Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Düsseldorfer Arbeitsrechtsdialog – Tarifautonomie und Gleichbehandlung
Quelle: Justiz NRW
Am 01.12.2025 trafen sich über hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der arbeitsrechtlichen Praxis und Wissenschaft im Haus der Universität am Schadowplatz zum traditionellen Düsseldorfer Arbeitsrechtsdialog mit dem aktuellen "Thema Tarifautonomie und Gleichbehandlung im Licht des Karlsruher Paukenschlags". Als Referenten begrüßte der Präsident des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf Dr. Christoph Ulrich den profunden Kenner dieser Materie Prof. Dr. Matthias Jacobs von der Bucerius Law School in Hamburg.
Der Vortrag beleuchtete das grundlegende Spannungsverhältnis zwischen Tarifautonomie und Gleichbehandlung, ausgehend von der "Jahrhundertentscheidung" des Bundesverfassungsgerichts zu unterschiedlich hohen tariflichen Nachtarbeitszuschlägen. Auf der Grundlage der - vom Referenten kritisch gewürdigten - Prämisse, dass die Gleichheitskontrolle aus Art. 3 Abs. 1 GG als Korrelat zur Normwirkung auf Tarifverträge Anwendung findet, begrüßte dieser die beiden weiteren Feststellungen des Bundessverfassungsgerichts. Die richterliche Kontrolle der Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung werde bei Tarifverträgen im Grundsatz zutreffend wieder auf eine Willkürkontrolle zurückgeführt. Rechtsfolge sei - vom Bundesverfassungsgericht vorgegeben - keine richterliche "Anpassung nach oben". Die Korrektur einer Ungleichbehandlung obliege zunächst den Tarifvertragsparteien selbst.
Vor diesem Hintergrund würdigte Prof. Dr. Jacobs die jüngsten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zu tariflichen Mehrarbeitszuschlägen bei Teilzeitbeschäftigten im Kontext von § 4 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz kritisch. Auch im Anwendungsbereich des Unionsrechts sei die in der Grundrechtecharta verankerte Tarifautonomie zu berücksichtigen. Das Bundesarbeitsgericht hätte, statt den Klagen stattzugeben, die Sache in Bezug auf den sachlichen Grund mindestens dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorlegen müssen. Es sei zu fragen, ob die Tarifautonomie beim sachlichen Grund auch unionsrechtlich (wieder) stärker zu berücksichtigen sei. Gleiches gelte im Ergebnis für die primäre Korrekturkompetenz der Tarifvertragsparteien als neue Regel-Rechtsfolge. Dazu habe der Europäische Gerichtshof für den Grundsatz der Nichtdiskriminierung wegen Teilzeitbeschäftigung noch nichts entschieden. Die Rechtsfolge sei unionsrechtlich nicht vollständig determiniert, so dass die primäre Korrekturkompetenz sogar unmittelbar anwendbar sei.
Diese Thesen wurden vom Plenum anschließend lebhaft und kontrovers diskutiert.
Der Düsseldorfer Arbeitsrechtsdialog wird bereits seit 1988 von dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf gemeinsam mit den Sozialpartnern DGB, ver.di, unternehmer nrw, dem Unternehmensverband Handwerk NRW in Kooperation mit der Juristischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität und dem Deutschen Arbeitsgerichtsverband veranstaltet.