Quelle: Justiz NRW
Diskussionsvorschläge für die Arbeitsgerichtsbarkeit der Zukunft: Zweite Stufe des Beteiligungsprozesses startet
Minister Dr. Benjamin Limbach hat am Mittwoch, 12. November 2025, gemeinsam mit den Präsidenten der Landesarbeitsgerichte Dr. Holger Schrade, Dr. Jürgen vom Stein und Dr. Christoph Ulrich ein Diskussionspapier zur Arbeitsgerichtsbarkeit der Zukunft in Nordrhein-Westfalen vorgestellt. Nach einem viermonatigen Beteiligungsprozess mit Interessenvertretungen enthält das Diskussionspapier konkrete Vorschläge, wie die Arbeitsgerichtsbarkeit in einer veränderten Arbeitswelt und unter veränderten Rahmenbedingungen leistungsfähig aufgestellt werden kann.
Minister Dr. Limbach: „Wer vom Verlust seines Arbeitsplatzes betroffen ist, braucht Arbeitsgerichte, die gut erreichbar sind, rechtzeitig entscheiden und verlässlich handeln. Unsere Arbeitsgerichte müssen daher auch in Zukunft für die Menschen in Nordrhein-Westfalen leistungsstark und praxistauglich aufgestellt sein. Das Gleiche gilt für die Unternehmen, die als Rückgrat unserer Wirtschaft auf eine schnelle und hochwertige Rechtsprechung angewiesen sind. Mit unseren Vorschlägen für den weiteren Reformprozess gehen wir jetzt die Herausforderungen an, die durch die Folgen des demografischen Wandels und grundlegende Veränderungen in der modernen Arbeitswelt bei den Gerichten entstehen. Wir wollen zugleich attraktive Arbeitsbedingungen und effiziente Verwaltungsstrukturen schaffen und dadurch den veränderten Anforderungen der Arbeitswelt gerecht werden. Für die zahlreichen Vorschläge, Anregungen und Stellungnahmen in diesem beispiellosen Beteiligungs-und Diskussionsprozess danke ich allen Beteiligten. Wir werden auf dieser Grundlage jetzt in einer nächsten Phase das Gespräch mit den Interessenvertretungen fortsetzen.“
Veränderte Rahmenbedingungen
Die Arbeitsgerichtsbarkeit verfügt aufgrund einer historisch gewachsenen Struktur in Nordrhein-Westfalen über eine Vielzahl sehr kleiner Einheiten. Rund 700 Mitarbeitende verteilen sich auf 33 Standorte. Der Personalbestand bei den Arbeitsgerichten ist in den letzten zehn Jahren um 10 Prozent gesunken, weil es im selben Zeitraum auch einen deutlichen Rückgang der Verfahrenszahlen gab: um über 20 Prozent bei den Urteilsverfahren und 43 Prozent bei Beschlussverfahren.
Es gibt viele kleine Gerichte, an denen vier oder weniger Richterinnen und Richter beziehungsweise insgesamt kaum mehr als ein Dutzend Mitarbeitende beschäftigt sind. An kleinen Standorten, an denen die Arbeitsgerichte nicht in Justizzentren untergebracht sind, kann beispielsweise schon der Ausfall eines Wachtmeisters oder einer Wachtmeisterin dazu führen, dass vor Ort niemand mehr für Sicherheit sorgen kann. Ähnlich sieht es auf den Rechtsantragsstellen aus: Fallen Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger aus, die Anträge von Bürgerinnen und Bürgern aufnehmen, können diese Anträge nicht mehr bearbeitet werden.
Auch die Präsenzkultur in den Gerichten hat sich verändert: Gerichtsverfahren werden immer häufiger digital geführt, Mitarbeitende nutzen die Möglichkeit, flexibel von zu Hause aus zu arbeiten. Das sind geänderte Rahmenbedingungen, die auch in der Justiz Berücksichtigung finden müssen.
Diskussions- und Beteiligungsprozess
Die Arbeitsgerichte stehen damit vor personellen und organisatorischen Herausforderungen, wie ein einfacher Zugang zum Recht nachhaltig sichergestellt werden kann. Vor diesem Hintergrund hat das Landeskabinett im Juni ein Eckpunktepapier zur „Arbeitsgerichtsbarkeit der Zukunft in Nordrhein-Westfalen“ verabschiedet und einen Diskussions- und Beteiligungsprozess angestoßen. Es wurde durch das Ministerium der Justiz und die Präsidenten der Landesarbeitsgerichte der kontinuierliche Dialog mit den Vertretungen der Justizbeschäftigten, der Anwaltschaft, der Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter geführt, um Lösungsansätze für Reformmaßnahmen zu ermitteln.
Vorschläge des Diskussionspapiers: Bildung größerer Einheiten
Das Diskussionspapier schlägt auf der Grundlage dieses Diskussions- und Beteiligungsprozesses die Bildung größerer Einheiten und zukünftig 17 anstatt bisher 33 Arbeits- und Landesarbeitsgerichte in Nordrhein-Westfalen vor. Durch lokale Gerichtstage und erstmals auch auswärtige Kammern soll für alle Rechtssuchenden auch zukünftig in ihrer Region ein Arbeitsgericht schnell und unkompliziert erreichbar sein. Unter Einbeziehung der Gerichtstage und auswärtigen Kammern bleiben die Arbeitsgerichte für Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen sogar an rund 40 Standorten in Nordrhein-Westfalen präsent. Die Kombination aus Gerichtsstandorten, auswärtigen Kammern und Gerichtstagen gewährleistet, dass die Arbeitsgerichtsbarkeit weiterhin an zahlreichen Standorten erreichbar ist.
Ein wesentlicher Vorteil der Konzentration: Größere Gerichtsstandorte können Arbeitsgerichte sicherstellen, in denen Menschen vor Ort persönlich ansprechbar sind. Sie ermöglichen nicht nur eine bessere personelle und technische Ausstattung, sondern auch eine effizientere Zusammenarbeit: Personalausfälle und Besetzungslücken können in einer Struktur ab einer bestimmten Größe besser abgefangen und der kollegiale Austausch gefördert werden. Außerdem kann ein lokaler IT-Service aufgebaut werden, um den digitalen Zugang zu den Gerichten zu verbessern und für die Bediensteten die Möglichkeit zu schaffen, flexibler zu arbeiten.
Mit den Vorschlägen des Diskussionspapiers sollen damit die Erreichbarkeit der Kammern dauerhaft gewährleistet bleiben, geringere Wartezeiten bei der Entgegennahme von Anträgen anfallen, Ausfälle von Verhandlungen vermieden werden und die hohe Qualität der Rechtsprechung sichergestellt werden.
Weiterer Reformprozess
Die nun vorgelegten Diskussionsvorschläge beruhen maßgeblich auf den bisher in diesem Prozess gewonnenen Erkenntnissen und sollen bis Ende des Jahres auf der Ebene des Ministeriums der Justiz mit den beteiligten Interessenvertretungen erörtert werden. Der weitere Diskussions- und Beteiligungsprozess soll in eine abschließende Empfehlung für eine Reform der Arbeitsgerichtsbarkeit in Nordrhein-Westfalen münden, die Anfang des kommenden Jahres der Landesregierung zur Entscheidung vorgelegt wird.
Unterlagen aus dem Beteiligungs- und Diskussionsprozess
Eckpunktepapier und Diskussionspapier