Italy Country Report, https://www.diva-portal.org/smash/get/diva2:1440496/FULLTEXT01.pdf, S. 26 f.
95Der italienische Staat geht nun vermehrt gegen illegale Beschäftigung und Ausbeutung von Ausländern vor.
96Vgl. RESPOND, 1. Juni 2020, Integration, Policies, Practices and Experiences. Italy Country Report, https://www.diva-portal.org/smash/get/diva2:1440496/FULLTEXT01.pdf, S. 26 f.
97So wurden etwa im November 2022 in der Nähe von Foggia (Apulien) fünf Personen wegen der Ausbeutung von Arbeitern bei der Tomatenernte festgenommen.
98Vgl. ai – Amnesty international; 28. März 2023 Bericht zur Menschenrechtslage (Berichtszeitraum 2022); https://www.ecoi.net/de/dokument/2089542.html.
99Ende 2022 waren durch ein Regierungsprogramm auf ca. 207.800 Anträge ca. 61% zusätzliche Erlaubnisse für Arbeit im Bereich Landwirtschaft, Haushalt und heimische Pflege erteilt worden.
100Vgl. HRW – Human Rights Watch, Jahresbericht zur Menschenrechtssituation im Jahr 2022; abrufbar unter: https://www.ecoi.net/de/dokument/2085464.html; diesbezüglich ergeben sich keine neuen Erkenntnisse aus dem Jahresbericht zur Menschenrechtssituation im Jahr 2023, abrufbar unter https://www.ecoi.net/de/dokument/2103162.html.
101Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erwarten, dass der Antragsteller durch eigene Arbeit seine Grundbedürfnisse nach „Brot, Bett und Seife“ nicht wird befriedigen können. Zudem wird er für deren Gewährleistung auf Hilfsangebote privater und kirchlicher Träger zurückgreifen können.
102Schließlich erhalten Asylbewerber auch eine grundlegende medizinische Versorgung, die mit den Anforderungen des Art. 4 EU-GRCh grundsätzlich im Einklang steht. Denn sie haben auch hinsichtlich der medizinischen Versorgung dieselben Rechte und Pflichten wie italienische Staatsbürger (vgl. auch Art. 30 der Richtlinie 2011/95/EU). Hierzu muss sich der Betroffene lediglich beim nationalen Gesundheitsdienst registrieren, wo er eine „Gesundheitskarte“ erhält. Die Registrierung berechtigt zu folgenden Leistungen: Freie Wahl eines Haus- bzw. Kinderarztes (kostenlose Arztbesuche, Hausbesuche, Rezepte, usw.), Geburtshilfe und gynäkologische Betreuung bei der Familienberatung (consultorio familiare) ohne allgemeinärztliche Überweisung, und kostenlose Aufenthalte in öffentlichen Krankenhäusern. In diesem Umfeld ist nach den verfügbaren Erkenntnissen die Sprachbarriere das relevanteste Problem, um tatsächlich medizinische Hilfe zu erhalten. Dort wo das staatliche Gesundheitssystem Lücken aufweist, sind NGOs tätig.
103Vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, 27. Juli 2023, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Italien, S.13; AIDA, Country Report: Italy, Stand: 31. Dezember 2022, S. 161 ff.; Raphaelswerk, Oktober 2022, Italien: Information für Geflüchtete, die nach Italien rücküberstellt werden, S. 15; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 27. März 2023 - 13 A 10948/22.OVG -, juris, Rn. 71 unter Verweis auf Saarl. OVG, Urteil vom 15. Februar 2022 - 2 A 46/21 -, juris, Rn. 33 und OVG M.-V., Urteil vom 19. Januar 2022 - 4 LB 135/17 -, juris, Rn. 32.
104Es gibt auch – im geringen Umfang – Plätze im staatlichen Unterkunftssystem, die sich speziell an Asylsuchende und Schutzberechtigte mit psychischen Erkrankungen wenden.
105Vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, 27. Juli 2023, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Italien, S.15; Schweizer Flüchtlingshilfe, Februar 2022, Bericht: Situation von psychisch erkrankten Asylsuchenden und Schutzberechtigten (EN), https://www.fluechtlingshilfe.ch/fileadmin/user_upload/Publikationen/Dublinlaenderberichte/220203_Italy.pdf, S. 16.
106Auch für den Fall der Anerkennung als Schutzberechtigter bestehen vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen und nach der Kammerrechtsprechung keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Art. 4 EU-GRCh.
107Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Januar 2024 - 22 L 3411/23.A -, juris, Rn. 99 und vom 15. Dezember 2023 - 22 L 3131/23.A -, n.v.; OVG NRW, Beschluss vom 26. Juli 2022 - 11 A 1497/21.A -, juris, Rn. 102 ff.; für Fälle des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG: Bay. VGH, Beschluss vom 11. Oktober 2023 - 24 B 23.30525 -, juris Rn. 28; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 27. März 2023 - 13 A 10948/22.OVG -, juris, Rn. 48 ff.
108Individuelle Umstände, die eine abweichende Betrachtung rechtfertigen könnten, liegen nach Aktenlage nicht vor. Insbesondere ist eine krankheitsbedingte Vulnerabilität des Antragstellers weder hinreichend substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Soweit der 2005 geborene Antragsteller vorträgt, er leide an einer Krankheit, wird nicht näher ausgeführt, um welche Krankheit es sich handelt und an welchen Beschwerden der Antragsteller konkret leidet. Entsprechende Atteste wurden nicht vorgelegt. Zudem hat der Antragsteller im Rahmen seiner Anhörung durch das Bundesamt angegeben, er sei im Zusammenhang mit der Krankheit bereits im Iran operiert worden und sei derzeit weder in Behandlung, noch habe er Beschwerden (Beiakte Bl. 82). Schließlich legt der Antragsteller seine besondere Schutzbedürftigkeit auch nicht mit seinem Vortrag im gerichtlichen Verfahren dar, er sei besonders schutzbedürftig, weil er aus einem islamischen Land stamme und sich im europäischen Ausland nicht gut auskenne. Aus diesem auf eine Vielzahl von Asylbewerbern zutreffenden Gesichtspunkt, lässt sich allein nicht ableiten, dass ihm die Integration in die Verhältnisse in Italien – entgegen der vorstehenden Ausführungen – nicht möglich sein wird.
109Etwas anders folgt nicht aus dem Grundsatz, dass die Situation eines „refugee in orbit“ durch die Zuständigkeitsregelungen der Dublin III‑VO zu vermeiden sind.
110Vgl. hierzu den Erwägungsgrund 5 der Dublin III-VO; EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017, Tsegezab Mengesteab - C-670/16 -, EU:C:2017:587, Rn. 73; so aber VG Arnsberg, Urteil vom 19. Januar 2023 - 9 K 2602/19.A -, juris, Rn. 21 ff.
111Denn dieser Verordnungszweck wird allein schon durch das strenge Regime von Anfrage-, Antwort- und Überstellungsfristen bewirkt, deren Ablauf jeweils zu einem Zuständigkeitsübergang auf den Mitgliedstaat führt, der die betreffende fristgebundene Maßnahme nicht innerhalb der vorgesehenen Frist ausgeführt hat.
112Vgl. EuGH, Urteil vom 12. Januar 2023, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid, - C-323/21 u.a. -, EU:C:2023:4, Rn. 55; OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 19. Januar 2023 - 13 A 10716/22.OVG -, juris, Rn. 19 f.
113Tatsächliche oder national-rechtliche Überstellungshindernisse wie auch die praktische Unmöglichkeit, eine Überstellungsentscheidung durchzuführen, eignen sich nicht für eine Rechtfertigung der Unterbrechung oder der Aussetzung der in Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO bezeichneten Überstellungsfrist.
114Vgl. EuGH, Urteile vom 12. Januar 2023, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid, - C-323/21 u.a. -, EU:C:2023:4, Rn 69 f. m.w.N. und vom 22. September 2022 - C-245/21 u. C-248/21 -, MA u. a., EU:C:2022:709, Rn. 65 u. 70.
