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Informationen für ehrenamtliche Richterinnen und Richter

Näheres insbesondere zu Wahl, Amtsperiode, Rechten und Pflichten der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter beim Finanzgericht.

Entscheidungen der Finanzgerichte ergehen – wie auch alle anderen Gerichtsentscheidungen in der Bundesrepublik Deutschland – im Namen des Volkes. Durch die Beteiligung von ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern wird eine unmittelbare Mitwirkung des Volkes an Gerichtsentscheidungen bewirkt. Die rechtlichen Grundlagen hierzu sind in §§ 16-30 der Finanzgerichtsordnung enthalten.

Die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter, die im Regelfall keine juristische Ausbildung haben, bringen ihre außer-rechtlichen Erfahrungen und Kenntnisse in den Entscheidungsprozess ein. Dies trägt dazu bei, dass lebensnahe und für die Allgemeinheit verständliche Gerichtsentscheidungen ergehen.

Nach obenVoraussetzungen, Dauer, vorzeitige Beendigung der ehrenamtlichen Tätigkeit 

Die beim Finanzgericht mitwirkenden ehrenamtlichen Richterinnen und Richter werden von einem Wahlausschuss, der bei jedem Finanzgericht bestellt ist, aus den dortigen Vorschlagslisten gewählt. Die Vorschlagsliste stellt die Präsidentin oder der Präsident des Finanzgerichts nach Anhörung der im Finanzgerichtsbezirk aktiven Berufsvertretungen (Gewerkschaften, Kammern, Verbände usw.) auf.

Wählbar sind Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und ihren Wohnsitz oder ihre gewerbliche bzw. berufliche Niederlassung innerhalb des Gerichtsbezirks haben. Zusätzlich soll die Person das fünfundzwanzigste Lebensjahr vollendet haben. 

 

Gewisse, in § 18 FGO näher bezeichnete Personen sind von diesem Ehrenamt ausgeschlossen. Wer als ehrenamtliche Richterin oder als ehrenamtlicher Richter ausgewählt ist, hat dem Gericht das Vorliegen oder spätere Eintreten eines solchen Ausschlussgrundes anzuzeigen. 

Zur Verhinderung von Interessen- und Pflichtenkonflikten können darüber hinaus Angehörige bestimmter Berufsgruppen nicht für das Ehrenamt berufen werden, § 19 FGO.

Im Übrigen hat jede Staatsbürgerin und jeder Staatsbürger grundsätzlich die verfassungsmäßige Pflicht zur Übernahme ehrenamtlicher Tätigkeiten. Die Berufung kann daher nur in Ausnahmefällen abgelehnt werden, § 20 FGO.

Die Amtszeit der gewählten Personen beim Finanzgericht beträgt fünf Jahre. Sie bleiben bis zur folgenden Neuwahl durch den Wahlausschuss im Amt. Eine vorzeitige Abberufung ist nur unter den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen und gegen den Willen der ehrenamtlichen Richterin oder des ehrenamtlichen Richters nur durch gerichtliche Entscheidung möglich, § 21 FGO.

Nach obenRichterliche Tätigkeit

Die Senate der Finanzgerichte entscheiden in der Besetzung mit drei Berufsrichterinnen oder Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richterinnen oder Richtern. Diese wirken bei der mündlichen Verhandlung und der Urteilsfindung mit gleichen Rechten wie die Berufsrichterinnen und Berufsrichter mit. Sie können in der mündlichen Verhandlung Fragen stellen und haben bei der Urteilsfindung das gleiche Stimmrecht wie die weiteren Mitglieder des Senats.

Bei bestimmten Entscheidungen des Gerichts außerhalb der mündlichen Verhandlung (Beschlüsse, Gerichtsbescheide) sowie an Einzelrichterverfahren wirken ehrenamtliche Richterinnen und Richter nicht mit.

Allgemeine Informationen zu den Aufgaben und dem Aufbau der Finanzgerichtsbarkeit finden Sie in der Rubrik Aufgaben und Struktur.

Nach obenUnabhängigkeit und Unparteilichkeit

Die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter sind in gleichem Maße wie die Berufsrichterinnen und Berufsrichter unabhängig und nur den Gesetzen unterworfen. Sie sind in ihrem Richteramt an Weisungen oder Aufträge nicht gebunden.

