Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Lösungsmittel in der Trinkflasche - Entgeltfortzahlung bei Kopfschmerzen - Beleidigung auf Türkisch oder Missverständnis? -
Die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf verhandelt am Dienstag, den 18.11.2025, zwei Kündigungsschutzverfahren und ein Verfahren wegen Entgeltfortzahlung.
In dem ersten Kündigungsschutzverfahren geht es um die fristlose Kündigung eines Auszubildenden, der als „Scherz“ Lösungsmittel in die Trinkflasche eines anderen Auszubildenden gefüllt hatte, aus der ein weiterer Auszubildender trank. Im zweiten Verfahren stellt sich die Frage, ob der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert ist und dem Kläger Entgeltfortzahlung für 15 Tage wegen Kopfschmerzen und Konzentrationsschwäche zusteht. Im dritten Verfahren wendet sich der Kläger gegen eine ordentliche Kündigung wegen angeblicher Beleidigung. Die Parteien streiten insbesondere darüber, welcher in türkischer Sprache getätigte Ausspruch gefallen ist: "Du hast die Mutter der Schicht gefickt", eine unanständige Beleidigung, oder "Du hast die Schichtmutter weinen lassen", eine Beschwerde über zu viel Arbeitsdruck.
Einzelheiten zu den Verfahren, Sitzungsaal und Uhrzeit finden sich in den nachfolgenden Einzelpressemitteilungen.
Lösungsmittel in der Trinkflasche eines Kollegen:
Schlechter "Scherz" unter Auszubildenden oder fristlose Kündigung?
Verhandlung am Dienstag, den 18.11.2025 um 10.30 Uhr
Saal 107 des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf
Der Kläger absolvierte seit dem 01.09.2024 bei der Beklagten, einem metallverarbeitenden Unternehmen, eine Ausbildung zum Verfahrenstechnologen. Im Rahmen der allgemeinen Sicherheitsunterweisung wurde der Kläger über den Umgang mit Gefahrstoffen geschult. Dabei wurde er darauf hingewiesen, in keinem Fall Gefahrstoffe in nicht gekennzeichnete (Trink-)Gefäße zu füllen, weil hiervon erhebliche gesundheitliche Gefahren ausgehen können.
Am 17.01.2025 gegen 08.20 Uhr füllte der Kläger das Lösungsmittel 100 USI, einen konzentrierten und gesundheitsgefährdenden Superfettlöser, in die Trinkflasche eines anwesenden Mitauszubildenden. Beide gingen zur Pause und ließen die Trinkflasche unbeaufsichtigt auf der Werkbank zurück. Dort stand sie auch noch gegen 12.30 Uhr. Ein anderer Auszubildender trank gegen 14.00 Uhr aus der Trinkflasche. Da der Inhalt komisch schmeckte, spuckte er diesen sofort wieder aus. Nach internen Ermittlungen und Anhörung des Klägers kündigte die Beklagte das Ausbildungsverhältnis mit Schreiben vom 29.01.2025 fristlos. Der andere beteiligte Auszubildende erhielt eine Abmahnung.
Der Kläger wendet sich gegen die Kündigung. Er behauptet, dass die Trinkflasche nur Spuren des Reinigungsmittels (Sprühstoß) enthalten habe, die keine ernsthafte Gefahr darstellen würden. Er habe nur den anwesenden Mitauszubildenden ärgern wollen. Die Kündigung sei unverhältnismäßig und verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, weil der Mitauszubildende wegen des gleichen Fehlverhaltens, die Trinkflasche nicht sofort entsorgt zu haben, nur eine Abmahnung erhalten habe.
Das Arbeitsgericht Duisburg hat die Klage abgewiesen. Es sei unerheblich, wie viel Lösungsmittel sich in der Flasche befunden habe. Allein die Tatsache, dass der Kläger trotz der Unterweisungen wissentlich eine Gefahr geschaffen habe, genüge um die fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Hinzu komme das unbeaufsichtigte Zurücklassen der Trinkflasche. Nicht zu beanstanden sei, dass der Mitauszubildende nur abgemahnt worden sei. Es sei letztlich der Kläger gewesen, der das Lösungsmittel in die Trinkflasche gefüllt und sich dementsprechend mehr zu verantworten habe.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen Kündigungsschutzantrag weiter.
Landesarbeitsgericht Düsseldorf - 3 SLa 346/25
Arbeitsgericht Duisburg, Urteil vom 04.06.2025 - 4 Ca 280/25
Entgeltfortzahlung nach Eigenkündigung - Kopfschmerzen
Verhandlung am Dienstag, den 18.11.2025 um 12.00 Uhr
Saal 107 des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf
Der Kläger, ein bei einem Serviceunternehmen eines Verkehrsbetriebes beschäftigter Elektroniker, kündigte sein Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 15.03.2024 zum 30.04.2024. Die Personalabteilung wies ihn zutreffend darauf hin, dass er eine tarifliche Kündigungsfrist von zwei Monaten zum 31.05.2024 einzuhalten habe. Daraufhin beschwerte sich der Kläger bei seinem Vorgesetzten und kündigte an, dass er zum 30.04.2024 aufhören würde.