115b. Auch die Feststellung in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, wäre auf den im Hauptantrag der Klage enthalten statthaften isolierten Anfechtungsantrag,
116Vgl. zur Statthaftigkeit der Anfechtungsklage, die gegen einen Asylbescheid mit Unzulässigkeitsentscheidung insgesamt gerichtet ist, im Einzelnen: BVerwG, Urteile vom 27. Oktober 2015 ‑ 1 C 32.14 ‑, juris, Rn. 13 ff. und vom 14. Dezember 2016 - 1 C 4.16 -, juris, Rn. 16 f. (in Bezug auf eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG); OVG NRW, Urteile vom 7. März 2014 ‑ 1 A 21/12.A ‑, juris, Rn. 28 ff., und vom 16. September 2015 ‑ 13 A 800/15.A ‑, juris, Rn. 22 ff. m.w.N.,
117nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand nicht aufzuheben.
118Die Feststellung findet ihre Ermächtigungsgrundlage in § 31 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 AsylG. Danach ist in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen. Mit Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids ist vollziehbar festgestellt, dass der Asylantrag des Antragstellers unzulässig ist.
119Im Übrigen liegen nach den obigen Ausführungen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass in der Person des Antragstellers ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Italien vorliegen könnte.
1202. Bezüglich der Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 und der Anordnung eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots in Ziffer 4 des Bescheids überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse an der Vollziehung dieser Regelungen.
121a. Die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG gestützte Abschiebungsanordnung nach Italien in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheids erweist sich derzeit als offensichtlich rechtswidrig.
122Nach dieser Norm ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Hier bestehen erhebliche Zweifel daran, dass die Abschiebung nach Italien durchgeführt werden kann.
123Dass Italien für den Asylantrag des Antragstellers nach Maßgabe der Dublin III-VO zuständig ist, ist mit Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids vollziehbar festgestellt.
124Vgl. hierzu auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 4. Mai 2023 - 22 L 1042/23.A -, juris, Rn. 17.
125Die aufschiebende Wirkung der Klage wird insoweit auch nicht mit dem vorliegenden Beschluss angeordnet.
126Es fehlt jedoch an der weiteren Tatbestandsvoraussetzung des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Denn es steht gegenwärtig nicht im Sinne dieser Norm fest, dass die Überstellung des Antragstellers nach Italien durchgeführt werden kann. Es ist allein Aufgabe des Bundesamts, sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende (auch nachträglich eintretende) inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen.
127Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14 -, juris, Rn. 9; OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris, Rn. 4; Nds. OVG, Urteil vom 4. Juli 2012 - 2 LB 163/10 -, juris, Rn. 41; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 1. Februar 2012 - OVG 2 S 6.12 -, juris, Rn. 4 ff.; Bay. VGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris, Rn. 4; OVG Saarl., Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris, Rn. 7; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 31. Mai 2011 - A 11 S 1523/11 -, juris, Rn. 4 ff.; Hamb. OVG, Beschluss vom 3. Dezember 2010 - 4 Bs 223/10 -, juris, Rn. 9 ff.; OVG M.-V., Beschluss vom 29. November 2004 - 2 M 299/04 -, juris, Rn. 9 ff.
128Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen.
129Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14 -, juris, Rn. 10 m.w.N.
130Ein Duldungsgrund (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG) in diesem Sinne besteht unter anderem dann, wenn die Abschiebung aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist, etwa weil die (Rück‑)Übernahmebereitschaft desjenigen Drittstaates, in den abgeschoben werden soll, (noch) nicht geklärt ist.
131Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. März 2015 - 14 B 102/15.A -, juris.
132Da die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG nicht etwa nur zu unterlassen ist, wenn ein solcher Duldungsgrund vorliegt, sondern erst ergehen kann, wenn der Duldungsgrund ausgeschlossen ist („feststeht, dass sie durchgeführt werden kann“), muss die Übernahmebereitschaft positiv geklärt sein.
133Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. April 2015 - 14 B 502/15.A -, juris, Rn. 7; Bay. VGH, Urteil vom 7. April 2016 - 20 B 14.30214 -, juris, Rn. 17, m.w.N.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. April 2022 - 22 L 750/22.A -, juris, Rn. 14.
134Daran fehlt es hier. Die Übernahmebereitschaft des Zielstaates Italien besteht heute nicht. Vielmehr hat das italienische Innenministerium die Mitgliedstaaten mit Rundschreiben vom 5. Dezember 2022 aufgefordert, Überstellungen nach Italien vorübergehend auszusetzen.
135Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. Februar 2024 - 1 A 1255/22.A -, juris, Rn. 4 ff.
136Seitdem sind Dublin-Überstellungen nach Italien ausgesetzt. Diese sind inzwischen weder wiederaufgenommen worden noch besteht hierfür eine konkrete Aussicht.
137Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Juni 2023 - 11 A 2343/19.A -, juris, Rn. 61; Nds. OVG, Beschluss vom 26. April 2023 - 10 LA 48/23 -, juris, Rn. 21.
138Es bestehen damit erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass eine Überstellung des Antragstellers nach Italien faktisch nicht möglich ist, und zwar ungeachtet der Frage, ob Italien einem (Wieder-)Aufnahmeersuchen im Einzelfall ausdrücklich zugestimmt hat.
139So bereits VG Düsseldorf, Beschluss vom 4. Mai 2023 - 22 L 1042/23.A -, juris, Rn. 28; vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 16.3.2023 - 11 A 252/23.A -, juris, Rn. 23; Nds. OVG, Beschluss vom 26. April 2023 - 10 LA 48/23 -, juris, Rn. 21; a.A. VG Aachen, Beschluss vom 24. Januar 2023 - 9 L 34/23.A -, juris; zur Entscheidungserheblichkeit BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 2. August 2023 - 2 BvR 593/23 -, juris, Rn. 12.
140Das tatsächliche Überstellungshindernis besteht auch ungeachtet der Frage, ob die Überstellung während des Laufs der Überstellungsfrist ausgeschlossen erscheint.
141So bereits VG Düsseldorf, Beschluss vom 4. Mai 2023 - 22 L 1042/23.A -, juris, Rn. 30; a.A. VG Regensburg, Beschluss vom 23. Januar 2023 - RO 13 S 23.50009 -, juris.
142Im Übrigen liegen nach derzeitiger Aktenlage auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Überstellung des Antragstellers während des Laufs der Überstellungsfrist möglich sein wird.
143b. Da die Abschiebungsanordnung nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand im Hauptsacheverfahren aufzuheben wäre, unterliegt auch die Anordnung des befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbotes in Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids rechtlichen Bedenken.
144Denn zum einen knüpft das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG tatbestandlich an eine Abschiebung des Antragstellers an.
145Zum Erfordernis einer Rückkehrentscheidung für ein Einreiseverbot vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Februar 2022 - 1 C 6.21 -, juris, Rn. 53 m.w.N.
146Hierfür fehlt nach der Aufhebung der Abschiebungsanordnung die Rechtsgrundlage. Zum anderen ist das Bundesamt nach Aufhebung der Abschiebungsanordnung für die Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nicht länger zuständig, vgl. § 75 Nr. 12 AufenthG.
147B. Über den Hilfsantrag ist trotz Ablehnung des Hauptantrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage in Bezug auf Ziffern 1 und 2 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 14. Februar 2024 nicht zu entscheiden. Denn es fehlt an dem Eintritt der innerprozessualen Bedingung, unter die der Hilfsantrag gestellt worden ist. Der auf vorbeugenden vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Abschiebung des Antragstellers nach Italien gerichtete Hilfsantrag kann bei verständiger Würdigung (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) nur so verstanden werden, dass er nur für den Fall gestellt ist, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Bezug auf die in Ziffer 3 des Bescheids enthaltene Abschiebungsanordnung keinen Erfolg hat. Insoweit hat der Hauptantrag allerdings – wie oben dargelegt – Erfolg.
148Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
149Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG.
150Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.