Staatsanwältin mit Ermittlungsakte
Quelle: Justiz NRW

Die Stellung der Verletzten im Ermittlungsverfahren

Erläuterung der verschiedenen Positionen der Verletzten im Ermittlungsverfahren

Darstellung der Verfahrensrollen des Verletzten im Ermittlungsverfahren: Anzeigender, Zeuginnen und Zeugen, Privatklage, Nebenklage und sonstige Rechte der Verletzten.

 

Welche Möglichkeiten der Mitwirkung hat das Opfer einer Straftat?

Verletzte (auch "Geschädigte" oder "Opfer" genannt) sind durch eine Straftat stets in stärkstem Maße betroffen. Deswegen hat die rechtspolitische Diskussion bereits seit langem die stärkere aktive Einbeziehung der Verletzten in das Ermittlungs- und Strafverfahren gefordert und in das Gesetz aufgenommen. 

Verfahrensrollen der Verletzten

Verletzte treten im Ermittlungs- und Strafverfahren in verschiedenen Verfahrensrollen auf.

Verletzte als Anzeigende

In einem großen Teil der Ermittlungsverfahren wird die Strafanzeige durch Verletzte erstattet. Damit haben diese Anspruch darauf, von der Staatsanwaltschaft mit einem begründeten Bescheid über die Gründe einer Verfahrenseinstellung unterrichtet zu werden. Als Anzeigende kann man die Überprüfung dieser Entscheidung durch die übergeordnete Generalstaatsanwaltschaft verlangen. Als Verletzte kann man gegen deren Entscheidung - soweit die Einstellung nicht aus einem dem Opportunitätsprinzip zuzurechnenden Grund (§§ 153, 153a, 153b, 154, 154b, 154c StPO) erfolgt ist oder nur ein sog. Privatklagedelikt (§ 374 StPO) in Rede steht - Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 172 ff. StPO) stellen. Der Antrag für ein Klageerzwingungsverfahren kann nur von einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt verfasst werden. Dieser kann für den Verletzten Einsicht in die Ermittlungsakten nehmen.

Die Verletzten als Zeuginnen oder Zeugen

Verletzte können sich bei der Wahrnehmung ihrer Rechte des anwaltlichen Beistands bedienen oder sich vertreten lassen (§ 406f Abs. 1 StPO). Die Anwältin oder der Anwalt kann für die Verletzten bestimmte, näher in § 406e StPO bezeichnete Rechte, beispielsweise das Recht auf Einsicht in die Ermittlungsakten, wahrnehmen; außerdem ist die Anwesenheit bei der Vernehmung der Verletzten gestattet, wo auch das Recht des Verletzten auf Beanstandung von Fragen ausgeübt werden kann.

Zudem haben Verletzte - unter bestimmten Voraussetzungen (etwa bei Vorliegen eines Gewalt- oder Sexualdelikts) - die Möglichkeit, von einer psychosozialen Prozessbegleitung Gebrauch zu machen. Sie unterstützt Verletzte zum Beispiel, indem sie sie über den Ablauf eines Ermittlungs- und Strafverfahrens informiert, sie zu Vernehmungen begleitet, ihnen Hinweise zum Bedarf nach (weiterer) Hilfe gibt oder auch bei der Alltagsbewältigung hilft.

Werden Verletzte als Zeugin oder Zeuge vernommen, kann man beantragen, dass einer Vertrauensperson die Anwesenheit gestattet wird (§ 406f Abs. 2 StPO).

Daneben kann das Gericht unter bestimmten, in § 68b Abs. 2 StPO dargestellten Voraussetzungen Verletzten für die Dauer der Vernehmung einen anwaltlichen Beistand beiordnen.

Verletzte als Zeugin oder Zeuge können ferner

  1. ihre Untersuchung auf bestimmte Spuren oder Folgen einer Straftat grundsätzlich nicht verweigern (§ 81c Abs. 1 StPO). Anderes gilt nur, wenn eine solche Untersuchung bei Würdigung der Gesamtumstände nicht zugemutet werden darf (§ 81c Abs. 4 StPO).
  2. die Antwort auf unangenehme Fragen nicht verweigern, erst recht nicht die Frage falsch beantworten. Fragen, die dem Opfer selbst oder Angehörigen zur Unehre gereichen können - etwa nach dem sexuellen Vorleben des Vergewaltigungsopfers - sollen nur gestellt werden, wenn dies unerlässlich ist. Auch die Frage nach Vorstrafen ist nur in eingeschränktem Umfang zulässig, insbesondere zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit (§ 68a StPO).
  3. im Rahmen der Hauptverhandlung an einem anderen Ort als dem Gerichtssaal audiovisuell (also mit einer Datenübertragung in den Gerichtssaal) vernommen werden, wenn schwerwiegende Nachteile für ihr Wohl bei einer Vernehmung in Gegenwart der in der Hauptverhandlung Anwesenden zu befürchten ist (§ 247a StPO),
  4. den Ausschluss der Öffentlichkeit beantragen, wenn Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich zur Sprache kommen werden, deren Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würden (§ 171 b Abs. 3 GVG). Als solche Umstände kommen die religiöse und politische Überzeugung des Opfers, seine Gesundheit oder sein Sexualverhalten in Betracht, wobei unerheblich ist, ob ihr Bekanntwerden dem Opfer zur Unehre gereichen würde oder nicht.
  5. einem vom Gericht vorgesehenen Ausschluss der Öffentlichkeit widersprechen, wenn sie oder er daran interessiert ist, bestimmte Vorgänge in der öffentlichen Hauptverhandlung zur Sprache zu bringen (§ 171b Abs. 4 GVG).

Kann der Verletzte selbst ein gerichtliches Strafverfahren einleiten?