Der Kläger arbeitete dann bis zum 06.05.2024. Am 07.05.2024 meldete er sich per E-Mail bei seinem Vorgesetzten bis zum 21.05.2024 arbeitsunfähig krank. Anschließend nahm er seinen Resturlaub von sieben Tagen. Der 30.05.2024 war ein Feiertag. Am 31.05.2024 sollte der Kläger von 07:00 bis 13:00 Uhr arbeiten und danach seine Firmengegenstände abgeben. Er erschien nicht zur Arbeit, sondern gegen 11:00 Uhr in Privatkleidung, um die ihm überlassenen Firmengegenstände abzugeben.
Der Kläger verlangt von der Beklagten Entgeltfortzahlung in Höhe von 1.362,60 Euro brutto für den Zeitraum vom 07.05.2024 bis zum 21.05.2024. Er habe in diesem Zeitraum an starken Kopfschmerzen und Konzentrationsschwäche gelitten. Nach seiner Vermutung sei dies durch den Stress am Arbeitsplatz ausgelöst worden. Dem widerspricht die Beklagte. Der Kläger habe schlicht nicht mehr arbeiten wollen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Beweiswert der dem Kläger erteilten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum vom 07.05.2024 bis zum 21.05.2024 sei u.a. aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs mit der Eigenkündigung und der Ankündigung nach dem 30.04.2024 nicht mehr arbeiten zu wollen, erschüttert. Aufgrund der schriftlichen Aussage der Hausärztin des Klägers habe das Gericht nicht feststellen können, ob der Kläger tatsächlich an Kopfschmerzen und Konzentrationsschwäche gelitten oder schlicht „keine Lust“ mehr gehabt habe, für die Beklagte zu arbeiten.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen Entgeltfortzahlungsanspruch weiter. Das Landesarbeitsgericht hat die Hausärztin des Klägers als Zeugin geladen.
Landesarbeitsgericht Düsseldorf - 3 SLa 138/25
Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 06.02.2025 - 10 Ca 3837/24
Beleidigung auf Türkisch oder Missverständnis?
Verhandlung am Dienstag, den 18.11.2025 um 13.00 Uhr
Saal 107 des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf
Der Kläger arbeitete seit dem Jahr 2020 bei der Beklagten, die als Teil einer Handelsgruppe ein Verteilzentrum betreibt, zuletzt als "Sortation Associate" in Dauernachtschicht.
Mit Schreiben vom 09.04.2024 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung mit dem Vorwurf, seinen Arbeitsplatz verlassen zu haben, sowie eine Abmahnung mit dem Vorwurf, Vorgesetzte beleidigt zu haben.
Am 24.08.2024 kam es zu Differenzen mit der neuen Vorgesetzten des Klägers. Die Beklagte behauptet, die Anweisung der Vorgesetzten andere Mitarbeiter zu unterstützen habe der Kläger ignoriert. Er habe zu dieser gesagt, dass sie ihm nichts sagen könne. Sie sei noch ein Kind. Als diese ihn gebeten habe, die Halle zu verlassen, um sich zu beruhigen, habe der Kläger aufbrausend reagiert und auf Türkisch gesagt: "Du hast die Mutter der Schicht gefickt". Dem widerspricht der Kläger. Er habe in türkischer Sprache gesagt "Du hast die Schichtmutter weinen lassen". Dies bedeute im Deutschen sinngemäß, es werde in der Schicht viel Druck ausgeübt. Der türkische Ausdruck könne leicht missverstanden und mit der unanständigen Version der Beklagten verwechselt werden. Wegen der Entfernung und Lautstärke sei er falsch verstanden worden.
Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 18.09.2024 ordentlich zum 31.10.2024 gekündigt. Die hiergegen erhobene Kündigungsschutzklage des Klägers hatte vor dem Arbeitsgericht Krefeld keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Ausführungen des Klägers zu der Bedeutung der Äußerungen für widersprüchlich und unbeachtlich erachtet. Aufgrund der bereits einschlägigen Abmahnung sei die Kündigung sozial gerechtfertigt.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger insbesondere seinen Kündigungsschutzantrag weiter. Das Landesarbeitsgericht hat mehrere Zeugen und eine Dolmetscherin für die türkische Sprache geladen.
Landesarbeitsgericht Düsseldorf - 3 SLa 699/24
Arbeitsgericht Krefeld, Urteil vom 14.11.2024- 1 Ca 1201/24