Oberste Pflicht aller Richterinnen und Richter ist die Unparteilichkeit. Zu vermeiden ist jegliches äußeres Verhalten, das geeignet sein könnte, bei anderen Personen Zweifel an der Unparteilichkeit zu erwecken. Insbesondere darf das Verhalten der Richtenden in der mündlichen Verhandlung oder während einer Verhandlungspause bei den Beteiligten nicht den Eindruck einer Voreingenommenheit erwecken. Daher sind z.B. Fragen während der Verhandlung so zu formulieren, dass bei keinem Beteiligten der Anschein entsteht, man würde für eine Seite Partei ergreifen oder wäre in seiner Meinung festgelegt und nicht mehr bereit, die von den Beteiligten vorgebrachten Gründe in die eigenen Überlegungen einzubeziehen.

Unter Umständen ist die ehrenamtliche Richterin oder der ehrenamtliche Richter im Einzelfall von der Amtsausübung kraft Gesetzes ausgeschlossen, § 51 Abs. 1, 2 FGO i.V.m. § 41 ZPO.

Darüber hinaus kann eine ehrenamtliche Richterin oder ein ehrenamtlicher Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden (§ 42 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 51 Abs. 3 FGO).

Fühlt sich die ehrenamtliche Richterin oder der ehrenamtliche Richter selbst bei der Entscheidungsfindung nicht völlig frei oder liegt ein anderer Grund vor, der Misstrauen gegen die Unparteilichkeit rechtfertigen könnte, so ist dies dem Gericht unverzüglich anzeigen. Der Senat wird dann darüber entscheiden, ob tatsächlich ein Grund für die Annahme der Befangenheit besteht.

Nach obenZuteilung zu einem Senat

Die Aufteilung der beim Finanzgericht anhängigen Verfahren auf die einzelnen Senate und die Besetzung der Senate folgt festen Regeln, die jährlich im Voraus vom Präsidium des Gerichts festgelegt werden.

Dadurch wird die Zusammensetzung des Senats von vornherein so festgelegt, dass eine willkürliche Senatsbesetzung für Einzelfälle ausgeschlossen wird.
Auch die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter werden bestimmten Senaten zugewiesen und in einer festgelegten Reihenfolge zu den einzelnen Senatssitzungen herangezogen. Die Verteilung obliegt dem Präsidium des Gerichts, welches aus der Präsidentin oder dem Präsidenten und acht gewählten Mitgliedern des Gerichts besteht.

 

Nach obenHeranziehung zur Sitzung

Die Anzahl der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter ist in jedem Senat so bemessen, dass voraussichtlich jeder bis zu dreimal im Jahr zu einer Sitzung geladen wird.

Die Ladung erfolgt etwa 2 bis 3 Wochen vor einer Sitzung. Die Teilnahme an der Sitzung muss umgehend bestätigt oder unter Angabe der Gründe abgesagt werden.
Bei einer unvorhergesehenen Verhinderung (z.B. plötzliche Erkrankung, Unfall) muss das Gericht unverzüglich, am besten telefonisch, informiert werden.

Auch im Fall einer kurzfristigen Verhinderung muss für die ordnungsgemäße Durchführung der anberaumten Gerichtsverhandlung eine Ersatzperson an der Sitzung teilnehmen. Für derartige Fälle existiert eine weitere Liste, in der ehrenamtliche Richterinnen und Richter aufgeführt sind, die am oder in der Nähe des Gerichtssitzes wohnen bzw. dort tätig sind.
Die Dauer eines Sitzungstages hängt im Wesentlichen von der Anzahl und dem Umfang der Streitfälle ab, die zur Verhandlung anstehen.

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Nach obenPflicht zur Teilnahme an den Sitzungen

Die Teilnahme an Sitzungen gehört zu den Amtspflichten der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter. Die für den jeweiligen Sitzungstag bestimmte Person ist der "gesetzliche Richter" im Sinne des Grundgesetzes. Ein Fernbleiben ist daher nur aus zwingenden Gründen, wie z.B. wegen Urlaubs, Krankheit oder unvermeidbarer und vorrangiger beruflicher Pflichten, erlaubt. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind für die Teilnahme an den Sitzungen freizustellen.