Verletzte als Privatklägerinnen bzw. -kläger

Bei bestimmten, in § 374 StPO genannten Delikten, beispielsweise

  1. Hausfriedensbruch,
  2. Beleidigung,
  3. Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen,
  4. Verletzung des Briefgeheimnisses,
  5. Körperverletzung,
  6. Nötigung oder Bedrohung,
  7. Bestechlichkeit oder Bestechung im geschäftlichen Verkehr,
  8. Sachbeschädigung,
  9. manchen wettbewerbsrechtlichen Strafbestimmungen und
  10. Verstößen gegen das Markengesetz, das Urheberrechtsgesetz und vergleichbare Vorschriften

können Verletzte selbst das gerichtliche Strafverfahren durch eine Privatklage einleiten. Bei den meisten der oben genannten Delikte setzt die Erhebung der Privatklage die Durchführung eines Sühneversuchs durch eine Vergleichsbehörde, in Nordrhein-Westfalen der bzw. den für den Wohnsitz der oder des Beschuldigten zuständigen Schiedsfrau oder Schiedsmann, voraus (§ 380 StPO). Eine von der Staatsanwaltschaft erhobene öffentliche Klage kommt nur dann in Betracht, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt.

Bei der Privatklage kann man sich anwaltlich vertreten lassen und unter bestimmten weiteren Voraussetzungen Prozesskostenhilfe erhalten. Näheres hierzu finden Sie unter den Ausführungen zum Privatklageverfahren in der Rubrik Strafverfahren.

Kann der Verletzte neben der Staatsanwaltschaft eine aktive Verfahrensrolle ausüben?

Verletzte als Nebenklägerinnen bzw. -kläger

Sind Verletzte Opfer einer der in § 395 StPO genannten Straftaten, beispielsweise durch

  1. eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174 bis 182, 184i bis 184k StGB,
  2. eine Beleidigung nach den §§ 185 bis 189 StGB oder einen Raub bzw. eine räuberischen Erpressung nach den §§ 249 ff. StGB (beide Deliktsgruppen in den besonderen Fällen von § 395 Absatz 3 StPO),
  3. eine Aussetzung oder Körperverletzung nach den §§ 221, 223 bis 226a und 340 StGB, Menschenhandel, Zwangsprostitution, Zwangsarbeit, Ausbeutung der Arbeitskraft, Menschenraub, eine Entziehung Minderjähriger, Kinderhandel, Zwangsheirat, Nachstellung, eine schwere Freiheitsberaubung, einen erpresserischen Menschraub, eine Geiselnahme oder eine schwere Nötigung nach den §§ 232 bis 238, 239 Abs. 3, 239a und 239b StGB und § 240 Absatz 4
  4. eine Zuwiderhandlung nach § 4 GewSchG oder
  5. einen versuchten Mord oder Totschlag nach §§ 211 und 212 StGB

verletzt worden, so können sie sich der von der Staatsanwaltschaft erhobenen öffentlichen Klage als Nebenklägerin bzw. -kläger anschließen. Das gleiche gilt für einige weitere Fälle, etwa die Eltern, Kinder, Geschwister und Ehegatten eines durch eine rechtswidrige Tat Getöteten. Das Nähere hierzu finden Sie unter den Ausführungen zur Nebenklage in der Rubrik Strafverfahren.

Nebenklageberechtigte Verletzte

Auch Geschädigte, die nach dem Vorstehenden berechtigt sind, als Nebenklägin oder -kläger aufzutreten, sind berechtigt, sich eines anwaltlichen Beistands zu bedienen oder sich vertreten zu lassen. Die Nebenklagevertretung hat bestimmte, näher in §§ 397 Abs. 2, 406f Abs. 1, 406g Abs. 2 StPO bezeichnete Rechte. Auf  ihren Antrag werden die Verletzten vom Gericht über den Termin zur Hauptverhandlung informiert (§ 214 Abs. 1 StPO).

Sonstige Rechte der Verletzten im Strafverfahren

Welche sonstigen Rechte hat der Verletzte im Strafverfahren?

Verletzte hat unter anderem folgende weitere Rechte:

  1. Auf Antrag wird Verletzten die Einstellung des Verfahrens mitgeteilt (§ 406d Abs. 1 StPO).
  2. Auf Antrag wird Verletzten unter bestimmten weiteren Voraussetzungen mitgeteilt, wenn gegen die oder den Beschuldigten oder Verurteilten freiheitsentziehende Maßnahmen angeordnet oder beendet werden (§ 406d Abs. 2 StPO).
  3. Auf Antrag ist die Anwesenheit einer Vertrauensperson bei der eigenen Vernehmung zu gestatten (§ 406f Abs. 2 StPO).
  4. Durch eine im Strafverfahren erhobene Zivilklage können Verletzte erreichen, dass im Strafverfahren zumindest dem Grunde nach über ihre aus der Tat resultierenden Ansprüche entschieden wird; insoweit kann auch im Strafverfahren ein Vergleich über die aus der Straftat erwachsenden zivilrechtlichen Ansprüche protokolliert werden (§§ 403 bis 406 StPO).
  5. Verletzte sind über ihre vorstehenden Rechte zu belehren (§ 406i StPO).
  6. Außerdem soll er auf die Möglichkeit, Unterstützung und Hilfe auch durch Opferhilfeeinrichtungen zu erhalten, hingewiesen werden (§ 406i  Nr. 5 StPO).
  7. Auf Antrag sollen der nebenklageberechtigte Verletzte vom Gericht über den Termin zur Hauptverhandlung informiert werden (§ 214 Abs. 1 StPO).

Verantwortlich: Der Präsident des Oberlandesgerichts Köln, Stand: 2025