JVA Bochum
Quelle: Justiz NRW

Nordrhein-Westfalen fordert den Erhalt des Konzepts „Therapie statt Strafe“

Das Landeskabinett hat in dieser Woche beschlossen, in den Bundesrat einen Gesetzesantrag einzubringen, mit dem verurteilte drogenabhängige Menschen weiterhin einen Anspruch auf Bürgergeld haben sollen, wenn sie sich freiwillig während der Strafvollstreckung in Therapie begeben.

Mit der Gesetzesinitiative will Nordrhein-Westfalen sicherstellen, dass der Lebensunterhalt und die medizinische Versorgung der Betroffenen auch während der Therapie gesichert sind und der Weg aus der Sucht nicht an bürokratischen Hürden scheitert. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hatte der Bundesrat auf Initiative von Nordrhein-Westfalen bereits im Februar 2024 beschlossen. Er konnte durch die vorzeitige Auflösung des Bundestags dort aber nicht mehr beraten werden und soll jetzt erneut in den Bundestag eingebracht werden.

Das Prinzip „Therapie statt Strafe“ (§ 35 BtMG) ist in Deutschland seit Jahrzehnten anerkannt: Drogenabhängige, die eine Haftstrafe verbüßen oder antreten müssten, können diese zurückstellen lassen, wenn sie sich freiwillig in eine qualifizierte Therapieeinrichtung begeben. Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts haben verurteilte Personen aber während einer solchen Therapie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Folge: Es entfällt der gesetzliche Krankenversicherungsschutz und der Anspruch auf Bürgergeld.

Minister Dr. Benjamin Limbach: „Das Prinzip ‚Therapie statt Strafe‘ eröffnet suchtkranken Menschen eine echte Chance auf einen Neuanfang und ein straffreies Leben. Ein Scheitern des Konzepts würde bedeuten, dass wir untherapierte Drogenabhängige in die Gesellschaft entlassen müssten. Das können wir uns wegen der damit verbundenen Gefahr der Begehung weiterer Straftaten nicht leisten. Deshalb brauchen wir eine klare gesetzliche Grundlage, die den Weg der Betroffenen aus der Sucht auch finanziell absichert.“

Hintergrund
Mit Urteil vom 5. August 2021 (B 4 AS 58/20 R) hat das Bundessozialgericht entschieden, dass ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II für verurteilte Personen, die sich nach Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG in einer stationären Entwöhnungstherapie befinden, ausgeschlossen ist.

In der Praxis hat diese Rechtsprechung zur Folge, dass für Gefangene, gegen die eine nach § 35 BtMG zurückstellungsfähige Strafe vollstreckt wird, eine Vermittlung in eine notwendige Therapie nach § 35 BtMG erheblich erschwert wird. Denn die Rechtsprechung hat nicht nur Auswirkungen auf den Krankenversicherungsschutz während der Therapie, sondern sie führt insbesondere auch dazu, dass den Verurteilten keine ausreichenden Mittel zur Sicherung ihres Lebensunterhalts während der Therapiemaßnahme zur Verfügung stehen.

Auch besteht in manchen Ländern unter Berufung auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 5. August 2021 kein Zugang mehr zu Leistungen der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Daher steht zu befürchten, dass die Fachkliniken die Aufnahme dieser Personen trotz Kostenzusage verweigern, da die Therapienebenkosten durch die therapiewilligen Personen nicht mehr geleistet werden können oder weil hinsichtlich des Krankenversicherungsschutzes Unklarheiten bestehen.

Der bislang erfolgreiche Ansatz des § 35 BtMG, „Therapie statt Strafe“, droht daher künftig weitgehend ins Leere zu laufen.