Nach obenKleidung

Berufsrichterinnen und Berufsrichter tragen in den mündlichen Verhandlungen Roben. Für ehrenamtliche Richterinnen und Richter gibt es keine Bekleidungsvorschriften. Bei der Auswahl der Kleidung sollte jedoch auf die Würde des Gerichts Rücksicht genommen werden.

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Nach obenVereidigung

Vor der ersten Teilnahme an einer Senatssitzung werden ehrenamtliche Richterinnen und Richter durch die Senatsvorsitzende oder den Senatsvorsitzenden vereidigt. Der Wortlaut des Eides wird entweder nachgesprochen oder abgelesen. Der Eid kann mit oder ohne religiöse Beteuerung ("so wahr mir Gott helfe") geleistet werden. Ist die Verwendung einer anderen Beteuerungsformel einer Religions- oder Bekenntnisgemeinschaft gewünscht, sollte dies rechtzeitig vor der Eidesleistung mitgeteilt werden.

Die Vereidigung gilt für die Dauer der Amtszeit. Erfolgt eine Wiederwahl, gilt die Vereidigung auch für die sich unmittelbar anschließende Amtszeit.

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Nach obenAblauf der mündlichen Verhandlung

Grundlage der finanzgerichtlichen Entscheidung über die Klage ist regelmäßig die mündliche Verhandlung, die öffentlich stattfindet. Sie wird von dem oder der Vorsitzenden eröffnet und geleitet. Für den Ablauf und die Gestaltung der Verhandlung gelten folgende Grundsätze:

  • Ehrenamtliche Richterinnen und Richter müssen sich auch bei unübersichtlichen Sachverhalten und schwierigen Rechtsfragen eine eigene Meinung bilden. Die Berufsrichterinnen und Berufsrichter stehen ihnen dabei zur Seite. Zur Einführung in den Streitstoff dient insbesondere der Vortrag der Berichterstatterin oder des Berichterstatters bzw. der Vorsitzenden oder des Vorsitzenden zu Beginn der mündlichen Verhandlung, in dem der wesentliche Inhalt der Akten wiedergegeben wird. Berichterstatterin oder Berichterstatter ist das Senatsmitglied, welches das anstehende Verfahren eingehend vorbereitet hat. Soweit zum Verständnis nötig, wird dieses Senatsmitglied bereits bei dem Vortrag, spätestens aber in der anschließenden Beratung, auf die für die Entscheidung wichtigen Gesetzesbestimmungen eingehen.
  • Häufig werden die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter vor Beginn der mündlichen Verhandlung von einem Senatsmitglied in die rechtliche Problematik eingeführt. Die übrigen Mitglieder des Senats haben die Streitsachen in der Regel vorberaten und wissen, worauf es voraussichtlich ankommen wird und was besonders zu beachten sein dürfte.
  • Im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung können die Verfahrensbeteiligten, also die klagende Person bzw. deren Prozessbevollmächtigte und die Vertreterin oder der Vertreter der beklagten Behörde, den vorgetragenen Sachverhalt - gegebenenfalls auf Nachfrage des Gerichts - ergänzen und/ oder richtig stellen.
  • Im Anschluss daran wird die Streitsache mit den Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert.
  • Unter Umständen wird zur Klärung von entscheidungserheblichen Tatsachen eine Beweisaufnahme (z.B. durch Vernehmung von Zeugen) durchgeführt.
  • Die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter sind an allen während der mündlichen Verhandlung zu erlassenden Entscheidungen des Senats beteiligt. Sie sind berechtigt und verpflichtet, auf die Aufklärung derjenigen Gesichtspunkte hinzuwirken, die ihnen wesentlich erscheinen. Sie können den Prozessbeteiligten, den Zeugen und etwaigen Sachverständigen Fragen stellen. Ungeeignete und nicht zur Sache gehörende Fragen kann die Vorsitzende oder der Vorsitzende allerdings zurückweisen.

