Verwaltungsgericht Gelsenkirchen: „Villa Kunterbunt“ in Bochum muss geräumt werden
Die „Villa Kunterbunt“ in Bochum-Werne muss geräumt werden. Bei einer weiteren Nutzung bestehen Gefahren für Menschenleben wegen gravierender Brandschutzmängel. Dies hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen durch Beschlüsse vom 10. Dezember 2025 entschieden.
Die „Villa Kunterbunt“ ist eine Doppelhaushälfte im Eigentum der Stadt Bochum. Eine Hälfte wird von einer Mieterin und einem Mieter genutzt. Die andere Hälfte wird besetzt, nachdem die letzten Mieter Ende der 1970er Jahre ausgezogen sind. Die Stadt Bochum hat den Mietern sowie Hausbesetzerinnen und Hausbesetzern mit Ordnungsverfügungen vom 27. November 2025 die Nutzung mit Wirkung ab dem 11. Dezember 2025 dauerhaft untersagt. Frühere Ordnungsverfügungen hat sie aufgehoben. Das Gericht hat die Örtlichkeit in Augenschein genommen (s. Pressemitteilung vom 04. November 2025, https://www.vg-gelsenkirchen.nrw.de/behoerde/presse/pressemitteilungen/31_251104/index.php).
Die 5. Kammer der Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen hat die von den Betroffenen gegen die Nutzungsuntersagung gerichteten Eilanträge abgelehnt. Die weitere Wohnnutzung der Doppelhaushälften verstößt gegen Brandschutzvorschriften. In einem Brandfall, mit dem immer zu rechnen ist, kann weder die Rettung von Personen aus der Villa Kunterbunt noch der Schutz von Einsatzkräften der Feuerwehr gewährleistet werden. Dies hat die Kammer aufgrund des Ortstermins, dort angefertigter Lichtbilder, einer Stellungnahme des Leiters der Berufsfeuerwehr Bochum sowie einer Stellungnahme eines Ingenieurbüros für Brandschutz festgestellt. Bei dem Gebäude sind zwei unabhängige Rettungswege erforderlich. In dem Gebäude ist kein sicherer Rettungsweg vorhanden.
Über das Treppenhaus ist ein sicherer Rettungseinsatz der Feuerwehr im Brandfall nicht möglich. Dies hat ebenso der Leiter der Berufsfeuerwehr der Stadt Bochum bekundet. In dem Treppenhaus bestehen zahlreiche dokumentierte Mängel. Die tragenden Teile des Treppenhauses, wie Stufen, Treppenläufe sowie Podeste, sind aus Holz und damit aus brennbarem Material. Elektroleitungen im Treppenhaus sind nicht fachgerecht verlegt, sondern offen auf der Wand. Kabel und Rohre sind ohne brandschutztechnische Abdichtung („ungeschottet“) durch Treppenraumwände und Geschossdecken geführt. Vom Treppenhaus abgehende Holztüren schließen nicht dicht und weisen teils Öffnungen auf. Darüber hinaus fehlen teilweise Abtrennungen vom Treppenhaus zu weiteren Räumen. Dies sind erhebliche Brandgefahren. Ein Rettungsweg mittels Rettungsfahrzeugen der Feuerwehr steht im Brandfall nicht zur Verfügung. Auf dem Grundstück ist zu wenig Platz für ein Hubrettungsfahrzeug der Feuerwehr, weil ausreichende Rangierfläche fehlt. Das Gebäude kann nicht vom Straßenraum aus angeleitert werden. Dem stehen Bäume im Weg. Zudem weist der ebenso zu Aufenthaltszwecken genutzte Keller erhebliche Brandschutzmängel auf. Die Kellerdecke weist nicht die nötige Feuerwiderstandsdauer auf. Teilweise ist die Decke sogar abgängig und nur provisorisch abgestützt. Einem Feuer wird die Kellerdecke kaum standhalten. Auf die Brandschutzmängel hatte die Kammer im Ortstermin hingewiesen. Die Betroffenen haben die Mängel danach nicht abstellen können. Sie haben Rauchmelder, CO-Melder, kleine Feuerlöscher und Nebelhörner angebracht. Dies kann nicht die akute Gefahr einer Brandentstehung wegen der gravierenden baulichen Mängel vermeiden.
Auf Bestandsschutz aus ursprünglichen Baugenehmigungen können sich die Betroffenen nicht berufen. In der Vergangenheit ist das Gebäude erheblich umgebaut worden. Insbesondere im Dachgeschoss sind die beiden Doppelhaushälften durch einen Durchbruch miteinander verbunden. Den Mietern steht kein grundrechtlicher Nutzungsschutz aus ihrem Mietvertrag zu. Denn ihr fortdauernder Aufenthalt zu Wohnzwecken ist mit erheblichen Gefahren für ihr Leben bzw. ihre Gesundheit verbunden. Die Betroffenen können der Stadt Bochum nicht entgegenhalten, sie habe die Zustände jahrzehntelang geduldet und dürfe nun nicht mehr tätig werden. Die Bauordnungsbehörde kann ihre hoheitliche Befugnis zur Gefahrenabwehr nicht verwirken. Denn sie hat die Pflicht, im öffentlichen Interesse für rechtmäßige Zustände zu sorgen.
Gegen die früheren Ordnungsverfügungen geäußerte Bedenken bestehen gegen die neuen Nutzungsuntersagungen nicht mehr. Sie sind hinreichend bestimmt. Die Stadt Bochum hat den Betroffenen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit Ersatzwohnungen und weitere Hilfsangebote zur Verfügung gestellt.
Die Beschlüsse sind noch nicht rechtskräftig. Den Antragstellerinnen und Antragstellern steht jeweils die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu.
Die Beschlüsse sind zur Veröffentlichung bei www.nrwe.de vorgesehen.
Aktenzeichen: 5 L 2215/25 (Mieter), 5 L 2403/25 (Hausbesetzer)