Front Staatsanwaltschaft Duisburg
Quelle: Justiz NRW

Staatsanwaltschaft Duisburg: Verfahrensabschluss im Ermittlungskomplex „Bethel“

I.

Der Staatsanwaltschaft Duisburg wurden im Ermittlungskomplex „Bethel“ Ende September 2021 die Ermittlungen gegen verantwortliche Mitarbeiter des Klinikums Bethel übertragen. Im Rahmen der sehr umfangreichen Ermittlungen wurden unter anderem weit über 100 Zeugen vernommen, zwei Sachverständigengutachten eingeholt und IT-Asservate, die eine Gesamtmenge von circa 15 Terabyte umfassen, ausgewertet. Am 25.08.2025 wurde Anklage gegen einen Chefarzt, einen zur Tatzeit angestellten Oberarzt und einen Pflegedienstleiter zum Landgericht Bielefeld erhoben. Den Angeschuldigten wird jeweils tateinheitliche fahrlässige Körperverletzung durch Unterlassen (dem Chefarzt) in zwölf bzw. (dem Oberarzt und dem Pflegedienstleiter) in acht rechtlich zusammentreffenden Fällen zum Nachteil von neun Patientinnen vorgeworfen.

Nach dem Ermittlungsergebnis sedierte der inzwischen verstorbene Assistenzarzt G. während seiner Beschäftigung am Evangelischen Klinikum Bethel während oder nach seinen Diensten insgesamt 34 Patientinnen – zum Teil mehrfach – ohne medizinische Indikation mit dem Narkosemedikament Propofol.

Die Taten zum Nachteil der weiteren 25 Patientinnen ereigneten sich außerhalb des Zeitraums, ab dem eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der Angeschuldigten festgestellt werden konnte.

Den Angeschuldigten wird vorgeworfen, jeweils ab September bzw. November 2019 deutliche Hinweise darauf gehabt zu haben, dass der Assistenzarzt G. ohne medizinische Indikation bei den Patientinnen Zugänge legte und ihnen sedierende Medikamente verabreichte. Bei Anwendung der den Angeschuldigten obliegenden Sorgfalt hätten sie die ihnen bekannten Auffälligkeiten in der Arbeitsweise und Person des Assistenzarztes zusammentragen und in der Gesamtschau bewerten können und müssen. Infolgedessen hätten durch den angeschuldigten Chefarzt und den Pflegedienstleiter insbesondere organisatorische Maßnahmen zur verstärkten Kontrolle des verstorbenen Assistenzarztes veranlasst werden müssen. Zudem wird dem angeschuldigten Chefarzt sowie dem Pflegedienstleiter vorgeworfen, sorgfaltswidrig ihnen bekannte Vorkommnisse und Auffälligkeiten in der Arbeitsweise des Assistenzarztes nicht bzw. nicht vollständig an die Geschäftsführung gemeldet zu haben. Dem angeschuldigten Oberarzt wird insbesondere vorgeworfen, Informationen nicht an seinen Vorgesetzten weitergeleitet und – in Kenntnis, dass durch den angeschuldigten Chefarzt keine vollständige Informationsweiterleitung an die Geschäftsführung erfolgte – ebenfalls eine entsprechende Unterrichtung der Geschäftsleitung unterlassen zu haben.

Nach den durchgeführten Ermittlungen lässt sich der Nachweis, dass die Angeschuldigten die für eine strafrechtliche Verantwortlichkeit erforderliche Kenntnis von den anschließenden sexuellen Übergriffen hatten, nicht führen.

II.

Das Verfahren gegen den Geschäftsführer des Evangelischen Klinikums Bethel ist gemäß § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden. Insoweit konnten im Rahmen der Ermittlungen keine strafrechtlich relevanten Sorgfaltspflichtverletzungen festgestellt werden.

III.

Das Landgericht Bielefeld wird nunmehr über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gilt die Unschuldsvermutung.