Gegen Ende der mündlichen Verhandlung stellen die Beteiligten ihre Anträge. Wenn die Senatsmitglieder keine Fragen mehr haben und keiner der Beteiligten mehr das Wort wünscht, wird die mündliche Verhandlung geschlossen und der Senat zieht sich zur Beratung zurück.

Nach obenBeratung und Abstimmung

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit tritt das Gericht in die Beratung und Abstimmung ein.
Die Beratung ist ein Kernstück der Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter. Hier unterbreitet zunächst die Berichterstatterin oder der Berichterstatter einen Entscheidungsvorschlag und begründet diesen. Sodann setzen sich die übrigen Mitglieder des Gerichts mit diesem Vorschlag auseinander. Die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter sollten sich nach dem Inhalt der mündlichen Verhandlung eine eigene, ggf. auch kritische Meinung bilden und sie in der Beratung zur Diskussion stellen.

Bei der abschließenden Abstimmung über den Entscheidungsvorschlag haben alle Mitglieder des Senats das gleiche Stimmrecht. Die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter tragen dieselbe Verantwortung wie die Berufsrichterinnen und Berufsrichter. Das Gericht entscheidet mit der Mehrheit der Stimmen. Es wird in folgender Reihenfolge abgestimmt: Zuerst stimmt die Berichterstatterin oder der Berichterstatter, dann die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter - und zwar beginnend mit der jüngeren oder dem jüngeren -, schließlich die weiteren Berufsrichterinnen und Berufsrichter und dabei zuletzt die Vorsitzende oder der Vorsitzende ab. Eine Stimmenthaltung ist nicht zulässig. Ebenso wenig darf die Abstimmung über eine Frage deshalb verweigern werden, weil die Mehrheit des Gerichts eine Richterin oder einen Richter bei einer vorangegangenen Frage überstimmt hat.
An dem Sitzungstag eines Senates können auch Entscheidungen „ohne" mündliche Verhandlung anstehen. Wenn die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben, wird der Streitfall ausschließlich in der Beratung von der Berichterstatterin oder dem Berichterstatter vorgetragen, sodann von allen erörtert und entschieden. Auch bei der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung haben alle fünf Richterinnen und Richter die gleichen Rechten.
Bei der Abfassung der schriftlichen Entscheidungsgründe wirken die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter nicht mit. Das Urteil wird auch nicht von ihnen nicht unterschrieben bzw. bei der elektronischen Abfassung signiert.

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Nach obenBeratungsgeheimnis und Steuergeheimnis 

Die Beratung ist geheim. Die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter unterliegen einer Schweigepflicht. Sie dürfen Außenstehenden, also auch ihren Familienangehörigen oder Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen, nichts über den Ablauf bei der Beratung und der Abstimmung erzählen. Ebenso müssen sie das Steuergeheimnis wahren.

Damit unterliegen ehrenamtliche Richterinnen und Richter einer generellen Verschwiegenheitspflicht hinsichtlich der Verhältnisse Dritter sowie fremder Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen bei der richterlichen Tätigkeit bekannt werden.

Diese Verpflichtungen gelten auch nach Beendigung der Amtstätigkeit.

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Nach obenAufwandsentschädigung 

Ehrenamtliche Richterinnen und Richter erhalten für ihre Tätigkeit eine finanzielle Entschädigung. Auch ein Verdienstausfall wird innerhalb bestimmter Höchstbeträge ersetzt. Diese Entschädigung ist verhältnismäßig niedrig; sie soll nur sicherstellen, dass durch die Ausübung des Ehrenamts keine unbillige, wirtschaftliche Belastung entsteht. Außerdem ist ein Ersatz von Fahrtkosten und Parkgebühren möglich. Die Einzelheiten sind in dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz geregelt. Die Erstattung der Kosten wird von der Verwaltung des Gerichts abgewickelt.

Ehrenamtliche Richterinnen und Richter haben die Entschädigung für Verdienstausfall zu versteuern. Die Entschädigung für Zeitversäumnis ist dagegen nicht zu versteuern. Näheres ergibt sich aus dem
Urteil des Bundesfinanzhofs vom 31.01.2017 (Az. IX R 10/16)