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Vergabekammer Westfalen, VK 3 - 42/23

Datum:
21.02.2024
Gericht:
Vergabekammer Westfalen
Spruchkörper:
3.
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
VK 3 - 42/23
 
Schlagworte:
Präklusion, Rahmenvereinbarung, Höchstmenge, Interessenkonflikt
Normen:
GWB §160 Abs. 3; VgV §6 Abs. 3 Nr. 2
Sachgebiet:
Vergaberecht
Leitsätze:

1. Obwohl ein Durchschnittsbieter, der an der Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung teilnimmt, um das nicht eindeutig festgelegte Auftragsvolumen nach § 21 Abs. 1 Satz 2 VgV und die damit verbundenen Ungewissheiten bei der Kalkulation wissen muss, ist für ihn nach einer zumindest laienhaft rechtlichen Bewertung nicht erkennbar im Sinne des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 3 GWB, dass die fehlende Angabe der Höchstmenge in rechtlicher Hinsicht einen Vergaberechtsverstoß darstellt. Die Rechtswidrigkeit ergibt sich erst aus einer Auslegung des Gleichheits- und des Transparenzgrundsatzes und begründet sich mit dem nicht zumutbaren und unüberschaubaren Risiko, das einer nicht begrenzten Rahmenvereinbarung immanent ist (EuGH, Beschluss vom 17. Juni 2021, C-23/20). Dies gilt jedenfalls deshalb, da ein Durchschnittsbieter den Vergabeverstoß nicht zufällig beim Studium der Vergabeunterlagen auffallen kann, da erst das Fehlen der Information den Vergabeverstoß begründet. Es bedarf mit anderen Worten rechtlicher Beratung und Auswertung der Vergabeunterlagen.

2. Ausgehend von Gleichbehandlungs- und Transparenzgrundsatz muss die Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung sowohl die Angabe der Schätzmenge und/oder des Schätzwerts als auch eine Höchstmenge und/oder einen Höchstwert sowie den Hinweis enthalten, dass die Rahmenvereinbarung ihre Wirkung verliert, wenn diese Menge oder dieser Wert erreicht ist (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Juni 2021, C-23/20 und hieran anknüpfend OLG Koblenz, Beschluss vom 12. Dezember 2022, Verg 3/22; andere Auffassung noch die am Wortlaut des § 21 VgV orientierte Rechtsprechung des KG Berlin, Beschluss vom 20. März 2020, Verg 7/19 und der VK Bund, Beschluss vom 19. Juli 2019, VK 1 – 39/19). Dies ist erforderlich, da der Bieter erst auf Grundlage dieser Schätzung seine Leistungsfähigkeit zur Erfüllung der Verpflichtungen aus der Rahmenvereinbarung beurteilen kann (vgl. EuGH aaO). Wäre der Höchstwert oder die Höchstmenge der Rahmenvereinbarung nicht angegeben oder die Angabe nicht rechtlich verbindlich, könnten sich öffentliche Auftraggeber zudem über diese Höchstmenge hinwegsetzen (vgl. EuGH aaO). Dann könnten Zuschlagsempfänger wegen Nichterfüllung der Rahmenvereinbarung vertraglich haftbar gemacht werden, wenn sie die von den öffentlichen Auftraggebern geforderten Mengen nicht leisten könnten, selbst wenn diese Mengen die Höchstmenge in der Bekanntmachung und/oder den Vergabeunterlagen überschreiten (vgl. EuGH aaO).

3. Ohne Angabe der Höchstmenge ist das Vergabeverfahren bei fortbestehender Beschaffungsabsicht in den Stand vor Bekanntmachung zurückzuversetzen. Eine Korrektur des Verfahrensfehlers ist nur durch Überarbeitung der Bekanntmachung möglich. Denn bereits aus der Bekanntmachung muss sich für den Bieterkreis die Schätz- und Höchstmenge einer Rahmenvereinbarung ergeben, damit dieser seine Leistungsfähigkeit beurteilen und entscheiden kann, ob er an dem Vergabeverfahren teilnimmt (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Juni 2021, C-23/20).

 
Tenor:

1. Dem Nachprüfungsantrag wird stattgegeben. Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht ist das Vergabeverfahren in den Zustand vor Bekanntmachung zurückzuversetzen. Insoweit sind Bekanntmachung und Vergabeunterlagen unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer zu überarbeiten.

2. Die Kosten des Verfahrens werden auf […] € festgesetzt.

3. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 
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